Photo: Aly Ramirez from Unsplash (CC 0)

Familienwerte werden ja gerne von Konservativen als ein ganz entscheidendes Merkmal einer gesunden Gesellschaft dargestellt. Liberalen wird dagegen „Hyperindividualisierung“ unterstellt und Linken, dass sie überkommene Strukturen zugrunde richten (wollen) durch „Gender-Gaga“ und Beliebigkeit. Vor diesem Hintergrund hat ein Ereignis der letzten Woche die Doppelmoral vieler selbsterklärter Konservativer in den Vereinigten Staaten dramatisch offengelegt.
Was für ein herzerwärmender Anblick war es, als der 17jährige Sohn des Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz, in liebevoller Erschütterung vor den Fernsehkameras des ganzen Landes in Tränen ausbrach und seinem ganzen Sohnesstolz freien Lauf ließ. Da war kein möchtegern-cooles Teenagergehabe zu sehen, sondern ein Mensch, der sich geliebt weiß und lieben will, und genau dadurch eine erstaunliche Souveränität an den Tag legte. Wer wünscht sich nicht, dass seine Kinder, Eltern, Partner oder Freunde so positiv auf einen reagieren? Ohne Scheu vor Zehntausenden von Menschen. Ein Musterbeispiel von Familie, sollte man meinen.
Doch eine Horde von Kommentatoren aus dem rechten Lager in den USA stürzten sich auf dieses ikonische Bild und verspotteten und erniedrigten den jungen Mann. Da kann man sich das Gerede von Werten, Traditionen und vom christlichem Erbe auch sparen.
Auch den Liberalen würde es gut tun, etwas aus ihrer Coolness-Ecke herauszukommen und das Potential menschlicher Emotionalität positiv zu besetzen. Eine offene Gesellschaft, in der Menschen ungehindert von Gewalt und Zwang ihre Ziele verfolgen können, wird sicherlich in einem Umfeld positiver und offener Emotionalität besser gedeihen als dort, wo Menschen ihre Gefühle unterdrücken und das dann wiederum mit demonstrativer Härte kompensieren müssen. Es gibt dafür einen wunderbaren Lebensratschlag des britischen Dichters Alexander Pope, den der liberale Vordenker Adam Ferguson in seinem „Essay on the History of Civil Society“ zitiert: „Man, like the generous vine, supported lives; The strength he gains, is from th’embrace he gives“.

Photo: Adrian Degner from Unsplash (CC 0)

–0,1%. Deutschlands BIP ist im zweiten Quartal gesunken. Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft hält damit schon länger an. Gleichzeitig zeigt ein Blick über den Teich, wie es besser geht: die Vereinigten Staaten wachsen zurzeit fleißig weiter. So weit müssen wir aber gar nicht schauen. Auch in der Eurozone, bei unseren direkten Nachbarn, sieht es rosiger aus als bei uns.
Die grauen Wolken hängen hier in Deutschland insbesondere über der Industrie. Angesichts hoher Steuern und enormer Energiepreise liebäugelt so manches Unternehmen mit anderen Standorten. Was also tun gegen den Niedergang der Industrie, die doch, so zumindest der Tenor, das Fundament des deutschen Wohlstandes ist?
Aber dieser Tenor ist grundfalsch. Die ursprünglich starke deutsche Industrie – und auch die Industrialisierung generell – ist nämlich lediglich das Symptom eines funktionierenden Wirtschaftssystems, in dem innovative und engagierte Unternehmer in freier Konkurrenz und innerhalb eines gesicherten Rechtsrahmens um die Gunst der Konsumenten wetteifern. Das ist es, was Deutschland lange Zeit ausgezeichnet hat und den Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung der Bundesrepublik gelegt hat. Der Versuch, nun die Industrie – oder andere Sektoren – durch Einzelmaßnahmen zu schützen, ist somit vorrangig ein Herumdoktern an den Symptomen. Zwar mag es hie und da sinnvolle Maßnahmen geben, etwa eine geänderte staatliche Energiepolitik (es ist ja doch schwer vorstellbar, eine schlechtere Energiepolitik zu betreiben, als es Deutschland in den letzten Jahrzehnten getan hat). Aber entscheidend ist das Fundament: ein offenes Wirtschaftssystem, in dem jede die Freiheit hat, ihre Ideen am Markt zu testen, gleichzeitig aber auch verantwortlich dafür ist, welche Risiken sie eingeht. Notwendig ist also die radikale Abkehr von Energiepolitik, Industriepolitik und Co, die ein Herumdoktern an Symptomen darstellen. Und stattdessen die Hinwendung zu grundsätzlichen Systemfragen.

Photo: Annie Spratt from Unsplash (CC 0)

Deutschland rutscht immer weiter hinein in die Staatswirtschaft. Eine neue Studie des Flossbach von Storch Research Institutes zeigt das eindrücklich. Sie erschien erst diese Woche. Das Gutachten von Dr. Philipp Immenkötter kann ich nur empfehlen.
Sie belegt, dass DAX-Konzerne in den vergangenen acht Jahren bis zu 44 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen erhielten. Im Jahr 2023 wurden gar mehr als fünfmal so viele Subventionen an deutsche Großkonzerne ausgezahlt als noch im Jahr 2016. Die größten Profiteure der öffentlichen Gelder sind der Energiekonzern E.ON, gefolgt vom Autobauer VW und dem Energieversorger RWE.
Bei all den Vorteilen und der konzentrierten Prioritätensetzung des Gutachtens will ich einen Punkt betonen: die so offensichtlich schlechte Prioritätensetzung des Staates. Der Ökonom Michael Munger von der Duke University in den Vereinigten Staaten nennt dies gerne das „Einhorn-Problem“ der Politik. Ständig verlangen Bürger nach dem Staat, wenn es um die Lösung großer Herausforderungen geht: der Staat soll sich um Migration kümmern, die Kinderarmut beseitigen und die grüne Transformation voranbringen. Dabei immer wieder wird klar: der Staat scheitert.
Überhaupt: Den Staat gibt es nicht, genauso wenig wie Einhörner. Statt des Staates gibt es Politiker: Menschen mit individuellen Schwächen. Und es sind nicht die besten Menschen, die es an die Spitzer der Politik schaffen. Der Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek beschrieb das schon in seinem Klassiker „Der Weg zur Knechtschaft“. Die Anreize des politischen Betriebs bringen nicht die Schlauesten oder Moralischsten an die politische Macht, sondern diejenigen mit dem größten Willen zur Macht.
Das beste Mittel, um sich als Bürger vor der Machtgier der Politiker zu schützen ist daher, nicht nach dem „Staat“ zu rufen, sondern sich echte Politiker vorzustellen: Björn Höcke soll sich um Migration, Sarah Wagenknecht um die Kinderarmut und Wolfgang Kubicki um die grüne Transformation kümmern. Wenn man dem Staat den Einhorn-Charme nimmt, schwindet das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des „Staates“ schnell.
Die Flossbach-Studie gibt diese nötige Portion Realität. Egal welche Krise Deutschland trifft – Corona, Ukraine oder Klimawandel – oft wird nach staatlicher Hilfe gerufen. Doch statt wie ein Einhorn zur Rettung, eilen die allzu realen Politiker lieber den Großkonzernen zur Hilfe und geben das Geld für fragwürdige Subventionen aus. Aus dem „Klima- und Transformationsfonds“ und dem „Wirtschaftstabilisierungsfonds“ werden zu großen Teilen deutsche Konzerne gefördert statt den Menschen  zu helfen, die das Geld wirklich brauchen: Kindern, Obdachlosen oder den Helden in der Ukraine.
An dieser Fehlallokation sind nicht nur Politiker schuld. Auch die übersteigerte Erwartung an die Politik trifft eine Mitschuld. Die Regeln des politischen Spiels geben ihnen zu großem Anreiz, knappe Steuermittel an die Unternehmen nah am Politischen zu geben statt an die wirklich Bedürftigen. Mutige Politiker, die sich gegen diese allzu menschliche Neigung stellen sind selten. Sie dürfen nicht als Schablone für unsere Forderungen an die Politik sein.
Wir als Liberale müssen diese Entwicklungen mit Argusaugen beobachten und immer, und immer wieder betonen, dass Politiker Menschen und keine Einhörner sind.

DAX-Konzerne erhalten Milliarden an Subventionen

Foto: Murewa Saibu from Unsplash (CC 0)

Letzten Dienstag kam ein junger Mann bei uns im Büro vorbei, der für die Werte des Liberalismus brennt und mehr über unsere Arbeit erfahren wollte. Oft ergeben sich im Rahmen solcher intensiven Gespräche ja auch für einen selbst Erkenntnisse. Und einen solchen Moment konnte ich am Dienstagabend erfahren:
Im Laufe unseres Gesprächs kamen wir auch auf die Bedrohungen der freien und offenen Gesellschaft in unseren Tagen. Dazu machen sich zu Recht viele Menschen Gedanken. Manche sehen sie im „schleichenden Sozialismus“, andere in der „Ökodiktatur“ und viele auch im wachsenden Zuspruch für rechtsradikale Bewegungen und Meinungen. Manchmal ist man aber auch gefangen in den eigenen Narrativen, die einem über Jahre lieb geworden sind. Gerade Menschen, die als Akademiker, Journalisten oder Politiker mithin ihr ganzes Leben danach ausgerichtet haben, welches Narrativ ihnen besonders plausibel erschien, tun sich schwer damit, von diesen Narrativen Abstand zu nehmen, weil das so unglaublich viel von ihrem Einsatz und ihrer Persönlichkeit entwerten würde.
Wenn man eine präzise Risikoabschätzung vornehmen will, kann es durchaus hilfreich sein, sich auf Menschen zu verlassen, die nicht betriebsblind sind, also Außenstehende. Ein noch präziseres Ergebnis könnten diejenigen Beobachter unserer Gesellschaft liefern, die am meisten zu gewinnen haben, wenn die freie Welt kollabiert. Man kennt das aus der Welt des Internets: Oft sind Hacker vertrauter mit Systemen als diejenigen, die sie gebaut haben.
Wenn man also die Sollbruchstelle der freien Gesellschaften erkennen möchte, kann es Sinn ergeben, zu beobachten, auf welche Punkte deren größte systemische Gegner, der russische und der chinesische Staat, am meisten abzielen. Und siehe da: Putin und Xi und deren Schergen setzen ziemlich deutlich auf ein Pferd. Ihr Wetteinsatz gilt nicht dem ungezügelten Wachstum der Wohlfahrtsstaaten und nicht dem Verbrennerverbot. Sie setzen vielmehr darauf, dass der Westen am meisten Selbstzerstörungspotenzial entfalten dürfte, wenn man Rechtsradikale und Rechtspopulisten aller Couleur stärkt: von der AfD über Orban und Trump bis hin zu nur noch nominell links stehenden Politikern wie Wagenknecht und Mélenchon.
Wir, denen die Freiheit so sehr am Herzen liegt, müssen sehr aufmerksam registrieren, von wo aus sie am meisten bedroht wird. Wenn wir Kämpfe von gestern ausfechten, kann es sein, dass wir irgendwann von hinten überrollt werden.

Foto: Tom Radetzki from Unsplash (CC 0)

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Donald Trumps größter Sündenbock, die Migranten, ihm einmal das Leben retten würden? Hätte sich der Ex-Präsident nicht im Moment des Attentatsversuchs am 13. Juli leicht zur Seite gedreht, um auf einen Bildschirm zu deuten, wäre Trump vermutlich getötet worden. Auf dem Bildschirm war eine Statistik zu sehen, die die steigende Zahl irregulärer Grenzüberschreitungen in die USA zeigte.
Ich lebe seit einigen Jahren mit meiner Familie in den USA und möchte mir nicht ausmalen, welche Wendung die amerikanische Geschichte mit einer Ermordung Trumps genommen hätte. Dass Hardcore-Trumpisten zu den Waffen greifen würden, weil sie überzeugt wären, der „demokratische Deep State“ hätte ihren Messias auf dem Gewissen, erscheint mir alles andere als unrealistisch.
Und das führt mich zur eigentlichen Lehre aus dem Trump-Attentat: Gerade deutsche Kommentatoren attestieren den USA eine nie dagewesene politische Radikalisierung als Symptom unserer Zeit. Trotz des Anschlags ist das etwas, das ich im amerikanischen Lebensalltag so nicht nachvollziehen kann. Die meisten Menschen radikalisieren sich nicht, sie wenden sich ab. Mittlerweile identifizieren sich knapp die Hälfte der Wähler als „Independent“ anstatt mit einer der beiden Parteien – ein Rekord. Für viele sind alle Präsidentschaftswahlen seit dem Ende der Obama-Administration schlicht eine Wahl zwischen Pest und Cholera, die man irgendwie versucht zu verdrängen.
Was allerdings nie dagewesene Ausmaße angenommen hat, ist der Hang (oder Drang) zum Verschwörungsgeraune. Es dauerte keine 30 Minuten, da war Twitter voll mit abenteuerlichem Nonsens. Demokraten waren sich sicher, dass das Attentat von Trump inszeniert wurde, um sich als Opfer zu stilisieren. Republikaner sahen den vermeintlichen Deep State hinter dem kolossalen Versagen des Secret Service. Dahinter stehen Unfähigkeit oder Unwille, dem politischen Gegenüber abzunehmen, dass es aus purer Überzeugung argumentiert und nicht etwa durch dunkle Mächte gesteuert. Die Vorstellung, dass andere aus eigenem Antrieb von der eigenen absoluten Wahrheit abweichen ist für viele mittlerweile unbegreiflich. Anstatt sich mit abweichenden Sichtweisen auseinanderzusetzen, und zu versuchen sie zu verstehen, wird Andersdenkenden direkt die ideelle Integrität abgesprochen.
Und das gilt auch in eigener Sache. Seit Monaten sind Prometheus und unser Partner das „Atlas Network“ Gegenstand einer solchen Verschwörungskampagne. Auf Grundlage zusammengereimter Verbindungen und getrieben von einem jede Rationalität überlagernden Feindbilddenken werden wir in die ultrarechte Ecke gestellt. So behaupteten sowohl ein vom WDR produzierter Beitrag in der Sendung „Monitor“ als auch der „SPIEGEL“-Kolumnist Christian Stöcker, wir wären die deutsche Ausgabe des Trumpismus. Alles basierend auf einer vermeintlichen Verbindung zwischen dem durch und durch liberalen Atlas und der mittlerweile absolut verachtenswerten amerikanischen Heritage Foundation.
Allerdings finden sich für die Atlas-Mitgliedschaft der Heritage Foundation keinerlei Belege – geschweige denn dass sie zitiert würden. Deshalb haben wir unsere Freunde von Atlas gebeten, diese Sache ein für allemal klarzustellen. Auf Nachfrage wurde uns eindeutig bestätigt, was uns bereits plausibel erschienen war: Heritage ist seit mindestens 2020 kein Partner von Atlas. Das ist nur logisch, denn das rechtspopulistische Wirken von Heritage ist mit den Idealen von Atlas und unserer vielen tollen und inspirierenden Partner im Netzwerk absolut unvereinbar.

Stellungnahme zur Spiegel Kolumne der Masterplan für den fossilen Gottesstaat

Stellungnahme zum ARD Monitor Beitrag vom 04.04.2024