Photo by davide ragusa on Unsplash

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Die sogenannte Bürgerversicherung ist seit der Bundestagswahl 2017 wieder ein großes Thema in der Sozialpolitik. Doch anstatt zu versuchen, mehr Umverteilung in das Versicheurngssystem einzubauen, sollte man auf risikobasiertes Pricing setzen. Dadurch können Wettbewerb und Effizienz der Krankenkassen gesteigert werden. Sozial schwachen Haushalten könnte mit steuerlicher Umverteilung der Beitrag bezuschusst werden.

Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD Anfang des Jahres haben das Thema Krankenkassen wieder auf die Agenda gebracht. Befürworter einer Bürgerversicherung wünschen sich unter anderen mehr Umverteilung im Rahmen der dann für alle verpflichtenden gesetzlichen Krankenversicherungen. Doch als Umverteilungsinstrumente sind die gesetzlichen Krankenkassen nicht attraktiv. Das Steuer- und Sozialsystem ist für diese Aufgabe deutlich besser geeignet. Deshalb sollten die Prämien der gesetzlichen Krankenkassen – wie im Fall der privaten Krankenkassen – auf individuellen Krankheitsrisiken basieren und nicht auf der Höhe der Arbeitseinkommen ihrer Versicherten.

Krankenkassen: Unattraktiv als Umverteilungsvehikel

Derzeit steigen die Beiträge von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen bis zur Beitragsbemessungsgrenze proportional mit dem Lohneinkommen. Dadurch wird auf Grundlage der Arbeitseinkommen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen umverteilt – schon heute. Eine Bürgerversicherung, die für alle verpflichtend wäre und möglicherweise keine Beitragsbemessungsgrenze aufwiese, würde zu mehr Umverteilung dieser Art durch die gesetzlichen Krankenversicherungen führen.

 

Die durch die gesetzlichen Krankenversicherungen herbeigeführte Umverteilung hat jedoch einen entscheidenden Nachteil. Die vom Arbeitseinkommen abhängige Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bemisst die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht treffsicher. So wird zum Beispiel Einkommen aus Vermögen nicht erfasst.

Das Gesamteinkommen zur Beitragsbemessungsgrundlage zu machen, wie es in manchen Bürgerversicherungsmodellen vorgeschlagen wird, ist keine attraktive Alternative. Denn die innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen herbeigeführte Umverteilung könnte im besten Fall die durch das Steuer- und Sozialsystem mögliche Umverteilung replizieren. Dies wäre der Fall, wenn die Krankenkassen die gleichen Informationen über die finanzielle Situation der Versicherten hätten wie die Finanz- und Sozialämter. Allerdings entstünden erhebliche Verwaltungskosten, wenn die gesetzlichen Krankenkassen neben ihrem Haupttätigkeitsfeld Aufgaben der Finanz- und Sozialämter übernehmen würden.

Krankenkassen sollten sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Versicherung von Gesundheitsrisiken. Dafür sind Krankenkassen Experten, nicht für Umverteilung.

Fragwürdiger Einsatz von Beitragsmitteln

Die lohnabhängigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bringen weitere unerwünschte Effekte mit sich. Die Versicherungen wenden Ressourcen auf, um möglichst junge, gutverdienende Versicherte zu gewinnen. Sie verursachen nur wenig Kosten und sorgen durch die lohnabhängigen Beiträge für sprudelnde Einnahmen. Krankenkassen werben um die junge gesunde Klientel, indem sie beispielsweise für gesunde Versicherte besonders attraktive Zusatzleistungen wie kostenlose Bonus- oder Fitnessprogramme anbieten.

Dagegen versuchen gesetzliche Krankenkassen, obwohl sie keine Versicherten ablehnen dürfen, Menschen mit hohen Krankheitsrisiken abzuschrecken. So berichtete das Bundesversicherungsamt im Jahre 2012, dass einige Krankenkassen ihren Vertriebsmitarbeitern keine Prämien für die Werbung einkommensschwacher oder kranker Versicherten zahlten.

Krankenkassen haben nicht nur ein Interesse, die Aufnahme teurer Versicherter zu verhindern. Das Bundesversicherungsamt berichtete weiter, dass einige Krankenkassen versucht haben sollen, behinderte und chronisch kranke Versicherte per Telefon zur Kündigung zu bewegen.

Sisyphusarbeit Gesundheitsfonds

Diese Probleme hat die Politik erkannt und versucht solchen Anreizen zu begegnen, indem der 2009 eingeführte und vom Bund finanziell bezuschusste Gesundheitsfonds für kränkere Versicherte mehr an die Krankenkassen zahlt als für gesunde. Leider führte dies zu unerwünschten Reaktionen seitens der Versicherer. Sie neigen dazu, ihre relativ gesunden Versicherten auf dem Papier möglichst krank erscheinen zu lassen. Einige Krankenkassen trafen Vereinbarungen mit der Ärzteschaft, die dazu führten, dass Ärzte finanziell davon profitierten, wenn sie ihre Patienten kränker aussehen ließen als sie waren.

Die Idee des Gesundheitsfonds, Krankenkassen einen finanziellen Anreiz zu geben, auch überdurchschnittlich Kranke aufzunehmen, ist nicht per se schlecht. Permanent werden der Gesundheitsfonds und die Auszahlungsregeln nachgebessert. Dies ist löblich, doch es ist schwierig, das notwenige Wissen zu erlangen, wie die unterschiedlichen Risiken am besten erfasst und vergütet werden. Allerdings gibt es eine Alternative, die das leisten kann: Risikoäquivalente Versicherungsprämien.

Dezentrales Wissen der Versicherten und Versicherungen nutzen

Risikoäquivalente Versicherungsprämien ergeben sich aus dem Wettbewerb verschiedener Anbieter für Versicherungsleistungen. Sie sind nicht darauf angewiesen, dass Politiker und Regulierer in den Ministerien sowie Verbänden die optimale Struktur des Gesundheitsfonds auf dem Reisbrett ersinnen, sondern nutzen das dezentrale Wissen der Versicherten und der verschiedenen Versicherungsanbieter.

Wir kennen risikoäquivalente Prämien von KFZ-Versicherungen und den privaten Krankenkassen. Vor Versicherungsbeginn werden auf Grundlage des Gesundheitszustandes die zu erwartenden Gesundheitsausgaben und damit der individuelle monatliche Beitrag berechnet. Die Versicherungen haben dabei einen Anreiz, diese möglichst akkurat zu berechnen, da sie im Wettbewerb mit anderen Versicherungen um Kunden stehen. Veranschlagen sie zu hohe Prämien, werden sie von einer anderen Versicherung unterboten. Unterschätzen sie systematisch das Risiko ihrer Versicherten, können sie nicht dauerhaft bestehen.

Die risikoäquivalenten Prämien sind daher Marktpreise mit entsprechenden Signalwirkungen für Versicherte und Versicherer. Risikoäquivalente Prämien führen dazu, dass es für Krankenversicherungen auch attraktiv ist, kranke Menschen zu versichern und ihnen attraktive Leistungen zu bieten.

Risikoäquivalente Prämien in der gesetzlichen Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung sollte auf risikoäquivalente Beiträge umgestellt werden. Menschen, die auf Grund ihrer finanziellen Situation mit der Zahlung ihres Beitrags überfordert wären, sollte durch höhere Sozialtransfers beziehungsweise niedrigere Steuern geholfen werden.

Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger könnten bei der Zahlung der risikoäquivalenten Prämien durch anteilige Beihilfe durch den Staat unterstützt werden. Dies würde dazu führen, dass auch Hilfsbedürftige mit hohen Prämien entsprechend höhere Krankenkassenbeihilfen erhielten. Dennoch sollten die Kosten für die Prämie nicht zu 100 % übernommen werden, da sonst die Versicherten kein Interesse hätten, in eine günstigere Versicherung zu wechseln.

Ein höheres Maß an Umverteilung als heute würde durch die anteilige Übernahme der risikoäquivalenten Prämien nicht etabliert. Heute werden die Kosten für Menschen mit einem höheren Gesundheitsrisiko in der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich verschleiert. Die risikoäquivalenten Prämien würden verhindern, dass es zu einer für kranke Menschen ungünstigen Risikoselektion kommt. Bisher von den Kassen geschmähte Versicherte mit ungünstigen Gesundheitsrisiken würden zu gefragten Kunden und könnten sich über attraktivere Leistungen freuen.

Zweiklassenmedizin abschaffen: Upgrades statt Vereinheitlichung

Der Weg aus der Zweiklassenmedizin sollte zu Upgrades des Versicherungsschutzes für die gesetzlich Versicherten führen, nicht zu der im Rahmen einer Bürgerversicherung angestrebten Vereinheitlichung. Risikoäquivalente Beiträge zu den gesetzlichen Krankenversicherungen würden den Versicherern Anreize geben, um Junge und Alte sowie Gesunde und Kranke gleichermaßen zu konkurrieren – zum Vorteil aller Versicherten. Zudem käme es nicht länger zu einer Einkommensumverteilung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Aufgabe würde stärker und transparenter als heute durch Steuern und Transfers erfolgen.

Von den Umverteilungszielen befreit, spricht ferner nichts dagegen, aus den gesetzlichen Krankenkassen private Versicherer zu machen – ob mit Gewinnerzielungsabsicht oder ohne. Denn private Versicherer müssen sich stärker als staatliche Unternehmen auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen.

 

 

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo by davide ragusa on Unsplash

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Die sogenannte Bürgerversicherung ist seit der Bundestagswahl 2017 wieder ein großes Thema in der Sozialpolitik. Doch anstatt zu versuchen, mehr Umverteilung in das Versicheurngssystem einzubauen, sollte man auf risikobasiertes Pricing setzen. Dadurch können Wettbewerb und Effizienz der Krankenkassen gesteigert werden. Sozial schwachen Haushalten könnte mit steuerlicher Umverteilung der Beitrag bezuschusst werden. Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD Anfang des Jahres haben das Thema Krankenkassen wieder auf die Agenda gebracht. Befürworter einer Bürgerversicherung wünschen sich unter anderen mehr Umverteilung im Rahmen der dann für alle verpflichtenden gesetzlichen Krankenversicherungen. Doch als Umverteilungsinstrumente sind die gesetzlichen Krankenkassen nicht attraktiv. Das Steuer- und Sozialsystem ist für diese Aufgabe deutlich besser geeignet. Deshalb sollten die Prämien der gesetzlichen Krankenkassen – wie im Fall der privaten Krankenkassen – auf individuellen Krankheitsrisiken basieren und nicht auf der Höhe der Arbeitseinkommen ihrer Versicherten.

Krankenkassen: Unattraktiv als Umverteilungsvehikel

Derzeit steigen die Beiträge von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen bis zur Beitragsbemessungsgrenze proportional mit dem Lohneinkommen. Dadurch wird auf Grundlage der Arbeitseinkommen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen umverteilt – schon heute. Eine Bürgerversicherung, die für alle verpflichtend wäre und möglicherweise keine Beitragsbemessungsgrenze aufwiese, würde zu mehr Umverteilung dieser Art durch die gesetzlichen Krankenversicherungen führen.

 

Die durch die gesetzlichen Krankenversicherungen herbeigeführte Umverteilung hat jedoch einen entscheidenden Nachteil. Die vom Arbeitseinkommen abhängige Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bemisst die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht treffsicher. So wird zum Beispiel Einkommen aus Vermögen nicht erfasst.

Das Gesamteinkommen zur Beitragsbemessungsgrundlage zu machen, wie es in manchen Bürgerversicherungsmodellen vorgeschlagen wird, ist keine attraktive Alternative. Denn die innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen herbeigeführte Umverteilung könnte im besten Fall die durch das Steuer- und Sozialsystem mögliche Umverteilung replizieren. Dies wäre der Fall, wenn die Krankenkassen die gleichen Informationen über die finanzielle Situation der Versicherten hätten wie die Finanz- und Sozialämter. Allerdings entstünden erhebliche Verwaltungskosten, wenn die gesetzlichen Krankenkassen neben ihrem Haupttätigkeitsfeld Aufgaben der Finanz- und Sozialämter übernehmen würden.

Krankenkassen sollten sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Versicherung von Gesundheitsrisiken. Dafür sind Krankenkassen Experten, nicht für Umverteilung.

Fragwürdiger Einsatz von Beitragsmitteln

Die lohnabhängigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bringen weitere unerwünschte Effekte mit sich. Die Versicherungen wenden Ressourcen auf, um möglichst junge, gutverdienende Versicherte zu gewinnen. Sie verursachen nur wenig Kosten und sorgen durch die lohnabhängigen Beiträge für sprudelnde Einnahmen. Krankenkassen werben um die junge gesunde Klientel, indem sie beispielsweise für gesunde Versicherte besonders attraktive Zusatzleistungen wie kostenlose Bonus- oder Fitnessprogramme anbieten.

Dagegen versuchen gesetzliche Krankenkassen, obwohl sie keine Versicherten ablehnen dürfen, Menschen mit hohen Krankheitsrisiken abzuschrecken. So berichtete das Bundesversicherungsamt im Jahre 2012, dass einige Krankenkassen ihren Vertriebsmitarbeitern keine Prämien für die Werbung einkommensschwacher oder kranker Versicherten zahlten.

Krankenkassen haben nicht nur ein Interesse, die Aufnahme teurer Versicherter zu verhindern. Das Bundesversicherungsamt berichtete weiter, dass einige Krankenkassen versucht haben sollen, behinderte und chronisch kranke Versicherte per Telefon zur Kündigung zu bewegen.

Sisyphusarbeit Gesundheitsfonds

Diese Probleme hat die Politik erkannt und versucht solchen Anreizen zu begegnen, indem der 2009 eingeführte und vom Bund finanziell bezuschusste Gesundheitsfonds für kränkere Versicherte mehr an die Krankenkassen zahlt als für gesunde. Leider führte dies zu unerwünschten Reaktionen seitens der Versicherer. Sie neigen dazu, ihre relativ gesunden Versicherten auf dem Papier möglichst krank erscheinen zu lassen. Einige Krankenkassen trafen Vereinbarungen mit der Ärzteschaft, die dazu führten, dass Ärzte finanziell davon profitierten, wenn sie ihre Patienten kränker aussehen ließen als sie waren.

Die Idee des Gesundheitsfonds, Krankenkassen einen finanziellen Anreiz zu geben, auch überdurchschnittlich Kranke aufzunehmen, ist nicht per se schlecht. Permanent werden der Gesundheitsfonds und die Auszahlungsregeln nachgebessert. Dies ist löblich, doch es ist schwierig, das notwenige Wissen zu erlangen, wie die unterschiedlichen Risiken am besten erfasst und vergütet werden. Allerdings gibt es eine Alternative, die das leisten kann: Risikoäquivalente Versicherungsprämien.

Dezentrales Wissen der Versicherten und Versicherungen nutzen

Risikoäquivalente Versicherungsprämien ergeben sich aus dem Wettbewerb verschiedener Anbieter für Versicherungsleistungen. Sie sind nicht darauf angewiesen, dass Politiker und Regulierer in den Ministerien sowie Verbänden die optimale Struktur des Gesundheitsfonds auf dem Reisbrett ersinnen, sondern nutzen das dezentrale Wissen der Versicherten und der verschiedenen Versicherungsanbieter.

Wir kennen risikoäquivalente Prämien von KFZ-Versicherungen und den privaten Krankenkassen. Vor Versicherungsbeginn werden auf Grundlage des Gesundheitszustandes die zu erwartenden Gesundheitsausgaben und damit der individuelle monatliche Beitrag berechnet. Die Versicherungen haben dabei einen Anreiz, diese möglichst akkurat zu berechnen, da sie im Wettbewerb mit anderen Versicherungen um Kunden stehen. Veranschlagen sie zu hohe Prämien, werden sie von einer anderen Versicherung unterboten. Unterschätzen sie systematisch das Risiko ihrer Versicherten, können sie nicht dauerhaft bestehen.

Die risikoäquivalenten Prämien sind daher Marktpreise mit entsprechenden Signalwirkungen für Versicherte und Versicherer. Risikoäquivalente Prämien führen dazu, dass es für Krankenversicherungen auch attraktiv ist, kranke Menschen zu versichern und ihnen attraktive Leistungen zu bieten.

Risikoäquivalente Prämien in der gesetzlichen Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung sollte auf risikoäquivalente Beiträge umgestellt werden. Menschen, die auf Grund ihrer finanziellen Situation mit der Zahlung ihres Beitrags überfordert wären, sollte durch höhere Sozialtransfers beziehungsweise niedrigere Steuern geholfen werden.

Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger könnten bei der Zahlung der risikoäquivalenten Prämien durch anteilige Beihilfe durch den Staat unterstützt werden. Dies würde dazu führen, dass auch Hilfsbedürftige mit hohen Prämien entsprechend höhere Krankenkassenbeihilfen erhielten. Dennoch sollten die Kosten für die Prämie nicht zu 100 % übernommen werden, da sonst die Versicherten kein Interesse hätten, in eine günstigere Versicherung zu wechseln.

Ein höheres Maß an Umverteilung als heute würde durch die anteilige Übernahme der risikoäquivalenten Prämien nicht etabliert. Heute werden die Kosten für Menschen mit einem höheren Gesundheitsrisiko in der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich verschleiert. Die risikoäquivalenten Prämien würden verhindern, dass es zu einer für kranke Menschen ungünstigen Risikoselektion kommt. Bisher von den Kassen geschmähte Versicherte mit ungünstigen Gesundheitsrisiken würden zu gefragten Kunden und könnten sich über attraktivere Leistungen freuen.

Zweiklassenmedizin abschaffen: Upgrades statt Vereinheitlichung

Der Weg aus der Zweiklassenmedizin sollte zu Upgrades des Versicherungsschutzes für die gesetzlich Versicherten führen, nicht zu der im Rahmen einer Bürgerversicherung angestrebten Vereinheitlichung. Risikoäquivalente Beiträge zu den gesetzlichen Krankenversicherungen würden den Versicherern Anreize geben, um Junge und Alte sowie Gesunde und Kranke gleichermaßen zu konkurrieren – zum Vorteil aller Versicherten. Zudem käme es nicht länger zu einer Einkommensumverteilung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Aufgabe würde stärker und transparenter als heute durch Steuern und Transfers erfolgen.

Von den Umverteilungszielen befreit, spricht ferner nichts dagegen, aus den gesetzlichen Krankenkassen private Versicherer zu machen – ob mit Gewinnerzielungsabsicht oder ohne. Denn private Versicherer müssen sich stärker als staatliche Unternehmen auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen.

 

 

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Von Prof. Roland Vaubel, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre und Politische Ökonomie an der Universität Mannheim

Italien steht vor einem doppelten Problem. Zum einen ist die Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig. Zum anderen ist der Staat überschuldet und zahlt am Kapitalmarkt eine hohe Risikoprämie – zeitweise über zwei Prozent. So war es auch 2009 in Griechenland. Die italienische Wirtschaftskrise ist sogar noch schwerer als die griechische damals.

Die Arbeitslosenquote beträgt 10,9 Prozent – in Griechenland waren es 9,6 Prozent. Das Pro-Kopf-Einkommen der Italiener ist heute nicht höher als 1999, während es zum Beispiel in Deutschland um 26 Prozent gestiegen ist. Die Hauptursache dürfte der exorbitante Anstieg der Lohnstückkosten sein: in Italien 2,6 Prozent pro Jahr (der zweithöchste Anstieg in der Eurozone), in Deutschland 1,1 Prozent pro Jahr (der zweitniedrigste). (Der Vergleich bezieht sich auf die in Euro gemessenen Lohnstückkosten in den Jahren 2001 und 2017. Damit wird berücksichtigt, dass die Tariflöhne nur mit Verzögerung auf den Beginn der Währungsunion reagieren konnten.)

Auch die Verschuldung des Staates ist heute in Italien größer als damals in Griechenland. Die Schuldenquote (Staatsschuld/Bruttoinlandsprodukt) belief sich 2017 auf 132 Prozent – in Griechenland betrug sie 2009 “nur” 127 Prozent. Der Umfang der ausstehenden italienischen Staatsanleihen ist größer als der deutsche. Das Haushaltdefizit des italienischen Staates hat das 3 Prozent-Limit des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes neunmal überschritten.

Soll Italien den Weg Griechenlands gehen und eine “interne Abwertung” – die Absenkung aller Löhne, Preise, Renten etc. versuchen? Das Ergebnis war katastrophal: das griechische Bruttoinlandsprodukt ist von 2010 bis 2016 – dem bisherigen Tiefpunkt – real um 23 Prozent gesunken. Zum Vergleich: während der Weltwirtschaftskrise schrumpfte das deutsche Nettosozialprodukt real um 16 Prozent (1928-32). Die griechische Krise war also weit schwerer als die deutsche damals. Auch die deutsche Regierung unter Reichskanzler Heinrich Brüning hatte auf die interne Abwertung gesetzt, anstatt zusammen mit Großbritannien und den skandinavischen Ländern im August 1931 die Währung abzuwerten. Die politischen Konsequenzen sind bekannt.

Die italienische Regierung steht – wie die griechische damals – vor der Frage, ob sie den Euro verlassen, eine neue Währung einführen und diese abwerten soll. Im Frühjahr 2010 war es vor allem Paris, das diese Lösung rigoros ablehnte – wäre sie doch ein Präzedenzfall für weitere Austritte gewesen. Zum Beispiel hätten auch die Deutschen irgendwann auf die Idee kommen können, dem Euro den Rücken zu kehren. Dann wäre der ganze französische Verhandlungscoup von 1989-92, als Mitterand seine Zustimmung zur Wiedervereinigung vom deutschen Verzicht auf die DMark abhängig machte, mit einem Schlag dahin gewesen. Der griechische Ministerpräsident wusste um die französische Interessenlage und verlangte als Preis für den Verbleib in der Währungsunion umfassende Hilfe bei der Bewältigung des anderen griechischen Problems – der Überschuldung. Der gewünsche Bail-out wurde trotz aller rechtlichen und ökonomischen Bedenken auf zweierlei Weise gewährt: die Europäische Zentralbank (EZB) erklärte sich bereit, in großem Umfang griechische Staatsanleihen zu kaufen, und der griechische Staat erhielt über mehrere neu errichtete Fonds subventionierte Kredite, für deren Rückzahlung die Steuerzahler der Eurozone haften. Beide Möglichkeiten des Bail-out sind auch heute für Italien von Interesse.

Italien hat bisher keine Fonds-Kredite erhalten, aber die EZB hat schon in ihrem Securities Markets Programme (SMP) ab 2011 italienische Staatsanleihen mit einem Nennwert von 102,8 Mrd. Euro gekauft. Das war mehr als für jedes andere Land und fast die Hälfte aller ihrer SMP-Käufe. Die Käufe italienischer und spanischer Staatsanleihen veranlassten Jürgen Stark 2011, seinen Rücktritt aus dem Direktorium der EZB zu erklären. In einer dramatischen Nachtsitzung, über die ich in meinem Buch “Das Ende der Euromantik – Neustart jetzt” (2017) im einzelnen berichte, begrüßte der Europäische Rat im Juni 2012 auf Drängen des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti die Zusage des ebenfalls anwesenden Mario Draghi, die Anleihekäufe wieder aufzunehmen – was tatsächlich im August 2012 geschah. Anders als Griechenland, Irland, Portugal und später Zypern brauchte Italien kein Programm mit dem ESM abzuschließen und daher keine wirtschaftspolitischen Auflagen zu akzeptieren.

Auch im Rahmen des sogenannten Quantitative Easing (ab 2015) kauft die EZB italienische Staatsanleihen. Eigentlich war angekündigt worden, dass der Anteil der erworbenen Anleihen dem Anteil des betreffenden Landes am EZB-Kapital entsprechen würde. Tatsächlich ist er, wie Friedrich Heinemann vorgerechnet hat, im Fall Italiens um etwa zehn Prozentpunkte höher.

Ganz abgesehen von den Anleihekäufen trägt die EZB durch ihre Niedrigzinspolitik zur Entschärfung des italienischen Schuldenproblems bei. Die niedrigen Zinsen bewirken eine massive Umverteilung zugunsten der am höchsten verschuldeten Staaten – also vor allem Griechenland und Italien. Ebenfalls im Rahmen des Eurosystems (ESZB) stehen den TARGET-Forderungen der Deutschen Bundesbank von fast einer Billion Euro TARGET-Verbindlichkeiten der Banca d’Italia von etwa 500 Mrd. Euro gegenüber.

Währungsabwertung

Um die Schulden des Staates aus eigener Kraft abbauen zu können, müsste die italienische Wirtschaft wieder wachsen. Aber dazu müsste sie ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedergewinnen. Wenn Italien den Weg Griechenlands geht und sich für die interne Abwertung entscheidet, droht ein Einbruch der Wirtschaftstätigkeit um mehr als zwanzig Prozent. Wenn Italien dagegen wieder eine eigene Währung – die Neue Lira – einführt und diese abwertet, kann es mit einem Federstrich wieder wettbewerbsfähig werden. Wenn die Wirtschaft wieder wächst und die Steuereinnahmen sprudeln, kann der Staat auch seine Schulden abbauen. Deshalb trägt die Währungsabwertung zur Lösung beider italienischen Probleme bei. Da die Lohnstückkosten von 2001 bis 2017 in Italien um 50 Prozent, in Deutschland aber nur um 19 Prozent gestiegen sind, würde eine Abwertung um etwa 20 Prozent ausreichen, damit Italien seine alte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland wiedererlangt (1 – 1,19/1,50 = 0,21).

Aber es gibt Einwände. Der erste betrifft die auf Euro lautenden italienischen Nettoauslandsschulden. Ihr Umfang ist nicht bekannt. Wenn alle Löhne, Preise und sonstigen nach italienischem Recht geschlossenen Verträge auf die Neue Lira umgestellt werden, hat die Währungsabwertung zur Folge, dass die italienischen Löhne und die staatlichen Lohnsteuereinnahmen relativ zu den Euro-Auslandsschulden an Wert verlieren. Das macht es schwieriger, die Auslandsschulden zu bedienen. Der Realwert der auf Euro lautenden italienischen Nettoauslandsschulden ändert sich durch die Abwertung der Neuen Lira jedoch nicht. Die Anpassung der Löhne erhöht die Gewinne und die Investitionen. Nur durch die Abwertung erhält Italien wieder die Möglichkeit kräftig zu wachsen und seinen Schuldendienst zu leisten. Soweit die auf Euro lautenden Auslandsschulden nach italienischem Recht eingegangen wurden, könnten übrigens auch sie auf die Neue Lira umgestellt und abgewertet werden. Dann wäre die Abwertung zugleich ein Schuldenschnitt. Auch Griechenland wurde ja 2011 ein Schuldenschnitt zugestanden.

Gegen eine Währungsabwertung wird zweitens eingewandt, dass es zu einer heftigen, wenn auch schnell vorübergehenden Spekulationskrise käme. Wenn – wie von der Fünf-Sterne-Partei vorgeschlagen – zunächst eine Volksabstimmung über den Euro-Austritt angesetzt würde, wäre dieser Einwand von Gewicht. Aber es geht ja auch anders. Zu Zeiten des Bretton Woods Systems war es nicht üblich, Währungsabwertungen im Voraus anzukündigen. Selbst die Zustimmung des Internationalen Währungsfonds, die eigentlich erforderlich war, wurde nicht immer eingeholt. Die Abwertungsabsicht wurde bis zur letzten Minute geheim gehalten und, wenn notwendig, dementiert. Deshalb bedeuten die derzeitigen Dementis der italienischen Regierungsparteien überhaupt nichts. Was geschieht, wenn Mario Draghi am 31.10.19 abtritt, die Anleihekäufe und die Niedrigzinspolitik der EZB aufhören und Italien seinen Fürsprecher und Beschützer verliert?

Parallelwährung

Wenn Italien die Euro-Beträge auf Neue Lira umstellt, so sind die Euro-Noten und -Münzen der Italiener zwangsläufig davon ausgenommen, denn sie können jederzeit außerhalb Italiens verwendet werden. Sie könnten in Italien als Parallelwährung umlaufen. Für alle neuen Verträge könnte der Euro neben der Neuen Lira als Wertmaßstab und Zahlungsmittel vereinbart werden. Da die Euro-Parallelwährung stabiler als die abgewertete Neue Lira wäre, könnte sie helfen, einer optimalen realen Geldnachfrage näher zu kommen. Die Lösung des Lohnproblems erfordert nicht eine Beschränkung der Währungswahl. Es ist möglich, die Löhne durch die Abwertung der Neuen Lira anzupassen, ohne zukünftige Dispositionen und Transaktionen zu behindern. Die Fehler der Vergangenheit sollten behoben werden, ohne die Zukunft zu belasten. Italien würde seine Währung abwerten, ohne den Euro zu verlassen.

Wenn es weiterhin nicht gelingt, die italienischen Tarifparteien und den italienischen Fiskus zur Räson zu bringen, kann sich die Fehlentwicklung der letzten beiden Jahrzehnte bald wiederholen. Die Währungsabwertung verschafft nur einmalige Abhilfe. Aber dasselbe gilt für die Alternative, die interne Abwertung – insbesondere wenn diese wie in Griechenland von den ausländischen Gläubigern erzwungen wurde. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Alternativen ist, dass die Währungsabwertung Italien eine wirtschaftliche Katastrophe, wie sie Griechenland erlebt hat, ersparen würde.

Silvio Berlusconi und die Lega Nord haben sich 2017 ebenfalls für eine Parallelwährungslösung ausgesprochen, und die Fünf-Sterne-Partei scheint nicht abgeneigt. Nach diesen italienischen Vorstellungen soll der Staat jedoch nicht Euro-Beträge auf Neue Lira umstellen und abwerten, sondern zusätzlich zum Euro auf Neue Lira lautende Schuldscheine als Zahlungsmittel in Umlauf bringen. Die Neue Lira soll also nicht die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen, sondern das Schuldenmachen erleichtern – durch monetäre Staatsfinanzierung. Davon ist dringend abzuraten.

Der letzte Einwand, auf den ich eingehen möchte, betrifft die rechtliche Zulässigkeit der von mir empfohlenen Lösung.
Die Umstellung der Euro-Beträge auf Neue Lira widerspricht nicht Art. 128 AEUV. Die Euro-Banknoten können gesetzliches Zahlungsmittel bleiben, nur die EZB ist zu ihrer Ausgabe berechtigt, und die Ausgabe der Euro-Münzen ist ohnehin Sache der teilnehmenden Staaten.
Art. 49 der EZB-Satzung konstatiert die “unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse”. Aber für eine neue Währung wie die Neue Lira ist nie ein Wechselkurs festgelegt worden, kann es also auch keine unwiderrufliche Festlegung des Wechselkurses gegeben haben.
Relevant ist dagegen Art. 3, Abs. 1 AEUV: “Die Union hat ausschließliche Zuständigkeit in folgenden Bereichen: … c) Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist”. Danach ist die Einführung und Abwertung der Neuen Lira nur zulässig, wenn sie von der EU gebilligt wird. Aber sie ist erlaubt. Dieser Auffassung sind auch Wolfgang Schäuble und die meisten Finanzminister der Eurozone. Schäuble hat berichtet, dass im Juni 2015, als es um das dritte Griechenland-Paket ging, 14 der 18 Euro-Fnanzminister für eine Währungsabwertung Griechenlands votierten. Wenige Tage später – für Schäuble sicher nicht überraschend – lehnten die Staats- und Regierungschefs seine Scheininitiative ab.

Aber ist die Zustimmung der EU wirklich unerlässlich? Gilt nicht weiterhin der Luxemburger Kompromiss (1966), wonach kein Mitgliedstaat in einer Frage vitalen Interesses überstimmt werden kann? Martin Seidel, Jura-Professor in Bonn, schreibt dazu: “Der freiwillige Austritt aus der Währungsunion, der inzwischen allgemein als ungeschriebenes Recht der EU für zulässig erachtet wird, ist nicht von der Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten abhängig. … Ein Mitgliedstaat der Währungszone, dessen wirtschaftliches Leben nur außerhalb der Währungszone möglich ist, hat nach dem Unionsrecht einen Anspruch darauf, dass der Europäische Rat sein Land von dem territorialen Geltungsbereich der Geldpolitik ausnimmt. Er kann verlangen, dass die anderen Mitgliedstaaten ihn bei der Durchsetzung seines Austrittsbegehrens nicht behindern, die erforderlichen Rechtsakte nicht verweigern. Erforderlichenfalls kann er die Währungsunion sogar ohne diese Rechtsakte verlassen und den damit verbundenen Verstoß gegen vorrangiges Unionsrecht als durch die Notsituation legitimiert betrachten” (Die Zukunft der Europäischen Währungsunion: Kommentar, Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Bonn, Band 200, 2013, S. 43, 45f.).
Schließlich: Wie würden die Märkte reagieren, wenn Italien bei der EU einen formellen Antrag auf Genehmigung der Währungsumstellung einreichen und Kommission, Rat und Parlament darüber beraten würden?

Erstmals erschienen Ökonomenstimme.

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Die Deutschen sparen. Und sie sparen viel. Allerdings landet das Ersparte entweder in festverzinslichen Sparkonten und Wertpapieren oder aber als zukünftiger Anspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das wird vom Fiskus begünstigt und im Falle der gesetzlichen Rente sogar erzwungen. Dabei hätte eine eigenkapitalbasierte Vorsorge beispielsweise mit Aktien deutliche Vorteile.

Die Deutschen sind weltweit als Sparfüchse bekannt, aber auch als Aktienmuffel mit einer Präferenz für festverzinste Spar- und Sichteinlagen. Deutsche halten einen relativ geringen Anteil ihres Vermögens in Form von veräußerlichen Anlagen mit Eigenkapitalcharakter, obwohl derartige Anlageformen langfristig vor allem im derzeitigen Nullzinsumfeld deutlich höhere Renditen abwerfen.

Ein Grund für die geringe Rolle des Eigenkapitals im Portfolio deutscher Sparer liegt in der gesetzlichen Rentenversicherung, die einen großen Teil der Vermögen weniger betuchter Haushalte repräsentiert. Ein weiterer Grund für die geringe Rolle des Eigenkapitals liegt in der gesetzlichen Anreizstruktur bei der privaten Altersvorsorge. Der deutsche Gesetzgeber privilegiert Anlageformen steuerlich, in deren Genuss individuelle Direktanleger nicht kommen.

Auf individueller Ebene führen die Zwangsersparnis in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Fehlanreize in der privaten Altersvorsorge zu Renditeeinbußen. Gesamtwirtschaftlich verzerren sie die Allokation von Ersparnissen. Um daraus resultierende Wohlfahrtsverluste zu verringern, empfiehlt sich der Abbau der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer Mindestsicherung sowie eine Korrektur der Anreize für die private Vermögensbildung. Ihre neu gewonnene Freiheit könnten auch weniger begüterte Sparer nutzen, um mehr Eigenkapitalvermögen aufzubauen.

Deutschland: Hohe Sparquote, wenig Eigenkapitalvermögen

Deutschland ist eine Sparernation. Seit Beginn des Jahrtausends liegt die Sparquote deutscher Haushalte stabil bei rund 9-10 % – deutlich über den Quoten der meisten anderen europäischen Länder. Hinsichtlich des langfristigen individuellen Kapitalstockaufbaus sind das gute Voraussetzungen: Viele Deutsche sind bereit, heute auf Konsum zu verzichten, um morgen zusätzlichen Konsum aus ihren Ersparnissen finanzieren zu können.

Das aufgebaute Vermögen konzentriert sich stark in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung. Das bedeutet jedoch nicht, dass weniger begüterte Haushalte kaum Ersparnisse bilden. Vielmehr sparen sie vornehmlich zwangsläufig in Form von Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht in die Sparquote einbezogen werden.

Bei freiwilliger Ersparnis setzen deutsche Sparer – neben Immobilien und Bausparverträgen – vor allem auf das Sparschwein, Sicht- und Termineinlagen. Dazu kommen Lebens- und Altersvorsorgeversicherungen, die hauptsächlich auf geringverzinsten Produkten basieren. Eine untergeordnete Rolle spielen dagegen Aktien- und Fondsinvestments.

Im internationalen Vergleich verfolgen deutsche Sparer damit eine konservative Strategie: Geringes Risiko, geringe Rendite – das gilt sowohl bezüglich der gesetzlichen als auch bezüglich der privaten Altersvorsorge. Zum Ausdruck kommt dieses Anlageverhalten unter anderem in der niedrigen Aktienquote. Als Fremdkapitalgeber und Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung tragen deutsche Sparer zwar relativ geringe Risiken, profitieren langfristig aber auch weniger stark vom technischen Fortschritt, dessen Früchte eher Eigenkapitaleigner ernten.

Die Renditedifferenz zu Sparern in den USA, Großbritannien oder der Schweiz dürfte vor allem bei den weniger Vermögenden höher ausfallen. Wohlhabende Deutsche investieren einen höheren Anteil ihres Vermögens in Anlagen mit Eigenkapitalcharakter.

Anlagestrategie: Präferenzen oder Regulierung?

Angesichts der Klagen über die langanhaltende Niedrigzinsphase und den damit verbundenen Renditeeinbußen bei Sicht- und Spareinlagen, stellt sich die Frage: Weshalb setzen die Deutschen bezüglich ihrer Altersvorsorge nicht stärker auf Eigenkapitalvermögen?
Der geringe Eigenkapitalanteil im deutschen Sparportfolio könnte auf die Präferenzen der Sparer zurückgehen. Die Bundesbank etwa attestiert deutschen Sparern eine „ausgeprägte Risikoaversion“. Die Ursprünge mutmaßlich konservativer Präferenzen sind indes nicht leicht zu ergründen. Die viel zitierte kollektive Erinnerung an die Hyperinflation nach dem ersten Weltkrieg etwa sollte eher Investments in Sachwerte und inflationsgeschützte Anlagen fördern, nicht aber in Bargeld und Sichteinlagen.

Resultierten die Sparentscheidungen der Deutschen schlicht aus ihren risikoaversen Präferenzen, gäbe es an der geringen Rolle des Eigenkapitalvermögens nichts auszusetzen. Doch es deutet einiges darauf hin, dass diese maßgeblich durch staatliche Anreize herbeigeführt wird: Zum einen durch den Zwang zu Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung und zum anderen durch die Bevorteilung nominal verzinster Anlagen relativ zu Immobilien und Aktien im Rahmen der freiwilligen Altersvorsorge.

Sparzwang: Umlagefinanzierte Rentenversicherung

Neben der privaten Altersvorsorge sammeln die meisten Deutschen im Laufe ihres Lebens zwangsläufig Rentenansprüche, die sie durch Beiträge finanzieren, welche folglich nicht mehr für die private Vermögensbildung zur Verfügung stehen.

Diese Anwartschaften können als Anspruch gegenüber zukünftigen Generationen interpretiert werden. Die Rendite dieser Form von Zwangsersparnis hängt unter anderem von der Entwicklung der Reallöhne ab. Da Arbeitnehmer auch zukünftig durch steigende Reallöhne vom wachsenden Kapitalstock und technischen Fortschritt profitieren werden, ist die umlagefinanzierte Rente prinzipiell geeignet, eine breite Partizipation an den Früchten des Wachstums zu ermöglichen. Sie ähnelt diesbezüglich Aktien und anderen Formen von Eigenkapitalvermögen, die anders als die Rente zusätzlich jedoch den Vorteil haben, veräußerlich und beleihbar zu sein. Zudem impliziert die demographische Entwicklung Deutschlands eine steigende Belastungsquote, die die individuelle Rendite der Zwangsersparnis und damit deren Attraktivität im Vergleich zu direktem Eigenkapitalerwerb weiter schmälern wird.

Es empfiehlt sich daher, die gesetzliche Rentenversicherung in eine Mindestsicherung umzuwandeln. Die neu entstehende Wahlfreiheit könnten Sparer nutzen, um vermehrt in Aktien und Immobilien zu investieren und damit den Eigenkapitalanteil ihres Portfolios zu erhöhen.

Anlage über institutionelle Investoren wird gefördert

Ein großer Teil des Vermögensaufbaus erfolgt im Rahmen der freiwilligen Altersvorsorge. Spätestens seit den Rentenreformen unter der Regierung Schröder ist die staatliche Förderung privater Vorsorge über institutionelle Anleger wie Pensionskassen ein explizites politisches Ziel.

Die staatliche Förderung privater Vorsorge, etwa über Riester-Zuschüsse, kommt hauptsächlich versicherungsförmigen Produkten zugute. Individuelle Direktanlagen am Aktienmarkt hingegen sind von der Förderung ausgeschlossen. Im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes kommen außerdem bestimmte, der privaten Altersvorsorge dienende Finanzprodukte, in den Genuss der nachgelagerten Besteuerung. Für den Sparer ergeben sich dadurch deutliche Steuervorteile. Doch entsprechend zertifizierte Produkte werden typischerweise nur von Altersvorsorgeeinrichtungen angeboten.

Der deutsche Staat kanalisiert private Ersparnis somit systematisch hin zu institutionellen Investoren und weg von einer direkten individuellen Anlage. Begründet werden diese Anreize mit Verbraucherschutzargumenten – naive Anleger sollen vor besonders riskanten Anlageformen bewahrt werden.

Private Altersvorsorge setzt kaum auf Eigenkapital

Per se führt die Anlage via institutioneller Investoren zwar nicht zu einer niedrigen Eigenkapitalquote im Portfolio. Doch institutionelle Anleger, die privates Vermögen zu Altersvorsorgezwecken verwalten, verfolgen in Deutschland besonders konservative Anlagestrategien. Sie setzen verstärkt auf nominal verzinste Vermögenswerte, etwa Staatsanleihen.

Die Gründe für die wenig renditeträchtige Portfoliowahl sind komplex. Unstrittig ist, dass der Gesetzgeber aktienschwache Portfolios systematisch fördert. So sind für deutsche Altersvorsorgeeinrichtungen Mindestverzinsungen oder die Garantie einbezahlter Beiträge üblich, die wiederum eine risikoferne, aktienschwache Anlagestrategie bedingen.

Zudem unterliegen Altersvorsorgeeinrichtungen in Deutschland weitgehend der Versicherungsaufsicht, was in anderen europäischen Ländern nicht der Fall ist. Die Versicherungsaufsicht beinhaltet Mindestkapital- bzw. Solvenzvorschriften, die risikoaversere Anlagestrategien wahrscheinlich machen.

Verzerrungsfreie Altersvorsorge

Festverzinsliche Anlageformen sollten im Rahmen der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge nicht privilegiert werden und Sparern sollte es freistehen, wie sie den Großteil ihrer derzeit in die gesetzliche Rentenversicherung fließenden Beiträge anlegen. Dann würden auch die möglicherweise besonders risikoaversen deutschen Sparer mehr Vermögen mit Eigenkapitalcharakter aufbauen. Das würde insbesondere Sparer besser für die Zukunft wappnen, die heute nahezu ausschließlich Vermögen in Form unveräußerlicher Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung halten.

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Staatsfonds verfügen über riesige Mengen Kapital und dadurch über großen Einfluss. Auch die deutsche Regierung ist besorgt, dass aggressive Staatsfonds sich in startegisch wichtige Unternehmen einkaufen können. Doch auch bei Regulierungen ist Vorsicht geboten. Am sinnvollsten ist es, Investitionen unbegrenzt zu erlauben, aber die Stimmrechte zu begrenzen.

2017 war hinsichtlich der Übernahme deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren ein Rekordjahr. Rund 870 deutsche Firmen wurden bei einem Transaktionsvolumen von fast 100 Milliarden Euro durch ausländische Anleger übernommen. Die Beliebtheit deutscher Unternehmen macht sich auch in der Aktionärsstruktur der DAX-Unternehmen bemerkbar, deren durch Ausländer gehaltene Aktienanteil seit Jahren steigt und nun bei über 50 % liegt.

Unter den ausländischen Investoren befinden sich vermehrt Staatsfonds und -unternehmen, die mitunter Mehrheitsbeteiligungen anstreben. So kauften chinesische Investoren seit 2010 fast 200 deutsche Unternehmen. Das wachsende Engagement ausländischer Staatsfonds wirft die Frage auf, wie mit ausländischen Investoren umzugehen ist, die nicht primär profitorientiert handeln und im Wettbewerbsprozess nicht denselben Selektionsmechanismen unterliegen wie private Geldgeber. Zudem werfen Beteiligungen ausländischer Staatsfonds in sicherheitsrelevanten Industrien, etwa bei Netz- und Kommunikationsunternehmen, besondere Fragen auf.

Viele Kommentatoren sehen angesichts dieser Herausforderungen den Staat in der Pflicht und wollen diesen mit weitreichenden Veto-Befugnissen ausstatten – wie zuletzt Mitte 2017 im Rahmen einer Reform der Außenwirtschaftsverordnung geschehen. Derartige Eingriffsmöglichkeiten können jedoch zu ökonomisch ineffizientem Protektionismus genutzt werden und den offenen Kapitalmarkt untergraben. Besser wäre eine grundsätzliche Begrenzung des Anteils stimmrechtsfähiger Aktien, die ein ausländischer Staatsfonds halten kann. So wird ein allzu starker Einfluss strategisch agierender Staatsfonds auf die Geschäftspolitik deutscher Unternehmen verhindert, während renditeorientierte Staatsfonds weiterhin profitabel investieren können.

Offene Kapitalmärkte vorteilhaft

Viele Menschen begreifen intuitiv, weshalb freie Gütermärkte segensreich sind: Vom freiwilligen Tausch von Gütern und Dienstleistungen erwarten beide Seiten einen Vorteil. Beim Tausch von Vermögenswerten auf Kapitalmärkten gilt ebenso, dass sich beide Parteien von der Transaktion einen Vorteil versprechen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tauschpartner unterschiedliche Nationalitäten haben. Grundsätzlich sollten deutsche Staatsbürger deshalb nicht davon abgehalten werden, Unternehmensanteile an Ausländer zu verkaufen – und umgekehrt.

In akuten makroökonomischen Krisensituationen kann es sinnvoll sein, den internationalen Kapitalverkehr einzuschränken, etwa wenn die Währung in Folge von Kapitalimporten stark aufwertet. Allerdings lässt sich aus der möglichen Vorteilhaftigkeit in Krisenzeiten keine Gültigkeit für ruhige Zeiten ableiten. In entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland ist das Risiko destabilisierender Kapitalimporte zudem äußerst gering.

Freier Marktzugang auch für Staatsfonds?

Zunehmend treten neben ausländische Privatpersonen auch ausländische Staatsfonds und -unternehmen als Käufer deutscher Vermögenswerte auf. Wie ist deren Engagement zu bewerten?

Grundsätzliche Probleme entstehen in dem Maße, in dem sich Staatsfonds nicht wie private, profitorientierte Akteure verhalten und genügend Anteile erwerben, um Einfluss auf die Geschäftspolitik der jeweiligen Unternehmen ausüben zu können. Da sie Verluste nicht zwingend vor Investoren rechtfertigen müssen und die Haftung für Verluste auf Drittparteien abwälzen können, unterliegen Staatsfonds geringerem Wettbewerbsdruck als private Anleger und können über längere Zeiträume ineffizient investieren.

Zunächst werden die direkten Kosten derartiger ineffizienter Investments zwar durch ausländische Steuerzahler getragen. Doch das Engagement nicht primär profitorientierter Staatsfonds auf dem deutschen Kapitalmarkt führt zusätzlich dazu, dass Ressourcen in Deutschland weniger effizient eingesetzt werden als möglich wäre – was sich wiederum in geringeren Löhnen und höheren Preisen bemerkbar macht.

Doch die Verhinderung von Ressourcenverschwendung im Inland wird wohl kaum rechtfertigen, deutschen Kapitaleignern den Verkauf an ausländische Staatsfonds pauschal zu verwehren. Stattdessen sollten Wege gefunden werden, Staatsfonds zu marktkonformem, also an möglichst profitablen Investitionen orientiertem Verhalten zu bewegen.

Allheilmittel Transparenz?

Während zu Transparenz angehaltene Entscheidungsgremien privater Unternehmen sicherlich stärkere Rücksicht auf die Profitinteressen ihrer Anteilseigner nehmen, ist nicht klar, weshalb transparent agierende Staatsfonds profitorientierter investieren sollten. Zwar werden sie stärkeren Druck verspüren, die Interessen der Öffentlichkeit, also ihrer „Investoren“, zu berücksichtigen. Doch Staatsfonds haben Gemeingutcharakter: Aus Sicht eines Bürgers lohnt sich politisches Engagement für eine deutlichere Profitorientierung kaum, da ihm nur ein geringer Anteil der zusätzlichen Profite zufließt.

Auch transparente Staatsfonds können daher geneigt sein, geringere Profite zugunsten von anderen Motiven zurückzustellen. So verfolgt der transparenteste Staatsfonds der Welt, Norwegens Pensionsfonds, neben Profitinteressen auch verteilungspolitische, ethische und umweltpolitische Ziele. Den norwegischen Bürgern entgingen deshalb zwischen 2006 und 2016 1,3 Milliarden Euro – vermutlich mehrheitlich mit Einverständnis, aber auch zu deren finanziellem Schaden.

 

Staatsfonds als stille Investoren

Wenn es auch schwer sein mag, Staatsfonds zu rein profitorientierten Investitionsstrategien zu bewegen, so kann doch die Einflussnahme auf die Geschäftsstrategien der Unternehmen begrenzt werden, wenn Staatsfonds entweder nur einen kleinen Teil der stimmberechtigten Aktien halten oder grundsätzlich nur stimmrechtslose Anteile erwerben können. So können sie weiterhin im Interesse ihrer Bürger Renditen erzielen, aber keine politischen Ziele durch ihre Unternehmensbeteiligungen verfolgen.

Derartige Anlagebeschränkungen können idealerweise durch eine Selbstverpflichtung seitens der Staatsfonds erreicht werden. So untersagt der norwegische Staat seinem Pensionsfonds mehr als 10 % der Anteile eines Unternehmens zu erwerben – tatsächlich liegt dessen Aktienanteil an weltweit bedeutenden Unternehmen weit darunter. Doch aggressiv investierende Staatsfonds aus dem arabischen und asiatischen Raum werden sich in absehbarer Zukunft gewiss keinen Selbstbeschränkungen unterwerfen, sondern streben explizit Mehrheitsbeteiligungen an.

Angesichts der geringen Bereitschaft zur Selbstbeschränkung suchen Staaten zunehmend nach Möglichkeiten, große Anteilsaufkäufe durch ausländische Staatsfonds gesetzlich zu unterbinden oder zumindest deren Attraktivität zu schmälern. In Deutschland ist das Bundeswirtschaftsministerium seit 2008 in der Lage, Investitionen durch private und staatliche Nicht-EFTA-Unternehmen zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen – und zwar dann, wenn die Investition auf eine Beteiligung von über 25 % der Stimmrechte an für die öffentliche Sicherheit relevanten Unternehmen hinausläuft. Eine Gesetzesänderung vom Juli 2017 stellt klar, dass zu den betroffenen Branchen unter anderem die Informationstechnologie, Gesundheit, Telekommunikation und der Güter- und Personenverkehr gehören.

Sonderfälle: Sicherheit und Geopolitik

Problematisch ist ferner das Investment ausländischer Unternehmen in sicherheitsrelevanten Branchen, insbesondere wenn der ausländische Investor ein Staatsfonds oder -unternehmen ist und dessen Regierung Auslandsinvestitionen zu innen- oder geopolitischen Zielen nutzt. Sollte der deutsche Staat in einen Konflikt mit einem anderen Staat geraten, könnten Eigner deutscher Unternehmen mit ebendessen Nationalität gewillt sein, die Versorgung auf Druck ihrer Regierung einzuschränken. So steht der semi-staatliche russische Erdgaskonzern Gazprom im Verdacht, seine Preis- und Versorgungspolitik in osteuropäischen Ländern durch geopolitische Interessen lenken zu lassen. Während der Krimkrise ab 2014 drohte ein Lieferstopp in die Ukraine.

Zwar können sicherheitsrelevante Unternehmen im Krisenfall verstaatlicht und damit zur Kooperation gezwungen werden, doch dürfte ein derartiges Vorgehen nicht gerade konfliktmildernd wirken und ist darüber hinaus ordnungspolitisch wenig attraktiv. Es kann daher gute Gründe geben, den stimmrechtsfähigen Anteil ausländischer Investoren in sicherheitsrelevanten Industrien im Vorhinein zu beschränken.

Doch stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Sicherheitsrelevanz eines Unternehmens zu bewerten ist und welche Art von ausländischen Investoren abgewehrt werden sollen. Sicher ist, dass in Autokratien ansässige Staatsfonds nicht in die deutsche Rüstungsindustrie investieren dürfen sollten. Aber sollte es einem semi-staatlichem französischen Konzern erlaubt sein, einen deutschen Energieversorger zu übernehmen?

Klare Regeln statt politischem Veto

Es ist ratsam, der Politik möglichst wenig diskretionäre Eingriffsmöglichkeiten zu geben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Politiker entsprechende Kompetenzen nutzen, um „nationale Prestigeobjekte“ zu schützen und zum ineffizienten Einsatz von Ressourcen in Deutschland beitragen.

Die Mitte 2017 erfolgte Reform der Außenwirtschaftsverordnung, die es der Bundesregierung erlaubt, nicht nur ausländische Staatsfonds, sondern auch private Unternehmen vom Kauf signifikanter Minderheitsbeteiligungen in einer breiten Reihe von Branchen abzuhalten, erscheint in diesem Lichte fragwürdig.

Eine auf EU-Ebene vorbereitete Initiative soll zukünftig die europäische Hightech-Industrie schützen, ein laut EU-Kommission „kritischer“ und daher angeblich schützenswerter Sektor.

Angesichts des Missbrauchspotenzials umfassender Veto-Rechte empfiehlt sich stattdessen eine allgemeine Beschränkung des Anteils stimmrechtsfähiger Aktien, die ein ausländischer Staatsfonds an einem deutschen Unternehmen erwerben darf. Eine solche Regel würde ineffiziente Ressourcenverschwendung durch nicht-profitorientierte Staatsfonds einschränken, geopolitisch motivierte Einflussnahme auf sicherheitsrelevante Industrien verhindern und kann gleichzeitig Politiker mit protektionistischen Neigungen davon abhalten, den offenen Kapitalmarkt Deutschlands zu gefährden.

Zuerst erschienen bei IREF.