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Die britische Steuer auf zuckerhaltige Getränke: ein Modell für Deutschland? Nein, denn statt den mündigen Bürger zu fördern, ist eine Zuckersteuer lediglich paternalistische Volksernährungspolitik, die vor allem die Armen trifft.
Die Debatte um die Zuckersteuer geht am Wesentlichen vorbei
In dieser Woche wurde in Großbritannien eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. Getränke, die mehr als 8 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten, werden von nun an mit 24 Pence pro Liter extra besteuert. Das britische Vorbild entfacht auch in Deutschland wieder eine Debatte über Sinn und Unsinn einer Zuckersteuer. Während die Organisation foodwatch es als „wissenschaftlichen Konsens“ bezeichnet, dass zuckerhaltige Getränke eine Hauptschuld für Fettleibigkeit tragen, argumentieren Gegner der Zuckersteuer mit den gescheiterten Experimenten in Mexiko und Dänemark.
Tatsächlich ist es äußerst zweifelhaft, ob eine Zuckersteuer Fettleibigkeit gerade bei Jugendlichen wirksam bekämpfen kann. Für Marktführer Coca Cola käme es einer Selbstaufgabe gleich, das Rezept für die weltweit beliebte Classic Cola zu ändern. Stattdessen verkleinert Coca Cola lieber seine Flaschen auf dem britischen Markt, um subjektive Preissprünge durch die Steuer zu umgehen. Für Befürworter der Steuer bereits ein Erfolg. Doch die Diskussion über die Wirksamkeit der Zuckersteuer ist müßig, denn es wäre viel wichtiger, einmal die Logik hinter solchen Lenkungssteuern zu hinterfragen.
Volksernährungspolitik, die vor allem die Ärmsten trifft
Konsumsteuern, wie die Mehrwert- oder eine Zuckersteuer, haben eine oft übersehene Eigenschaft: Wie sehr sie den Steuerzahler belasten, hängt vor allem vom jeweiligen Haushaltseinkommen ab. Menschen mit geringen Einkommen geben häufig einen Großteil ihres Geldes für Konsumgüter des täglichen Lebens aus. Das führt dazu, dass sie im Vergleich zu Besserverdienern auch einen wesentlich größeren Anteil ihres Einkommens lediglich für Konsumsteuern aufwenden müssen. Eine Zuckersteuer würde also gerade die Ärmsten unserer Gesellschaft am härtesten treffen, während Besserverdiener vermutlich kaum etwas merken würden.
Aber vielleicht ist genau dies die Idee hinter einer Zuckersteuer. So zeigen doch viele Studien, dass in den unteren Einkommensschichten Fettleibigkeit wesentlich häufiger vorkommt. Da erscheint es doch nur logisch, eine Steuer zu wählen, die gerade diese Einkommensschichten besonders trifft und sie damit zum „richtigen“ Verhalten erzieht. Hat die britische Regierung also alles richtig gemacht? Nein, denn die Frage ist hier nicht nur, ob die Zuckersteuer logisch oder wirksam ist, sondern wie weit der Einfluss des Staates in die private Lebensgestaltung reichen sollte. Und am Ende ist gerade die Ernährung immer noch eine höchst private Entscheidung. Eine bestimmte Lebensweise mit fiskalischen Mitteln zu erzwingen ist selbstgefällige „Volksernährungspolitik“, die vor allem diejenigen, die sich kaum wehren können, in ihren persönlichen Entscheidungen beschränkt. Oder anders ausgedrückt: Was sagt es über das Bürgerverständnis einer Regierung aus, wenn sie es für nötig hält, den von ihr Regierten einen anderen Lebensstil aufzudrücken?
Die Politik sollte sich endlich von den ganz großen Lösungen verabschieden
Sicher, Fettleibigkeit und schlechte Ernährung sind ein großes Problem, und das gerade bei Kindern und Jugendlichen. Doch es ist kein Ausweg, den Verbraucher immer weiter zu entmündigen und ihm die individuelle Lebensweise bis in kleinste zu diktieren. Dabei sind insbesondere die von vielen angeführten Kosten für die Sozialversicherungen eben kein Argument für mehr staatlichen Paternalismus. Das Besondere an Sozialversicherungen ist schließlich, dass sie Bürgern in jeder Lebenslage helfen, unabhängig davon, wie sie in eine Notsituation geraten sind. Oder sollten Menschen in Not bei der Aufnahme ins Krankenhaus zukünftig anhand ihres individuellen „Lebensstilrisikos“ befragt und eingestuft werden? Sozialversicherungen sind eine humanitäre Errungenschaft aber sie dürfen nicht dazu umgedeutet werden, den Bürger zu gängeln.
Was also ist die Alternative zur Zuckersteuer? Der Gesetzgeber sollte sich von der Idee der Makro-Lösungen verabschieden. So lehrt uns der österreichische Nobelpreisträger und Ökonom Friedrich August von Hayek, dass die großen Lösungen für gesellschaftliche Probleme immer zum Scheitern verurteilt sind. Sie bedürfen eines allumfassenden Wissens über alle Gründe für ein Problem sowie alle möglichen Effekte einer Lösung, das von keiner Regierung jemals erlangt werden kann. In der Folge führen viele gut gemeinte Regelungen am Ende dann doch zu so genannten „negativen externen Effekten“. Und da staatliche Lösungen für ein Problem dann auch noch per se zentral angelegt sind, können sie nicht einmal untereinander verglichen werde.
Stattdessen führt auch in diesem Fall der erfolgreiche Weg nur über den mündigen und eigenverantwortlichen Bürger. Dieser muss durch Bildung und Zugang zu Informationen in die Lage versetzt werden, Entscheidungen differenziert zu treffen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Abwägung von Gesundheitsgefährdung und Genuss, die uns der Staat weder abnehmen soll noch kann. Aufklärung über gesunde und ungesunde Ernährung von klein auf sowie Kennzeichnungspflichten hingegen stärken den Konsumenten in seiner Stellung. Dass einzig der Konsument eine Trendwende einleiten kann, zeigen nicht zuletzt der seit Jahren zurückgehende Zuckergehalt von Softdrinks und das stetig wachsende Angebot von zuckerfreien Softdrinks; nicht auf Druck einer Regierung, sondern auf Verlangen des mündigen Verbrauchers.
Die Ablehnung eines staatlichen Einflusses durch fiskalische
Eingriffe auf unseren Lebensstil ist sicherlich richtig, ebenso die Forderung,
dass sich der mündige und eigenverantwortliche Bürger anhand von Informationen
individuell entscheidet. Richtig ist aber auch, dass es diesen mündigen und
eigenverantwortlichen Bürger in dieser Frage, zumindest in Massen, nicht gibt,
denn sonst hätten wir nicht das Problem der Fettleibigkeit. Anders sehe ich die
Problematik hinsichtlich der Sozialversicherungen. Hierbei handelt es sich um
eine Solidargemeinschaft. Diese funktionieren immer in 2 Richtungen. Die
Gemeinschaft zeigt ihre Solidarität durch den Schutz der Mitglieder, den sie gewährt;
das Mitglied dadurch, dass es sich so verhält, dass es den Schutz möglichst
nicht in Anspruch nehmen muss. Zweiteres spielt in unser Gesellschaft leider
keine Rolle mehr.
Unser Gesundheitssystem wird in der jetzigen Form irgendwann
kollabieren, Vieles wird jetzt schon nur durch die anhaltend gute Konjunktur
zugedeckt, aber es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Wir werden uns
zukünftig u. a. mit zwei Dingen hart auseinandersetzen müssen, 1. Maßnahmen der
Prävention zur Krankheitsvermeidung und 2. individuelle Risikostratifizierung
zur Beitragsbemessung. Wer durch sein
Verhalten dauerhaft akute oder chronische Erkrankungen provoziert, sollte mit
Risikoaufschlägen belegt werden, wie es auch in der privaten Krankenversicherung
geschieht. Wie gesagt, der mündige und eigenverantwortliche Bürger kann sich ja
informieren und sich entsprechend verhalten. Wenn wir als Liberale diese Bürger
als Ideal einer bürgerlichen Gesellschaft ansehen, dann müssen diese Bürger aber
auch fordern. Mir fehlt in der öffentlichen Diskussion in dieser Sache leider
die Stringenz der liberalen Vertreter.
Lieber Dr.Knopf, ich kann Ihre Forderung nach Eigenverantwortung nur unterstreichen.Iich finde die praxisfremde – und übrigens teilweise verantwortungslose – von Hayek abgeleitete „Liberalen-Ideologie“ von Prometheus in dieser Frage völlig praxisfremd. Kein ärmerer Mitbürger muß unter einer Zuckersteuer leiden, was für eine absurde, in diesem Fall linke und unlogische Argumentation. Wenn ich das Trinken zu süßer Getränkie einfach unterlasse (dringend erforderlich!!), dann stört mich die Zuckersteuer auch nicht, unabhängig davon, wieviel ich verdiene.
Eine Steuer auf Zucker kann man kritisch sehen. Man kann sie auch als einen weiteren Schritt in Richtung zu immer mehr Paternalismus kritisieren. Nur, dass Zucker (neben -v.a.- einfachen) Kohlenhydraten der Dickmacher schlechthin ist und ebenso ein massiver Krankmacher, sollte heute niemand mehr ernsthaft in Frage stellen. Zumindest, wenn er sich neutral mit der Thematik beschäftigt. Weil Studien wesentlich mit Statistik arbeiten, lohnt es, sich bei Thematiken wie dieser, die biochemische Verstoffwechslung anzugucken: Zucker wird (zum überwiegenden Teil) über drei Stoffwechselwege (Glykolyse-Zitratzyklus-Fettsäurebiosynthese), die ineinander greifen, in Fett umgewandelt. Anders ausgedrückt: Steckt man oben Zucker rein, kommt unten Fett raus. Körperfett. Fast problematischer ist aber noch etwas anderes: Es kommt zu einer massiven Insulinausschüttung. Die wiederum blockiert den Fettabbau (Lipolyse). Immer wenn wir Zucker (und einfache Kohlenhydrate) essen, macht unser Körper daraus also Fett, und gleichzeitig wird die Fettspaltung (also Gewichtsabnahme) blockiert.
Herzliche Grüße, Dr. Burkhard Jahn