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Photo: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag from Flickr (CC BY 2.0)

Ein Chlorhühnchen nach dem anderen wird wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf gejagt. Neben dem guten Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, zahlt sich das für die großen Panikmacher auch finanziell aus. Wieviel „Profitgier“ steckt in der Hysterie-Industrie?

Ein blühendes Geschäft

Campact, Attac, Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe – die Bilanzen dieser Unternehmen lesen sich respektabel: Greenpeace nahm im letzten Jahr 57,7 Mio. Euro ein, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) folgt mit 8,3 Mio., Campact mit 7 Mio. und schließlich Attac mit 1,8 Mio. Die DUH, Campact und sogar Attac fallen damit gemäß der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn in die Kategorie „mittlere Unternehmen“, während Greenpeace sogar als Großunternehmen gilt. Das Geschäft blüht: Campact etwa hat seine Einnahmen von etwa 2 Mio. in den Jahren 2011 und 2012 auf die 7 Mio. heute kontinuierlich und eindrucksvoll gesteigert.

Wie sich die einzelnen Kampagnen-Unternehmen finanzieren, unterscheidet sich durchaus. Am dubiosesten ist sicherlich die DUH unterwegs. Als sie vor einigen Jahren eine Kampagne zur Dieselfilter-Pflicht durchführten, wurde öffentlich, dass sie von Partikelfilterherstellern 100.000 Euro eingesammelt hatten. Neben diesen blanken Lobbyismus tritt dann noch die klassische Abmahn-Abzocke gerade von kleinen mittelständischen Unternehmen, wodurch im letzten Jahr 2,3 Mio. Euro direkt in ihre Kassen flossen. Im Jahresbericht wird diese Masche dann blumig umschrieben mit den Worten „Hinzu kommen Einnahmen des Verbraucherschutzes, die zum größten Teil aus der Kontrolle von Unternehmen stammen, die gegen die Regeln der Energieverbrauchskennzeichnung verstoßen haben.“

Der einfache Bürger öffnet sein Portemonnaie

Greenpeace und Campact nutzen solche Methoden nicht und finanzieren sich fast ausschließlich aus Spenden. Sie nehmen – das hat durchaus Anerkennung verdient – weder Gelder von der Industrie noch von der öffentlichen Hand. Attac schreibt auf seiner Website, dass sie sich „bei größeren Projekten auch durch die Akquise von Drittmitteln (öffentliche, kirchliche oder private Förderorganisationen)“ finanzieren. Ihre Finanzberichte weisen das freilich nicht auf. Prinzipiell könnte man den Impuls, sich durch Kleinspenden die Unabhängigkeit zu bewahren, für sehr lobenswert halten. Man könnte Respekt haben vor der Leistung, Hunderttausende von Spendern zum Einsatz zu motivieren.

Oder man könnte das ganze einmal durch die Logik-Brille der Agitatoren dieser Organisationen betrachten. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe die Organisation „Marketpeace“, die sich durch hunderttausende von Kleinspenden finanziert. Man kann darauf wetten, dass sofort die Vorwürfe laut würden, dass hier einfache Bürger übers Ohr gehauen werden mit gefälschten Studien, tendenziösen Vereinfachungen und blanken Lügen. Man würde Marketpeace Manipulation und Täuschung vorwerfen mit dem Ziel, die eigenen Taschen zu füllen.

Profit- und Panikmache

Mit Slogans wie „Ceta ist brandgefährlich“ (Greenpeace), „Für ein anderes Europa – ohne Austerität und Rassismus!“ (Attac) und „TISA – Stoppt den Geheimplan der Konzerne“ (Campact) bewegen sich die Organisationen nicht nur auf dem vielgescholtenen „Bild-Zeitungs-Niveau“. Sie arbeiten auch vornehmlich mit Ängsten. Da wird mit einem Begriff wie „brandgefährlich“ an menschliche Fluchtinstinkte appelliert. Da werden „neoliberale Politik und die globalisierte kapitalistische Ökonomie“ in einer bizarren Volte mit Rassismus in Zusammenhang gebracht. Und da wird von „Geheimplänen“ gemunkelt, als hätte sich Campact mit dem Verschwörungstheoretiker-Magazin „Compact“ zusammengetan. Das ist Panikmache. Das ist verantwortungslose Polemik. Das ist Manipulation erster Güte, die mit den Ängsten von Menschen spielt, um sie auf die eigene Seite zu ziehen und so die Kampfkassen zu füllen.

Profitgier kann sehr unterschiedliche Züge annehmen. Derzeit werden wir beispielsweise wieder sehr deutlich daran erinnert, welche Blüten sie im Bankensektor getrieben hat und noch treibt. Profitgier ist übertriebenes Eigeninteresse und uns aus gutem Grund zuwider. Aber Profitgier muss sich nicht notwendigerweise auf Geld beziehen. Der Profit, den jemand gierig verfolgt, kann etwa auch in gesellschaftlicher Anerkennung bestehen, in der Zahl von Anhängern oder in der Durchsetzung der eigenen Vorstellungen. All das sind auch Profite. Man kann sie auf normalem Wege verfolgen und viele tun das auch, ohne dass es uns anstößig vorkommen würde. Man kann Profit aber auch in einer Haltung der Gier verfolgen, wenn man immer mehr davon will und immer weniger Rücksichten zu nehmen bereit ist.

Ängste statt Argumenten

Obwohl manche der Beschäftigten in den angeführten Organisationen nicht schlecht verdienen, häufen sie doch keine Reichtümer an. Viele von ihnen sind wahrscheinlich Idealisten, für die Geld nur eine untergeordnete Rolle spielt. Oberflächlich betrachtet wäre es also eigenartig, ihnen Profitgier vorzuwerfen. Ihre Gier bezieht sich aber auf eben diese nicht-materiellen Werte. Sie haben bereits früher Zehntausende gegen TTIP und CETA auf die Straße gebracht – nun sollen es Hunderttausende sein. Sie haben die eine Partei vor sich hergetrieben – nun soll die nächste an die Reihe kommen.

Von dieser Gier getrieben ist ihnen jedes Mittel recht: Verkürzungen und Verunglimpfungen, Hohn und Hysterie, Parolen und Propaganda. Sie wittern Verschwörungen, schwingen sich zu Fürsprechern der „kleinen Leute“ auf und schüren Ressentiments gegen Unternehmer und Konzerne. Sie arbeiten mit Ängsten statt mit Argumenten und bereiten so den Boden für die Gegner von Marktwirtschaft und offener Gesellschaft auf allen Seiten des politischen Spektrums. Insofern sind sie tatsächlich Gesellschaften mit beschränkter Haftung: denn die Folgen werden vergemeinschaftet. Sehr schade, denn Kritik ist wichtig – bei der Kontrolle von Regierungshandeln wie beim Schutz der Umwelt und vielen anderen Anliegen, die allen Menschen zugutekommen würden.

Photo: Consorcio Provincial Bomberos Valencia from Flickr (CC BY 2.0)

Vieles an den Finanzmärkten erinnert derzeit an das Jahr 2007. Damals kriselte es im Bankensektor. Mit der IKB und der SachsenLB strauchelten die ersten kleineren Institute und erhielten Staatshilfen. Im heutigen Maßstab sind das „Pommesbuden“. Gleichzeitig tobte eine Übernahmewelle in der Industrie. Der kleine Sportwagenhersteller Porsche, der bis dahin überwiegend nur Zweisitzer produzieren konnte, setzte an, mit VW einen der größten Automobilkonzerne der Welt zu übernehmen. Kurze Zeit später wollte der Automobilzulieferer Schaeffler den dreimal größeren Reifenhersteller Continental kaufen. Das Platzen der Finanzblase im Zuge der Lehman-Pleite brachte beide Projekte in Gefahr. Sie waren fast ausschließlich fremdfinanziert und die Sicherheiten brachen durch den Börsencrash weg. Es waren wahrlich keine normalen Zeiten. Nur durch Glück haben beide Unternehmen dies überlebt, Porsche im warmen Schoß von VW und Schaeffler durch einen späteren Börsengang.

Es waren auch deshalb ungewöhnliche Zeiten, weil Banken die Eigentümer von Industrieunternehmen „bequatschten“, zur Übernahme eines wesentlich größeren Wettbewerbers unkalkulierbare Risiken einzugehen. Banken konnten faktisch unbegrenzt Kredite für diese Übernahmen zur Verfügung stellen. So eine Situation lockte zwangsläufig Hasardeure an.

Neun Jahre später, 2016, erinnert wieder vieles an damals. Heute kriseln die Banken wieder. Die Deutsche Bank muss sich mit Milliarden-Klagen und einem wachsenden Bedeutungsverlust herumschlagen. Seit Tagen bricht ihr Börsenkurs immer stärker ein. Sollte der Staat nicht einspringen können oder wollen, dann ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis sie von einer großen amerikanischen Bank geschluckt wird. Die zweite große Bank in Deutschland, die Commerzbank, kommt seit Jahren nicht aus dem Quark. Sie will sich jetzt erneut gesundschrumpfen, nachdem sie seit 2008 bereits über 18 Milliarden Euro Kapitalhilfen und 15 Milliarden Garantien vom Staat erhalten hat. Gebracht hat es ihr wenig. Aus der erdrückenden Umklammerung des Staates kommt sie wahrscheinlich nicht mehr heraus.

Kennzeichen für die Übertreibungen der Finanzmärkte sind auch heute wieder die wachsenden Übernahmen. Bereits im letzten Jahr nahmen die weltweiten Fusionen und Übernahmen um 43 Prozent auf einen Rekordwert von 4,5 Billionen Dollar zu. Dieser Trend setzt sich in diesem Jahr fort, insbesondere in Deutschland: Bayer übernimmt Monsanto für 66 Milliarden Dollar, 86 Prozent bankenfinanziert. Der Medizinkonzern Fresenius übernimmt für 5,8 Milliarden Euro den größten spanischen Klinikbetreiber Quirónsalud, ebenfalls überwiegend bankenfinanziert. Und der Kölner Chemieriese Lanxess übernimmt für 2,4 Milliarden Euro den amerikanischen Wettbewerber Chemtura. Auch diese Übernahme wird durch Banken zwischenfinanziert und anschließend überwiegend durch Unternehmensanleihen abgelöst.

Zwei Entwicklung prägen beide Epochen. Zum einen ist es die wachsende Schwäche des Bankensektors, der durch das Wegbrechen von klassischen Geschäftsfeldern wie dem Einlagegeschäft verstärkt in die Finanzierung von Unternehmensübernahmen und -fusionen einsteigt. Der Ertragsdruck der Banken und die auf der anderen Seite geringen Fremdfinanzierungskosten der Unternehmen führen zu einer wachsenden Übernahmebereitschaft. Sie funktioniert aber nur in normalen Zeiten. Nur wenn die Sicherheiten der Finanzierung durch Bankkredit so werthaltig sind wie angedacht, funktioniert das Geschäft. Sollten die Börsen sich auf breiter Front korrigieren, schwinden die Sicherheiten wie Eis in der Sonne und werden zu einem systemischen Problem. Genau davor stehen wir. Wenn es einen globalen Trend zur fremdfinanzierten Übernahme von Unternehmen gibt und die Werthaltigkeit der Sicherheiten am Börsenkurs festgemacht wird, kommt jede mittlere Börsenerschütterung einer Katastrophe gleich. Denn alles ist aktuell nur noch auf Kante genäht.

Die weltweite Verschuldung hat in den Industrieländern in den vergangenen 10 Jahren um 50 Prozent zugenommen. Heute sind diese Länder, ihre Banken, Unternehmen und privaten Haushalte zu fast 400 Prozent zu ihrer Wirtschaftsleistung verschuldet. Das Problem der Verschuldung und die dahinterstehenden Kredite sind zwar auch deren Höhe, aber viel mehr die verzerrende Wirkung auf die gesamte Wirtschaftsstruktur. Der Kreditboom, der durch das billige Geld der Notenbanken erzeugt wurde, führt zu Investitionen in Kapitalgüter wie Aktien und Immobilien, die es unter normalen Zinsbedingungen nie gegeben hätte. Da immer mehr Glücksritter auf wachsende Preise spekulieren und daher in Kapitalgüter investieren, steigen die Preise von Aktien und Immobilien. Es geht nur so lange gut, wie die Investoren an die Verwirklichung ihrer Projekte glauben. Um diesen Glauben aufrecht zu erhalten, müssen die Notenbanken immer stärker mit billigem Geld intervenieren, ansonsten kommt es flächendeckend zu Konkursen. Es gehört zu den Grundannahmen unseres Geld- und Bankensystems, dass sich das Hamsterrad weiter drehen muss. Sollten die Banken in Deutschland und anderswo tatsächlich in Schwierigkeiten geraten, kann kein Rettungsfonds dieser Welt sie auffangen, sondern die EZB würde wie 2008 erneut eingreifen.
Dieser Verlauf ist systembedingt und das Grundproblem unseres Kreditgeldsystems.

Investitionen finden nicht auf der Grundlage von zuvor gebildeten Sparvermögen statt, sondern beruhen auf Krediten aus dem Nichts, die Banken per Knopfdruck erzeugen. Dieses System ist inhärent instabil, weil die Notenbanken auf eine wachsende Ausweitung der Geld- und Kreditmenge setzen und diesen Prozess direkt und indirekt durch ihre Geldpolitik bestimmen. Doch weder Mario Draghi noch Janet Yellen kennen den richtigen Zins für die Zukunft. Sie haben dieses umfassende Wissen nicht. Deshalb liegen sie immer falsch und müssen sich ständig korrigieren. Beide sind also nicht die Feuerwehr, sondern die Brandstifter der Krise. Sie werfen durch ihre Interventionen sogar ständig neue Brandbeschleuniger ins Feuer in der Hoffnung, mit mehr Feuer den Brand löschen zu können.

Es ist Zeit, endlich über marktwirtschaftliche Alternativen zum derzeitigen Geldsystem zu diskutieren. Die Zinsmanipulierer, die Bankenregulierer, die Staatsintervenierer und die Rettungsfondsinstallierer hatten ihre Chance und sie sind mit ihren Lösungsversuchen keinen Schritt weiter als 2008. Das Finanzsystem ist nicht stabiler, nicht robuster und die Folgen von Bankenpleiten sind nicht geringer geworden. In Erinnerung an den heutigen 135. Geburtstag von Ludwig von Mises kann man diesen Gesellschaftsklempnern nur zurufen: „Ihr seid alle ein Haufen Sozialisten.“

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick.

Photo: Tauno Tohk from Flickr (CC BY 2.0)

Alle großen Tageszeitungen haben gerade breit darüber berichtet: Der „Club of Rome“ hat einen neuen Bericht veröffentlicht: „Ein Prozent ist genug. Mit weniger Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen“. Sie wollen mit einem Maßnahmenkatalog das weltweite Wachstum auf ein Prozent pro Jahr begrenzen. Zwar hat sich schon ihr Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972 als völlig falsch herausgestellt, dennoch liest man in Die Welt, der neue Bericht sei von berühmten Ökonomen verfasst worden. Die Zeit spricht gar von einflussreichen Zukunftsforschern. Die FAZ zitiert einen der Autoren, den Norweger Jorgen Randers, mit den Worten „Meine Tochter ist das gefährlichste Tier der Welt“. Da kann man nur sagen: Bei diesem Vater – kein Wunder! Es ist erschreckend, dass so viel geistiger Dünnpfiff die Headlines erreicht.

Da schlagen die Autoren eine Ein-Kind-Politik vor, wie sie das kommunistische China in der dunkelsten Zeit der sogenannten „Kulturrevolution“ einführte, sie wollen den Außenhandel einschränken wie im tiefsten Mittelalter und die Notenpresse noch mehr missbrauchen, wie es einem Blender wie John Law zu Beginn des 18. Jahrhunderts zur Ehre gereicht hätte. Absurder geht es kaum.

Alles wird aus der Mottenkiste herausgeholt. Angefangen bei der These von Thomas Piketty, dass die Ungleichheit zugenommen habe. Gott sei Dank, kann man da nur sagen. Piketty glorifiziert die geringere Ungleichheit in den 1950er Jahren. Seine Begründung sind die hohen Grenzsteuersätze in den USA und Europa zur damaligen Zeit. Diese betrugen je nach Land 80 bis 90 Prozent. Diese Zahlen verglich er mit den heutigen Steuersätzen und kam zum Schluss, dass die niedrigen Steuern heute schuld daran seien. Das ist, gelinde gesagt, völliger Blödsinn. In den 1950er Jahren war die Ungleichheit deshalb geringer, weil viele Länder durch den bis dahin verheerendsten Krieg aller Zeiten zerstört und ausgelaugt waren. Allen ging es gleich schlecht und Brot gab es vielfach nur mit Lebensmittelmarken. Natürlich kann Ungleichheit beseitigt werden, wenn die Steuern prohibitiv sind. Doch ist das sinnvoll? Wollen wir den Weg Chinas der 1960er und 1970er Jahre gehen oder den Weg Nordkoreas heute?

Der Vorschlag, den Außenhandel einzuschränken, ist so absurd, dass er eigentlich gar nicht widerlegt werden muss. Niemand leidet mehr unter der Beschränkung des Außenhandels als die Geringverdiener. Nicht die Millionärsgattin kauft bei Aldi oder C&A, sondern die alleinerziehende Mutter oder der Hartz IV-Empfänger. Der Freihandel macht Güter und Dienstleistungen besser und günstiger. Das kommt besonders den Geringverdienern zugute.

Mit dem Drucken von Geld durch die Notenbanken soll ein großes Konjunkturpaket für den ökologischen Umbau der Wirtschaft finanziert werden. Wahrscheinlich würde dann die Welt in die Zeit der 1920er und 1930er Jahre zurückkatapultiert und wenige Jahre später wäre durch Inflation und Arbeitslosigkeit der „Wohlstand für alle“ genauso in Gefahr wie der Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Wer schützt uns vor solchen Gesellschaftsklempnern, die die Welt retten wollen, sie aber durch ihre Vorschläge eher zerstören? Es ist doch eine Horrorvorstellung, wenn dieses Programm sich durchsetzen würde. Und wer sollte über die Maßnahmen abstimmen? Ein neuer Mao, ein Zentralkomitee, der Club of Rome höchstselbst?

Es geht keine Regierung, kein Parlament und keine Mehrheit in der Gesellschaft etwas an, wieviel Kinder jemand zur Welt bringt. Es geht keine Regierung, kein Parlament und keine Mehrheit in einer Gesellschaft etwas an, mit wem ein Einzelner Handel treibt. Es ist grundsätzlich völlig egal, ob der Kunde in München, London oder Buenos Aires wohnt, sofern er das Produkt kaufen will. Und es ist Betrug an jedem Einzelnen, wenn der Staat die Notenpresse anschmeißt. Weniges wirkt zerstörerischer für eine freiheitliche Gesellschaft als dies. Es gibt wahrlich seit vielen Jahrhunderten zahllose Beispiel, wie durch die Manipulation des Geldwertes Elend erzeugt wurde.

Ende der 1980er Jahre habe ich ein Thermofaxgerät gekauft. Es war der Quantensprung zur damaligen Zeit, der die Kommunikation wesentlich billiger und schneller gemacht hat. Das Thermofaxpapier gilt heute wegen seiner Beschichtung als gesundheitsschädlich. Wenige Jahre später führte der technologische Fortschritt dazu, dass die Thermofaxgeräte durch Normalpapierfaxgeräte ersetzt wurden. Es brauchte kein beschichtetes Papier mehr, sondern es konnte Recyclingpapier verwendet werden. Heute gibt es in vielen Büros nicht einmal mehr ein Faxgerät, sondern alles wird per Email versandt. Was lernen wir daraus? Die These, dass Wachstum immer mehr Ressourcen und die Umwelt belastet, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall: erst durch Wachstum und technologischen Fortschritt finden wir immer neue Wege zur Ressourcenschonung. Dagegen belasten Länder, die frühzeitig das Modell des Club of Rome vorweggenommen haben, die Umwelt. Länder, denen es durch ihr zentral gelenktes Wirtschaftssystem nicht gelang, ausreichend Wachstum zu erzeugen, sind entweder wie die DDR oder die Sowjetunion untergegangen oder mussten sich wie China radikal wandeln. Wer meint, er habe zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus einen dritten Weg gefunden, landet am Ende doch wieder bei den Despoten des Sozialismus.

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick.

Photo: Marcus Holland-Moritz from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Prof. Dr. Justus Haucap, Gründungsdirektor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Mitglied im Kuratorium von Prometheus.

Mit knapper Mehrheit haben die Briten am 23. Juni 2016 dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Viele Beobachter waren sehr überrascht. Bisher war es noch immer gut gegangen. Selbst als die Franzosen und Niederländer 2005 gegen die Europäische Verfassung stimmten, tat das der Integration keinen Abbruch. „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, so das bisher gültige Motto der EU. Nun aber will zum ersten Mal ein Land die EU wieder verlassen. Es scheint doch nicht alles alternativlos zu sein.

Besonders die wirtschaftlichen Konsequenzen werden für die Briten furchtbar sein, meinen durchaus nicht wenige meiner Kollegen (etwa hier). Die EU hingegen werde den Austritt schon verkraften, aber für die Briten sei ein Brexit desaströs, so die wohl mehrheitliche Meinung. In einer teils doch hysterisch anmutenden Berichterstattung und Kommentierung in den Tagen direkt nach dem Referendum wurden immer wieder zwei Vermutungen geäußert: Zum einen, dass viele Leute (besonders die Engländer und Waliser) wohl einfach zu dumm und zu wenig aufgeklärt seien, um die Vorteile der EU zu verstehen, und zum anderen, dass die alten Bürger zu störrisch sind und den jungen Briten in einem Akt der Misanthropie die Zukunft verbauen wollten. Dabei haben sich sehr viele junge Wähler der Stimme enthalten, weil es ihnen wohl doch nicht so wichtig zu sein schien, ob Großbritannien nun zur EU gehört oder nicht. Von den 18- bis 24-jährigen haben anscheinend nur 36 Prozent ihre Stimme abgegeben. Und auch die These, dass es primär Dummheit, Nationalismus oder gar Rassismus sei, die zu einer Skepsis gegenüber Brüssel führe, zeugt von Hochmut und mangelnder Fähigkeit zu differenzieren. Die Brexiteers sind keine homogene Masse, sondern ein recht heterogener Haufen. Ja, zum einen sind dies britische Nationalisten, aber es sind auch libertäre Ökonomen dabei und Bürger, denen die EU zu zentralistisch, zu bevormundend und zu wenig subsidiär ist.

Ob nun die wirtschaftlichen Konsequenzen für Großbritannien wirklich so dramatisch sein werden, wie manchmal skizziert, ist gar nicht klar. Interessanterweise gab der FTSE100, der Aktienindex der 100 wichtigsten britischen Unternehmen am Tag nach dem Referendum bis zum Börsenende nur um 3,15 Prozent nach. Der DAX hingegen verlor 6,8 Prozent, der französische Index CAC40 8 Prozent und die EuroStoxx 50, die 50 wichtigsten europäischen Aktien, sogar 8,6 Prozent. Mit der Interpretation sollte man vorsichtig sein, aber sicher suggerieren die Zahlen nicht, dass Großbritannien schwer getroffen wird, während es für den Rest der EU kaum etwas ausmacht. Natürlich herrscht nun große Unsicherheit, wie es genau weitergehen wird. Kurzfristig wird es negative Folgen für die britische und europäische Wirtschaft geben. Aber mittelfristig kann der Brexit auch eine Chance sein, sowohl für Großbritannien als auch für die EU.

Vieles wird, sowohl für Großbritannien als auch die EU, letztlich davon abhängen, wie sich die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ausgestalten werden. Dass es etwa zu einem Handelsembargo kommen wird, ist schwer vorstellbar. Der Freihandel und der Binnenmarkt werden sehr wahrscheinlich bestehen bleiben und damit auch ein Großteil der wirtschaftlichen Vorteile. Dass Großbritannien sich nun möglicherweise nicht an das Verbot von Glühbirnen, Plastiktüten und leistungsstarken Staubsaugern wird halten müssen, dürfte hingegen kaum wirtschaftlich spürbar sein. Auch die Schweiz und Norwegen darben trotz fehlender EU-Mitgliedschaft nicht im Elend, obgleich auch die Freizügigkeit etwa zwischen der Schweiz und den EU-Staaten im Vergleich zur Freizügigkeit innerhalb der EU drastisch eingeschränkt ist (zum Beispiel weil tendenziell nur EU-Bürger mit einem festen Arbeitsplatz oder einem anderweitig ausreichendem Einkommen ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen können). Der Thinktank Open Europe hat dementsprechend im März letzten Jahres prognostiziert, dass die Auswirkungen des Brexits positiv oder negativ sein können – je nachdem, welche Politik ergriffen wird. Denkbar wäre etwa auch, dass die Briten beim transatlantischen Freihandel voranpreschen, während große Teile der verbleibenden EU hier wesentlich zögerlicher sind. Der Austritt der Briten wird in der EU die protektionistischen und fortschrittsfeindlichen Kräfte weiter stärken.

Es mag provokant sein, aber: Die jungen Briten mögen mit ihrer impliziten Einschätzung durchaus recht gehabt haben, dass es letztlich zumindest ökonomisch nicht so einen großen Unterschied macht, ob Großbritannien nun in der EU ist oder nicht. Der Verweis, dass Großbritannien in den vergangenen 40 Jahren seit dem Zutritt zur EU einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat, stimmt natürlich. Allerdings gilt das auch für die Schweiz und Norwegen und sogar für Australien und Südkorea. Wie viel von diesem Aufschwung etwa auf eine EU-Mitgliedschaft im Vergleich zu einer hypothetischen Beschränkung auf die Mitgliedschaft in der europäischen Freihandelszone (EFTA) zurückzuführen ist, ist völlig unklar.

Europäische und auch deutsche Politiker, die jetzt fordern, die Briten ob ihres demokratischen Ungehorsams besonders deutlich zu bestrafen, werden vor allem auch der deutschen und europäischen Wirtschaft selbst schaden. Vergeltung ist eine ziemlich schlechte Antwort auf eine demokratische Entscheidung. Die EU ist keine Sekte, aus welcher man nicht wieder ohne Androhung von Vergeltungsmaßnahmen austreten darf.

Überhaupt reflektieren die Granden der EU erstaunlich wenig, welcher Reformbedarf denn wohl in Brüssel bestehen könnte. Es ist sicher eine menschlich verständliche Reaktion, die Schuld für das empfundene Desaster bei anderen zu suchen. Daher überrascht es auch nicht wirklich, dass besonders europäische Politiker vor allem über die Briten schimpfen, bei der Europäischen Union und ihren Institutionen jedoch offenbar kein Versagen erkennen können. Dabei ist das Vertrauen vieler Bürger in die Brüsseler Entscheidungsprozesse schon lange erschüttert. Das wiederholte Brechen von Recht (etwa der sogenannten Maastricht-Kriterien oder der Dublin-Verordnung zur Aufnahme von Flüchtlingen) und Versprechen („Kein weiteres Hilfe-Paket/Bail-out für Griechenland“) trägt nicht zur Vertrauensbildung bei. Die Haltung der Brüsseler Eliten, den (etwa dummen) Bürgern einmal zu erklären, was gut für sie ist, stößt auf Skepsis bei vielen. Viele Bürger empfinden etwa die Flüchtlinge nicht als „ein Geschenk wertvoller als Gold“, wie Martin Schulz es im Juni in seiner Heidelberger Hochschulrede ausgedrückt hat. Vielmehr sehen viele die mit der Flüchtlingskrise verbundenen Kosten und Risiken. Die mangelnde Handlungsfähigkeit und -willigkeit der EU führt hier sicher nicht zu einem positiven Bild von der EU. Und es nimmt den Menschen auch nicht die Ängste, sie im Gegenzug als unverbesserliche Rassisten zu beschimpfen. Auch Behauptungen wie die, dass es nie einen Bail-out Griechenlands geben werde oder dass die Energiewende die Bürger nicht mehr als eine Tasse Cappuccino kosten werden, führen zu einer fundamentalen Erosion des Vertrauens in die Politik. Mit Hochmut und Beschimpfungen der Wählerschaft wird man das verloren gegangene Vertrauen nicht zurückgewinnen.

Wie weit die Brüsseler Führung inzwischen von den Bürgern entfernt ist, zeigt die Reaktion Jean-Claude Junckers, der nun nicht innehalten und reflektieren möchte, sondern mit noch mehr Tempo mehr Staaten zur Übernahme des Euro drängen will. Das erinnert an Erich Honeckers Realitätsverlust im August 1989 als er glaubte, den Sozialismus in seinem Lauf hielten weder Ochs noch Esel auf.

Nicht nur die Briten sind nun gefordert. Auch die Europäische Union muss sich grundlegende Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Weniger Harmonisierung und weniger Zentralismus sind nicht das Ende der Europäischen Union, vielmehr läge in einer Rückkehr zu einem echten Subsidiaritätsprinzip eine echte Chance, einen europäischen Staatenverbund doch zu einem Erfolg werden zu lassen. Der Brexit kann ein Weckruf zur richtigen Zeit sein, wir benötigen nun eine sachliche und gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der EU. Panikmache, Hysterie und Durchhalteparolen sind dagegen fehl am Platz.

Erstmals veröffentlicht auf Merton Magazin.

Photo: jalbertgagnier from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Das Brexit-Votum und das derzeitige Nachspiel zeigen deutlich: die Globalisierung ist bedroht. Und zwar gleich von zwei Seiten: von einer verängstigten Bevölkerung wie von protektionistischen und merkantilistischen Politikern, gerade auch in der EU-Führungsebene.

Pro-Brexit und Anti-Globalisierung

Eines der wichtigsten Umfrage-Institute im Vereinigten Königreich, Lord Ashcroft Polls, hat eine in die Tiefe gehende Nachwahl-Befragung durchgeführt. (NB: Lord Ashcroft selbst ist ein Befürworter des Brexit.) Die Ergebnisse sind interessant: So nannten nur 6% der Brexit-Befürworter als Hauptgrund ihrer Entscheidung: „Im Bezug auf Handel und Wirtschaft würde Großbritannien mehr davon profitieren, außerhalb der EU zu sein“. Die anderen nannten die Unabsehbarkeit der Entwicklung der EU (13%), Kontrolle über die Grenzen (33%) und das Prinzip, dass Entscheidungen, die Großbritannien betreffen, auch dort gefällt werden sollten (49%).

Noch spannender wird es bei der Frage, wie Menschen, die sich zu bestimmten Phänomenen positiv oder negativ verhalten, abgestimmt haben. Gefragt wurde nach Multikulturalismus, gesellschaftlichem Liberalismus, Feminismus, der Öko-Bewegung, Globalisierung, Internet, Kapitalismus und Migration. Von denen, die Globalisierung insgesamt negativ einschätzen, stimmten 31% gegen den Brexit und 69% dafür. Diejenigen, die Globalisierung für positiv halten, stimmten zu 62% für einen Verbleib und zu 38% für den Austritt.

Globalisierungsgegner: links, rechts und in Brüssel

Die Globalisierung ist derzeit weltweit unter Beschuss. Schon seit mehr als einem Jahrzehnt haben Linke das Thema für sich entdeckt und sie in sonderbarem Kontrast zu ihrer alten Tradition des Internationalismus für alle Übel der Welt verantwortlich gemacht. Spätestens seitdem offenbar wird, dass in einer zunehmend globalisierten Welt nicht nur Güter, sondern auch Menschen beweglicher werden, haben auch Rechte das Phänomen als Gegner ausgemacht. Während die eine Seite eine Tobin-Steuer fordert, geloben auf der anderen Seite Politiker wie Trump ökonomische Unabhängigkeit. In Großbritannien, dem Ursprungsland des Freihandels, findet man in den Supermärkten inzwischen gigantische UK-Fahnen auf unzähligen Produkten, die zeigen sollen, dass der Joghurt, die Forelle und im Zweifel auch noch die Papaya aus Großbritannien stammen.

Mit dem Konzept der vier Grundfreiheiten ist die EU durchaus ein Motor der Globalisierung gewesen. Gleichzeitig ist sie aber auch immer wieder der Gefahr erlegen, die Globalisierung zu bremsen. Das prominenteste Beispiel dafür ist wohl die Agrarpolitik. Ein anderes Beispiel wäre das Thema Mindestlohn, der die Arbeitsmärkte selbst innerhalb der EU abschottet. Wäre ein solcher Protektionismus nicht eigentlich ein Fall für die Binnenmarkt-Kommissarin? Und nun auch noch die hemmungslose Post-Brexit-Rhetorik von Juncker, Schulz und Konsorten. Sie zielt nicht nur darauf, die Briten verächtlich zu machen, sondern insbesondere auch auf einen europäischen Korpsgeist. In diesem „wir Europäer“ steckt auch sehr viel „die anderen“ – seit neuestem nicht mehr nur Chinesen, Brasilianer, die USA und bisweilen die Schweiz, sondern nun auch das Vereinigte Königreich. Weltoffenheit ja – aber nur gegenüber denen, die wohlanständig kooperieren …

Es droht eine neue Ära des Isolationismus

Es ist vor allem der Globalisierung zu verdanken, dass die bitterste Armut weltweit zurückgegangen ist und gleichzeitig das Leben in unseren Breitengraden mit eindrucksvoller Geschwindigkeit immer besser wird. Weltweiter Wohlstand und wachsende Freiheit sind die Ergebnisse eines Zeitalters, in dem Grenzen gefallen sind: von Zollschranken bis zu Informationsschranken. Es sind wahrhaft bittere Zeiten, wenn Globalisierung selbst in ihrem Mutterland auf der Insel im Kanal einen zunehmend schweren Stand hat. Es droht eine neue Ära des Isolationismus: In den USA überbieten sich Clinton und Trump mit protektionistischen Vorschlägen. In Ostasien spielen wichtige Akteure mit dem Feuer des Wirtschaftskrieges. Und in der EU wollen die einen sich jetzt gegenüber Großbritannien und der Schweiz endlich mal hart zeigen, während die anderen die Abkommen mit den USA und Kanada zu Fall bringen wollen.

Diese Tendenzen müssen aufgehalten werden! Dazu gehört, dass alle an den Brexit-Verhandlungen Beteiligten so viele Freiheiten wie möglich zu bewahren versuchen. Die britischen Politiker müssen der Versuchung einer Abschottung widerstehen – und vielleicht noch viel mehr die EU der Versuchung, eine Strafaktion gegen Unbotmäßige durchzuführen. Vor allem aber müssen Vorurteile und Ängste auf kluge Weise abgebaut werden. Jeder Intellektuelle, Journalist und Politiker, der politischen und wirtschaftlichen Isolationismus (und die damit einhergehenden massiven politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Verwerfungen) vermeiden möchte, ist in der Verantwortung. Wir müssen Globalisierung neu erklären, um zu verhindern, dass all das Positive, das wir in den vergangenen Jahrzehnten erreicht haben, in Gefahr gerät.

Friedrich August von Hayeks Beobachtung und Warnung aus dem Jahr 1949 ist heute wieder hochaktuell:

Nachdem die wesentlichen Forderungen des liberalen Programms erfüllt waren, wandten sich die liberalen Denker vorwiegend Einzelproblemen zu und vernachlässigten die Fortbildung der philosophischen Grundlagen; der Liberalismus hörte damit auf, ein lebendiges Problem zu sein, das zu geistiger Arbeit reizte. … Wenn es uns nicht gelingt, die Voraussetzungen einer freien gesellschaftlichen Ordnung wieder zu einer brennenden geistigen Frage und ihre Lösung zu einer Aufgabe zu machen, die den Scharfsinn und die Erfindungsgabe unserer besten Köpfe herausfordert, dann sind die Aussichten für den Fortbestand der Freiheit tatsächlich gering.