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Wo sind sie, die beiden mächtigsten Verbände in Deutschland? Was machen die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) und der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) eigentlich, um die Rechte ihrer Mitglieder zu sichern? Eigentlich wäre ihre Aufgabe, die sie finanzierenden Mitglieder vor den willkürlichen Eingriffen des Staates in deren Eigentum zu schützen und zu bewahren. Doch sie arrangieren sich mit den Mächtigen im Kanzleramt und betonen vorauseilend, was sie nicht schon alles gemacht haben, um den Frauenanteil in ihren Mitgliedsunternehmen zu erhöhen. Es ist ein Trauerspiel. Denn seit der Einführung der paritätischen Mitbestimmung in Aufsichtsräten 1976 ist die verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten wohl der größte Eingriff in das Eigentumsrecht des Einzelnen in der jüngeren deutschen Geschichte.

Doch so willenlos, wie sich die Dinos unter den Verbänden verhalten, so resigniert kapitulieren viele vor dem vermeintlichen Zeitgeist. Es wird als Fortschritt angesehen, dass die Gesellschaft bestimmt, was der Einzelne zu tun oder zu lassen hat. Wie Altkommunist Lenin es einst formulierte: „Ich bin nichts, die Gesellschaft ist alles.“

Doch die Frauenquote in Aufsichtsräten ist erst der Beginn. Sie folgt einem langfristigen Trend, der fast alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst und das Ziel hat, den alten Freiheitsbegriff „Zivilgesellschaft“ in sein genaues Gegenteil zu verkehren. Politisches Ziel dieser Begriffsumwertung war die von Wolfgang Abendroth in den 1950er Jahren geforderte „Transformation des freiheitlichen Rechtsstaats in den Sozialstaat“, an der wir heute alle leiden und gegen den sich erkennbar niemand entgegenstellen mag.

Selbst diejenigen, die von Hause aus einen weiteren Eingriff in das Eigentumsrecht des Einzelnen ablehnen, nehmen es inzwischen als Teil einer notwendigen gesellschaftlichen Entwicklung hin, setzen sich sogar populär auf den Trend oder resignieren schlicht.

Doch alles hat seine Geschichte, auch die Frauenquote. Jenes, was in den 1950er und 1960er Jahren von einer kleinen linken Gruppe vorbereitet wurde, fand in den 1970er und 1980er Jahren ihren politischen Nukleus bei den Grünen. Als die Grünen 1983 in den Deutschen Bundestag einzogen, wählten sie bereits eine Frau und einen Mann paritätisch an die Spitze ihrer Bundestagsfraktion. 1986 beschlossen sie eine verbindliche Mindestquotierung in ihrer Satzung. Dagegen ist erstmal nichts zu sagen. Denn jeder Verein oder Organisation darf sich die Regeln geben, die er oder sie für richtig erachten. Problematisch wird es, wenn anderen diese Regeln per Gesetz aufgezwungen werden sollen. Das Ziel ist und war es, „Gleichberechtigung und paritätische Beteiligung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Breichen zu verwirklichen“. Für deren Durchsetzung wollen die Grünen per Gesetz, dass „zur Erfüllung echter Parität Frauen bevorzugt werden“.

Das zeigt, es ist erst der Anfang. Was heute die Eigentümer großer börsennotierter Unternehmen betrifft, wird morgen in alle Gesellschaftsbereiche ausgeweitet. Warum soll etwas nur für große börsennotierte Unternehmen gelten, aber nicht für Familienunternehmen oder Handwerksbetriebe. Und warum soll dies nur für eine kleine Elite in den Aufsichtsräten gelten? Warum nicht in Führungspositionen? Warum nicht in klassischen Männerdomänen? Und wieso nur bei Frauen und Männern? Wieso nicht bei Christen und Muslimen, großen und kleinen Menschen oder Dicken und Dünnen? Es ließen sich zahlreiche Argumente finden, wieso eine einzelne Gruppe diskriminiert wird und dies deshalb per Gesetz verändert werden muss. Denn Diskriminierung bedeutet nichts anderes als unterscheiden durch entscheiden. Jeder von uns diskriminiert jeden Tag. Beim Besuch eines griechischen Restaurants diskriminieren wir alle spanischen, türkischen, chinesischen und deutschen Restaurants und natürlich deren Betreiber. Kaufen wir bei Amazon im Internet ein, diskriminieren wir den Einzelhandel in der Fußgängerzone. Und selbst die eigene Partnerwahl ist eine Hochform der Diskriminierung aller anderen potentiellen Partner, die verschmäht wurden.

Frauenquoten und andere Eingriffe in die individuelle Freiheit sind letztlich eine „Tyrannei der Minderheiten“, wie es der Philosoph Kenneth Minogue in seinem lesenswerten Buch „Die demokratische Sklavenmentalität – Wie der Überstaat die Alltagsmoral zerstört“ beschrieben hat, die hier konsequent umgesetzt wird. Diese haben das Ziel einer „Demokratisierung in allen Lebensbereichen“. Das Kollektiv mit dem heutigen Decknamen „Zivilgesellschaft“ weist den einzelnen Individuen nicht nur Freiräume und Eigentumsrecht zu. Das Kollektiv entscheidet nach öffentlicher Beratschlagung im angeblichen herrschaftsfreien Diskurs sogar über die künftige Entwicklung aller Individuen einer Gesellschaft, was dann als die Umsetzung emanzipatorischer gesellschaftlicher Projekte und als kollektiver Sebstbefreiungsprozess gefeiert wird.

Und ihre Erfolgsaussichten sind nicht schlecht. Denn es ist die Überlegenheit der kleinen Gruppe gegenüber der großen und damit heterogenen Gruppe, die es möglich macht, eine ursprüngliche Minderheitenposition gegen eine Mehrheit in der Gesellschaft durchzusetzen. Sie führt sogar, wie es der Ökonom Mancur Olson einmal ausführte, zu einer „überraschenden Tendenz zur „Ausbeutung“ der Großen durch die Kleinen“.

Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Und wenn ein Volk per Mehrheit Politiker wählt, die dem Druck der kleinen Gruppe nachgeben, dann muss das wohl akzeptiert werden. Doch die Herrschaft des Volkes darf nicht alles, sondern auch die Demokratie kennt Grenzen. Nicht nur die Pressefreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung gehören dazu, sondern auch der Schutz des Eigentums ist ein unveräußerliches Grundrecht. Diese Grundrechte begrenzen die Macht der Mehrheit gegenüber dem Individuum. Doch im Rahmen der „Demokratisierung aller Lebensbereiche“ spielen die Grundrechte fast keine Rolle mehr.

Doch wie kann dieser unheilvolle Trend
gestoppt und umgekehrt werden?

Es braucht den Widerstand aller Freiheitsfreunde, die den Weg zur Knechtschaft nicht länger hinnehmen wollen. Und das Instrument dieses Widerstandes wäre der Streik! Was Gewerkschaften recht und billig ist, darf doch anderen nicht verwehrt werden. Wenn Gewerkschaftsmitglieder ihre vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag einseitig aussetzen dürfen, dann müssen doch auch Gründer, Selbständige, Freiberufler, Unternehmer, Frauen und Männer, die das Eigentum und die individuelle Freiheit lieben,  ihre „Pflichten“, Steuern und Hilfsdienste an den Staat zu entrichten, aussetzen können. Lasst doch die Sozialisten in allen Winkeln und Gassen der Gesellschaft ihre ideale Welt vollenden. Mal schauen was passiert.

Ayn Rand hat in ihrem berühmten Roman Atlas Shrugged (in Deutschland: Der Streik, Verlag Kai M. John, München) bereits zum Boykott aufgerufen. Am Ende ihres Romans wandern Unternehmer, Künstler und Erfinder aus und gründen in einem fernen Tal ihre eigene Gemeinschaft und lassen die anderen in ihrem fortschreitenden Sozialismus zurück. John Galt, Ayn Rands Held im Roman, kündigt den Abschied in einer Radioansprache an: „Da für euch Tugendhaftigkeit gleichbedeutend ist mit Opferbereitschaft, habt ihr die Gerechtigkeit der Barmherzigkeit geopfert. Ihr habt die Unabhängigkeit der Einigkeit geopfert. Ihr habt die Vernunft dem Glauben geopfert. Ihr habt den Wohlstand dem Mangel geopfert. Ihr habt die Selbstachtung der Selbstverleugnung geopfert. Ihr habt das Glück der Pflicht geopfert. Ihr habt alles zerstört, was ihr für böse, und alles erreicht, was ihr für gut hieltet. Weshalb schreckt ihr also voll Grauen vor dem Anblick der Welt, die euch umgibt zurück? Diese Welt ist nicht etwa das Produkt eurer Sünden, sondern das Produkt und Spiegelbild eurer Tugend. Sie ist die Verwirklichung und Vollendung eures moralischen Ideals. Ihr habt dafür gekämpft, davon geträumt, sie herbeigesehnt, und ich – ich bin der Mensch, der euch euren Wunsch erfüllt hat.“

Photo: David Leo Veksle from Flickr

Photo: Mehr Demokratie from flickr (CC BY-SA 2.0)

Der Tag der Deutschen Einheit erinnert uns an eines der schönsten Ereignisse der deutschen Geschichte. Freiheit obsiegte über den Stacheldraht, Marktwirtschaft über den Sozialismus und die Demokratie über das SED-Zentralkomitee. An so einem Tag ist es schon ein Treppenwitz der Geschichte, wenn in einem der neuen Bundesländer, nämlich in Thüringen, sich jetzt – 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer – eine Regierung unter Führung der SED-Nachfolgepartei anschickt zu regieren. Das ist eigentlich unfassbar!

Der Tag der Deutschen Einheit sollte aber auch den Blick auf unsere parlamentarische Demokratie lenken. Auch dort ist nicht alles Gold was glänzt. Denn der Deutsche Bundestag ist schon längst nicht mehr der Ort der Gesetzgebung oder der Kontrolle. Die Gesetzentwürfe sowieso, aber oftmals auch die Parlamentsanträge werden von den Ministerialbeamten geschrieben. Bei den Gesetzentwürfen kommt es vor, dass sich Branchenverbände mit konkreten Gesetzesinitativen direkt an das Ministerium wenden. Das Ministerium hebt oder senkt dann den Daumen, ob es ein Gesetz macht oder nicht. Einzige Ausnahme: geht es um fiskalische Interessen, dann entscheidet das Finanzministerium selbstherrlich.

Aber auch Anträge der Fraktionen werden von den Ministerien geschrieben. So wurde der gemeinsame Antrag von CDU/CSU und FDP zur Bankenunion (Bankenunion – Subsidaritätsgrundsatz beachten, DS 17/10781 vom 25.09.2012) komplett vom Finanzministerium geschrieben. Dabei ging es um das Verhandlungsmandat, das der Bundestag der Bundesregierung mit auf den Weg gab, um die Bedingungen einer europäische Bankenaufsicht unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank zu regeln.

Es klingt ein wenig absurd, wenn die beiden Fraktionen in ihrem Antrag schreiben: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich bei den anstehenden Verhandlungen dafür einzusetzen…“, wenn die Ministerialbürokratie dies selbst formuliert hat.

Es wäre zu kurz gesprungen, wenn dieser Sachverhalt lediglich auf die Koalition von Union und FDP reduziert würde. Das unter Finanzminister Peer Steinbrück geführte Finanzministerium hat in der Zeit der Großen Koalition 2005 bis 2009 sogar ganze Gesetzentwürfe von externen Beratern schreiben lassen. So ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz von der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP geschrieben worden.

Es kommt sogar vor, dass die parlamentarischen Anfragen an die Regierung von den Beamten in den Ministerien formuliert werden. Das hat den Vorteil, dass der Regierungsbeamte die Antworten schon kennt. Im Gesetzgebungsverfahren bleibt dem Abgeordneten oftmals nur die Formulierung eines höheren oder niedrigeren Schwellenwertes, eines späteren Inkrafttretens des Gesetzes oder einer moderateren Stichtagsregelung. Darüber wird wochenlang gefeilscht und gestritten. Das Plenum des Parlaments ist jedoch nicht der Ort des Diskurses unterschiedlicher Meinung, sondern die öffentliche Verlautbarung der unterschiedlichen Meinungen.

Vielleicht sollte der Tag der Deutschen Einheit als Beginn einer Debatte verstanden werden, unsere parlamentarische Demokratie neu zu denken und ihr durch Volksinitiativen und Volksentscheide nach Schweizer Vorbild eine Gegenmacht entgegenzustellen, um sie auf Trab zu halten. So wie es der Schweizer Dichter Gottfried Keller in seiner Novelle „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“ schrieb:„Keine Regierung und keine Bataillone vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selber vor die Haustüre zu treten und nachzusehen, was es gibt.“

Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter von Frank Schäffler, der hier abonniert werden kann.