Photo: Gilles Desjardins from Unsplash (CC 0)

Von Prof. Roland Vaubel, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre und Politische Ökonomie an der Universität Mannheim.

Bundesfinanzminister Scholz schlägt vor, einen Fonds für die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten zu etablieren. Aus ihm sollen Euroländer, deren Arbeitslosenquote auf ein hohes Niveau steigt, subventionierte Kredite erhalten können. Gespeist würde der Fonds aus den Beiträgen aller Versicherten.

Wie begründet Olaf Scholz seinen Vorschlag? Es müsse vermieden werden, dass ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit ansteigt, so wie zum Beispiel Deutschland in der Weltwirtschaftskrise, die Arbeitslosenunterstützung kürzt. Das kommt bei seinen Parteifreunden gut an, führt aber in die Irre. Wir befinden uns nicht in den dreißiger Jahren. Seit mindestens achtzig Jahren besteht unter den Ökonomen und Wirtschaftspolitikern Einigkeit, dass es falsch ist, in der Rezession die Arbeitslosenunterstützung zu kürzen. Denn die Arbeitslosenversicherung ist ein automatischer Stabilisator der Güternachfrage. Wenn heute in einem europäischen Land  die Arbeitslosigkeit konjunkturbedingt zunimmt und die Reserven der Arbeitslosenversicherung nicht ausreichen, erhöht der Staat seine Neuverschuldung, d.h., er geht an den Kapitalmarkt. Das hat zur Folge, dass der Realzins am inländischen Kapitalmarkt steigt und Kapital aus dem Ausland zufließt. Der konjunkturelle Schock wird damit vom gesamten Weltkapitalmarkt absorbiert. Das ist eindeutig effizienter als ein Kreditmechanismus, der auf die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten beschränkt ist.

Effizient ist auch, dass sich der Staat am Kapitalmarkt nur zu Marktkonditionen verschulden kann. Die Kredite zwischen den Arbeitslosenversicherungen würden dagegen subventioniert, um den Markt zu unterbieten und um “internationale Solidarität” zu beweisen. Damit würde jedoch die effizientere Marktfinanzierung verdrängt und der Anreiz, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, geschwächt.

Wenn in einem einzelnen Land der Eurozone die Arbeitslosenquote auf ein hohes Niveau steigt, haben typischerweise die Wirtschaftspolitiker und/oder die Tarifparteien versagt. Sie haben entweder selbst einen negativen asymmetrischen Schock erzeugt oder auf einen symmetrischen, die ganze Eurozone treffenden Schock – wie zum Beispiel die Finanzmarktkrise von 2008 – schlechter als die anderen Euro-Staaten reagiert. In beiden Fällen gilt: Fehlverhalten sollte nicht mit Subventionen belohnt werden. Jeder sollte für seine eigenen Fehler haften.

Man mag einwenden, dass das Defizit-Limit des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wenn es denn eingehalten wird, einer rezessionsbedingten Neuverschuldung enge Grenzen setzt. Das Drei-Prozent-Limit wurde jedoch 1995 anhand von Simulationen für die vorangegangenen Jahrzehnte explizit so bemessen, dass genug Spielraum für das Wirken der automatischen Stabilisatoren bleibt, wenn der konjunkturbereinigte Haushalt  ausgeglichen ist. Wenn die Kredite des Fonds nicht auf die staatliche Neuverschuldung angerechnet werden, was wahrscheinlich ist, entfällt sogar das Ziel eines ausgeglichenen konjunkturbereinigten Haushalts. Denn da der Fonds einspringt, braucht der Staat für den Fall einer Rezession weniger Verschuldungsspielraum am Markt. Die Regierung kann deshalb im konjunkturneutralen Zustand ein Haushaltsdefizit riskieren. Olaf Scholz will dieses Anreizproblem dadurch lösen, dass Länder, die ein konjunkturbereinigtes Haushaltsdefizit haben, von den Krediten des Fonds ausgeschlossen würden. Darüber, ob der Haushalt im konjunkturneutralen Zustand ausgeglichen wäre, gehen die Meinungen jedoch oft weit auseinander. Häufig besteht noch nicht einmal Einigkeit darüber, welcher Zustand konjunkturneutral ist. Es käme zu ständigem Streit, was dem Ziel der Völkerverständigung widerspricht, und im Zweifel würden Kommission und Gerichtshof beide Augen zudrücken und zugunsten großzügiger Euro-Fonds-Kredite entscheiden.

Eine Simulation des Scholz-Plans für den Zeitraum 2000 bis 2016 ergab in beiden untersuchten Varianten, dass Deutschland der Hauptkreditgeber und Spanien und Griechenland die Hauptkreditnehmer gewesen wären.

Zuerst veröffentlicht unter politik.der-privatinvestor.de

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Dilara Wiemann.

Die Ergebnisse ökonomischer Forschung legen nahe, dass ein Ausbau des Finanzsektors dem Wachstum nicht zwangsläufig zuträglich ist. Ganz im Gegenteil: Ab einem gewissen Grad verlangsamt eine zusätzliche “Finanzialisierung” das Wirtschaftswachstum eher.

Der kürzlich abgewählte Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder machte dieses Jahr mit der Forderung nach einer deutschen Superbank von sich Reden. Damit es im Finanzsektor wieder einen deutschen Global Player geben kann, rief Kauder dazu auf, „zwei kräftige Großbanken“ aufzubauen und forderte mehr staatliches Zutun im Finanzsektor – zum Wohle deutscher, global agierender Unternehmen. Diese Forderung ist zunächst problematisch, weil es nicht Aufgabe des Staates ist, ausgewählte Unternehmen zu unterstützen. Sie ist aber auch problematisch, weil sie die staatliche Förderung des deutschen Finanzsektors impliziert. Die Ergebnisse ökonomischer Forschung legen nahe, dass ein Ausbau des Finanzsektors dem Wachstum nicht zwangsläufig zuträglich ist. Ganz im Gegenteil: Ab einem gewissen Grad verlangsamt eine zusätzliche „Finanzialisierung“ das Wirtschaftswachstum eher. Deutschland fährt daher mit seinem nicht übermäßig ausgebauten Finanzsektor recht gut.

Kreditvergabe ist nicht gleich Wachstum

Die von Kauder aufgegriffene Idee, eine „aktive Industriepolitik“ umzusetzen und sich im Zuge dessen für eine politisch gesteuerte Neustrukturierung der Bankenwelt auszusprechen, ist keinesfalls neu oder allein konservativer Jagdgrund. Schon der damalige sozialdemokratische Bundeskanzlers Gerhard Schröder forderte 2004 die Installation eines deutschen „National Champion“ im Bankensektor. Angesichts der gesellschaftlichen Debatte um die Folgen und Lehren der Finanzkrise 2008 verwundert allerdings die politische Forderung nach großen deutschen Banken, da insbesondere Großbanken, auch und vor allem die der Länder, durch ihr risikofreudiges Verhalten zu den jüngsten Finanzkrisen beitrugen. Doch kann entgegen dem Tenor der laufenden Debatte ein stärkerer Bankensektor zu mehr Wohlstand führen?

Empirische Ergebnisse zeigen, dass sich die Größe des Finanzsektors positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Mehrere Papiere untersuchen den Zusammenhang zwischen Finance und Wachstum. Bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Finance und Wachstum stellt „Finance“ in der Regel auf den Grad der Verschuldung des privaten Sektors ab. Gemessen wird das Verhältnis der Kreditvergabe an private Haushalte und Nicht-Finanzunternehmen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes. Die Größe und die Zusammensetzung des Finanzsektors ergeben sich durch den Marktprozess. Eine fixe optimale Größe des Finanzsektors (oder eines anderen Sektors) gibt es nicht. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich bis zu einer Verschuldung von 100 Prozent des BIP ein Anstieg der Kreditvergabe positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Der Aufbau und Ausbau der Finanzmärkte, die Gläubiger und Schuldner zusammenbringen, ist wünschenswert. Erreicht die Verschuldung privater Haushalte und Nicht-Finanzunternehmen etwa 100 Prozent des BIP, kehrt sich diese Beziehung jedoch um. Zusätzliche Kredite verlangsamen das Wirtschaftswachstum tendenziell. Im internationalen Vergleich haben derzeit 11 der G20-Länder diese Schwelle bereits überschritten.

Wie hemmt „zu viel Finanzialisierung“ Wachstum?

Wie kommt es zu einem negativen Einfluss durch einen zusätzlichen Ausbau des Finanzsektors? In der Literatur werden Faktoren wie eine exzessive Kreditvergabe an private Haushalte, staatlich in die Höhe getriebene Löhne im Finanzsektor und unproduktive Investments als Gründe für den negativen Zusammenhang angeführt.

Erstens kann die exzessive Kreditvergabe an Privathaushalte, beispielsweise zum Immobilienkauf, die Entwicklung von Boom-and-Bust-Zyklen befördern. Zu einer übermäßigen Kreditvergabe an private Haushalte kann es insbesondere dann kommen, wenn ein ausgeprägter Optimismus der Haushalte begleitet wird durch implizite staatliche Garantien für Banken und andere Finanzinstitute. Können die Banken und ihre Gläubiger davon ausgehen, im Falle einer Insolvenz durch den Staat gerettet zu werden, sind sie eher geneigt, übermäßig viele Kredite zu vergeben und damit einhergehend hohe Risiken einzugehen. Kommt es zu einem nicht nachhaltigem kreditinduzierten Boom, führen die Fehlallokation von Ressourcen während des Booms und die schmerzliche Reallokation von Ressourcen während der Rezession zu weniger Wachstum.

Zweitens kann die staatliche Unterstützung der Finanzbranche dazu führen, dass dort überdurchschnittlich hohe Löhne gezahlt werden. Es werden im Finanzsektor dann nicht nur insgesamt mehr Personen beschäftigt, sondern auch mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte, wie Physiker oder Ingenieure, die in der Realwirtschaft mit Forschungs- und Entwicklungsarbeit das Wachstum besonders stark positiv beeinflussen könnten. Stattdessen locken die höheren Löhne sie in den Finanzsektor, wo sie vor allem dafür eingesetzt werden, neue Finanzinstrumente zu entwickeln, deren gesamtgesellschaftlicher Nutzen überschaubar ist. Sind die Löhne für hochqualifiziertes Personal im Finanzsektor aufgrund staatlicher Einflussnahme künstlich hoch, ist ihr Arbeitseinsatz dort aus gesellschaftlicher Perspektive eine reine Verschwendung.

Drittens kann der Ausbau des Finanzssektors zur Umsetzung von vor allem relativ unproduktiven Projekten führen und so Wachstum bremsen. Angenommen eine Unternehmerin muss sich zwischen zwei Projekten entscheiden, wovon eines ein konventionelles ist. Das andere Projekt ist ein risikoreiches und würde zur Entwicklung eines neuen Produktes führen. Die potentiellen Einnahmen aus dem risikoreichen Projekt wären zwar höher, allerdings ist auch das Risiko zu scheitern höher. Das risikoarme Projekt lässt sich einfacher finanzieren, weil es den Gläubigern Zugriff auf handfeste Sicherheiten gibt, sollte das Projekt scheitern. Erwartet die Unternehmerin, dass das Wachstum des Finanzsektors dazu führen wird, dass Banken in der Zukunft zusätzliche Kredite vergeben können, steigt die relative Attraktivität des risikoarmen Projekts. Denn es eignet sich besser als Sicherheit für aufzunehmende Kredite und dieser Vorteil ist umso relevanter, je eher Banken grundsätzlich willens sind, Kredite zu vergeben. Die Erwartung eines wachsenden Finanzsektors treibt Unternehmen in riskoärmere aber weniger produktive Projekte und schwächt so das Wachstum.

Kreditvolumen in Deutschland wünschenswert niedrig

Es ist deshalb positiv zu bewerten, dass die Verschuldung privater Haushalte und Unternehmen in Deutschland verhältnismäßig schwach ausgeprägt ist. Im zweiten Quartal 2018 belief sich das Volumen ausstehender Kredite der Haushalte auf 52,5 Prozent des BIP. Dieser Wert ist in den letzten fünf Jahren sogar um knapp 3 Prozentpunkte gesunken. In den ebenfalls hochentwickelten Ländern Australien oder Dänemark ist die Verschuldung der privaten Haushalte mit 121,3 Prozent bzw. 117 Prozent des BIP mehr als doppelt so hoch.

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Auch die deutschen Unternehmen sind ein Hort der Zurückhaltung. Ein näherer Blick in die Bilanzen von Nicht-Finanzunternehmen offenbart, dass im zweiten Quartal 2018 die Verschuldung mit 55,5 Prozent des BIP vergleichsweise gering ausfiel.

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In Summe belief sich das Kreditvolumen von privaten Haushalten und Nicht-Finanzunternehmen in Deutschland mit 107,5 Prozent auf einen Wert, der dem groben Richtwert von 100 Prozent recht nahe kommt. Während der Wert von über 195 Prozent für Australien auf einen zu weit ausgebauten Finanzsektor hindeutet, sind die 23,6 Prozent für Argentinien ein Hinweis darauf, dass der Finanzsektor dort unterentwickelt ist.

Statt den Finanzsektor oder gar einzelne Banken in Deutschland zu fördern und so die Kreditvergabe künstlich anzuregen, sollte die Politik darauf bedacht sein, durch einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen Planungssicherheit für private Haushalte und Unternehmen zu gewährleisten. Für die Bedienung der sich ergebenden Kreditnachfrage bedarf es dabei gewiss keiner „deutschen Superbank“.

Erstmals erschienen bei IREF.

Von Norbert Häring, Journalist.
Am Mittwoch den 27.3. hat das Bundesverwaltungsgericht über meine Klage auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags beraten. Das Gericht hat entschieden, den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorzulegen und das Verfahren bis dahin auszusetzen. Dabei machte das Gericht deutlich, dass es in meinem Sinne und entgegen dem zweitinstanzlichen Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofs aus Paragraph 14 Bundesbankgesetz einen Zwang zur Annahme von Bargeld für öffentliche Stellen ableitet.

Der EuGH soll nun klären, ob §14 Bundesbankgesetz, der Euro-Banknoten zum alleinigen unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel in Deutschland erklärt, gilt und anzuwenden ist, falls er sich in seinen Rechtsfolgen irgendwie vom entsprechenden Artikel 128 AEUV (EU-Vertrag) unterscheidet, oder ob nur letzter gilt. Falls nur Artikel 128 AEUV anwendbar ist, soll der EuGH klären, was genau aus diesem Artikel für einen etwaigen Annahmezwang für Euro-Bargeld folgt.

Artikel 128 Abs 1 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) lautet:

„Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“

§ 14 Abs 1 Satz 2 des Bundesbankgesetzes lautet:

 „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“

Dabei stellt das Bundesverwaltungsgericht klar, dass die Beitragssatzungen der Rundfunkanstalten, die die Annahme von Bargeld ausschließen, §14 Bundesbankgesetz widersprechen und ungültig sind – jedenfalls dann, wenn §14 selbst gültig ist.

Damit die Rundfunkanstalten weiter die Annahme von Bargeld verweigern können, müsste nach meinem Verständnis folgendes passieren: Der EuGH müsste entscheiden, dass aus Artikel 128 AEUV keine Bargeld-Annahmepflicht für hoheitliche Stellen im Euro-Währungsraum folgt, und außerdem, dass der ganz ähnlich formulierte $14 Bundesbankgesetz nicht anzuwenden ist, weil er wegen Kompetenzvorrang der EU ungültig ist.

Alternativ könnte der EuGH natürlich entscheiden, dass auch aus Artikel 128 AEUV ein Annahmezwang für öffentliche Stellen folgt. Oder aber, er könnte einen Widerspruch zum Bundesbankgesetz feststellen, aber urteilen, dass das Bundesbankgesetz gilt, bis es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens geändert wird.

Mir scheint am naheliegendsten, dass der EuGH – wie das Bundesverwaltungsgericht aus dem Bundesbankgesetz – aus Artikel 128 AEUV einen Bargeldannahmezwang ableitet. Das hätte sehr weitreichende Konsequenzen. Es würde bedeuten, dass auch Finanzämter und andere Behörden die Annahme von Bargeld nicht länger verweigern dürfen. Über der Rechtmäßigkeit der  in einigen Ländern der EU eingeführten Barzahlungsobergrenzen würde ein sehr großes Fragezeichen auftauchen. Als das würde der Kampagne zur Abschaffung des Bargelds einen schweren Rückschlag versetzen.

Noch ist nichts entschieden. Bis zur Beschlussfassung des EuGH ist das Verfahren ausgesetzt.

Die Schlüsselsätze aus der Pressemitteilung des Gerichts lauten:

„Die Entscheidung über die Revisionen der Kläger setzt die Klärung der Frage voraus, ob die Festlegung der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel in Art. 128 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – und weiteren Vorschriften des Unionsrechts ein Verbot für öffentliche Stellen eines Mitgliedstaats enthält, die Erfüllung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht mit solchen Banknoten abzulehnen, oder das Unionsrecht Raum für Regelungen lässt, die für bestimmte hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten eine Zahlung mit Euro-Banknoten ausschließen.“

Und

„Weiter soll der EuGH klären, ob die ausschließliche Zuständigkeit, die die Union im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten hat, deren Währung der Euro ist (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV), einem Rechtsakt eines dieser Mitgliedstaaten entgegensteht, der eine Verpflichtung öffentlicher Stellen des Mitgliedstaats zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten vorsieht. Einen solchen Annahmezwang regelt nach der – von den Vorinstanzen abweichenden – Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG, wonach auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind. Zur Rechtswidrigkeit des Ausschlusses der Barzahlungsmöglichkeit in der Beitragssatzung des Beklagten führt diese bundesrechtliche Regelung jedoch nur dann, wenn die ausschließliche Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik den Mitgliedstaaten noch eine Gesetzgebungskompetenz für die Bestimmung von Rechtsfolgen der Qualifizierung der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel lässt.“

Allen, die sich am Kampf für den Erahlt des Rechts auf die Nutzung von Bargeld und damit eines Rests von Privatsphäre beteiligen möchten, sei aus diesem Anlass das Mitmachen bei der #BargeldChallenge ans Herz gelegt. Knapp 70.000 Menschen haben die Seite bereits aufgerufen. Das nächste Ziel sind 100.000.

Ich danke Prometheus – Das Freiheitsinstitut für die finanzielle Unterstützung meines Gangs durch die Gerichtsinstanzen und meinem Anwalt Carlos A. Gebauer für seine hervorragende Arbeit.

Erstmals erschienen bei norberthaering.de.

Photo: OTFW, Berlin from Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Hinsichtlich der Entscheidung über den öffentlichen Infrastrukturbau üben die Kommunen in Deutschland bereits einen relativ starken Einfluss. Maßgeblich ist allerdings, dass nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Finanzierungsgrundlagen dezentralisiert werden. Der gegenwärtige Fiskalföderalismus mit seiner stark auf Mischfinanzierung setzenden Kompetenzverwischung erweist sich als Hürde für effiziente öffentliche Investitionsentscheidungen.

Trotz des seit Jahren anhaltenden Konjunkturhochs vermuten viele Politiker, Journalisten und Kommentatoren, dass mit dem deutschen Wachstumsmodell etwas fundamental nicht stimmt: „Deutschland lebt von der Substanz!“, lautet eine über das gesamte politische Spektrum geteilte Befürchtung. Es mangele an Investitionen, insbesondere staatlicherseits. Brücken verfallen, das Internet ist zu langsam, es wird zu wenig in die Bildung des Nachwuchses investiert. Entsprechend beliebt sind Rufe nach „Mehr Investitionen!“ im Wahlkampf.

Ein Blick auf die langfristige Entwicklung der öffentlichen Nettoinvestitionen legt nahe, dass der öffentliche Kapitalstock seit der Jahrtausendwende kaum wächst und in einigen Jahren sogar geschrumpft ist. Aus einer niedrigen oder gar negativen öffentlichen Nettoinvestitionsquote kann allerdings nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass etwas im Argen läge. Statt die Steigerung der öffentlichen Investitionen zum obersten Ziel zu erklären, sollte der Abbau verbleibender politischer Investitionshemmnisse vorangetrieben, Investitionsentscheidungen und deren Finanzierung dezentralisiert und ein stärkerer Fokus auf die Rentabilitätsbewertung einzelner Investitionsvorhaben gelegt werden.

Investitionen ermöglichen Wachstum

Für den Wohlstand einer Gesellschaft sind Investitionen in den Kapitalstock entscheidend. Da Maschinen und Gebäude sowie Wissen und Fähigkeiten im Laufe der Zeit verschleißen bzw. veralten und folglich abgeschrieben werden müssen, dient ein Teil der Investitionen lediglich dem Erhalt des Kapitalstocks. Die in einer Periode stattfindenden Investitionen abzüglich des Kapitalverlusts werden als Nettoinvestitionen bezeichnet. Werden nur sogenannte Anlageinvestitionen betrachtet – also die lediglich der Vorratshaltung dienenden Investitionen ausgeklammert – so spricht man von Nettoanlageinvestitionen. Sind diese negativ, so geht mehr Kapital verloren als durch Investitionen geschaffen wird – eine Gesellschaft „lebt von der Substanz“.

Die Höhe der Nettoanlageinvestitionen ist kein unproblematischer Indikator. So weist das Bundesfinanzministerium darauf hin, dass rechnerische Abschreibungen als buchhalterische Größe nur bedingt dem Verschleiß von physischem Kapital und der Entwertung von Wissen entsprechen. Darüber hinaus wandelt sich die Definition von „Investition“ im Laufe der Zeit. Einen praktikableren Indikator für die Investitionstätigkeit gibt es jedoch nicht. In mittel- und langfristiger Perspektive nähern sich rechnerische Abschreibungen und tatsächlicher Kapitalverlust konzeptionell an.

Investitionsquote in Deutschland niedrig aber positiv

Um die Höhe der Nettoanlageinvestitionen über die Zeit und Länder hinweg einordnen zu können, werden sie gewöhnlich ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt. Langfristig ist die Nettoanlageinvestitionsquote in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg deutlich gesunken. Daran hat auch ein kurzlebiger Anstieg im Zuge der Wiedervereinigung in den 90er Jahren nichts geändert. Hinsichtlich dieses Trends unterscheidet sich Deutschland nicht von vergleichbaren Ländern. Direkt nach der Jahrtausendwende sank die Quote zwar stärker als in vergleichbaren Ländern, unter anderem, da viele Länder in der Eurozone einen nicht nachhaltigen Bauinvestitionsboom erlebten. Diese Lücke wurde jedoch in den Jahren der Eurokrise geschlossen. Der weiterhin Jahr für Jahr wachsenden Kapitalstocks relativiert die Befürchtung, man „lebe von der Substanz“.

Dass die Investitionstätigkeit in entwickelten Volkswirtschaften mit geringem Bevölkerungswachstum abnimmt, überrascht nicht. Denn die „low hanging fruits“ der Investitionen in den Kapitalstock mit sehr hoher Rendite wurden bereits geerntet.

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass der langfristige Fall der Investitionsquote den Bedeutungsverlust kapitalintensiver Industrieproduktion zugunsten humankapitalintensiver Dienstleistungsproduktion widerspiegelt. Investitionen in das Wissen und die Fertigkeiten der Menschen werden relativ zum physischen Kapitalstock immer wichtiger, doch deren statistische Erfassung ist komplizierter. Wenngleich die Politik bessere Rahmenbedingungen für private Investitionstätigkeit schaffen könnte, geht ein Teil der „Investitionsschwäche“ möglicherweise auf die wünschenswerte Anpassung der deutschen Volkswirtschaft an sich verändernde Produktionsbedingungen zurück.

Staatliche Investitionen netto negativ

Anders als die Gesamtanlageinvestitionen fallen die Anlageinvestitionen des öffentlichen Sektors seit der Jahrtausendwende netto negativ aus – wenn auch nicht die ganze Volkswirtschaft, so lebt der deutsche Staat möglicherweise von der Substanz. Zwar ist ein Vergleich mit den 90er Jahren aufgrund der hohen öffentlichen Investitionen im Zuge der Wiedervereinigung problematisch, doch auch im internationalen Vergleich fallen die öffentlichen Investitionen Deutschlands auffällig niedrig aus.

Getrieben wird der Abbau des öffentlichen Kapitalstocks durch den Verlust von Anlagekapital in Form von Nichtwohnbauten – darunter fällt hauptsächlich die öffentliche Verkehrsinfrastruktur. Der öffentliche Kapitalstock an Ausrüstungen (etwa Maschinen und Fahrzeuge), geistigem Eigentum und Wohnbauten wächst dagegen Jahr für Jahr, wenn auch langsam.

Ein Teil der sinkenden öffentlichen Investitionen spiegelt lediglich den langfristigen Wandel der Wirtschaftsstruktur wider, der auch den Privatsektor betrifft, und ist daher nicht per se problematisch. Darüber hinaus sinkt die staatliche Anlageinvestitionsquote aufgrund der Ausgliederung staatlich bereitgestellter Angebote an öffentliche Träger und Einrichtungen, die formal dem Privatsektor zugerechnet werden. Weiterhin ist ein Teil der sinkenden öffentlichen Investitionen vermutlich dem Rückzug des Staates aus einigen Bereichen geschuldet, die heute durch Private bzw. öffentlich-private Partnerschaften bedient werden. In dem Maße, in dem Privatisierungen sinnvollerweise Investitionstätigkeit aus dem öffentlichen in den Privatsektor übertragen, ist der Rückgang der öffentlichen Investitionsquote begrüßenswert.

Die negative Nettoanlageinvestitionsquote des Staates der letzten Jahre wird durch geringe Investitionen in die kommunale physische Infrastruktur getrieben. Bund und Länder investieren mehr als ihnen verlustig geht. Aber der Stock an kommunal gehaltenem Kapital wird abgebaut. Der technische Fortschritt fällt im Bereich der physischen Infrastruktur seit Jahrzehnten deutlich geringer aus als in Branchen, die vordringlich von privaten Investitionen geprägt werden, etwa im IT-Bereich. Das lässt eine relative niedrige Investitionstätigkeit des Staates wünschenswert erscheinen.

Sind die öffentlichen Investitionen zu niedrig?

Da der öffentliche Sektor nie für einen Großteil der Investitionen verantwortlich war, ist die Diagnose eines grundsätzlichen Lebens von der Substanz hinsichtlich der Gesamtwirtschaft übertrieben. Dennoch veranlassen die niedrigen öffentlichen Investitionen viele Beobachter zur Sorge. Sie fürchten nicht nur die abnehmende Qualität öffentlich bereitgestellter Angebote, sondern negative Auswirkungen auf die private Investitionstätigkeit. Tatsächlich stellen öffentliche Investitionen in einigen Branchen wie der Bildung, dem Schienennetz oder der Gesundheitsinfrastruktur eine Voraussetzung für anschließende private Investitionen dar – entweder, weil der Staat einen komparativen Vorteil in der Bereitstellung der betreffenden Kapitalgüter besitzt oder weil er die Bereitstellung durch Private verbietet bzw. erschwert.

Öffentliche Investitionen dezentralisieren

Wenig sinnvoll erscheint angesichts der zahlreichen auf die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand einwirkenden Faktoren eine hauptsächlich an der Höhe der Investitionsquote orientierte Diskussion. Weder lässt sich eine „optimale“ öffentliche Investitionsquote theoretisch bestimmen, noch sind historische oder internationale Vergleiche besonders informativ. Zielführender ist eine Diskussion über die Frage, inwiefern sich die staatliche Investitionstätigkeit tatsächlich an den Präferenzen der Bürger orientiert. Auf freien Märkten stehen die Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wettbewerb miteinander, sodass sich jene durchsetzen, die knappe Ressourcen am effizientesten nutzen – auch hinsichtlich ihrer Investitionsentscheidungen.

Politiker haben dagegen nur einen schwachen Anreiz, ihre Investitionstätigkeit zu optimieren, da öffentliche Angebote in der Regel monopolistisch bereitgestellt werden und die Bürger nur begrenzte Möglichkeiten haben, ihre Präferenzen durch Wahlen oder den Umzug in einen anderen Staat kundzutun. Wo immer möglich, sollte die Verantwortung für Investitionsentscheidungen daher untergeordneten Gebietskörperschaften übertragen werden um die Feedbackmöglichkeiten der Bürger zu erweitern.

Hinsichtlich der Entscheidung über den öffentlichen Infrastrukturbau üben die Kommunen in Deutschland bereits einen relativ starken Einfluss. Maßgeblich ist allerdings, dass nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Finanzierungsgrundlagen dezentralisiert werden. Der gegenwärtige Fiskalföderalismus mit seiner stark auf Mischfinanzierung setzenden Kompetenzverwischung erweist sich als Hürde für effiziente öffentliche Investitionsentscheidungen. Hinsichtlich schwer zu dezentralisierender öffentlicher Angebote, etwa der Fernstraßen, wäre ein stärkerer Fokus auf die Rentabilität einzelner Vorhaben wünschenswert, statt auf das gesamte Investitionsvolumen.

Erstmals erschienen bei IREF

Photo: Tard Sands Blockade from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre. 

Um den Handel zu vereinfachen, müssen die Farben von Blinkern in der EU und den USA nicht vereinheitlicht werden. Statt der Übernahme amerikanischer Standards durch die EU oder der USA von europäischen Standards, könnten beide Seiten die jeweiligen Standards als gleichwertig anerkennen. Eine gegenseitige Anerkennung von Standards würde den Konsumenten erlauben, auch weiterhin Produkte zu erwerben, die nach dem bekannten Standard hergestellt wurden. Gleichzeitig könnten Konsumenten Produkte mit ausländischen Standards testen.

Staatlich festgelegte Produktstandards können eingesetzt werden, um legitime Ziele zu verfolgen, etwa um ein ausreichendes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Doch Standards werden auch aus protektionistischen Motiven eingeführt, wie wir in einem aktuellen IREF Policy Paper diskutieren. Werden Produktanforderungen inländischen Produzenten auf den Leib geschneidert, werden sie gegenüber ausländischen Anbietern übervorteilt und ausländische Produzenten werden sich weniger häufig mit inländischen Kunden einig. Ein Mittel gegen den Protektionismus durch Produktstandards bieten vor allem internationale Abkommen wie TTIP.

Protektionistische Produktstandards schwer zu identifizieren

Nicht alle Produktstandards, die handelswirksam werden, schränken den Handel über Grenzen hinweg ein. So können Mindestanforderungen und Standards zum Schutz von Umwelt und Mensch theoretisch auch handelsstärkend wirken, wenn es ausländischen Produzenten durch die Maßnahmen leichter fällt, das Vertrauen inländischer Abnehmer ebenso gut zu gewinnen wie inländische Produzenten. Doch haben Interessensvertreter inländischer Produzenten ein Interesse daran, gerade dieses Argument als Unterstützung für Produktstandards vorzuschieben, wenn ihr tatsächliches Ziel der Schutz vor unliebsamen Konkurrenten aus dem Ausland ist.

Protektionistischen Standards auf der Spur

Es gibt Hinweise darauf, dass inländische Produzenten in der Tat erfolgreich für protektionistische Standards lobbyieren. Beispiele aus der EU und den USA illustrieren nicht nur, dass die inländische Lobby erfolgreich den Gesetzgeber um protektionistische Produktstandards ersuchen kann, sondern auch, dass der Ermessungsspielraum bei der Durchsetzung von Standards durch Behörden im Sinne der inländischen Produzenten genutzt werden kann.

In einer Studie aus dem Jahr 2016 wird die Umsetzung von Importregulierungen in den USA durch die Food and Drug Administration untersucht. Die Behörde hat bei der Durchsetzung von Importbestimmungen bezüglich der von ihr beaufsichtigten Produktgruppen wie Medikamente, medizinisches Gerät, Kosmetika und Nahrungsmitteln einen gewissen Spielraum. So kann sie auch ohne Untersuchung den Import untersagen, wenn die Importe nur den Anschein einer Verletzung der Importregulierung erwecken. Die Ergebnisse der Autoren deuten darauf hin, dass die US-Behörden ihren Entscheidungsspielraum in wirtschaftlich schlechten Zeiten häufiger nutzen, um Importe zu untersagen und so inländische Produzenten schützen.

Ein aktuelles Papier untersucht Sicherheitsstandards der Europäischen Union für Importe von Nahrungsmitteln aus Afrika und findet Hinweise darauf, dass Produktstandards zwecks Protektionismus eingesetzt werden. Die Forscher zeigen, dass die EU bei einigen Produkten höhere und bei anderen Produkten niedrigere Anforderungen stellt, als international üblich. So bleibt die EU bei der Regulierung von Zitrusfrüchten hinter international anerkannten Standards zurück, während sie Tomaten stärker als international üblich reguliert. Die Autoren führen den Unterschied auf das Motiv zurück, den Import von Tomaten in die EU stärker zu erschweren als den von Zitrusfrüchten.

Konsumenten für Protektionismus?

Handelsabkommen haben sich als probates Mittel erwiesen, den Lobbybemühungen der einheimischen Produzenten für Protektionismus durch Produktstandards zu begegnen. Durch Abkommen können sich Regierungen glaubhaft an Regeln binden, die es inländischen Interessengruppen erschweren, Privilegien von ihren Regierungen in Form protektionistischer Standards zu erlangen. Doch die Vertreter der Industrie, wie der BDI, haben sich in jüngster Vergangenheit für internationale Abkommen ausgesprochen – nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Vermutlich wird der Verlust der Privilegien der Mitglieder im Inland von den Vorteilen durch den Barriereabbau im Ausland übertrumpft, wenn auf beiden Seiten Märkte offener werden.

Der massive Widerstand gegen das Freihandelsabkommen TTIP war vor allem durch Widerstand seitens Interessensgruppen geprägt, die nicht den einheimischen Produzenten nahestehen. Dem Bündnis „Stop TTIP“ gehören über 500 Organisationen in Europa an; darunter Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und Umweltorganisationen. Diese argumentierten mitunter, dass die Angleichung von Standards zwischen der EU und den USA negative Konsequenzen für die Verbraucher diesseits des Atlantiks hätten.

Die Befürchtung einer Absenkung der Standards durch TTIP scheint in der Bevölkerung weit verbreitet zu sein. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2016 zufolge lehnt eine Mehrheit der Befragten TTIP ab, obwohl ebenso eine Mehrheit der Befragten Handel mit anderen Ländern für eine gute Sache hält. Die Studie gibt auch Hinweise darauf, dass das Handelsabkommen in Deutschland besonders wegen der Furcht vor der Aufweichung von Standards auf Ablehnung stößt. 46 Prozent der Befragten stehen einer Angleichung von Standards in Europa und den USA negativ gegenüber, während nur 36 Prozent dies als positiv bewerten. Ebenso befürchtet eine deutliche Mehrheit der Befragten, dass TTIP negative Auswirkungen auf Verbraucher-, Umwelt-, und Sozialstandards hätte.

Standards: Favorisierter Status Quo

Eine deutliche Mehrheit der befragten Deutschen gab in der Bertelsmann Studie an, mehr Vertrauen in europäische Standards zu haben, als in amerikanische. Für die Studie wurden auch US-Bürger befragt. Wenn auch weniger deutlich als die deutschen Befragten, hielten diese die eigenen Standards für vertrauenswürdiger.

Diese auf den ersten Blick verwunderlichen Ergebnisse sind möglicherweise auf den „Status Quo Bias“ zurückzuführen. Menschen schätzen das ihnen Vertraute mehr, als das Unbekannte. Die bekannten Standards werden – unabhängig davon, ob sie wirklich besser oder schlechter sind – stärker wertgeschätzt.

Oft sind Standards in den USA nicht mehr oder weniger streng, sondern schlicht anders. So dürfen an Autos in den USA Blinker hinten rot sein. In der EU müssen sie gelb sein. Wollen amerikanische Produzenten ein Auto in die EU exportieren, muss der Blinker ausgetauscht werden. Der rote Blinker blinkt und zeigt anderen Autofahrern mögliche Fahrmanöver zuverlässig an. Er ist nicht mehr oder weniger sicher als ein gelber Blinker.

Gegenseitige Anerkennung

Um den Handel zu vereinfachen, müssen die Farben von Blinkern in der EU und den USA nicht vereinheitlicht werden. Statt der Übernahme amerikanischer Standards durch die EU oder der USA von europäischen Standards, könnten beide Seiten die jeweiligen Standards als gleichwertig anerkennen. Eine gegenseitige Anerkennung von Standards würde den Konsumenten erlauben, auch weiterhin Produkte zu erwerben, die nach dem bekannten Standard hergestellt wurden. Gleichzeitig könnten Konsumenten Produkte mit ausländischen Standards testen.

Dann entscheiden nicht vermeintlich intransparente Gremien mit welchem Standard Produkte gefertigt werden, sondern die Hersteller und ihre Kunden. Gelber oder roter Blinker? Die Kunden hätten das letzte Wort.

Sichere Produkte ohne Protektionismus

Für den Abbau protektionistischer Produktstandards bieten sich neben bilateralen Freihandelsabkommen wie TTIP zwei weitere Instrumente an. Eine unilaterale Anerkennung von Standards hätte für die heimischen Konsumenten eine ähnliche Wirkung, wie die gegenseitige Anerkennung durch Handelsverträge. Allerdings stößt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Widerstand einheimischer Produzenten, da sie als Ausgleich für den Wegfall ihrer Privilegien im heimischen Markt keinen verbesserten Marktzugang in anderen Ländern erhalten.

Schließlich könnten Auslaufklauseln in Gesetzen und Regulierungen dem „Status Quo Bias“ des Politkbetriebes entgegenwirken. Eine regelmäßige Überprüfung von Regelungen könnte dafür Sorge tragen, dass unnötige Regelungen automatisch auslaufen. Außerdem machen Auslaufklauseln Lobbying unattraktiver. Wenn Regeln auslaufen, müssen sich Interessengruppen immer wieder aufs Neue für ihre Privilegien einsetzen. Das erhöht die Kosten für erfolgreiches Lobbying und spricht ebenfalls für Auslaufklauseln.

Grundsätzlich sollten sich die Verbraucher ihrer Neigung, Gewohntes übermäßig positiv zu bewerten, stets bewusst sein, um zu verhindern, dass inländische Produzenten auf ihre Kosten von der Aufrechterhaltung von etablierten Standards profitieren.

Erstmals erschienen bei IREF.