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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Preisreduzierende Regulierungen und Patentschutz widersprechen sich und doch sind beide Simultan auf dem deutschen Gesundheitsmarkt anzufinden.

In den vergangenen Jahren stiegen die Ausgaben für Arzneimittel in Deutschland. Während die für Patienten kostspieligen Privilegien der Apotheken unangetastet bleiben, sollen politische Maßnahmen den Anstieg durch Regulierungen der Herstellerpreise bremsen. So müssen Arzneimittelhersteller den gesetzlichen Krankenkassen beispielsweise einen Zwangsrabatt gewähren. Parallel sollen durch den Patentschutz und damit einhergehende höhere Medikamentenpreise jedoch für Hersteller Anreize für Forschung an neuen Wirkstoffen gesetzt werden. Patente auf der einen und Preisregulierungen auf der anderen Seite heben sich also teilweise auf und es stellt sich die Frage nach der Konsistenz der beiden Maßnahmen.

Ausgaben gestiegen

Die Ausgaben für Medikamente machen seit den 90er Jahren 15 bis 16 Prozent der gesamten Ausgaben im Gesundheitssystem aus. Die Medikamentenausgaben stiegen seit 1992 nicht stärker als die Gesundheitsausgaben insgesamt. Im Jahr 1992 betrugen die Ausgaben nach Berücksichtigung der Inflation noch 37,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2016 waren es 55 Milliarden Euro.

 

 

Patente: ein Kompromiss

Die Entwicklung neuer Medikamente ist langwierig und teuer. Nur eine von 24 begonnen Entwicklungen wird am Ende als Medikament auf den Markt gebracht. Insgesamt werden im Durchschnitt gut 1,8 Milliarden US-Dollar pro entwickeltem Medikament aufgewendet.

Der Patentschutz soll Herstellern einen zusätzlichen Anreiz geben, in Forschung und Entwicklung von Medikamenten zu investieren. Ein Patent schützt 20 Jahre lang vor Konkurrenten. Sie dürfen den neuen Wirkstoff oder das Herstellungsverfahren in dieser Zeit nicht kopieren. Als temporäre Monopolisten können die Patentinhaber höhere Preise verlangen. Die Aussicht auf diese Monopolgewinne soll den Innovationsanreiz stärken.

Zwangsrabatte und Preismoratorien

Die Preise, die Hersteller patentgeschützter Medikamente verlangen, führen allerdings regelmäßig zu Unmut bei Gesundheitspolitkern und Krankenkassen. Die deutsche Antwort auf die durch Patente ermöglichten hohen Herstellerpreise sind Zusatznutzenanalysen, Zwangsrabatte und Preismoratorien. Die preissenkende Wirkung dieser Maßnahmen widerstrebt jedoch dem Ziel des Patentschutzes, durch temporär höhere Herstellerpreise mehr Forschung und Entwicklung anzuregen.

Die Preise von verschreibungspflichtigen Medikamenten werden in Deutschland durch die Arzneimittelpreisverordnung reguliert. Im ersten Jahr nach der Zulassung können die Hersteller den Preis ihres Produkts frei bestimmen. Ab dem 13. Monat gilt ein mit den gesetzlichen Krankenversicherungen ausgehandelter Preis. Diesen übernehmen auch die privaten Krankenversicherungen. Auf den ausgehandelten Preis müssen die Hersteller patentgeschützter Medikamente den Krankenkassen zusätzlich einen Rabatt von 7 Prozent gewähren.

Derzeit sind die Medikamentenpreise zudem auf dem Niveau von 2009 eingefroren, wenn sie in der gesetzlichen Krankenkasse erstattungsfähig sind. Diese Regelung wurde bis 2022 verlängert.

Nutzen von Zusatznutzen fragwürdig

Grundlage für den zentral ausgehandelten Preis ist die Bewertung des Zusatznutzens eines neuen Präparats. Ein höherer Zusatznutzen im Vergleich zu anderen verfügbaren Behandlungen geht mit einem höheren Preis für den Hersteller einher. Für die Bestimmung des Zusatznutzens ist das von den gesetzlichen Krankenkassen getragene Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen verantwortlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Beschlussorgan des deutschen Gesundheitssystems, verhandelt auf dieser Grundlage einen Preis mit den Herstellern.

Das Verfahren ist umstritten. So haben die verhandelnden Krankenkassen kein Interesse daran, den Zusatznutzen korrekt zu bestimmen, da ein hoher ermittelter Zusatznutzen zu höheren Ausgaben führt.

Es überrascht deshalb nicht, dass die Bewertungen des Gemeinsamen Bundesausschusses teilweise erheblich von denen seiner Pendants in anderen Ländern abweichen – nach unten. Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2016 bewertete der Gemeinsame Bundesausschuss im Untersuchungszeitraum von 2011 bis 2014 nur 43,6 Prozent der Medikamente positiv. Beim britischen Pendant waren es fast dreiviertel aller neuen Medikamente. Das Ergebnis legt nahe, dass das Verfahren von den deutschen Krankenkassen genutzt wird, um die Preise für Hersteller neuer Medikamente zu reduzieren.

Forschung: Internationales Trittbrettfahren

Preisreduzierende Regulierungen und Patentschutz widersprechen sich. Doch der Markt für Medikamente ist global. Die Versuchung für einheimische Politiker und Krankenkassen ist groß, im Inland die Herstellerpreise für Medikamente herunter zu regulieren und so Patienten in anderen Ländern einen größeren Teil der Entwicklungskosten tragen zu lassen. Mehr als jedes dritte in Europa angemeldete Patent für Medikamente kommt von einem amerikanischen Hersteller.

Es passt ins Bild, dass es gerade in den USA eine Debatte darüber gibt, ob amerikanische Patienten durch hohe Medikamentenpreise einen zu großen Anteil an den weltweiten Entwicklungskosten tragen. Der Vorwurf an andere wohlhabende Länder wie Deutschland, welche Medikamentenpreise regulieren: Trittbrettfahrertum.

Fährt nur ein Land Trittbrett, kommt es in den Genuss niedriger Herstellerpreise und der positiven Wirkung des Patentschutzes. Wird jedoch in allen Ländern der Patenschutz durch Preisregulierungen ausgehebelt, führt individuelles Trittbrettfahren zu kollektiv nicht wünschenswerten Ergebnissen: Weniger Forschung und Entwicklung.

Innovationsfördernde Wirkung von Patenten zweifelhaft

Eine Kombination aus Preisregulierung und Patentschutz ist aus Sicht des Inlands attraktiv, wenn Patente die erwünschte innovationsfördernde Wirkung entfalten und in anderen Ländern die Preise nicht reguliert werden.

Die innovationsfördernde Wirkung von Patenten ist jedoch nicht unumstritten. So stellen die Ökonomen Michele Boldrin und David K. Levine sie grundsätzlich in Frage. Unternehmen, die neue Medikamente entwickeln, hätten auch ohne Patentschutz einen Vorsprung gegenüber ihren Mitbewerbern und könnten in diesem Zeitraum höhere Gewinne erzielen. Die Forschungsaufwendungen würden zumindest in einem gewissen Umfang auch ohne Patente finanziell honoriert, so die beiden Ökonomen.

Auch empirische Ergebnisse nähren den Zweifel an der innovationsfördernden Wirkung von Patenten. Eine Studie aus dem Jahr 2009 untersucht die Patentpolitik in 60 Ländern über einen Zeitraum von 150 Jahren. Das Resultat ist für die bisherige Patentpolitik ernüchternd: Eine Stärkung des Patentschutzes hat demnach einen negativen Effekt auf Innovationen.

Freie Preise, gute Besserung

Unabhängig davon, ob Patente die gewünschte Wirkung entfalten, sind Preisregulierungen grundsätzlich fehl am Platze. Wirken die Patente wie erhofft, wirken Preisregulierungen ihnen entgegen. Führen Patente nicht zu mehr Neuentwicklungen, reduzieren Preisregulierungen entgegen der Patentwirkung den Innovationsanreiz.

Preisregulierungen sind für das Inland allerdings dann attraktiv, wenn im Ausland für einen Wirkstoff hohe Monopolreise bezahlt werden. Das gilt vor allem für kleine Länder. Denn diese haben einen geringeren Einfluss auf den weltweiten Gesamtumsatz eines Medikaments und verringern die Innovationsbemühungen internationaler Hersteller somit kaum.

Ob Deutschland zu diesen kleinen Ländern gehört, ist fraglich. Fraglich ist auch, ob Deutschland sich als Trittbrettfahrer versuchen sollte. Stattdessen sollte in Betracht gezogen werden, zugleich auf die Preisregulierungen und den Patentschutz zu verzichten, um einerseits Innovationen durch temporär mögliche hohe Monopolpreise zu fördern und andererseits die zügige Entwicklung preisdrückender Generika zu ermöglichen.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Dass hierzulande der Staat in manchen Fällen weiterhin als Monopolanbieter auftritt, ist sicher historisch begründet. Nun zeigen aber die Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit und die erfolgreiche Privatisierung einiger Brachen, dass auch in Deutschland die gesellschaftliche Gesamtwohlfahrt durch Privatisierung gesteigert werden könnte.

Vorschläge zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen werden oft kontrovers diskutiert. Aktuell sorgt der Verkauf von 33.000 Wohnungen an private Investoren in Bayern für Aufsehen. Selbst wenn nicht die öffentliche Finanzierung, sondern lediglich die öffentliche Bereitstellung einer Leistung zur Debatte steht, begegnen nicht wenige Menschen Privatisierungen skeptisch. Sie argumentieren mit Hinweis auf vermeintliche Desaster wie die Bahnprivatisierung in England, dass die von Privatisierungsbefürwortern versprochene segensreiche Wirkung für Konsumenten nicht eintritt.

Viele jüngere Privatisierungsmaßnahmen sind allerdings Erfolgsgeschichten, so in Deutschland z.B. im Telekommunikationssektor und in der Gesundheitsinfrastruktur. Dass die Übertragung vormals öffentlich bereitgestellter Leistung an Private für die Konsumenten in der Regel positive Folgen hat, ist nicht überraschend: Private Anbieter haben einen stärkeren Anreiz zur ressourcenschonenden Bereitstellung von Leistungen. Darüber hinaus bieten Privatisierungen die Chance, von einem Monopolanbieter beherrschte Märkte für den Wettbewerb zu öffnen.

 

 

Bund, Länder und Kommunen sollten weitere Privatisierungen in Betracht ziehen.

Privatisierung schont Ressourcen

Wäre die Bereitstellung von Leistungen durch den Staat genauso effektiv wie die private Bereitstellung, gäbe es vielleicht ethische Argumente für die Privatisierung, aber keine ökonomischen.

Die Effektivität unterscheidet sich jedoch. Denn die Anreizstruktur der Eigentümer und Manager eines Privatunternehmens ist eine andere als jene eines Staatsunternehmens. Die Eigentümer privater Unternehmen profitieren von Effizienzsteigerungen direkt. Gelingt es ihnen, die Nachfrage zu einem geringeren Preis zu bedienen oder die Qualität zu erhöhen, wandern zusätzliche Profite in ihre eigene Tasche. Das schafft einen starken Anreiz zu ressourcenschonender Leistungserbringung. Die steuerzahlenden Eigentümer und bedienstete Manager öffentlicher Unternehmen profitieren persönlich von einer effizienteren Bereitstellung dagegen kaum.

Damit es zu den erwünschten Effizienzsteigerungen kommt, muss die Privatisierung substantiellen Charakter haben und über die rein formale Umwandlung der Rechtsform eines staatlichen Unternehmens hinausgehen. Die Deutsche Bahn – oft zitiertes Beispiel für eine angeblich gescheiterte Privatisierung – hat eine solche substantielle Privatisierung fast 25 Jahre nach der Bahnreform noch vor sich. Auch als Aktiengesellschaft befindet sie sich zu 100 % im Staatsbesitz.

Privatisierung intensiviert den Wettbewerb zwischen Anbietern

Ein weiterer Vorteil entsteht, wenn die Privatisierung den betreffenden Markt für den Wettbewerb öffnet. Konsumenten profitieren vom Wettbewerb zwischen Unternehmen, da die um Kunden konkurrierenden Anbieter Leistungen stets günstiger oder in besserer Qualität bereitstellen müssen.

Theoretisch könnten auch Staatsunternehmen miteinander konkurrieren. Doch spricht wenig dafür, dass Wettbewerb zwischen ihnen zu ähnlich schonendem Umgang mit Ressourcen führt wie Wettbewerb zwischen Privatunternehmen. Die Anreize dafür fehlen schlicht. Auch eine halbherzige Privatisierung, bei der neben staatlichen auch private Anbieter zugelassen werden, ist der rein staatlichen Bereitstellung daher vorzuziehen.

Sogar private Monopole sind effizienter

Selbst wenn kein Wettbewerb möglich ist oder zugelassen wird, birgt Privatisierung Vorteile für Konsumenten. Staatliche Monopole sind weniger bemüht, Effizienzsteigerungen durch kostensenkende und qualitätssteigernde Innovationen herbeizuführen. Privatisierung ist in vielen Fällen also auch dann sinnvoll, wenn die Marktstruktur, also das Ausmaß des Wettbewerbs und der Regulierung, unverändert bleibt. Das gilt auch für Industrien, in denen sich aufgrund starker Skalen- und Netzwerkeffekte natürliche Monopole bilden. Auch hier können private Anbieter vom Staat reguliert werden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Preispolitik. Ihren Anreiz, Ressourcen möglichst sparsam einzusetzen verlieren sie dadurch nicht.

Unabhängig davon, ob es sich um ein durch Gesetze geschaffenes oder ein natürliches Monopol handelt, sollte die Privatisierung durch eine Öffnung des Marktes begleitet werden. Beruht die Monopolstellung auf gesetzlichen Regelungen, würde der private Anbieter seine Monopolstellung einbüßen. Handelt es sich um ein natürliches Monopol, würde die Marktöffnung den Monopolisten zusätzlich zu einem effizienten Umgang mit Ressourcen anhalten. Ein natürliches Monopol braucht gewiss keinen gesetzlichen Schutz, aber hat auch keine Garantie, dass seine Stellung fortbesteht.

Effiziente Bereitstellung durch den Staat: Ein kleiner Kreis

Die Privatisierung der Erbringung einer Leistung impliziert nicht, dass auch deren Finanzierung privat organisiert wird. So stellt der deutsche Staat mittels Sozialtransfers sicher, dass kein Mensch ohne Wohnung auskommen muss, während überwiegend private Akteure für ein angemessenes Immobilienangebot sorgen. Umverteilungsaktivitäten des Staates sind transparenter und für die Bürger leichter zu kontrollieren, wenn der Staat Leistungen finanziert, sie aber nicht selbst bereitstellt.

Ist Privatisierung stets sinnvoll? Nein. Es gibt Leistungen, die durch den Staat nicht nur finanziert, sondern auch bereitgestellt werden sollten. Das ist dann der Fall, wenn die betreffende Leistung in hoher Qualität bereitgestellt werden muss, private Anbieter aber vertraglich nicht auf eine konstant hohe Qualität festgelegt werden können und der Abschluss eines neuen Bereitstellungsvertrages zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Landesverteidigung und Polizei sind zwei der wenigen Beispiele für derartige Leistungenwobei das staatliche Angebot auch in diesen Bereichen durch private Anbieter ergänzt wird.

Fair und nachhaltig privatisieren

Wenngleich die Privatisierung von staatlichen Monopolen oder Anteilen grundsätzlich sinnvoll ist, hängt das Ausmaß der dadurch zu realisierenden Vorteile für Konsumenten von den Details ab. Sind Ausschreibungen kompetitiv oder kommt ein privilegiertes Privatunternehmen stets zum Zug? Wird der privatisierte Markt ausreichend dereguliert oder werden vormals im Staatsbesitz stehende Unternehmen weiterhin regulatorisch gegenüber ihren Konkurrenten bevorzugt – wie etwa im Fall der Deutschen Post?

Wie schwer es sein kann, den Prozess fair zu gestalten, zeigt das Beispiel der ehemaligen Ostblock-Staaten. Einzelne Privatpersonen sind dort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sehr reich geworden, doch viele formal privatisierte Märkte sind weiterhin nicht für Wettbewerber geöffnet und stark vermachtet – zu Lasten der Kunden.

Chancen ergreifen

In stabilen Rechtsstaaten mit geringer Korruptionsgefahr, wie in Deutschland, ist die breitflächige Privatisierung derzeit öffentlich bereitgestellter Leistungen vielversprechend. Das Potenzial ist groß: Der Bund hält weiterhin Anteile an 108 formal privatisierten Unternehmen. Dazu kommen Angebote des Staates wie Wohnungen, Schulen, Autobahnen oder Krankenhäuser, die getrost privater Bereitstellung, aber nicht unbedingt privater Finanzierung, überlassen werden können.

Als Konsumenten würden die Bürger Deutschlands zukünftig von der Bereitstellung durch effizientere und im Wettbewerb stehende Anbieter profitieren. Auch als Steuerzahler könnten die Bürger entlastet werden. Privatisierung kann zum Abbau der hohen Staatsschulden beitragen, ermöglicht dem deutschen Staat somit langfristig mehr Freiraum und erlaubt es ihm, sich auf seine wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Finanzieren chinesische Steuerzahler durch Subventionen Dumpingpreise, können sich europäische Verbraucher freuen! Denn ihnen kommen diese Handelsverzerrungen zu Gute.

Mit martialischer Rhetorik droht der amerikanische Präsident Donald Trump mit neuen Handelsbarrieren. Im Ton gemäßigter verfolgen die Europäer allerdings eine ganz ähnliche Politik. Auch die Europäische Union erhebt teilweise erhebliche Zölle auf Stahl und Aluminium aus China. Die Begründungen sind erstaunlich ähnlich: Die Zölle werden diesseits und jenseits des Atlantiks mit unfairen chinesischen Subventionen gerechtfertigt. Doch die Gegenmaßnahmen treffen vor allem die Konsumenten sowie die weiterverarbeitenden Industrien in Europa und sind Einfallstor für schädlichen Lobbyismus. Es ist höchste Zeit, um vor der eigenen Tür zu kehren und bei der EU-Handelspolitik auszumisten.

Der Welthandel

Als Mitglied der Welthandelsorganisation muss die EU allen WTO-Mitgliedern die gleichen Handelsbedingungen gewähren: gleiche Zölle für gleiche Waren unabhängig vom Herkunftsland. Der niedrigste Zollsatz für eine Ware, den die EU von einem WTO-Mitglied erhebt, gilt auch für alle anderen Mitglieder. Diese Regelung vereinfacht die Zollabwicklung. Für die Zollerhebung muss nicht geprüft werden, woher Waren stammen.

Doch es gibt Ausnahmen. Die EU selbst ist ein gutes Beispiel. Menschen innerhalb der EU können Waren und Dienstleistungen von Zöllen unbehelligt austauschen.

Zollunionen und Freihandelsabkommen sind von der Verpflichtung, von allen WTO-Mitgliedern dieselben Zölle zu erheben, ausgenommen. Dies soll Ländern ermöglichen, Freihandel voranzutreiben, auch wenn auf internationaler Ebene der Zollabbau nur schleppend vorangeht. Doch aufgrund der Ausnahmen muss geprüft werden, ob eine Ware, die unter einem vergünstigten Freihandelstarif importiert wird, auch tatsächlich aus diesem Land kommt. Sonst könnten Waren aus anderen Ländern Umwege nehmen, um vom vergünstigten Zollsatz zu profitieren. Gerade bei geringen Einsparungen gegenüber den WTO-Zolltarifen verzichten viele Importeure auf die Dokumentation und damit auf die besseren Zollkonditionen der Freihandelsabkommen.

Die Zölle der EU

Für 5.665 Produkte definiert die EU Zölle. Erfreulicherweise werden auf gut 26 Prozent der Produkte aus WTO-Ländern keine Zölle erhoben. Eine weitere gute Nachricht: Für 85 Prozent der Produkte ist der Satz geringer als 10 Prozent.

 

Es gibt aber auch viel Kurioses. So liegt der Zollsatz für gesalzene Delphine bei 15,4 Prozent. Gesalzenes Pferdefleisch dagegen kann schon mit einem Zoll von 6,4 Prozent eingeführt werden. Ist das Pferd nicht mit Salz behandelt worden, sondern frisch oder gefroren, werden 5,1 Prozent erhoben. Ein lebendes reinrassiges Pferd kann wiederum zollfrei eingeführt werden. Auf lebende Esel werden dagegen 7,7 Prozent fällig.

Diese Beispiele erinnern an die Rede von Hans-Rudolf Merz im Schweizer Bundesrat. Die Formulierungen rund um die Besteuerung von „Bündnerfleisch“ ließen ihn weinen vor lachen.

Zollkosten: Was gesehen wird und was nicht

Lustig ist die Wirkung von EU-Zöllen aber keineswegs. Sie erhöhen die Preise importierter Güter. Soweit die sichtbaren Kosten. Zudem wird weniger von verzollten Produkten in der EU gekauft. Der für ausländische Hersteller und europäische Konsumenten vorteilhafte Austausch, der aufgrund der Zölle nicht zustande kommt, führt zu nicht sichtbaren Kosten der Zollerhebung.

Auch die Zollabwicklung verursacht Kosten. So wenden Importeure und Zollbeamte Arbeitsstunden für die Kategorisierung und Berechnung der Zollzahlungen auf.

Anti Dumping

Die regulären WTO-Zölle sind nicht die einzigen Zölle, die von der EU erhoben werden. Viele Eisen-, Stahl- und Aluminiumprodukte aus China, seit 2001 WTO-Mitglied, werden von der EU mit hohen Zöllen belegt. So werden Stahlbleche mit bis zu 73,7 Prozent verzollt und Fahrräder mit bis zu 48,5 Prozent.

Begründet werden diese Zölle mit dem Schutz der heimischen Industrie vor unfairen Dumpingpreisen. Wenn der Preis beim Export in die EU niedriger ist als der vergleichbare Preis im Handel im Herstellungsland spricht die EU von Dumping. Auf Antrag der geschädigten europäischen Hersteller können Anti-Dumpingzölle erhoben werden, um zu vermeiden, dass durch Subventionen anderer Staaten Waren zu niedrigen Preisen in der EU verkauft werden.

Der Einsatz gegen staatliche Subventionen ist begrüßenswert. Adressieren Subventionen keine positiven Externalitäten, kosten sie die Steuerzahler eines Landes mehr als die unterstützten Unternehmen von ihnen profitieren. Dabei führt die Verzerrung der internationalen Produktionsstruktur dazu, dass Güter nicht mit dem günstigsten Einsatz von Ressourcen produziert werden.

Dumping: Einem geschenkten Gaul…

Finanzieren chinesische Steuerzahler durch Subventionen Dumpingpreise, können sich europäische Verbraucher jedoch freuen – im Gegensatz zu den Stakeholdern der betroffenen europäischen Industrien. Angesichts derartiger Geschenke an die europäischen Verbraucher stellt sich die Frage, ob die Vorteile der europäischen Anti-Dumpingmaßnahmen ihre Nachteile überwiegen. Derzeit finden in Brüssel die Vertreter betroffener Industrien lautes Gehör, während die Interessen hunderter Millionen von Verbrauchern in den Hintergrund treten.

Es wäre gewiss im Sinne europäischer Verbraucher, die Subventionen in der EU zu reduzieren, bevor mit Zöllen gegen die Subventionen anderer Länder vorgegangen wird.

EU: Mit gutem Beispiel vorangehen

Die EU sollte mit gutem Beispiel vorangehen und in einem ersten Schritt unilateral Zölle weiter abbauen. Das wäre in Zeiten fragwürdiger Handelskriegsrhetorik nicht nur ein deutliches Signal für den globalen Handel. Es würde hunderten Millionen von Verbrauchern in der EU zum Vorteil gereichen.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre. 

Die aufgebauten Rentenansprüche zeigen, dass die meisten Menschen in Deutschland erfolgreich für ihr Alter sparen. Vermögen außerhalb der Renten sind nicht nur Einkommensgrundlage im Alter, sondern geben Menschen auch Flexibilität und Eigenverantwortung. Es sollte ihnen leichter gemacht werden, Selbiges selbstbestimmt aufzubauen und zu verwalten.

Der Median des Nettovermögens deutscher Haushalte lag 2014 bei 60.400 Euro, wie die Deutsche Bundesbank berichtet. Wird – wie einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung – der Versuch unternommen, die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einzuberechnen, nimmt das Nettovermögen der Haushalte in der Mitte und am unteren Ende der Vermögensverteilung relativ stark zu. Doch Rentenansprüche bringen im Vergleich zu anderen Vermögensformen bedeutende Nachteile mit sich. So können sie beispielsweise nicht als Eigenkapital beim Hauskauf eingesetzt werden. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn auch abhängig Beschäftigte die Möglichkeit hätten, über einen Großteil ihres Vermögens frei zu verfügen. Eine Reduzierung der verpflichtenden Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung auf ein Minimum wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung. Menschen hätten dadurch mehr Raum für die Altersvorsorge mittels flexibel verwendbarer Vermögensformen.

Vermögensverteilung in Deutschland

Die Studie des DIW aus dem Jahr 2017 bietet einen aktuellen Einblick in die Vermögensverteilung in Deutschland. Die Forscher verwendeten Daten des Sozioökonomischen Panels aus den Jahren 2012 und 2013. Das durchschnittliche Nettovermögen der 10 Prozent der Haushalte, die am wenigsten Vermögen besaßen, betrug demnach inklusive privater und betrieblicher Renten und ohne gesetzliche Rentenansprüche durchschnittlich 6.670 Euro. Die Haushalte mit dem höchsten Vermögen besaßen netto im Durchschnitt 945.809 Euro.

 

Vermögensverteilung inklusive Renten- und Pensionsansprüchen

Die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung machen vor allem für weniger Vermögende einen bedeutenden Teil ihres gesamten Vermögens aus. Dies zeigt sich, wenn die gesetzlichen Renten- und Pensionsansprüche mit in die Vermögensstatistik einbezogen werden. Das Median-Nettovermögen steigt auf über 169.000 Euro und die Vermögensverteilung wird gleicher.

 

Für das unterste Dezil erhöht sich das Nettovermögen um über 100.000 Euro. Auch im zehnten Vermögensdezil erhöhen sich die Nettovermögen, wenn die Renten- und Pensionsansprüche miteinbezogen werden, allerdings fällt der relative Anstieg hier geringer aus, weil die Rentenansprüche einen kleineren Anteil am Vermögen ausmachen. Dass Personen mit den höchsten Vermögen in Deutschland im Sozioökonomischen Panel nicht erfasst werden, ist für unsere Betrachtung nicht bedeutend, weil wir primär interessiert sind an der Auswirkung der Berücksichtigung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung und weniger an der Vermögensverteilung per se.

Rentenansprüche: Vermögen zweiter Klasse

Auf den ersten Blick scheint es keinen großen Unterschied zwischen verschiedenen Formen der Altersvorsorge zu geben. Vorsorgende Menschen verzichten heute darauf, einen Teil ihres Einkommens für Konsum auszugeben, um in der Zukunft mehr konsumieren zu können.

Doch die Unterschiede zwischen Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung – sowie zum großen Teil auch Vermögen aus der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge – und anderen fungibleren Vermögenswerten sind enorm. Anders als beispielsweise bei einem Guthaben bei einer Bank, Aktien oder einem Eigenheim kann der Sparer bei Rentenansprüchen nicht stets auf sein Vermögen zugreifen. Zugang zum eigenen Vermögen zu haben, ist jedoch an sich wertvoll, denn nur dann kann es in vielen Situationen eingesetzt werden.

Anders als klassische Vermögensformen können Rentenansprüche weder als Sicherheit für ein Kredit dienen, noch vererbt oder verschenkt werden. Sie können zudem nicht als finanzieller Puffer in schlechten Zeiten dienen. Sie können nicht zur Hilfe für Freunde und Verwandte eingesetzt werden. Sie können nicht den altersgerechten Umbau der Wohnung erleichtern oder die Gründung einer Unternehmung finanzieren.

Rentenansprüche ersetzen klassisches Vermögen nicht

Anstatt die Mehrheit der Bevölkerung dazu zu verpflichten, den Großteil ihres gesamten Vermögens in Form eines imperfekten Substituts für klassisches Vermögen zu halten, wären Maßnahmen wünschenswert, die allen den Aufbau klassischen Vermögens erleichtern. Die derzeitige weitreichende Verpflichtung, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, nimmt den Menschen die Möglichkeit, das volle Potential ihrer Ersparnisse zu nutzen.

Deutlich attraktiver wäre es, die Verpflichtung, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, auf ein Minimum zu beschränken. Dadurch wäre die Mindestsicherung im Alter sichergestellt. Über die Mindestsicherung hinaus könnten Menschen zusätzlich vielseitig einsetzbares Vermögen aufbauen und die Sparform wählen, die am besten zu ihrer Lebensplanung passt. Dies würde die Nachteile, die aus den nur unflexibel einsetzbaren Rentenansprüchen resultieren, reduzieren und mehr Gestaltungsspielraum beim Aufbau von Vermögen lassen.

Vermögen für alle

Die aufgebauten Rentenansprüche zeigen, dass die meisten Menschen in Deutschland erfolgreich für ihr Alter sparen. Die relativ niedrigen sonstigen Vermögen sind daher zum Teil auf die umfangreiche Verpflichtung zurückzuführen, Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zu tätigen.

Vermögen außerhalb von Rentenansprüchen ist nicht nur Einkommensgrundlage im Alter, sondern kann für viele Zwecke eingesetzt werden: als Sicherheit für einen Kredit, als Notgroschen für Ernstfälle und als Startkapital für eine Selbständigkeit. Klassiches Vermögen gibt Menschen Flexibilität. Es sollte ihnen leichter gemacht werden, Selbiges eigenverantwortlich aufzubauen.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Politische Eingriffe, die als Nebenwirkung die Entwicklung der Produktivität hemmen, sollen oft relativ Mittellose gegenüber relativ Wohlhabenden besserstellen. Unter dem ausbleibendem Wachstum leiden in der langen Frist fast alle. Im Mittelpunkt sollte also nicht die Frage stehen, wie der Kuchen verteilt werden soll, sondern wie er größer wird.

Vor gut 30 Jahren fragte der Wirtschaftshistoriker David Landes: „Warum sind wir so reich und die anderen so arm?“ Mit „den anderen“ sind nicht nur Menschen in Entwicklungsländern gemeint, sondern auch unsere eigenen Vorfahren. Ein durchschnittlicher Deutscher hat heute ein etwa sechsmal so hohes Einkommen wie ein durchschnittlicher Deutscher vor 100 Jahren oder ein durchschnittlicher Kubaner heute. Die Antwort auf die Frage nach der Quelle unseres historisch beispiellosen Reichtums lautet: Weil wir so produktiv sind. In der langen Frist wird unser Wohlstand hauptsächlich durch unsere Produktivität bestimmt, also durch unsere Möglichkeiten, Produktionsfaktoren in Konsumgüter zu verwandeln.

Seit geraumer Zeit nimmt das Produktivitätswachstum in der westlichen Welt ab. Zwar herrscht unter Ökonomen keine einheitliche Meinung über die dominanten Gründe, doch unstrittig ist, dass der Politik eine tragende Rolle zukommt. Durch ihre Steuer-, Geld- und Regulierungspolitik kann sie Produktivitätssteigerungen begünstigen oder mögliche Produktivitätssteigerungen zunichtemachen. Viele jüngere politische Maßnahmen in Deutschland stehen dem Ziel eines langfristig höheren Wohlstands im Weg, so z.B. die Niedrigzinspolitik der EZB, technologiefeindliche Regulierungen und höhere Steuern auf Zinserträge. All diese Maßnahmen erfüllen kurzfristige Umverteilungsziele, schaden jedoch langfristig der Produktivitätszunahme. Damit erfolgen sie nicht nur auf Kosten derer, die die Umverteilungspolitik heute finanzieren, sondern auch auf Kosten zukünftiger Generationen.

Was ist Produktivität?

Produktivität ist die Effizienz mit der Menschen, Unternehmen und Volkswirtschaften Produktionsfaktoren – also beispielsweise Arbeitskraft, Maschinen und Energie – kombinieren und in Konsumgüter verwandeln. Je mehr wir aus einer gegeben Ausstattung an Produktionsfaktoren machen können, desto produktiver sind wir. Ökonomen bezeichnen dieses Effizienzmaß auch als totale Faktorproduktivität.

Von besonderem Interesse, weil durch die Politik beeinflussbar, ist die Arbeitsproduktivität, also die Effizienz des Einsatzes von Arbeitskraft. Studien zeigen, dass die Arbeitsproduktivität weltweit massiv variiert. So erwirtschaftete ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in Deutschland 2016 pro Stunde etwa 68 US-Dollar, während sein mexikanischer Kollege in der selben Zeit nur 20 US-Dollar erwirtschaften konnte. Produktivitätssteigerungen erlauben es uns, bei konstantem Faktoreinsatz mehr Güter oder Güter besserer Qualität herzustellen. Zudem stellen in gut funktionierenden Marktwirtschaften Arbeitsteilung, Spezialisierung, Kooperation und Wettbewerb zwischen Unternehmen sicher, dass alle Menschen von Produktivitätssteigerungen profitieren.

 

Politik beeinflusst Produktivitätswachstum

Menschen sind unterschiedlich reich, weil sie unterschiedlich produktiv sind. Doch welche Faktoren rufen Unterschiede in der Arbeitsproduktivität hervor? Ein Teil der Produktivitätsunterschiede wird durch individuelle Unterschiede im Ausbildungsniveau – Ökonomen sprechen vom Humankapital – und arbeitsrelevanten Verhaltensweisen, etwa der Konzentration während der Arbeitszeit, erklärt. Ein gut ausgebildeter und hochkonzentrierter Arbeiter ist produktiver als ein schlecht ausgebildeter oder schlecht konzentrierter Arbeiter – unabhängig von allen sonstigen Umständen, wie etwa dem Arbeitsort.

Doch maßgeblich wird unsere Arbeitsproduktivität auch durch Faktoren bestimmt, die der Einzelne nicht unter Kontrolle hat: Wir sind umso produktiver bei der Arbeit, je mehr andere Produktionsfaktoren – etwa Maschinen oder Energie – wir zur Verfügung haben. Unternehmen und Länder mit einem größeren Kapitalstock, relativ zur Arbeiterschaft, weisen eine höhere Arbeitsproduktivität auf. Wichtig sind darüber hinaus die Bedingungen, die beeinflussen, wie Produktionsfaktoren koordiniert und verwendet werden: Herrscht Rechtssicherheit? Sind Institutionen kooperationsfördernd? Begünstigen Marktstrukturen Kooperation und Wettbewerb? Setzt sich gute Managementpraxis durch?

Die Arbeitsproduktivität eines Individuums hängt also maßgeblich davon ab, in welchem Unternehmen oder Land es arbeitet. So kann ein peruanischer Arbeitnehmer allein dadurch, dass er seinen Job in den USA statt in seiner Heimat ausführt, fast viermal so viel verdienen – weil er viermal so produktiv ist.

Nur wenige dieser Faktoren sind von politischen Einflüssen zumindest mittelfristig unberührt, etwa das Klima, die langfristigen Folgen historischer Zufälle, Traditionen und kulturelle Eigenheiten. Auf viele Determinanten der Arbeitsproduktivität hat die Politik dagegen maßgeblichen Einfluss, etwa durch die Geld- und Steuerpolitik oder Regulierungsaktivitäten. Einer Regierung, der das Wohlergehen ihrer Bürger am Herzen liegt, sollte viel daran gelegen sein, Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen. Gemessen an diesem Anspruch sind viele aktuelle politische Maßnahmen in Deutschland kritisch zu bewerten. Drei Beispiele:

Niedrigzinsen stützen unproduktive Firmen

Seit geraumer hält die Europäische Zentralbank die Leitzinsen auf historisch niedrigem Niveau. Die Niedrigzinspolitik soll schwächere Volkswirtschaften in Europas Süden stützen und zur allgemeinen Belebung der Wirtschaft beitragen. Wenngleich diese Politik für manche Volkswirtschaften im Süden angemessen sein mag, hat sie für Deutschland negative Folgen. Sie hält Unternehmen, die sich im Umgang mit knappen Ressourcen als relativ unproduktiv erwiesen haben, künstlich solvent und verhindert deren Marktaustritt. Unproduktiven Unternehmen werden so zulasten ihrer produktiveren Wettbewerber künstlich beatmet, was unmittelbar die Produktivität der Industrie verringert.

Regulierung behindert neue Geschäftsmodelle

Technologischer Fortschritt führt in vielen Branchen zu Umwälzungen. Einige Unternehmen treten aus dem Markt aus und andere Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen nehmen ihren Platz ein. Um diesen Prozess zu verhindern, setzen Interessengruppen aus betroffenen Unternehmen und ihren Stakeholdern einiges in Gang: Taxifahrer kämpfen gegen Uber, Hoteliers gegen Airbnb und staatlich finanzierte Medien gegen neue dezentrale Medien. Die Politik zeigt sich verständnisvoll: So sind Airbnb und Uber in zahlreichen deutschen Großstädten verboten oder eingeschränkt und die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender dürfen sich auch bei sinkenden Einschaltquoten und abnehmender Relevanz klassischer Offline-Medien über ein wachsendes Budget freuen.

Was manchen Zeitgenossen als sympathische Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Betroffenen erscheint, hat langfristig deutliche Produktivitätseinbußen zur Folge. In den kommenden Jahrzehnten werden zahlreiche Branchen enorme Produktivitätsgewinne durch den Einsatz künstlicher Intelligenz erleben. Dieser Prozess wird unweigerlich dazu führen, dass einige heutige Berufe und Arbeitsfelder wegfallen sowie neue Berufe und Arbeitsfelder entstehen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik nicht den erprobten Weg geht und Produktivitätsgewinne durch Steuern und Verbote verhindert.

Abgeltungsteuer Adé: Investitionen weniger attraktiv

Steuerpolitik ist Anreizpolitik. Die Besteuerung einer Handlung führt in der Regel dazu, dass diese Handlung seltener erfolgt. So führt die Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Zinserträge dazu, dass Investoren ihre Zinseinnahmen zukünftig wieder mit ihrem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern müssen – bei vielen Investoren dürfte der über dem bisherigen Steuersatz von 25 % liegen – und so betroffene Kapitalinvestments weniger attraktiv werden.

Investitionen in den Kapitalstock sind jedoch von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Arbeitsproduktivität. Selbst jene, die von der kurzfristigen Höherbesteuerung von Kapitalerträgen heute profitieren mögen, werden langfristig unter dem geringen Produktivitätswachstum leiden.

Produktivitätsentwicklung in den Fokus rücken

Weshalb bewerten viele Menschen die Wichtigkeit produktivitätssteigernder Investitionen vergleichsweise niedrig? Ein Grund könnte darin liegen, dass sie langfristige Zinseszinseffekte oft unterschätzen. So wie der Wert eines Assets exponentiell steigt, wenn dessen jährlicher Zinsgewinn dem Anlagekapital hinzugefügt wird, nimmt das Einkommen der Menschen in einer Region bei einer konstanten Wachstumsrate exponentiell zu.

Politische Eingriffe, die als Nebenwirkung die Entwicklung der Produktivität hemmen, sollen oft relativ Mittellose gegenüber relativ Wohlhabenden besserstellen. Doch selbst wenn die Verfolgung derartiger Ziele als wünschenswert erachtet wird, sollten die negativen Folgen für die Produktivitätsentwicklung ernstgenommen werden. Schon nach 30 Jahren ist eine jährlich um 2 statt 3 % wachsende Volkswirtschaft um knapp ein Viertel ärmer. Unter ausbleibendem Wachstum leiden in der langen Frist fast alle, darunter auch viele, die kurzfristig von Umverteilungsmaßnahmen profitieren.

 

Zuerst erschienen bei IREF.