Photo: gage skidmore from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Wer sich mit liberalen Tugenden beschäftigt, kommt an einer außergewöhnlichen Denkerin nicht vorbei: Die 1942 geborene Deirdre McCloskey ist Ökonomin, Literaturwissenschaftlerin, Philosophin und eine der produktivsten Stimmen des Liberalismus unserer Zeit. Mit 25 Büchern und mehreren hundert Artikeln hat sie wie kaum eine andere in den letzten Jahrzehnten intellektuell gewirkt. Sie hat herausgearbeitet, wie liberale Ideen und Tugenden den Lauf der Weltgeschichte geprägt und den Alltag der Menschheit aus der Armut gehoben haben. Nach ihrer Promotion in Harvard arbeitete sie zunächst einige Jahre sehr erfolgreich quantitativ als Ökonomin an der University of Chicago und forschte zu Ökonometrie. Nach und nach jedoch hinterfragte sie den ökonomischen Mainstream und widmete sich dem Einfluss von Rhetorik in den Wirtschaftswissenschaften, der Wirkung von Ideen und den Grundlagen des Liberalismus. Im Zentrum ihres Werkes steht die Trilogie Bourgeois Virtues, Bourgeois Dignity und Bourgeois Equality. Darin sucht sie die Frage zu beantworten, was Gesellschaften gedeihen lässt. Ihre Antwort: Neben ökonomischen Entwicklungen vor allem Ideen, Innovation und moralische Tugenden. Entgegen der üblichen Meinung sieht sie den Markt nicht als kalte Effizienzmaschine, sondern als Ort des moralisch wertvollen Austauschs. McCloskey identifiziert sieben Tugenden der westlichen Tradition, die aus ihrer Sicht die erfolgreichen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte ermöglicht haben. Den Liberalismus als moralisch wertvolles und wirtschaftlich erfolgreiches Projekt verteidigt sie auch in vielen neueren Büchern – etwa Why Liberalism Works. Damit weicht sie in vielerlei Hinsicht vom Mainstream ab und tut dies auf sehr lesenswerte Weise. Den Mut zur Abweichung vom Mainstream beweist sie auch in ihrem privaten Leben. In einer anderen Zeit und wissenschaftlich erfolgreich in einer konservativen Disziplin, lebte sie bis zu ihrem 53. Lebensjahr als Mann. 1995 entschied sie sich, als Frau zu leben. Über die Umstände und Auswirkungen dieser Entscheidung hat sie in ihrem Buch Crossing: A Transgender Memoir berichtet. McCloskey verbindet intellektuelle Tiefe mit liberaler Neugier. Ihr Werk ist ein eindrucksvoller Beitrag zur Verteidigung des Liberalismus – als ökonomisches System, als kulturelle Haltung und als ethisches Versprechen.