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Photo: Gage Skidmore from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Deutsche halten Amerikaner gerne für oberflächlich. Nach dem Motto: Amerikaner interessieren sich nicht für den Rest der Welt. Doch ist es bei uns wesentlich anders? Wenn in Deutschland über amerikanische Politik berichtet wird, dann wird ebenfalls sehr einseitig und klischeehaft berichtet: Die Republikaner sind rechts oder zumindest konservativ, und die Demokraten sind sozialdemokratisch bis liberal.

Deshalb ist auch in den deutschen Medien klar: Der anstehende Präsidentschaftswahlkampf ist eine Auseinandersetzung zwischen der „liberalen“ Hillary Clinton auf der einen Seite und einem Gegenkandidaten aus dem konservativen bis rechten Lager der Republikaner. Weltoffenheit und Toleranz gegen außenpolitische Falken und angegraute law-and-order-Männer.

Am Mittwoch letzter Woche hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Senator Rand Paul aus Kentucky im US-Kongress mit einer über zehnstündigen Dauerrede (Filibuster) gegen die Vorratsdatenspeicherung gekämpft. Der Konflikt im amerikanischen Parlament drehte sich nicht um das „Ob“, sondern lediglich um das „Wie“ der Überwachung. Soll die umfassende Regelung des im Zuge der 9/11-Anschläge eingeführten Patriot Act durch einen etwas milderen Freedom Act ersetzt werden? Am Sonntagabend hat er dann mit einem Verfahrenstrick eine Entscheidung des Senats über die beiden Alternativen verhindert. Die Genehmigung, massenhaft und anlasslos Telefondaten zu sammeln, lief damit am Sonntag aus. Viele seiner Kollegen bei den Republikanern tobten. Aber für ihn war es ein Riesenerfolg – denn ihm ging es um die Sache, nicht um die Beliebtheit.

Rand Paul ist ein klarer Gegner dieser Überwachungsmethoden. Sie verstoßen nach seiner Auffassung gegen die Verfassung. Ist er jetzt ein Konservativer, weil er Mitglied der Republikanischen Partei ist? Ist Hillary Clinton eine Liberale, weil sie 2001 für den Patriot Act gestimmt hat und jetzt für die weichere Form der Vorratsdatenspeicherung ist? Nein, diese Muster passen nicht. Es ist genau umgekehrt. Rand Paul ist ein Liberaler und Hillary Clinton eine Konservative. Denn was unterscheidet Konservative von Liberalen? Es sind im Wesentlichen drei Merkmale.

Erstens fürchten Konservative die Veränderung und das Neue. Liberale setzten auf Mut und Zuversicht, ohne zu wissen wohin dies führt. Konservative wollen die Staatsgewalt einsetzen, um Veränderungen zu verhindern oder aufzuhalten. Der Konservative fühlt sich nur geborgen in einem starken Staat, der mit einer höheren Weisheit ausgestattet ist und die Veränderungen beobachtet, ordnet und steuert. Dahinter steckt das tiefe Misstrauen gegenüber dem Einzelnen. Um einen Dieb, Mörder oder dessen Schergen zu erwischen, müssen für den wahren Konservativen alle anderen in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden. Der Zweck heiligt jedes Mittel. Das Ergebnis zählt.

Zweitens glaubt der Konservative an starke Autoritäten. Der Konservative von rechts unterscheidet sich vom Konservativen von links nur dadurch, dass es andere Autoritäten sind, die über uns bestimmen sollen. Beide arbeiten mit Angst. Es ist die Angst vor Veränderungen. Diese Veränderungen müssen durch Grenzen aller Art verhindert werden. Der Liberale dagegen handelt nach Prinzipien und allgemeinen Grundsätzen. Er setzt auf die Kraft der Ideen, die nicht deutsch oder amerikanisch sind, sondern universell. Auch dort gibt es Fehlentwicklungen und Entscheidungen, die sich später als falsch herausstellen. Auch dort gibt es Autoritäten, die über andere bestimmen wollen. Doch es gibt dieser nicht nur wenige, sondern viele. Und diese Vielheit einer Gesellschaft führt dazu, dass schlechte Menschen am wenigsten anrichten können.

Drittens haben Konservative den unbändigen Willen zur Macht um jeden Preis. Sie schrecken nicht vor Zwang und Willkür zurück, solange es dem übergeordneten Ziel nützt, das sie formulieren. Sie tolerieren niemanden neben sich, der andere moralische Ansichten hat. Sie wollen nicht an einer politischen Ordnung arbeiten, die andere Überzeugungen nebeneinander zulässt. Für einen Liberalen ist es unerheblich, welche persönlichen Wertmaßstäbe man selbst hat. Sie rechtfertigen nicht, anderen diese Wertmaßstäbe zu oktroyieren.

Der Unterschied zwischen dem Liberalen Rand Paul und der Konservativen Hillary Clinton ist, dass Clinton dem Ideal eines Primats der Politik folgt. Sie will über andere bestimmen, sie will den starken Staat und die absolute Macht. Rand Paul ist der Vertreter eines Primats von Recht und Freiheit. Er handelt prinzipiengebunden und im Glauben an die Herrschaft des Rechts. Mit seinem mutigen Einsatz gegen den Überwachungsstaat hatte er sicherlich nicht die Hoffnung, die Mehrheit im Senat umzustimmen. Er wollte jedoch die Alternative in ihrer Klarheit und Grundsätzlichkeit darstellen. Es ist die Alternative zwischen einer freien und einer geschlossenen Gesellschaft. Oder wie es Adam Smith einst formulierte: „Er wird nur dann Erfolg haben, wenn er sich nicht auf das beschränkt, was jetzt politisch möglich ist, sondern konsequent die allgemeinen Prinzipien verteidigt, die immer die selben sind.“

Aktualisierte Version eines Beitrags auf Tichys Einblick.

Photo: Hiltibold from Flickr (CC BY 2.0)

Die wesentliche, vielleicht sogar die ausschließlich Funktion des Geldes ist seine Tauschfunktion. Es wäre etwas schwierig, wenn man Schweinehälften gegen Brot oder einen Kasten Bier gegen Heizöl tauschen müsste. Der Tauschfunktion des Geldes widerspricht nicht, dass viele Menschen ihr Geld horten oder sparen. Auch sie wollen damit tauschen, eben nur nicht jetzt, sondern später. Ohne die Existenz von Geld könnte ein Kredit, der ein Schuldverhältnis begründet, auch nicht laufend getilgt werden. Schon gar nicht könnten mit Hilfe des Kredits Waren gekauft werden. Geld hat daher für eine Marktwirtschaft eine sehr wichtige Mittlerfunktion: sie ist ihr Schmiermittel. Das haben die Herrschenden sehr früh erkannt und für sich genutzt. Fürsten, Könige und Landesherren eigneten sich das Recht an, Münzen zu prägen. Durch die Reduzierung des Gold- und Silbergehalts manipulierten sie dann ihre Währung, wenn sie ihren Hof oder etwaige Kriege nicht über Steuern, Zölle und andere Abgaben finanzieren konnten. Sie inflationierten dadurch die Geldmenge und die Preise stiegen.

Die dezentrale Machtverteilung in Europa im Mittelalter und in der frühen Neuzeit schaffte jedoch einen Wettbewerb der Währungen, der für die Manipulation der Landesherren durch eine Verwässerung des Münzwertes natürliche Grenzen einzog. Übertrieb es ein Landesherr mit seiner Fälschung, nutzten die Bürger und Kaufleute einfach anderes Geld. Erst die Machtkonzentration im 19. und 20. Jahrhundert brachte die Staaten in die Lage, den Münzwettbewerb auszuschalten. Die Einführung des Papiergeldes ermöglichte es, nur durch ein Einlöseversprechen eine Deckung mit Gold oder Silber zu suggerieren. Da nicht alle Menschen dieses Einlöseversprechen jeden Tag ausprobierten, erlaubten die Regierenden den Banken, nur einen Teil des eingelegten Geldes vorzuhalten und einen größeren Rest zu verleihen. Diese Geldschöpfung hatte in der Begrenztheit der Goldmenge ihre Grenzen. Seit 1971 ist auch dieser letzte Anker nur noch Geschichte mit der Aufkündigung des Einlöseversprechens der USA für Dollar-Reserven anderer Notenbanken in Gold. Auch hier war ein Krieg, der in Vietnam, ausschlaggebend. Seitdem beruhen alle Währungen nicht mehr auf einer Goldbindung, sondern nur noch auf Vertrauen. Anders als im Mittelalter können Bürger ihr Geld nicht mehr einfach in anderes Geld tauschen, das einen höheren Gold- oder Silbergehalt hat. Kein Geld auf dieser Welt hat diesen inneren Wert noch.

Geblieben ist das Bargeld in Münzen und Scheinen. Für einige Wissenschaftler, Politiker und sogar für Staaten ist dies jedoch ein Relikt aus vergangenen Zeiten, so wie Gold- und Silber auch. Es sei zu teuer, es diene Korruption und Bestechung und sei anfällig für Fälschung und Manipulation. Daher haben viele Länder den Rückzug des Bargeldes eingeleitet. In Griechenland dürfen bereits seit 2011 Bargeldzahlungen nur noch bis 1500 Euro getätigt werden. In Italien wurde die Grenze auf 1000 Euro, in Spanien auf 2500 Euro und in Frankreich auf 3000 Euro reduziert. In Schweden wird seit langem ein komplettes Bargeldverbot diskutiert, und wer nach Norwegen in den Urlaub fährt, kommt gänzlich ohne Bargeld aus. Selbst in Deutschland kauft man einen neuen Fernseher meist nicht mehr mit Bargeld wie vor 30 Jahren, sondern unbar per Kreditkarte.

Eine bargeldlose Welt ist unendlich bequem. Sie ist bequem für den Nutzer, der nicht ständig zum Geldautomaten rennen muss. Sie ist bequem für den Handel, der abends nicht dauernd sein Bargeld zur Bank bringen muss. Sie ist bequem für die Banken, weil Sie ihr Bargeld nicht mehr in Tresore einsperren müssen und sogar negative Zinsen auf Spareinlagen erheben können.

Aber die bargeldlose Welt ist vor allem und besonders bequem für den Staat. Er kann Schwarzarbeit und Geldwäsche besser verfolgen, kann Kapitalerträge einfacher besteuern, die „Kapitalflucht“ verhindern und den Zahlungsverkehr besser überwachen: Wohin wir in den Urlaub fahren, welche Hotels wir bezahlen, ob es ein Doppelzimmer oder Einzelzimmer war und mit wem. Und wenn es mal argentinische, zypriotische oder bald auch griechische Verhältnisse geben sollte, in denen Banken einfach „Ferien“ machen, wenn die Regierung dies befielt. Ja, dann wird klar, was Bargeld in seinem ursprünglichen Sinne ist – der in Münzen geschlagene Teil unserer Freiheit.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 23. Mai 2015.

Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) beherrscht mal wieder die Schlagzeilen. In den meisten Kommentaren geht es – zurecht – vor allem um die Frage der Legitimität solcher Eingriffe in die Privatsphäre. Ebenso interessant ist aber die Frage der Effizienz.

Aktionismus statt Lösungen

Es gehört leider mittlerweile zum täglichen Ritual: Irgendein Problem taucht auf und schon beginnt der Überbietungswettbewerb für Lösungen in der politischen Arena. In der Regel gibt es zwei mögliche Stoßrichtungen für die Lösungen, die Politiker präsentieren: Entweder solche, die an die Gefühle des Wählers appellieren (z. B. Mindestlohn, Mütterrente, Ausstieg aus der Atomenergie). Oder solche, die Politik und Bürokratie mit mehr Kompetenzen ausstatten (Euro-Rettungsschirme, Arbeitsplatzverordnungen oder – eben – VDS). Ausschlaggebend für den Lösungsvorschlag ist nicht, dass das Problem tatsächlich verbessert oder gar behoben wird. Entscheidend ist, dass eines dieser beiden Kriterien erfüllt wird.

Es handelt sich dabei leider tatsächlich um einen Überbietungswettbewerb. Denn kein Politiker will erst der dritte sein, der einen Lösungsvorschlag präsentiert. Und der Satz „darüber müssen wir erstmal in Ruhe nachdenken“ gehört definitiv nicht zum Standardvokabular in einer Welt, in der die Bedeutung von Politikern an den zitierten Sätzen in Medien hängt. Die Folge ist ein ruheloser Aktionismus, der sich mit allem beschäftigt außer dem tatsächlichen Problem.

Die VDS führt nur zur Professionalisierung von Verbrechern

Es gibt genug anschauliche Beispiele dafür, wie dieser Aktionismus komplett ins Leere läuft. Wenn wieder irgendwelche Banken sich verzocken oder Schrottpapiere unter das Volk bringen, kann man fest mit einem Ruf nach mehr Regulierung rechnen. Während dann Ministerien und internationale Gremien jahrelang über neue Regulierungen verhandeln, können sich die Banken in aller Seelenruhe darauf einstellen und überlegen, wie sie die neuen Regeln umgehen. Das gleiche gilt für die Bekämpfung des Drogenhandels. Das einzige Ergebnis, das hier durch die Reaktionen von Politik und Polizei gezeitigt wird, ist eine zunehmende Kriminalisierung, nicht aber der Rückgang von Drogenmissbrauch. Selbst so unverdächtige Institutionen wie das Max-Planck-Institut für Strafrecht, der wissenschaftliche Dienst des Bundestages und – ja! – das Bundeskriminalamt kommen zu dem Schluss, dass die VDS einen statistisch kaum oder gar nicht erfassbaren Einfluss auf Verbrechensaufklärung hat, geschweige denn auf deren Verhinderung.

Man darf jedoch erwarten, dass andere, unbeabsichtigte Folgen eintreten werden. Allen voran eine Professionalisierung von Terroristen und Kriminellen. So wie Banken immer raffiniertere (und unverständlichere) Finanzprodukte ersinnen werden, je mehr Regulierungen eingeführt werden, so werden auch Verbrecher ihre Methoden unter dem Druck der VDS verbessern. Nachdem mit dem „Krieg gegen die Drogen“ ein erfolgreiches Dauer-Konjunkturprogramm für Kriminelle aufgelegt wurde, werden ihnen nun mit der VDS auch noch Möglichkeiten geboten, sich zu professionalisieren. Wer sich einmal vor Augen führen möchte, wie das genau aussieht, dem sei dringend empfohlen, die US-amerikanische Serie „The Wire“ anzugucken. In dieser überragenden Produktion wird höchst anschaulich und sehr realistisch dargestellt, welche Formen der Verbrechensbekämpfung scheitern und welche funktionieren könnten, wenn man die Bereitschaft zum Umdenken aufbringen würde.

Ursachen bekämpfen, nicht Symptome

Die ersten beiden Staffeln von „The Wire“ widmen sich den Versuchen einer Polizeieinheit, Kriminalität durch Überwachung in den Griff zu bekommen. In beiden Staffeln können die Ermittler und Fahnder am Ende so gut wie keine Erfolge vorweisen. Die dritte und vierte Staffel widmen sich hingegen alternativen Lösungsansätzen. In der dritten Staffel versucht ein Polizeioffizier eigenmächtig, den Drogenhandel zu legalisieren. Und in der vierten Staffel verstärkt die Polizei ihr Engagement im Bereich der Schulen, um die jungen Menschen vor dem Abrutschen in die Kriminalität zu bewahren. Beide vielversprechenden Versuche scheitern. Anders als die Überwachung scheitern sie aber nicht daran, dass die Methode falsch ist. Sie scheitern vielmehr an dem Widerstand, der sich von Seiten der Politik und der Bürokratie dagegen regt.

Die VDS wird die Verbrechensbekämpfung nicht verbessern. Sie wird nur dazu beitragen, dass Kriminelle ihre Fähigkeiten ausbauen, der Hand des Gesetzes zu entkommen. Wirksame Kriminalitätsbekämpfung muss bei den Ursachen anfangen statt an den Symptomen herumzufummeln. Dorthin zu kommen, ist freilich ein weiter Weg. Denn sowenig der Metzger sich zum Vorkämpfer des Vegetarismus machen wird, so wenig werden Innenpolitiker für Lösungen plädieren, die das Budget oder die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden beschränken würden. Umso stärker muss der Druck aus der Bevölkerung kommen. Nicht nur, weil unsere Privatsphäre in Gefahr ist. Sondern auch, weil mit der VDS die Gefahren von Kriminalität und Terrorismus unter Umständen nur noch größer werden.