Beiträge

Photo: Hamed Al-Raisi from Flickr (CC BY 2.0)

Die Einschläge kommen immer näher und in kürzeren Abständen. Erst waren es nur Notenbanker und Wissenschaftler wie der Chef-Ökonom der Bank of England Andy Haldane und der Harvard-Professor Kenneth Rogoff, die die Abschaffung des Bargeldes forderten. Jetzt bescheinigte beim Treffen der Mächtigen in Davos Deutschbanker John Cryan Münzen und Scheinen keine gute Zukunft: Bargeld sei fürchterlich teuer und ineffizient. Bei der aktuellen Ertragssituation der größten deutschen Bank kann man da schon fast Verständnis oder sogar Mitleid haben.

Doch Mitleid ist ein schlechter Ratgeber. Denn immer dann, wenn der mediale Boden bereitet ist, springt auch die Politik auf das Thema auf. So will die SPD jetzt den 500-Euro-Schein abschaffen und Barzahlungen auf 5.000 Euro beschränken. Deren Sprecher Jens Zimmermann sagte dazu: „Der 500 Euro-Schein spielt in kriminellen und halbseidenen Milieus eine große Rolle“. Wer will sich schon mit kriminellen und halbseidenen Milieus identifizieren? Doch was ist mit 200 Euro-Scheinen, was ist mit den beliebten 100- und 50-Euro-Scheinen? Auch mit diesen werden Drogen gekauft, Menschenhandel finanziert und Beamte geschmiert.

Es gibt mächtige Interessen, die die Abschaffung des Bargeldes wollen. Alle diese Gruppen profitieren davon. Die Polizei kann Verbrecher, vom Schwarzarbeiter bis zum Terroristen, besser jagen, wenn alle Zahlungen über Konten abgewickelt werden müssen. Banken sparen Kosten, weil sie nicht ständig Bargeld sichern, herausgeben und verwalten müssen. Den Finanzminister freut es, weil er Einkommen leichter besteuern und kontrollieren kann. Und wenn die Überschuldung von Staaten und Banken offensichtlich wird und das Vertrauen in das staatliche Geldmonopol schwindet, dann kann man viel „effizienter“ mit Bankferien darauf reagieren. Argentinien, Griechenland und Zypern lassen grüßen.

Der Kollateralschaden ist erheblich: Ein wichtiges Stück Freiheit geht verloren. Denn Bargeld ist der in Münzen geschlagene Teil unserer Freiheit. Es geht zunächst einmal niemanden, keinen Finanzminister, keine Polizei, keinen Zentralbanker, keinen Deutschbanker und wen auch immer etwas an, was der Einzelne mit seinem Geld macht. Die Unschuldsvermutung ist ein Kernelement unseres Rechtssystems.

Das Bargeld hatte nicht immer so einen schlechten Ruf: Wer vor 40 Jahren einen neuen Fernseher gekauft hat, konnte diesen selbstverständlich mit einem 500 DM oder 1.000 DM-Schein bezahlen. Die Barzahlung war die Regel, die unbare Zahlungsweise die Ausnahme. Heute hat sich das Verhältnis umgedreht. Wer heute mit einem 500-Euro-Schein in einem Laden bezahlt, wird schräg angeschaut. Die psychologische Kriegsführung gegen das Bargeld hat das Unterbewusstsein erreicht. Das ist nicht gut für eine freie Gesellschaft. Daher muss all den Wissenschaftlern, Bankern und Politikern, die diese Entwicklung forcieren, Einhalt geboten werden. Ein freiheitlicher Rechtsstaat hat nicht das Recht der Überwachung jedes Einzelnen, weder unmittelbar noch mittelbar.

Die Antwort einer freien Gesellschaft muss eine Stärkung der Vertragsfreiheit sein. Sie ist Lebenselixier der Marktwirtschaft. Die Vertragsfreiheit sichert die Vielfalt. Sie bei der Wahl des jeweiligen Zahlungsmittels zu stärken, wäre die richtige Antwort auf den staatlichen Paternalismus. Schränken Regierung und Notenbank diese Vertragsfreiheit jedoch ein, dann ist ein weiterer Schritt in eine gelenkte Wirtschaft und den Überwachungsstaat bereitet.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

 

Photo: Mike Poresky from Flickr. (CC BY 2.0)

Von Timm Kloevekorn, Investor Verlag.

Die schleichende Abschaffung des Bargelds schreitet weiter voran. Teils offen wie in Skandinavien oder aber versteckt wie in vielen EU Ländern. So gilt z.B. in Frankreich seit September eine Obergrenze für Bargeldzahlungen von nur noch 999 €.

Auch in Deutschland planen Politiker gegen das Bargeld vorzugehen. NRW Finanzminister Walter Borjans will ein Verbot von Bargeldzahlungen über 3.000 €, und der Wirtschaftsweise Peter Bofinger spricht sich für die völlige Abschaffung von Bargeld aus. Er steht damit in einer Reihe mit dem Chefökonomen der Bank of England. Dieser forderte vor kurzem eine komplette Abschaffung, um negative Zinsen durchsetzen zu können. Auch die EU stellt mit der Geldwäsche-Richtlinie alle Bürger unter Generalverdacht, die Barzahlungen bevorzugen.

Klammheimliche Auflösung unserer bürgerlichen Freiheit

Ein bargeldloses Finanzsystem bedeutet, dass das sichere Bargeld der Zentralbanken wegfällt. Die Ersparnisse der Bürger liegen dann ausnahmslos in Form von elektronischem Buchgeld auf den Konten. Die Verbraucher können sich also ihre Sparguthaben nicht mehr einfach in sicheres Bargeld auszahlen lassen. Somit können die Zentralbanken mit negativen Zinsen die Anleger dazu zwingen, ihr angelegtes Geld für den Konsum auszugeben. Wer das Bargeld abschaffen möchte, entzieht mündigen Bürgern auch deren finanzielle Autonomie und ebnet den Weg in ein Überwachsungssystem. Alle finanziellen Transaktionen hinterlassen dann digitale Spuren. Egal ob beim Brötchenkauf am Sonntagmorgen oder beim Bier in der Stammkneipe. Die Anonymität und „geprägte Freiheit“ des Bargeldes sind dann Vergangenheit und weichen einem total durchleuchteten und überwachten Geldverkehr. Aus dem mündigen Konsumenten wird eine gläserne Marionette eines übermächtigen Überwachungsstaates. In Schweden und Dänemark zirkulieren schon konkrete Pläne, das Bargeld komplett abzuschaffen. Die dänische Zentralbank will überhaupt kein Bargeld mehr zu drucken. Die Pflicht zur Bargeldannahme von Tankstellen und Restaurants wurde bereits aufgehoben.

Wir fordern: Bargeldabschaffung unterbinden und Freiheitsrechte der Bürger garantieren!

Von den angeblichen Vorteilen eines bargeldlosen Geldsystems profitieren nur Finanzdienstleister und staatliche Behörden. Sie können dann sämtliche Finanzströme – und damit auch Sie selbst – ausnahmslos kontrollieren und überwachen. Die Verbraucher, die sich laut einer Umfrage mehrheitlich für den Bargeldkauf und gegen den elektronischen Zahlungsverkehr aussprechen, bleiben hingegen auf der Strecke. Ihre Freiheitsrechte werden bereits jetzt durch EU-Regularien systematisch zurückgedrängt. Eine Abschaffung des Bargeldes verstärkt diese gefährliche Entwicklung noch weiter und ebnet endgültig den Weg zum gläsernen und unmündigen Bürger. Politische Entscheidungsträger müssen daher jetzt entschieden handeln und sich gegen die Abschaffung des Bargeldes positionieren – und damit die Freiheitsrechte der Bürger garantieren!

Zeichnen Sie daher hier unsere Petition gegen die Abschaffung des Bargelds!

Über 41.000 Menschen unterstützen die Petition bereits! Bitte informieren Sie auch Ihre Familie, Freunde und Bekannte über die Petition, damit wir die größtmögliche Zahl an Unterstützern erreichen können!

Von Gordon Kerr und John Butler unter Mitwirkung von Enrico Colombatto.

Photo: CasparGirl from flickr (CC BY 2.0)

Einige Zentralbanker spielen mit dem Gedanken, das Bargeld abzuschaffen, um negative Zinsen setzen zu können. Die negativen Folgen einer solchen geldpolitischen Maßnahme wären maßgeblich und zahlreich. Am Ende würde sie vor allem Armen und Sparern Schaden zufügen.

Lösung der Krise: Negative Zinsen und Bargeldabschaffung?

Auch wenn sich Kritik an ihrer Politik zaghaft ausnimmt, führende Zentralbanker wissen, dass ihre lockere Geldpolitik gescheitert ist. Auf die Frage, was er für das größte Risiko für die Finanzstabilität halte, antwortete Andrew Haldane von der Bank of England vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments 2013 mutig: „Lassen Sie uns ehrlich sein. Wir haben absichtlich die größte Staatsanleihenblase der Geschichte herbeigeführt.“ Daraufhin hin wurde er zurechtgewiesen und von seinem Posten als Head of Financial Stability der Bank of England abberufen.

Am 18. September 2015 – nunmehr zurück als Chefökonom der Bank of England – machte Haldane in seiner Analyse eine Rolle rückwärts und schloss sich einer wachsenden Gruppe globaler Finanzkoryphäen an, die „die Lösung der Krise“ in einer Kombination aus negativen Zinsen und der Abschaffung von Bargeld sehen. Seit Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff im April 2014 ein Paper veröffentlichte, indem er das Für und Wider einer Abschaffung des Bargeldes diskutierte, sprachen sich andere bekannte Ökonomen wie Willem Buiter, Chefökonom der Citygroup, Nobelpreisträger Paul Krugman oder auch Peter Bofinger, Mitglied des deutschen Sachverständigenrates, für eine Abschaffung des Bargeldes aus.

Einige Staaten ergreifen erste Maßnahmen

Die Möglichkeit einer Bargeldabschaffung muss ernst genommen werden. Eine Reihe von Regierungen strebt die Abschaffung bereits an. Dänemark hat angekündigt, es Tankstellen, Geschäften und Restaurants zu erlauben, Bargeld zu verweigern und auf elektronische Zahlungen zu bestehen.

Viele Länder haben die maximal zulässige Grenze für Cash-Transaktionen gesenkt. Frankreich nutzte die Charlie Hebdo Gräueltaten dieses Jahres als Vorwand, um die Grenze zulässiger Bargeldtransaktionen von 3.000 auf 1.000 Euro zu senken, weil die Terroristen teilweise mit Barmitteln finanziert wurden.

Negative Zinsen: Fortsetzung der gescheiterten Geldpolitik

Die Argumente für negative Zinsen sind ziemlich offensichtlich. Nach fast 7 Jahren Niedrigzins- und Nullzinspolitik, die nicht zur erhofften wirtschaftlichen Erholung geführt haben, ist klar, dass mehr getan werden muss. So lautet jedenfalls das scheinbar weitverbreitete Credo. Deshalb bräuchte man nun negative Zinsen.

US-Daten zeigen nämlich, dass die erhoffte Erholung keineswegs sicher eingesetzt hat. Das reale BIP pro Kopf stieg von 49.500 US-Dollar in 2007 (4. Quartal) nur auf 50.900 US-Dollar im Jahr 2015 (2. Quartal). Der Anteil beschäftigter Männer im Alter von 25 bis 54 sank von 87,3% im Jahr 2007 (4. Quartal) auf 84% im Jahr 2014 (4. Quartal). Diese Daten deuten auf das Scheitern der Niedrigzins- und Nullzinspolitik hin und implizieren, dass eine Negativzinspolitik eine letzte, verzweifelte geldpolitische Maßnahme ist.

Viele Beobachter scheinen eine negative Zinspolitik jedoch als natürliche Entwicklung zu akzeptieren. In einigen Ländern haben Banken bereits negative Zinsen auf Bankeinlagen erhoben – dies aber nur auf einem sehr bescheidenen Niveau. So führte eine Reihe Schweizer Banken im Januar Gebühren (negative Zinsen) von etwa 0,7% pro Jahr auf Einlagen von über 100.000 Franken ein.

Idee negativer Zinsen bedarf Abschaffung des Bargeldes

John Butler hat sich 2012 unter Berufung auf Forschungsergebnisse aus der New Yorker Federal Reserve über die möglichen unbeabsichtigten und schädlichen Folgen negativer Zinsen geäußert. Er beschreibt die Tendenz zur Negativzinspolitik als ein „pathologisches Element“. Denn Zentralbanker wissen in der Tat, dass es einen Punkt gibt, an dem Anleger der Negativzinspolitik widerstehen. Nehmen wir an, die Zinsen fallen auf -5%. Dann werden sich Unternehmen finden, die eine Art Verwahrservice für große Bargeldguthaben mit einer Gebühr von nur 4% anbieten.

Banken werden dann reihenweise scheitern, weil ihre Kunden ihre Depositen abziehen würden. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Run auf Banken, da die Banken angesichts ihres derzeitigen Leverages und der (zeitlichen) Inkongruenz von Vermögenswerten und Schulden nicht in der Lage wären, den Wünschen ihrer Kunden nachzukommen. Die Zentralbanker wissen deshalb, dass sie eine Negativzinspolitik nur dann wirklich umsetzen können, wenn es kein Bargeld mehr gibt.

Bargeldabschaffung hätte vielfältige negative Folgen

Kevin Dowd erklärt in seinem neuesten Paper, dass eine Negativzinspolitik deshalb nicht nur makroökonomischer Unsinn wäre, sondern die sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer einhergehenden Abschaffung von Bargeld erschreckend wären. Sollte eine solche Politik umgesetzt werden, hätte sie massive negative Auswirkungen auf die Wohlfahrt, Eigentums- sowie Bürgerrechte und würde die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat grundlegend verändern.

In der Praxis würde das Fehlen von Bargeld vor allem den Armen und Mittellosen Schaden zufügen. Die Idee einer bargeldlosen Welt geht davon aus, dass jeder die erforderlichen digitalen Technologien und Fähigkeiten besitzt, die zur Nutzung notwendig wären. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass das digitale System fehlerfrei arbeitet. Mit beidem ist jedoch nicht zu rechnen. Auf Almosen Angewiesene wäre zudem gewiss nicht geholfen. Wer heute einen Euro in bar gibt, wäre vermutlich weniger dazu geneigt, wenn für die Transaktion zunächst digitale Koordinaten ausgetauscht werden müssten.

Negativzinspolitik macht Sparen weniger attraktiv

Auch relativ gutgestellte Mitglieder der Gesellschaft wären betroffen. Eine der Bargeldabschaffung folgende Negativzinspolitik würde Anreize setzen, mehr zu konsumieren und somit weniger zu sparen. Wir sollen essen, trinken und fröhlich sein; zumindest wenn es nach den Zentralbanken geht.

Die Aufmerksamkeit für die Idee der Bargeldabschaffung mit dem Ziel negativer Zinsen mag aber auch Vorteile haben, wie Alistair McLeod von GoldMoney schreibt: „Die Negativzinspolitik macht monetäre Inflation als versteckte Steuer, der sich die Gesellschaft im Allgemeinen nicht bewusst ist, sehr deutlich. Bereits die Nullzinspolitik hat hohe nicht-finanzierte Pensionsverpflichtungen geschaffen … aber wie sollen Pensionsverpflichtungen bei negativen Zinsen überhaupt bewertet werden? Sparern, also der Mehrheit der Verbraucher, steht eine böse Überraschung bevor.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei dem Institute for Research in Economic and Fiscal issues.

Photo: CasparGirl from flickr 

Photo: CollegeDegrees360 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Ob Entwicklungen wie das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs unsere Daten wirklich sicherer machen, ist höchst zweifelhaft. Es bestimmt nur, dass jetzt der europäische Bock der Gärtner sein darf: Das Problem sind nämlich weder Facebook noch Google, sondern NSA und BND.

Europäische Daten auf europäischen Speichern

Schon reiben sich die Nachwuchs-ITler in Europa vergnügt die Hände. Eine erkleckliche Zahl von ihnen kann demnächst in Irland, Rumänien und mit etwas Glück sogar auf deutschem Boden eine Anstellung finden, wenn amerikanische Internetkonzerne von Amazon bis Zuckerberg nun neue IT-Zentren in Europa aufbauen, um die europäischen Daten auf europäischem Boden zu speichern. Das World Wide Web wird etwas weniger weltweit. Das passt natürlich auch den Kritikern von Google, Facebook und Co., die quer durch die Parteien den besorgten Bürgern zur Seite springen und sie vor den amerikanischen Großunternehmen retten wollen.

Der europäische Suchmaschinen-Flop „Qwant“ zeigt jedoch sehr deutlich, dass „nationale Alleingänge“ der EU nicht besonders erfolgversprechend sind. Einem Großteil der Internetnutzer ist es egal, ob ein Produkt im Netz aus den USA, aus Indien oder aus Dänemark kommt. Es muss gut sein. Deswegen haben sich auch bisher nur wenige Menschen daran gestört, dass ihre Daten in den USA lagen, solange Google gute Ergebnisse lieferte und man bei Facebook seine alten Freunde anschreiben konnte. Wem das zu unheimlich war, der hat halt auf diese Dienste verzichtet.

Man muss das Hebelgesetz kennen

Nun weiß man, dass die meisten Menschen nicht besonders achtsam sind, wenn es um ihre Daten geht. Die Mentalität des „ich hab doch nichts zu verbergen“ ist sehr weit verbreitet. Daran ändern auch die krassesten Enthüllungen über die Schnüffelorgien der NSA nichts – zumindest nicht über die rituelle 48stündige Empörungswelle hinaus. Ein erster Schritt hin zu mehr Datenschutz wäre also auf jeden Fall, die Sensibilität für das Thema zu schärfen. Dafür ist es erst einmal wichtig zu erkennen, woher die Gefährdung kommt. Und das hat vor allem mit den Gesetzen der Physik zu tun.

Schon der gute alte Archimedes hatte vor über 2200 Jahren das Hebelgesetz entdeckt. Wenn man den richtigen Punkt zum Ansetzen hat, so der Tausendsassa aus Syrakus, dann kann man die ganze Erde aus den Angeln heben. Wer die Internetgiganten dazu zwingen will, die Daten europäischer Nutzer auch in unseren Landen zu speichern, setzt aber am falschen Punkt an. Denn für diese Riesenkonzerne ist das nicht mehr als eine ärgerliche und lästige Zusatzaufgabe, die Kosten letztlich Peanuts. Die Profi-Schnüffler von den Geheimdiensten werden aber sicher nicht vor den Außengrenzen der EU Halt machen – von unseren eigenen Schnüfflern ganz zu schweigen. Bewegt hat sich dann also erstmal nichts.

Die Konzerne sind gefragt, nicht die Regierungen

Wer wirklich etwas bewegen will für den Datenschutz muss zu den Mitteln greifen, die der Markt uns in die Hände legt. Im Augenblick ist der Anreiz für die Internetriesen groß, den Geheimdiensten aus den USA, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland ein Schlupfloch in ihre große bunte Datenwelt offen zu halten. Nicht nur, weil sie es sich nicht mit den Regierungen und Bürokratien verscherzen wollen (die drehen sonst nur wieder an den Steuer-Daumenschrauben!), sondern insbesondere auch, weil die Nutzer sich nicht deutlich genug zur Wehr setzen.

Das Vertrauen in die staatlichen Institutionen ist dann doch noch zu groß. Schon bevor Edward Snowden das Ausmaß des Überwachungsstaates bekannt gemacht hatte, hatten westliche Regierungen stets ihre Datensensibilität betont. Warum aber sollten sich die Geheimdienste in der Post-Snowden-Ära jetzt plötzlich an die Sonntagsreden der Politiker halten? Haben nicht kürzlich erst die Anschläge in Paris gezeigt, dass man da vielleicht doch etwas weniger sensibel sein sollte? Wer ein genuines Interesse daran hat, seine Daten zu schützen, sollte nicht Regierungen damit beauftragen, sondern den Konzernen diese Hausaufgabe geben.

Hausaufgaben für die Programmierer in Silicon Valley

Was wir mit dem Safe-Harbor-Abkommen und jetzt mit dem jüngsten EuGH-Urteil erlebt haben, war kein echter Datenschutz, es war Daten-Protektionismus. Die westlichen Länder, bzw. seit neustem nur noch Europa, definieren sich als „sichere Häfen“, in denen die Daten geschützt sind. Angesichts der Erfolge, die mutmaßliche chinesische, russische oder sogar nordkoreanische Hacker immer mal wieder haben, ist das ohnehin eine absurde Vorstellung. Sie verfängt aber, weil viele den westlichen Regierungsapparaten immer noch blind vertrauen. Dahinter steckt ein Stück Hochmut: die Vorstellung der Überlegenheit unserer westlichen Demokratien. Das mag in vielerlei Hinsicht stimmen: wir lassen Oppositionelle nicht auspeitschen, wir erlassen keine Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda“ und wir zwingen Menschen nicht zu einer Maximalzahl an Kindern. Das allein macht unsere Politiker und Bürokraten aber noch nicht zu Engeln.

Am besten werden unsere Daten von Google, Facebook, Amazon und deren Wettbewerbern selbst geschützt. Es ist unsere Aufgabe als Verbraucher, diesen Konzernen deutlich zu machen, dass wir die Daten, die wir ihnen zur Verfügung stellen, geschützt haben wollen – vor dem kriminellen Hacker genauso wie vor neugierigen Regierungsschnüfflern. Wir selbst müssen den Konzernen klar machen, dass das wertvolle Gut, das wir ihnen mit unseren Daten zur Verfügung stellen, ihnen auch wieder entzogen werden kann, wenn sie damit nicht vorsichtig umgehen. Dieser Druck von unten könnte die Erfindungskünste der Programmierer in Silicon Valley enorm beflügeln …

Photo: Tony Webster from Flickr (CC BY 2.0)

Asyl für Edward Snowden forderte vor zwei Jahren eine Petition von Campact. Ehrenwert. Aber wer daraus schließt, dass Snowden ähnliche Überzeugungen vertritt wie Campact, liegt definitiv daneben. Er will einen beschränkten Staat – sie wollen einen Staat, der ihre Ziele verfolgt.

Gentechnik und höhere Steuern

Art und Ausmaß staatlicher Überwachung jenseits und auch diesseits des Atlantiks sind erschreckend. Das erkennen auch viele Aktivisten auf der linken Seite des politischen Spektrums. Die punktuelle, aber wiederholte Verletzung von Persönlichkeitsrechten haben sie ebenso als Problem erkannt wie die pauschale Dauerverdächtigung der Bürger. Ganz zu Recht schätzen sie den Mut Edward Snowdens, mit seinen Enthüllungen die Abgründe der Geheimdienste ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Und dennoch liegen Welten zwischen dem, was Campact sonst vertritt und fordert, und der Vorstellung, die Snowden von Staatstätigkeit hat.

Schaut man auf die Rubrik „Über Campact“ auf deren Website, dann kann man dort Forderungen finden wie: „Die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen lehnen wir ab“ oder „Höhere Einkommen und Vermögen müssen stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens und des Sozialstaates beteiligt werden“. Dies sind Ziele, die ein gerütteltes Maß an staatlicher Präsenz bedingen. Ein Verbot von Gentechnik kann nur mit massiver Behörden- und in der Konsequenz Polizeipräsenz durchgesetzt werden. Man muss dafür zwar keine Telefone abhören, aber doch Felder und Gewächshäuser überwachen. Auch die stärkere Beteiligung höherer Vermögen und Einkommen an der Finanzierung des Sozialstaats wird nicht ohne zum Teil massive Überwachung vonstattengehen können. Denn mit steigenden Steuern würde natürlich auch die Steuerflucht zunehmen.

Der Zweck heiligt die Mittel

Campact ist gegen die staatliche Überwachung, wenn sie pauschal und flächendeckend geschieht, wie etwa bei der Vorratsdatenspeicherung. So weit so gut. Aber viele ihrer Ziele können nur erreicht werden mit dem Einsatz von gezielter Überwachung, die freilich nicht weniger tief in Persönlichkeitsrechte eingreift als pauschale Überwachung. Gerechtfertigt wird dann dieser Eingriff in die Grundrechte der Bürger implizit mit der Überlegenheit des Ziels. Mit anderen Worten: der Zweck heiligt die Mittel. Gentechnik ist so bedrohlich, mehr Umverteilung so wünschenswert, dass staatlicher Zwang zum legitimen Mittel wird.

In einem freiheitlichen Rechtsstaat dürfen aber gerade nicht unsere persönlichen Präferenzen die Leitlinien der Gesetze sein, sondern einzig und allein der Schutz der Freiheit jedes einzelnen. Ein Gesetz, das aus einem anderen Grund erlassen wird, erodiert diesen Rechtsstaat und öffnet der Willkür Tor und Tür. Diese Gesetze, die durch Privilegien oder Verbote politische Ziele durchsetzen sollen, widersprechen zutiefst der Tradition, die wir in unseren freiheitlichen Demokratien über Jahrhunderte entwickelt haben: Dass das Recht immer den Primat über die Politik haben muss.

Wenn Regierungen mehr darüber nachdenken, was sie tun können als was sie tun sollten

Diesen Primat geben diejenigen auf, die wie Campact konkrete politische Ziele über Vorschriften, Verbote und Steuern durchsetzen wollen. Snowdens Ansatz ist da ein fundamental anderer. Er hat seinen sehr mutigen Schritt nicht getan, weil er sich irgendwie unwohl fühlte angesichts des Überwachungssystems oder weil es seiner persönlichen Präferenz entsprochen hätte, nicht überwacht zu werden. Er hat das Treiben der NSA enthüllt, weil er den Primat des Rechts bedroht sah. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:

„Unsere Rechte werden uns nicht von Regierungen gewährt. Sie sind Teil unserer Natur. Für Regierungen liegt der Fall genau andersrum: deren Rechte sind einzig auf das beschränkt, was wir ihnen zugestehen. Wir haben uns mit diesen Fragen in den letzten Jahrzehnten nicht so ausführlich beschäftigt, weil sich unser Lebensstandard in fast jeder Hinsicht signifikant verbessert hat. Das hat zu Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit geführt. Doch wir werden im Laufe der Geschichte immer mal wieder in Zeiten geraten, in denen Regierungen mehr darüber nachdenken, was sie tun können als was sie tun sollten. Und was gesetzeskonform ist, wird dann immer stärker von dem abweichen, was moralisch ist. In solchen Zeiten tun wir gut daran, uns zu erinnern, dass nicht das Gesetz uns verteidigt, sondern wir das Gesetz. Und wenn es sich gegen unsere moralischen Maßstäbe wendet, haben wir sowohl das Recht als auch die Pflicht, es wieder auf den Pfad der Gerechtigkeit zu führen.“

Wer fordert, Gentechnik zu verbieten und Steuern zu erhöhen, der fordert in letzter Konsequenz eine Regierung, die – um Snowden zu zitieren – darüber nachdenkt, was sie tun kann. Campact und ihre Unterstützer täten gut daran, sich mit Snowdens Motivation etwas genauer auseinanderzusetzen. Der Staat, den er sich wünscht, ist nämlich ein möglichst schlanker Staat, der sich so weit wie möglich aus dem Leben der Bürger heraushält. Das wäre das Gegenteil von dem Staat, den wir hätten, wenn Campact sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen würde.