Beiträge

Photo: Vladimir Pustovit from Flickr (CC BY 2.0)

Was zeichnet eigentlich eine moderne Gesellschaft aus? Ist es ihr Wohlstand, die Infrastruktur oder sind es ihre technischen Errungenschaften? Nein, es sind bestenfalls auch die Ergebnisse einer offenen Gesellschaft. Doch hier sind moderne Gesellschaften nicht alleine. Auch Saudi-Arabien kennt Wohlstand und eine gute Infrastruktur, obwohl das Land die Meinungsfreiheit unterdrückt und Steinigungen und Todesstrafen regelmäßig vollzieht. Und auch China kennt einen wachsenden Wohlstand, obwohl die Kommunistische Partei Chinas alles beherrscht und Andersdenkende einsperrt.

Eine moderne Gesellschaft zeichnet in erster Linie aus, dass sie offen für Neues ist und Widerspruch nicht nur zulässt, sondern ihn braucht. Das ist nicht selbstverständlich. Denn das Neue ist unbekannt, unsicher und möglicherweise auch mit Risiken behaftet. Eine moderne Gesellschaft verlässt sich nicht auf die Regierung. In einer modernen Gesellschaft verlässt sich der Einzelne erst mal auf sich selbst und dann auf sein näheres Umfeld, die Familie und Freunde, und erst an letzter Stelle greift der Staat und sein Netz an Hilfen ein.

In einer modernen Gesellschaft sind „die da oben“ auch nicht so wichtig. Sie sind die Dienstleister der Bürger. Nicht die Bürger sind in dieser Gesellschaft zur Transparenz verpflichtet, sondern die Regierung und ihre Organe. Zu diesem Idealzustand muss eine offene Gesellschaft immer wieder erneut streben. Das ist oft leichter gesagt als getan. Denn Regierungen und Parlamente streben nach Macht und Einfluss. Diese Macht ist im Rechtsstaat aber begrenzt durch das Gesetz. Doch auch das Gesetz kann Recht aushebeln. Jüngste Beispiele sind das Netzdurchsetzungsgesetz der großen Koalition, wo die Betreiber von Sozialen Netzwerken wie Facebook zu Hilfssheriffs der Regierung degradiert werden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Das Recht muss daher immer von einer offenen Gesellschaft verteidigt werden. Die Gleichheit vor dem Recht ist dabei der Maßstab. Es darf keine Unterschiede machen, ob jemand arm oder reich ist oder Einfluss bei den Oberen hat oder nicht. Dieses Recht unterliegt einem kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. Was vor hundert Jahren als unrecht empfunden wurde, muss heute längst nicht mehr unrecht in den Augen einer Gesellschaft sein. Früher war der Ehebruch nicht nur vor dem Gesetz verboten, sondern auch Unrecht in den Augen der Gesellschaft. Seitdem findet ein gesellschaftlicher Wandel statt, der auch die Gesetzgebung beeinflusst hat. Seit 1969 wird der Ehebruch nicht mehr strafrechtlich sanktioniert und seit 1977 wird die Schuldfrage bei Scheidungen nicht mehr hinterfragt. Die hohen Scheidungsraten lassen auch einen gesellschaftlichen Wandel im Rechtsempfinden der Menschen erkennen. Das muss man nicht gut finden, dennoch verändert sich die Gesellschaft.

Damit gesellschaftlicher Wandel stattfinden kann und Regierungen ihre persönliche Meinung nicht zum Maßstab aller erklären, müssen Gesetze allgemein, abstrakt und für alle gleich sein. Wenn Regierungen Einzelfallgerechtigkeit per Gesetz durch immer neue Paragrafen herstellen wollen, dann verschlimmbessern sie das Recht. Es wird bürokratisch, interventionistisch und damit ungerecht. Der Einzelne versteht es nicht mehr, muss sich einen Rechtsbeistand nehmen, den wiederum nicht jeder sich leisten kann. Damit wird das Gesetz ungerecht, weil es nur noch auf dem Papier für jeden gleich ist.

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist in seiner Wirkung auch gerecht. Die Sozialgesetzgebung in Deutschland ist das beste Beispiel für diese Einzelfallgerechtigkeit. Sie hilft nicht den wirklich Bedürftigen, sondern auch denjenigen, die sich eigentlich selbst helfen können. Letztere zahlen das mit ihren Steuern und Abgaben, die ein Rekordniveau erreichen und den Staat immer fetter und einflussreicher machen. Auch das führt zu immer mehr Unfreiheit. Haben Sie Mut zu Recht und Freiheit!

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung.

Photo: Wikimedia Commons

Seitdem es Handel gibt, stehen Kaufleute in einem schlechten Ruf. Ihnen wird Profitgier vorgeworfen, betrügerische Absichten und Ausbeutung. Dabei ist es in erster Linie ihr Verdienst, dass wir in einer immer besseren und friedlicheren Welt leben.

Der Händler macht ein Geschäft, der Held bringt ein Opfer

Der Ökonom und Soziologe Werner Sombart (1863-1941) verfasste 1915 eine Schrift unter dem Titel „Händler und Helden – Patriotische Besinnungen“, gegliedert in drei Teile: „Englisches Händlertum“, „Deutsches Heldentum“ und „Die Sendung des Deutschen Volkes“. Hier findet sich auf nur wenigen Seiten zusammengefasst die Summe der Vorurteile, die gegenüber den Kapitalisten und „Kommerzialisten“ im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende aufgebaut wurden. Händler sind für ihn geistlose Menschen, die nur nach dem eigenen Vorteil suchen und den Weg des geringsten Widerstands einschlagen. Der Gegensatz zu dieser verkommenen Gestalt ist die Person des Helden:

„Händler und Held: sie bilden die beiden großen Gegensätze, bilden gleichsam die beiden Pole aller menschlichen Orientierung auf Erden. Der Händler, sahen wir, tritt an das Leben heran mit der Frage: was kannst du Leben mir geben; er will nehmen, will für möglichst wenig Gegenleistung möglichst viel für sich eintauschen, will mit dem Leben ein gewinnbringendes Geschäft machen; das macht: er ist arm; der Held tritt ins Leben mit der Frage: was kann ich dir Leben geben? er will schenken, will sich verschwenden, will sich opfern – ohne Gegengabe; das macht: er ist reich. Der Händler spricht nur von ‚Rechten‘, der Held nur von Pflichten, die er hat.“

Alte Vorurteile, immer wieder neu aufgebrüht

Es ist eine alte Geschichte: Schon die antiken Griechen hatten dem Gott Hermes nicht nur die Zuständigkeit für Diebe zugeschrieben, sondern auch für Händler. Oft mischen sich auch antisemitische Stereotype in die Abneigung gegenüber den „Krämerseelen“, wie etwa in Shakespeares Drama „Der Kaufmann von Venedig“ oder in etlichen Erzählungen des schwäbischen Märchenautors Wilhelm Hauff. Und heutzutage wird dieses unselige Erbe weitergetragen von Globalisierungsgegnern an den beiden Rändern des politischen Spektrums. Anständige Menschen, so der Grundtenor, findet man auf dem Acker, an der Werkbank oder in der Fabrik (oder auch auf dem Schlachtfeld, wenn man Sombart folgt). Die Schurken hingegen verleihen das Geld, das andere erwirtschaftet haben und zu dem sie auf unehrlichem Wege gekommen sind, zu überhöhten und natürlich nicht verdienten Zinsen. Sie leben von der Arbeit anderer Hände. Anstatt im Schweiße ihres Angesichts mit den eigenen Händen etwas zu fertigen, profitieren sie vom bloßen Handeln und von ihrer Hinterlist und Tücke.

Mit der Realität von Kaufleuten, Händlern und Unternehmern haben all diese Klischees sehr wenig zu tun. Das Gegenteil ist der Fall: Die Menschen, die Sombart und seine rechten und linken Gesinnungsgenossen als Helden darstellen, sind alles andere als Helden. Die Krieger und Kämpfer – für ein vermeintliches Vaterland, für soziale Gerechtigkeit, gegen den „Ausverkauf unserer Kultur“ und gegen „die da oben“ –, diese vermeintlichen Helden sind in der Regel getrieben von Angst. Sie kennen keinen anderen Weg zum Erreichen ihrer Ziele als die Gewalt. Sie sind nicht erfinderisch und nicht experimentierfreudig. Sie sind leicht manipulierbar und suchen den Applaus. Helden sind aus einem ganz anderen Stoff gemacht!

Mit Heldenmut ins Unbekannte

Die wahren Helden in der Menschheitsgeschichte sind die Händler gewesen. Denn sie haben immer wieder Barrieren überwunden und haben sich auf Abenteuer eingelassen, deren Ausgang ganz und gar ungewiss war. Ihre Stärke und Motivation kommt nicht durch Beifall und Verehrung der Gruppe, sondern kommt aus ihrem eigenen Selbstbewusstsein und ihrem Drang zur Verbesserung – statt zur Vernichtung. Die ersten Händler, so haben bedeutende Ökonomen wie Friedrich August von Hayek und Herbert Giersch es versucht zu rekonstruieren, waren Männer und Frauen, die sich aus ihrer kleinen Gruppe herausgetraut haben. Wagemutige und entdeckungsfreudige Menschen, die angefangen haben, mit Fremden in Austausch zu treten. Die die Angst überwunden haben, die der Unbekannte bei uns unwillkürlich auslöst – und die dem Impuls widerstanden haben, ihm den Schädel einzuschlagen um der vermeintlichen eigenen Sicherheit willen.

Doch nicht nur wegen ihres Mutes sind sie Helden. Sondern auch, weil dieser Mut – ob beabsichtigt oder nicht – die Ursache dafür ist, dass wir in einer gesünderen, wohlhabenderen und friedlicheren Welt leben. Erst die Bereitschaft, die anderen nicht als Gegner, sondern als mögliche Partner aufzufassen, hat dazu geführt, dass die Schrift erfunden wurde, Penicillin entdeckt wurde, Smartphones gebaut wurden und Bauern aus der bittersten Armut kommen, indem sie sich auf Kaffeeanbau oder Rinderhaltung spezialisieren. Wenn wir zu Menschen aufblicken wollen, dann sollten das nicht die Che Guevaras oder Hindenburgs sein, sondern die Frauen und Männer, die seit Jahrtausenden ihre Bastkörbe, Schrauben und Computerprogramme in die Welt getragen haben und unser aller Leben verbessert haben. Wie selbst Sombart sehr zutreffend in seinem Text feststellte: „Die theoretische Stellung des Händlers zum Kriege ergibt sich ohne weiteres aus seinen Grundansichten: sein Ideal muß der allgemeine ‚ewige‘ Friede sein.“

Photo: Ms Salo from Flickr (CC BY 2.0)

Nach Brexit und Trump ging in den letzten Monaten häufiger ein erleichterter Seufzer durch Europa: Österreich, die Niederlande, Frankreich und auch Großbritannien vor einem Monat schienen zu zeigen: der Trend ist aufgehalten. Eine neue Studie deutet an: so sicher ist das noch nicht.

Nachhaltiger und beständiger Erfolg für die Populisten

Die Studie, die von unseren schwedischen Partnern, der Denkfabrik Timbro, verantwortet und von dem europaweiten Netzwerk Epicenter vorgestellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass populistisch-autoritäre Parteien über die letzten knapp vierzig Jahre in Europa einen konstanten Zuwachs erfahren. Sechs Kriterien machen sie aus, die diese Politiker, Parteien und Bewegungen ausmachen – unabhängig davon, ob sie sich auf der rechten oder linken Seite des Spektrums einordnen: Selbstdarstellung als Kämpfer gegen eine korrupte und verfilzte Elite. Unzufriedenheit mit den bisweilen langwierigen Prozessen und unbefriedigenden Ergebnissen eines Rechtsstaats. Die Forderung nach mehr direkter Beteiligung des Volkes. Der Ruf nach dem starken Staat – als Polizei- und Militärstaat auf der rechten Seite; in der Forderung nach Verstaatlichung auf der linken. Starke Vorbehalte gegenüber EU, Zuwanderung, Globalisierung, Freihandel und der NATO. Und eine revolutionäre Terminologie, die grundlegende Veränderungen fordert.

Der anhaltende Zuwachs an Wählerstimmen hat sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten exponentiell gesteigert. So ist innerhalb der EU der Stimmenanteil der sich selbst als Anti-Establishment bezeichnenden Parteien seit der Krise 2007/08 von etwa 10 % auf fast 20 % gestiegen. Und in der Tat: in Österreich hat fast die Hälfte der Wähler für den FPÖ-Kandidaten gestimmt; in den Niederlanden haben Geert Wilders Partei und einige ähnliche Kleinparteien noch einmal zugelegt. In Frankreich haben Le Pen und Melenchon im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl über 40 % der Stimmen geholt, bei der Parlamentswahl hatten sie gemeinsam im ersten Wahlgang mehr Stimmen als die Bewegung von Macron. Und in Großbritannien hat die Labourpartei unter dem Linkspopulisten Jeremy Corbyn bei der Wahl 3,5 Millionen Stimmen hinzugewinnen können.

Die gemäßigten Pragmatiker verlieren an Boden

Die stärksten Verlierer dieses Trends sind die beiden großen politischen Bewegungen der Nachkriegs- bzw. Nachwendezeit: Konservative und Christdemokraten haben in den letzten zwanzig Jahren europaweit 4,7 Prozent der Wähler eingebüßt, Sozialdemokraten 4,1 Prozent, während die liberalen Kräfte erstaunlicherweise ziemlich gleichgeblieben sind. Autoritäre Populisten haben sich allerdings von 7,9 auf 15,4 Prozent hochgearbeitet und nehmen derzeit rund 17,5 Prozent der Sitze in allen europäischen Parlamenten ein. In neun Staaten sind sie an Regierungen beteiligt. International sind sie immer besser vernetzt, wobei vor allem die russische Regierung eine Schlüsselstellung bei der Förderung einnimmt – rechts wie links.

In den meisten europäischen Ländern ist die Front gegenüber diesen aufkommenden Strömungen noch relativ klar: Von Podemos in Spanien und Cinque Stelle in Italien bis zum Front National und Geert Wilders. Allerdings gibt es eben auch Fälle wie die Labour Party, die von linken Populisten gekapert wurde, oder die SPÖ, die sich vorsichtig der FPÖ öffnet. Ob Einbinden oder Ausschließen die richtige Methode ist – keiner weiß es so recht. Die große Gefahr beim Ausschließen wird oft zusammengefasst unter dem Begriff „österreichische Verhältnisse“. Wenn die einzige Option große und immer größere Koalitionen sind, schrumpft in der Regel die Mitte immer mehr zusammen. Am Ende müssen etwa wie in Sachsen-Anhalt CDU, SPD und Grüne eine Koalition bilden, um linke und rechte Populisten von der Macht fernzuhalten. Der fehlende politische Wettbewerb zwischen den zwei bis vier Hauptströmungen der Mitte führt zu einem dauernden Zuwachs für die Parteien am Rand.

Sie saugen Hoffnung aus den Menschen wie Vampire

Schon vor neun Jahren hat Obama und zuletzt Macron versucht, sich den Bedrohungen der Mitte entgegenzustellen, indem sie einer Atmosphäre der Verzweiflung, Angst und Wut eine Botschaft der Hoffnung gegenüberstellten. In den USA kann man jetzt die Bilanz ziehen, dass Obamas Versprechen von „Hope“ und „Change“ wesentlich den Boden bereitet hat dafür, dass acht Jahre später ein irrlichternder Populist mit offensichtlich unhaltbaren Heilsversprechen ihm im Amt nachfolgen konnte. Es bleibt sehr zu hoffen, dass es Macron nicht ähnlich gehen wird. Ein grundlegendes Problem an dieser Strategie ist, dass man ein klassisches Mittel der Populisten verwendet, um sie zu schlagen – ihnen dabei aber in der Regel eher den Boden bereitet. Die Botschaft „Wir lösen die Probleme für Dich“ kann dann doch von populistischen Politikern glaubhafter vermittelt werden als von Pragmatikern und Zentristen.

Die größte Schwachstelle der Populisten – das haben Politiker wie Obama und Macron durchaus richtig erkannt – ist, dass sie davon leben, dass sie den Menschen wie Vampire die Hoffnung aussaugen: Wilders, der die Islam-Apokalypse an die Wand malt; Trump, der vom „amerikanischen Gemetzel“ spricht; Corbyn, Iglesias und Melenchon, die Horrorszenarien von Ausbeutung und Verarmung zeichnen. Ihr politisches Geschäftsmodell funktioniert am besten, wenn die Menschen hoffnungslos werden. Darum ist wohl wirklich die einzige (mühsame und langwierige) Antwort auf Populisten, den Menschen wieder reale Hoffnung zu geben statt ihre Hoffnung zu zerstören, um sich selbst als Heilsbringer zu inszenieren. Dass der Populismus in unserem Land (noch) nicht so stark ist, kann auch daran liegen, dass vor 14 Jahren ein deutscher Bundeskanzler gegen starken und populistischen Widerstand in den eigenen Reihen eine reale Veränderung in Gang gesetzt hat. Wo die Politik solchen Mut nicht aufbringt, schlägt bald die Stunde der Populisten-Vampire. Gegen die hilft kein Knoblauch, sondern nur die klare Botschaft der Selbstverantwortung: „Du schaffst das!“

Photo: Wikimedia Commons

Schon vor 250 Jahren sahen sich freiheitliche Ideen mit dem Vorwurf konfrontiert, den Egoismus zu befördern und unsolidarisch zu sein. Gerade Adam Smith wurde oft zum Kronzeugen dieses Zerrbilds gemacht. Dabei eignet er sich dafür wahrhaft nicht.

Die Schotten: optimistisch und pragmatisch

Wann der „Vater der Wirtschaftswissenschaften“ genau geboren wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Doch heute vor 194 Jahren ließ ihn seine Mutter, die zwei Monate zuvor ihren Ehemann verloren hatte, im schottischen Kirkcaldy taufen. Smith wurde in eine Welt hinein geboren, die sich im raschen Umbruch befand, gewissermaßen die erste Globalisierung der Neuzeit. Technische Neuerungen und der steigende Welthandel, Verstädterung und verhältnismäßige friedliche Zeiten führten zu einem Wohlstandsboom in Europa. Mit am stärksten profitierte davon Großbritannien mit seiner zunehmenden Zahl an Handelsniederlassungen und Kolonien. Mit der „Glorious Revolution“ von 1688 war dort auch eine politische Stabilität verankert, die damals ihresgleichen suchte.

In dieser Zeit, die nicht mehr nur den Mächtigen und Reichen Hoffnung schenkte, sondern jedermann, entwickelte sich auch die Idee der Aufklärung, deren vornehmste, wenn auch nicht bekannteste Variante sich in Schottland finden ließ. Der kulturelle Kontext, in dem Smith und seine Mitstreiter ihre Ideen formulierten, war eine aufstrebende Gesellschaft. Schottland begann gerade aufzuholen und blickte mit Abenteuerlust und Zuversicht in die Zukunft. Zugleich standen die Menschen im Land noch mit beiden Beinen auf dem Boden und hatten einen Sinn für das Praktische. Den Satz „alles Leben ist Problemlösen“, den der Philosoph Karl Popper einmal formulierte, hätten die Schotten des 18. Jahrhunderts wohl sofort unterschrieben.

Der Erzkapitalist als Moralapostel

Es ist also nicht sehr verwunderlich, dass Adam Smith „Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Wohlstands der Nationen“ verfasste. Wie war es dazu gekommen, dass sich die Situation für ihn so sehr verbessert hatte im Vergleich zu seinen Eltern oder Großeltern? Wie konnte man diese Entwicklung aufrechterhalten und befördern? Mit der Beantwortung dieser Fragen legte Smith den Grundstein für die Wirtschaftswissenschaften von heute: Er beschrieb das Phänomen der Arbeitsteilung. Er legte dar, wie Tausch- und Kaufgeschäfte beiden Seiten nutzen. Er warnte vor der Gefahr von Protektionismus, zu viel Regulierung und zu hohen Steuern. Und er begründete, warum ein Staat sich auf seine Kernaufgaben beschränken sollte, wenn er der Wohlstandsmehrung nicht im Weg stehen will.

Meistens wird Smith auf dieses eine Werk beschränkt – gerne auch in der verkürzten Version des Titels „Der Wohlstand der Nationen“. Das wirkt dann in der Tat ein bisschen wie das neueste Buch von Carsten Maschmeyer. Berühmt wurde Smith aber gar nicht mit diesem Buch, sondern mit seinem ersten großen Hauptwerk „Die Theorie der ethischen Gefühle“. Wie sein Lehrer Frances Hutcheson war Smith Philosoph geworden und hatte ausgiebig danach gefragt, was der Ursprung unseres moralischen Verhaltens ist. Hutcheson ging von einem moralischen Sinn in uns aus, einer Art Gewissen. David Hume führte es darauf zurück, dass es uns nutzt, wenn wir uns moralisch verhalten. Smith wählte eine dritte Erklärung, die er in seinem Buch ausführlich darlegt: Für ihn lag der Ursprung in unserer Fähigkeit und Neigung zur Sympathie.

Der Mensch ist wie ein Wolf – ein Rudelwesen!

Eine ganz zentrale Rolle spielte bei Smith wie auch bei dem nur wenige Tage nach ihm geborenen Philosophen Adam Ferguson die Vorstellung, dass wir Menschen soziale Wesen sind. Dass wir also auf Gemeinschaft und insbesondere Kooperation ausgelegt sind. Die von ihm beschriebenen Phänomene wie Arbeitsteilung und Tausch sind Ausdruck dieser urmenschlichen Neigung, Probleme gemeinsam zu lösen. Wir achten auf unsere Mitmenschen, wir reagieren auf ihre Gefühle wie auch auf die Dinge, die ihnen passieren. Wir freuen uns und leiden mit ihnen, wir teilen ihre Sorgen und ihre Hoffnungen. Smith schrieb einst, dass der Bäcker sein Brot nicht produziert, weil er den Kunden so gern hat. Doch diese Beschreibung des Eigeninteresses ist eben nur die eine Hälfte seiner Theorie über menschliches Verhalten. Die andere lautet, dass derselbe Bäcker auf die Probleme seiner Kunden nicht nur deshalb mit Mitgefühl reagiert, weil er befürchtet, einen Geschäftspartner zu verlieren, sondern weil er ein genuines Interesse an ihnen als Personen hat.

Die realistische und zugleich optimistische Perspektive macht die schottische Aufklärung so besonders. Dagegen neigte die französische Aufklärung immer wieder dazu, in grenzenlosem Optimismus den Menschen zu überschätzen, während viele konservative Denker ihr mangelndes Vertrauen in die Fähigkeiten des Menschen gerne als Realismus ausgegeben haben. Die Schotten wussten um die Grenzen des Menschen, aber sie blickten voller Zuversicht auf seine Entwicklungsfähigkeit. Seit den Tagen Adam Smiths und seiner Freunde ist klar: die freiheitliche Einstellung, der Liberalismus, ist diejenige Weltanschauung, die das positivste Bild vom Menschen hat. Sie glauben an das Gute im Menschen und an seine Fähigkeit, die Welt für sich und andere immer besser zu machen.

Das letzte Wort sei dem Jubilar überlassen, der zu Beginn seiner „Theorie der ethischen Gefühle“ so treffend fomulierte:

Wie liebenswert erscheint derjenige, dessen mitfühlendes Herz gleichsam widerhallt von all den Empfindungen jener Personen, mit denen er verkehrt, der bekümmert ist über ihre Bedrängnisse, der die ihnen zugefügten Kränkungen selbst übelnimmt, und der Freude empfindet über ihr Glück. … Und so kommt es, dass, viel für andere und wenig für uns selbst zu fühlen, unseren egoistischen Neigungen im Zaune zu halten und unseren wohlwollenden die Zügel schießen zu lassen, die Vollkommenheit der menschlichen Natur ausmacht, und allein in der Menschheit jene Harmonie der Empfindungen und Affekte hervorbringen kann, in der ihre ganze Würde und Schicklichkeit gelegen ist.

Von Frank Schäffler und Clemens Schneider.

Mit diesem Text starten wir unsere Kampagne für Freihandel. Mehr Informationen finden Sie auf unserer Kampagnen-Website unter http://freetrade.world/de/

1.  Freihandel: der Motor einer humaneren Welt

Präsident Trump macht Freihandel für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich. Ein breites Bündnis linksgerichteter Organisationen in Europa sieht mit dem Freihandel alle Verbraucherschutz-Standards kollabieren. Das sind Ablenkungsmanöver zum Schutz von Privilegien einiger weniger. Dass es uns heute weltweit, in Europa und Deutschland so gut geht wie noch nie in der Geschichte, ist wesentlich ein Verdienst der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels.

2. Freihandel schafft Frieden

Je intensiver Völker und Staaten über den Handel miteinander verbunden sind, umso unwahrscheinlicher wird es, dass sie miteinander Krieg führen. Der Handel steigert die gegenseitige Abhängigkeit. Durch die wirtschaftliche Verflechtung entsteht in der Bevölkerung immer mehr Widerstand gegen Konflikt und Krieg. Keiner hat ein Interesse daran, aufgrund politischer Aggressionen seine Waren nicht mehr verkaufen oder andere Waren nicht mehr zu günstigen Preisen erwerben zu können. Propaganda gegen den Feind verfängt nicht mehr, wenn man ihn kennt und mit ihm in Geschäftsbeziehungen steht. Immer mehr Handel zwischen den Staaten treibt den Preis für Krieg beständig in die Höhe. Zugleich erhöht sich der Wohlstand durch Handel viel schneller und nachhaltiger als durch Eroberung.

3. Freihandel ist fairer Handel

Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen, aber auch von Standards und Regulierungen, verschaffen einigen wenigen Einheimischen Vorteile gegenüber Fremden. Gerade die Gruppen, die am besten organisiert sind, nutzen ihren politischen Einfluss, um sich vor der Konkurrenz jenseits der Grenze zu schützen. Es sind oft Großkonzerne und Großgewerkschaften, die sich durch protektionistische Politik diese Privilegien sichern. Dagegen ermöglicht Freihandel jedem Anbieter und jedem Konsumenten Zugang zum Markt. Er verhindert Diskriminierung und ermöglicht jedem Marktteilnehmer eine Chance, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht, seiner Meinung oder seiner gesellschaftlichen Stellung.

4. Freihandel hilft den Schwachen

Eine der Gründergestalten der Sozialen Marktwirtschaft, Franz Böhm, bezeichnete den Wettbewerb einmal als „das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“. Diese Beobachtung gilt auch für den Freihandel. Wer reich ist, kann sich auch höhere Preise leisten. Von Handelsbeschränkungen sind am stärksten die Geringverdiener, die mittelständischen Unternehmen, die einfachen Bürger betroffen. Sie müssen die höheren Preise bezahlen und finanzieren durch ihre Steuern die Subventionen für die wenigen Privilegierten mit. Alle müssen zurückstecken, damit einige wenige einen Vorteil haben. Dahingegen ist Freihandel vor allem für die Starken eine Gefährdung, weil er den Schwachen eine Chance zum Aufholen bietet – im eigenen Land und auf der ganzen Welt. Wer Marktmacht brechen will, muss über Freihandel den Wettbewerbsdruck erhöhen.

5. Freihandel stärkt das Individuum

Freihandelsgegner argumentieren, man müsse „unsere Industrie“ schützen oder „unsere Standards“ durchsetzen. Dahinter steckt das antiquierte Denkschema von „wir gegen die“, der Kollektivismus und Nationalismus, der die Welt so oft ins Unglück gestürzt hat. Der Freihandel dagegen ist blind gegenüber Nationen, einzelnen Wirtschaftszweigen oder irgendeinem anderen Kollektiv. Vor ihm zählt nur die kleineste Einheit im Wirtschaftsleben: das Individuum. Wo er herrscht, muss sich kein Individuum einem größeren Wir unterordnen. Der Freihandel lässt zu, dass die einzelnen Vertragsparteien entscheiden, welche Waren und Dienstleistungen sie kaufen und verkaufen. Freihandel ist eine kosmopolitische Idee. Es überrascht nicht, dass in der gegenwärtigen Renaissance nationalistischer Ideen der Freihandel stark in die Defensive gerät, war er doch immer ein Motor der Entnationalisierung.

6. Freihandel ist die beste Entwicklungshilfe

Inzwischen hat sich fast überall die Erkenntnis durchgesetzt, dass es weder hilft, die Machthaber und Bürokratien in Entwicklungsländern durch finanzielle Unterstützung zu stützen, noch einheimische Märkte durch eine Flut von Hilfsgütern zu zerstören. Die größte Chance für die ärmeren Länder dieser Welt liegt darin, dass wir ihnen unsere Märkte öffnen. Dass seit 1990 der Anteil der Weltbevölkerung, die in extremer Armut lebt, von 37 auf unter 10 Prozent zurückgegangen ist, liegt wesentlich an der seit dieser Zeit vorangeschrittenen weltweiten Liberalisierung des Handels. Seit 2001 bzw. 2009 hat die EU zwar ihre Märkte bereits für die etwa 50 ärmsten Länder der Welt komplett geöffnet. Doch es gibt noch eine Vielzahl von Hürden, die Produzenten und Händler aus diesen Ländern überwinden müssen. Regulierungen und Standards, die Monat für Monat mehr werden, machen es für sie zum Teil unmöglich, ihre Produkte hierzulande anzubieten. Auch das gehört zum Freihandel: der Abbau von Schranken, die dadurch entstehen, dass kleine Gruppen ihre Vorstellungen über Gesetze und Regulierungen anderen aufdrängen.

7. Freihandel ermöglicht mehr Teilhabe

Ludwig Erhard bezeichnete den Versuch, den Handel einzuschränken, als „puren Egoismus“. Freihandel schafft eine Vielzahl von Gelegenheiten für Menschen, die bisher von der Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand und Fortschritt ausgeschlossen waren, auch von diesen Vorteilen zu profitieren. Für die einen werden Produkte und Dienstleistungen günstiger, weil es ein breiteres Angebot und mehr Konkurrenz gibt. Für die anderen ergeben sich neue Gelegenheiten, Geld zu verdienen, indem sie sich neue Märkte erschließen. Dadurch werden auch Ressourcen freigesetzt, die anderswo eingesetzt werden können: Hierzulande kann vielleicht einer für eine nachhaltige Investition sparen, während in einem Entwicklungsland jemand die finanziellen Möglichkeiten bekommt, die Bildung seiner Kinder zu finanzieren. Wohlstand und Fortschritt sind dann nicht mehr ein Privileg kleiner Gruppen, sondern für alle da.

8. Freihandel fördert Wohlstand

Indem Barrieren abgeschafft werden, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, Arbeitskraft, Talent und Ressourcen zu kombinieren. Je leichter es wird, auch über Grenzen hinweg mit anderen zu kooperieren, umso schneller können Innovationen entstehen. Es entstehen mehr und bessere Produkte zu geringeren Preisen. Es erschließen sich neue Absatzmärkte und so entstehen auch neue Arbeitsplätze. Dabei steigt nicht nur die Quantität der Produkte, sondern auch die Qualität. Gerade im Blick auf Anliegen wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und umweltschonende Produktionsmethoden besteht inzwischen ein hoher Anspruch in vielen entwickelten Staaten. Wenn westliche Märkte auch Anbietern aus Entwicklungsländern offenstehen, wächst der Druck auf sie, diesen Vorstellungen zu entsprechen. Besser und zielgenauer als jedes Programm internationaler Organisationen kann der Druck der Konsumenten zu einer Verbesserung der Arbeits- und Umweltbedingungen in Entwicklungsländern beitragen.

9. Freihandel ist ein Prozess des Fortschritts

Der Abbau von Handelsschranken war immer ein steiniger Weg. Das erste Freihandelsabkommen wurde 1860 auf Anregung von Richard Cobden zwischen England und Frankreich formuliert. Es schaffte nicht alle Zölle und Handelsbeschränkungen auf einen Schlag ab, sondern reduzierte diese sukzessive. Auch heute geht es nicht um alles oder nichts, sondern um ein permanentes Reduzieren von Handelshemmnissen. Dabei muss man natürlich manchmal Kompromisse machen. Auch Handelsabkommen und WTO-Vereinbarungen haben mancherlei Schwachstellen. Aber jeder Schritt zu einem freieren Handel ist wichtig. Und unsere demokratischen Institutionen erlauben uns ja zum Glück auch, aus Fehlern zu lernen, so dass wir immer bessere Abkommen schließen können. Die Geschichte der Globalisierung zeigt: diese vielen kleinen Schritte in die richtige Richtung sind Teil eines Fortschritts, der am Ende allen zugutekommt.

10. Auf die Straße für den Freihandel!

Im 19. Jahrhundert gab es, zunächst in Großbritannien, dann auch in ganz Europa, eine Massenbewegung für den Freihandel. Gerade die einfachen Leute, die Arbeiter und kleinen Unternehmer gingen auf die Straße, um gegen Zölle und Handelshemmnisse zu protestieren. Wer heute die Macht kleiner Interessengruppen einschränken will; wer den Armen hierzulande und in aller Welt neue Chancen ermöglichen will; wer etwas gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Konflikte tun will – der muss auch heute wieder für den Freihandel auf die Straße gehen. Ein Ende der Abschottungspolitik, nicht nur durch Zölle und Subventionen, sondern auch durch Regulierungen und Standards, kann diese Welt ein Stück besser machen. Es wären Meilensteine auf dem Weg zu jener Welt, die sich Richard Cobden vor 170 Jahren erträumte, als er den Anhängern seiner Freihandelsbewegung zurief: „Ich sehe, dass das Freihandelsprinzip die moralische Welt bestimmen wird wie das Gravitationsprinzip unser Universum: indem es Menschen einander nahebringt; indem es den Gegensatz der Rassen, Bekenntnisse und Sprachen beseitigt; indem es uns in ewigem Frieden aneinander bindet …, wenn die Menschheit erst eine Familie geworden ist und Mensch mit Mensch aus freien Stücken die Früchte seiner Arbeit brüderlich austauscht.“