Beiträge

Photo: Vladimir Pustovit from Flickr (CC BY 2.0)

Was zeichnet eigentlich eine moderne Gesellschaft aus? Ist es ihr Wohlstand, die Infrastruktur oder sind es ihre technischen Errungenschaften? Nein, es sind bestenfalls auch die Ergebnisse einer offenen Gesellschaft. Doch hier sind moderne Gesellschaften nicht alleine. Auch Saudi-Arabien kennt Wohlstand und eine gute Infrastruktur, obwohl das Land die Meinungsfreiheit unterdrückt und Steinigungen und Todesstrafen regelmäßig vollzieht. Und auch China kennt einen wachsenden Wohlstand, obwohl die Kommunistische Partei Chinas alles beherrscht und Andersdenkende einsperrt.

Eine moderne Gesellschaft zeichnet in erster Linie aus, dass sie offen für Neues ist und Widerspruch nicht nur zulässt, sondern ihn braucht. Das ist nicht selbstverständlich. Denn das Neue ist unbekannt, unsicher und möglicherweise auch mit Risiken behaftet. Eine moderne Gesellschaft verlässt sich nicht auf die Regierung. In einer modernen Gesellschaft verlässt sich der Einzelne erst mal auf sich selbst und dann auf sein näheres Umfeld, die Familie und Freunde, und erst an letzter Stelle greift der Staat und sein Netz an Hilfen ein.

In einer modernen Gesellschaft sind „die da oben“ auch nicht so wichtig. Sie sind die Dienstleister der Bürger. Nicht die Bürger sind in dieser Gesellschaft zur Transparenz verpflichtet, sondern die Regierung und ihre Organe. Zu diesem Idealzustand muss eine offene Gesellschaft immer wieder erneut streben. Das ist oft leichter gesagt als getan. Denn Regierungen und Parlamente streben nach Macht und Einfluss. Diese Macht ist im Rechtsstaat aber begrenzt durch das Gesetz. Doch auch das Gesetz kann Recht aushebeln. Jüngste Beispiele sind das Netzdurchsetzungsgesetz der großen Koalition, wo die Betreiber von Sozialen Netzwerken wie Facebook zu Hilfssheriffs der Regierung degradiert werden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Das Recht muss daher immer von einer offenen Gesellschaft verteidigt werden. Die Gleichheit vor dem Recht ist dabei der Maßstab. Es darf keine Unterschiede machen, ob jemand arm oder reich ist oder Einfluss bei den Oberen hat oder nicht. Dieses Recht unterliegt einem kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. Was vor hundert Jahren als unrecht empfunden wurde, muss heute längst nicht mehr unrecht in den Augen einer Gesellschaft sein. Früher war der Ehebruch nicht nur vor dem Gesetz verboten, sondern auch Unrecht in den Augen der Gesellschaft. Seitdem findet ein gesellschaftlicher Wandel statt, der auch die Gesetzgebung beeinflusst hat. Seit 1969 wird der Ehebruch nicht mehr strafrechtlich sanktioniert und seit 1977 wird die Schuldfrage bei Scheidungen nicht mehr hinterfragt. Die hohen Scheidungsraten lassen auch einen gesellschaftlichen Wandel im Rechtsempfinden der Menschen erkennen. Das muss man nicht gut finden, dennoch verändert sich die Gesellschaft.

Damit gesellschaftlicher Wandel stattfinden kann und Regierungen ihre persönliche Meinung nicht zum Maßstab aller erklären, müssen Gesetze allgemein, abstrakt und für alle gleich sein. Wenn Regierungen Einzelfallgerechtigkeit per Gesetz durch immer neue Paragrafen herstellen wollen, dann verschlimmbessern sie das Recht. Es wird bürokratisch, interventionistisch und damit ungerecht. Der Einzelne versteht es nicht mehr, muss sich einen Rechtsbeistand nehmen, den wiederum nicht jeder sich leisten kann. Damit wird das Gesetz ungerecht, weil es nur noch auf dem Papier für jeden gleich ist.

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist in seiner Wirkung auch gerecht. Die Sozialgesetzgebung in Deutschland ist das beste Beispiel für diese Einzelfallgerechtigkeit. Sie hilft nicht den wirklich Bedürftigen, sondern auch denjenigen, die sich eigentlich selbst helfen können. Letztere zahlen das mit ihren Steuern und Abgaben, die ein Rekordniveau erreichen und den Staat immer fetter und einflussreicher machen. Auch das führt zu immer mehr Unfreiheit. Haben Sie Mut zu Recht und Freiheit!

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung.

Photo: Wikimedia Commons

Von Prof. Dr. Thomas Mayer, Kuratoriumsvorsitzender von “Prometheus” und Gründungsdirektor des “Flossbach von Storch Research Institute”.

Eine der ältesten und gleichzeitig wichtigsten Einsichten der Volkswirtschaftslehre ist die Erkenntnis der Vorteile der Arbeitsteilung. Wenn sich jeder in der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen auf das konzentriert, was er am besten kann, und das von anderen eintauscht, was er selbst nicht herstellt, ist die Wohlfahrt aller sehr viel größer, als wenn jeder nur für den Eigenbedarf produziert. Und was für den Einzelnen in einem Land gilt, gilt auch für ganze Länder. Freier Handel zwischen den Ländern erhöht die Wohlfahrt aller Bürger dieser Länder. Kaum eine theoretische volkswirtschaftliche Erkenntnis ist durch die Wirklichkeit eindrucksvoller bestätigt worden als diese. Dennoch sind heute die Gegner des internationalen Freihandels im politischen Aufwind. Das zeugt von erstaunlicher Unkenntnis nicht nur über die wirtschaftlichen Vorzüge des Freihandels, sondern auch über den Zusammenhang zwischen Handel und Kapitalverkehr.

Freihandel schafft Gewinner und Verlierer. Die Begabten und Fleißigen können ihr Tätigkeitsfeld auf Kosten der weniger Begabten und Fleißigen ausweiten. Die zweite Gruppe versucht natürlich, sich gegen Konkurrenz von der ersten zu schützen. Sind beide Gruppen ungleich zwischen den Ländern verteilt, kann die Mehrheit der weniger Begabten und Fleißigen in einem Land Handelsbarrieren gegen die Begabteren und Fleißigeren im anderen Land organisieren. Dabei hilft ihr, wenn statt der auf Regeln fußenden Staatsform des liberalen Rechtsstaats die Staatsform der zweckorientierten Organisation der Gesellschaft besteht. Im zweckorientierten Staat versuchen starke Interessengruppen die Politik der Regierung zu bestimmen. Seit der Finanzkrise ist dies den Verlierern des Freihandels in einigen Ländern recht gut gelungen. Diese Verlierer versprechen sich von Importzöllen und anderen Handelshemmnissen Schutz vor ausländischer Konkurrenz. Doch sie übersehen, dass sie damit keine Änderungen der Handelsbilanzen erreichen können.

Vorübergehende Ungleichgewichte können im Handel auftreten, wenn es möglich ist, diese zu finanzieren. Eine Seite kann mehr Güter liefern als die andere, wenn sie von dieser Seite Zahlungsmittel statt anderer Güter annimmt. Der Ökonom und Finanzminister in der österreichischen Donaumonarchie Eugen von Böhm-Bawerk sah in den Finanzierungsmöglichkeiten die Ursache für Handelsungleichgewichte: „Die Zahlungsbilanz befielt, die Handelsbilanz folgt, nicht umgekehrt.“ Mit Zahlungsbilanz und Handelsbilanz meinte er das, was wir heute Kapital- und Leistungsbilanz nennen.

Sind die Kapitalströme das Ergebnis der Entscheidungen der Wirtschaftsakteure, kann man davon ausgehen, dass der Aufbau von Zahlungsmitteln durch Leistungsbilanzüberschüsse in der Gegenwart dazu dient, Leistungsbilanzdefizite in der Zukunft zu finanzieren. Werden jedoch die Kapitalströme von staatlichen Zentralbanken manipuliert, sind auch die sich daraus ergebenden Handelsströme politisch manipuliert. Heute werden die globalen Kapitalströme wesentlich von der Geldpolitik der Zentralbanken der USA, Japans, des Euroraums und in geringerem Maß Chinas beeinflusst. Da die Zinsen in Japan und im Euroraum von den dortigen Zentralbanken weit unter die Zinsen in den USA gedrückt wurden, fließt den USA Kapital zu. Die Defizite in den Kapitalbilanzen bestimmen die Überschüsse in den Leistungsbilanzen dieser Länder, und der Überschuss der Kapitalbilanz der USA bedingt das Defizit der Leistungsbilanz dort.

Der Zusammenhang ist in der unten stehenden Grafik für den Euroraum illustriert. Die Kapitalbilanz entwickelte sich im betrachteten Zeitraum von 2005 bis 2017 entsprechend der Differenz der Renditen auf zweijährige Bundesanleihen und US Staatsanleihen gleicher Laufzeit (wobei der deutsche und der amerikanische Zins für den jeweiligen Eckzins im Euroraum und in der Welt stehen). Als die Zinsdifferenz 2008-09 nach aggressiven Zinssenkungen der Federal Reserve vorübergehend zu Gunsten Deutschlands stieg, drehte die Kapitalbilanz in den positiven Bereich. Spiegelbildlich dazu wies die Leistungsbilanz ein Defizit auf. Mit dem Rückgang der Zinsdifferenz aufgrund der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank fiel auch der Überschuss der Kapitalbilanz und drehte in der jüngeren Vergangenheit in ein hohes Defizit. Dem entsprechend stieg der Überschuss der Leistungsbilanz. Dabei dürfte die Zinsdifferenz die Zahlungsbilanz über zwei Wirkungskanäle beeinflusst haben. Zum einen hat die Zinsdifferenz zu Ungunsten Deutschlands den Wechselkurs des Euro gedrückt und so die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Euroland erhöht. Zum anderen dürfte die Zinsdifferenz zu einer Umleitung der Investitionen ins Ausland und damit zu einer Schwächung der Inlandsnachfrage geführt haben.

Euroraum: Zahlungsbilanz und Zinsdifferenz (Deutschland – USA) (2005 1.Vj. – 2017 1.Vj.)

Quelle: Haver Analytics

Solange die Kapitalströme sich nicht verändern, werden protektionistische Maßnahmen auch nicht die Leistungsbilanzen verändern können. Erhöhen die USA die Importzölle, wie von den Anhängern Donald Trumps gewünscht, muss der Wechselkurs des Dollars steigen, so dass das Leistungsbilanzdefizit weiterhin dem Überschuss in der Kapitalbilanz entsprechen kann. Doch kann sich natürlich die Zusammensetzung der Importe ändern, wenn die Zölle nur auf bestimmte Produkte erhoben werden. Möglicherweise werden dadurch die geschützten Bereiche besser, aber dafür andere Bereiche schlechter gestellt werden.

Es ist also sinnlos, Leistungsbilanzungleichgewichte, die durch Ungleichgewichte der Kapitalverkehrsbilanzen bestimmt sind, durch Handelsprotektionismus korrigieren zu wollen. Wer sich an diesen stört, sollte vielmehr die Zentralbanken dazu bringen, ihre Manipulation der Zinsen und die daraus folgenden Verzerrungen der internationalen Kapitalströme zu beenden. Können sich die Zinsen wieder am Markt bilden, dann kommt es zu Kapitalverkehrsbilanzen, die die Wünsche der Wirtschaftsakteure widerspiegeln, vorübergehende Ungleichgewichte im Handel von Gütern und Dienstleistungen finanziell zu überbrücken.

 

Photo: Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Die Parlamentswahlen in Frankreich kommen einem Erdrutsch gleich. Das kann man schon daran festmachen, dass drei Viertel der Abgeordneten neu ins Parlament einziehen werden. Aus dem Stand hat „La République en marche“, die neugegründete Partei von Präsident Emmanuel Macron, die absolute Mehrheit in der Französischen Nationalversammlung erzielt. Das ist bemerkenswert. Ist die junge Partei doch erst im April letzten Jahres gegründet worden. Zwar ist „en marche“ in der zweiten Kammer, dem Senat, derzeit noch nicht vertreten, doch im September wird etwas mehr als die Hälfte der 348 Senatoren neu gewählt. Sollte sich der Erfolg Macrons dann auch fortsetzen, gibt es keine Ausreden mehr. Macron muss dann liefern. Das ist auch bitter notwendig. Frankreich liegt ökonomisch am Boden.

Frankreichs Industrieproduktion liegt nach wie vor fast 13 Prozentpunkte unter dem Hoch von April 2008. Das Baugewerbe sogar über 21 Prozentpunkte darunter. Der Niedergang der französischen Wirtschaft lässt sich am besten an der Zahl der Arbeitslosen festmachen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 21,7 Prozent. Die offizielle Zahl der registrierten Arbeitslosen beträgt rund 3,5 Millionen (10 Prozent). Wird jedoch die versteckte Zahl an Personen, die geringfügig beschäftigt sind, aber mehr arbeiten wollen und Personen die sich in Weiterbildungsmaßnahmen befinden oder krank sind, hinzugerechnet, liegt die Zahl bei über 6 Millionen. Bei 67 Millionen Einwohnern ist dies eine gigantische Zahl und zeigt die ganze Dimension des Problems.

Das alles hat seinen Preis. Die Staatsquote liegt mit 56,6 Prozent im traditionell zentral regierten Frankreich besonders hoch. Die Staatsverschuldung hat sich in den letzten 10 Jahren um 1.000 Milliarden Euro und in Relation zur Wirtschaftskraft um 50 Prozent erhöht. Die zweitgrößte Wirtschaftsmacht in Europa steht mit dem Rücken zu Wand. Was Deutschland zu Beginn des Jahrtausends war, der kranke Mann Europas, ist heute Frankreich.

Macron müsste eigentlich Reformen im Ausmaß einer Schröderschen „Agenda 2010“ anstoßen, um Frankreich aus der Lethargie zu befreien. Erste Ansätze dazu hat er bereits vorgelegt. Die Körperschaftsteuer will er auf 25 Prozent (von 33 Prozent) reduzieren, die Arbeitslosenversicherung vereinheitlichen und das Arbeitsrecht flexibilisieren. Der Konflikt mit den mächtigen Gewerkschaften ist dabei vorprogrammiert, wenn er die Möglichkeit der Lohnverhandlungen von den Tarifparteien auf die Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlagern will.

Macron lässt sich wirtschaftspolitisch dennoch nicht richtig fassen. Er ist wie ein glitschiger Aal.  Auf der einen Seite tritt er für einen „New Deal“ für die EU ein, will den Juncker Fonds sogar noch aufstocken, um Investitionen anzuregen. Gleiches plant er im eigenen Land mit einem Investitionsprogramm für 50 Mrd. Euro. Gleichzeitig will er die Staatsausgaben um 60 Mrd. Euro senken und 120.000 Stellen im Öffentlichen Dienst streichen, aber den Verteidigungsetat auf 50 Milliarden Euro erhöhen und 29.000 neue Stellen bei Polizei, Strafvollzug und in den Schulen schaffen. Sein Bekenntnis zum Maastricht-Ziel von max. 3 Prozent Staatsdefizit zur Wirtschaftsleistung und die Reduktion der Staatsquote auf 53 Prozent klingt dann wie die eierlegende Wollmilchsau. Von allem ein bisschen, aber nichts konsequent.

Der Präsident der 5. Republik ist sicherlich kein Liberaler. Er ist weniger Sozialist als sein Vorgänger Francois Hollande und er ist weniger Nationalist als seine Gegenkandidatin Marine Le Pen. Aber was ist er? Wie tickt Emmanuel Macron? Die Antwort auf diese Frage steht noch aus und entscheidet letztlich nicht nur über die Zukunft Frankreichs, sondern auch über die weitere Entwicklung der Europäischen Union und des Euros.

Photo: joiseyshowaa from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Vorsitzender des Verbandes “Die Jungen Unternehmer“, CEO der App-Arena GmbH.

Der Begriff Populismus schwirrt fast täglich durch die Medien. Gerade in Wahljahren könnte man meinen, jeder Politiker sei Populist. Dieses oder jenes sei „populistisch“, heißt es dann vom anderen Lager. Ein klarer Vorwurf. Ursprünglich beschreibt Populismus aber nichts anderes als „Volksnähe“. Das ist an sich nichts Schlechtes. Im Gegenteil, es ist ein elementarer Bestandteil unserer Demokratie. Populismus gibt auf schwierige Fragen einfache Antworten. Diese durchdringen das Thema selten, sie geben uns jedoch Hinweise. So können wir ableiten, in welche Richtung die Reise gehen soll und welche politische Idee unserer eigenen am nächsten kommt. Voraussetzung dafür ist, dass man kritisch hinterfragt und sich bemüht, negative Konsequenzen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Populismus heute

Durch permanente Reizüberflutung und Informationsüberschuss in der modernen Welt sind wir dankbar für einfache und appetitliche Häppchen seitens der Politik. Die Versuchung ist groß und so kommt das Nachdenken und Hinterfragen leider oft zu kurz. Das ist die eigentliche Gefahr des Populismus. Die Konsequenzen sind besorgniserregend. So setzen wir leichtsinnig mal eben die Grundwerte und größten Errungenschaften unserer Gesellschaft aufs Spiel: Freiheit und Wohlstand. Ich möchte hier einmal zwei vermeintliche Antworten beleuchten, die besonders im Trend liegen.

Aktuelle Beispiele

Anti-Freihandel: Der US-amerikanische Präsident Donald Trump, die Befürworter-Partei des Brexit UKIP und auch TTIP- und Freihandelsgegner stehen für eine national ausgerichtete Handelspolitik. Sie betreiben oder planen wirtschaftlichen Protektionismus, also handelspolitische Maßnahmen zum Schutz der inländischen Wirtschaft gegen ausländische Konkurrenz. Wenn man nur eine Sekunde darüber nachdenkt, könnte einem recht schnell klar sein, dass ein solcher Ansatz in einer globalisierten und vernetzten Welt nur zum Schlechten führen kann. Kurzfristig lohnt es sich vielleicht, doch schon auf mittlere Sicht fehlen Innovationen und auch der internationale Wettbewerb. Das Wachstum von Unternehmen ist durch den ausschließlich inländischen Handel streng limitiert. Auch andere Länder fangen an sich abzuschotten. So wird jeder Export durch hohe Transaktionskosten unattraktiv. Geschichte würde sich wiederholen. Schon die Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren zeigte auf, wozu Protektionismus führt. Die Weltwirtschaft schrumpfte um ein Drittel. Eine erst mal in Gang gesetzte Protektionismusspirale würde unseren Wohlstand in Armut umkehren und Fortschritt extrem bremsen. Die Leidtragenden wären die kommenden Generationen.

Die angeblich fehlende Gerechtigkeit: Die SPD geht dieses Jahr mit dem Thema soziale Gerechtigkeit auf Stimmenfang. Sie zeichnet öffentlich ein dunkles Bild des Allgemeinwohls, beispielsweise mit dem Armuts- und Reichtumsbericht. Man könnte denken, Deutschland sei ein Entwicklungsland. Hier werden systematisch die extremen Fälle – sehr arme oder superreiche Bürger – in den Fokus gestellt. So wird wirksam davon abgelenkt, dass der Großteil der Deutschen von ihrem Einkommen ordentlich leben können, ihre Miete bezahlen, ihre Kinder zur Uni schicken und regelmäßig in den Urlaub fahren. Belegt wird das durch steigende Reallöhne, die geringe Arbeitslosigkeit und Rentenerhöhungen. Die Gesellschaft wird durch gegenteilige Äußerungen weiter gespalten anstatt zusammengeführt. Wir leben in einem der wohlhabendsten Länder der Erde mit guten sozialen Absicherungen. Weitere enorme Umverteilungspläne würden zu Lasten der Jungen gehen und dabei weiterhin die „echten“ Armen – beispielsweise Alleinerziehende – außer Acht lassen.

Aufmerksamkeit mit allen Mitteln

Die ursprüngliche Definition von Populismus ist nichts Schlechtes, der moderne Gebrauch ist es jedoch schon. Themen mit Aufreger-Potenzial werden schamlos ausgenutzt, um im medialen Dschungel Stimmen und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es werden Scheinlösungen für Pseudoprobleme angeboten und das Schlimmste ist: Wir fallen darauf rein! Wir sollten wieder anfangen uns – auch wenn sie nicht so emotional scheinen – wichtigen Themen, wie dem demographischen Wandel, einer Neuausrichtung Europas, oder Bildungsreformen zu widmen. Die bleiben derweil auf der Strecke. Der Populismus-Trend muss aufgehalten werden. Wir brauchen dringen wieder einen nüchterneren Blick auf die Dinge und statt heißer Herzen wieder kühle Köpfe.


Dr. Hubertus Porschen ist ehrenamtlicher Bundesvorsitzender des Wirtschaftsverbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER, Gründer und Geschäftsführer der App-Arena GmbH in Köln sowie promovierter Volkswirt. Im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl initiiert der Verband die Kampagne „Germany´s next Bundeskanzler/in“. Hier soll die Stimme der jungen Generation gefunden werden, die die Interessen der Erst- und Zweitwähler am besten vertritt. Die Kampagne soll junge Wähler für Politik begeistern.

Photo: Jonathan Rolande from Flickr (CC BY 2.0)

Mit einem Paukenschlag geht die Woche zu Ende. Und wieder haben die Wähler anders gewählt als die Regierenden geglaubt haben. Als vor wenigen Wochen Theresa May überraschend Neuwahlen erwirkte, haben viele Beobachter dies als klugen Schachzug empfunden. Schließlich stehen den Briten harte Verhandlungen mit der EU um den Brexit bevor. Diese sollten eigentlich am 19. Juni beginnen und von einer durch die Wähler gestärkten Theresa May angeführt werden. Da schien es sinnvoll, dass Theresa May ihre knappe Mehrheit von 330 Mandaten (326 Mandate sind notwendig) weiter ausbaut und sich dafür die Legitimation durch die britischen Bürger einholt. Jetzt hat sie mit Zitronen gehandelt. Sie wird die absolute Mehrheit verpassen. Ein „hung parliament“ ist beim reinen Mehrheitswahlrecht in Großbritannien ungewöhnlich. Es ist für Theresa May und ihre Tories der größte anzunehmende Unfall. Es ist ein politischer Super-Gau. Aller Voraussicht nach wird sie den Tag politisch nicht überleben, sondern heute bereits um 11 Uhr, während dieser Text veröffentlicht wird, ihre Niederlage eingestehen und Platz für einen Nachfolger machen.

Wer das sein wird, ist offen. Entweder Außenminister Boris Johnson wirft seinen Hut in den Ring oder Brexit-Minister David Davis. Ob diese dann als Premierminister in die Brexit-Verhandlungen gehen, hängt wesentlich von der sich bildenden Mehrheit im Unterhaus ab. Wird es eine erneute Koalitionsregierung mit den überraschend erstarkten Liberaldemokraten geben? Oder mit der nordirischen Democratic Unionist Party? Oder wird vielleicht sogar an den Tories vorbei eine Koalition um den Labour-Führer Jeremy Corbyn gebildet. Immerhin ist er der eindeutige Wahlgewinner. Seine Partei hat überraschend rund 30 Mandate hinzugewonnen. Jedoch haben die Liberaldemokraten einer Koalition unter Führung von Labour bereits eine Absage erteilt. Was sich Großbritannien sehr wahrscheinlich nicht leisten kann, sind erneute Neuwahlen und bis dahin eine Minderheitsregierung.

Ist diese Wahl jetzt eine Absage an den Brexit-Kurs? Sicherlich nicht eindeutig. Das kann man schon daran festmachen, dass die Scottish National Party rund ein Drittel ihrer Mandate verloren hat. Sie warb mit der Loslösung Schottlands von Großbritannien und einem Verbleib in der EU. Jetzt ist auch sie vom Wähler abgestraft worden. Es ist aber sicherlich eine Absage an den harten Brexit-Kurs der Tories.  Die Menschen spüren, dass es doch nicht so einfach ist, die umfangreichen Vertragswerke mit der EU neu zu verhandeln und in so kurzer Zeit auf neue Füße zu stellen. Vielleicht ist es ein Wink der Wähler, auf einen weichen Brexit zu setzen.

Das ist vielleicht auch die Quintessenz und die Chance dieses Wahlergebnisses. Schon einmal habe ich hier geschrieben, dass ein berechenbarer Ausstieg für alle Seiten von Vorteil wäre. Dieser Ausstieg müsste über eine Beitritt Großbritanniens in die EFTA (Europäische Freihandelsassoziation) und damit einem Verbleib im Europäischen Wirtschaftsraum erfolgen. Bis zum Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft 1973 gehörte das Vereinigte Königreich bereits der EFTA (heute sind es noch Island, Norwegen, Lichtenstein und die Schweiz) an. Dieser Beitritt würde allen Beteiligten die notwendige Zeit geben, über weitere Schritte zu verhandeln. Es würde auch den derzeitigen EFTA-Staaten helfen, da auch beispielsweise Schweizer Unternehmen Rechtssicherheit für Ihre Warenexporte nach Großbritannien bekämen.

Hierzulande wird unterschätzt, welche Bedeutung Großbritannien auch ökonomisch für Deutschland und Europa hat. Großbritannien ist die drittgrößte Volkswirtschaft im Europäischen Wirtschaftsraum. 65 Millionen der 500 Millionen Bürger in diesem Wirtschaftsraum kommen von der Insel. Deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren über 120 Milliarden Euro auf der Insel investiert. Über 400.000 Arbeitnehmer sind dort bei deutschen Unternehmen beschäftigt. Allein deutsche Unternehmen haben Waren und Dienstleistungen im Wert von 86 Milliarden Euro in das Vereinigte Königreich geliefert. Britische Unternehmen verkauften für 36 Milliarden Euro Produkte nach Deutschland. Der Finanzplatz London ist für den ganzen Kontinent von großer Bedeutung, da er notwendiges Kapital zur Verfügung stellt. Großbritannien ist viel zu wichtig, als dass man sich in Deutschland Häme oder Schadenfreude leisten könnte. Deshalb sollte die Regierung in Berlin und die EU-Kommission in Brüssel auf die britischen Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Ein weicher Brexit wäre ein guter Anfang.