Das Buch „Freihandel – für eine gerechtere Welt„, in der „Edition Prometheus“ beim Finanzbuch Verlag erschienen und herausgegeben von Frank Schäffler, Clemens Schneider, Florian A. Hartjen und Björn Urbansky, wurde am 22. Januar 2018 in der Landesvertretung von Schleswig-Holstein präsentiert. Das Buch wurde vorgestellt vom ehemaligen „Super-Minister“ und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, der auch einen Beitrag für das Buch verfasst hat, und von dem Bundestagsabgeordneten und Finanzpolitiker Dr. Gerhard Schick von den Grünen. Neben Vertretern von Medien und Verbänden waren auch weitere fünf Bundestagsabgeordnete von CDU, FDP und Grünen anwesend. In freunschaftlicher Atmosphäre wurden durchaus klare und kontroverse Argumente ausgetauscht. Einig waren sich alle Beteiligten, dass Protektionismus eine sehr große Gefahr ist – nicht nur für die Weltwirtschaft, sondern für die freie und offene Gesellschaft insgesamt. Einige Ausschnitte aus der Debatte können Sie in diesem Video sehen:

 

Photo: N1K081 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Gibt es nicht schon genügend Bücher zum und über den Euro und Europa? 2014 habe ich selbst eines geschrieben. Das Thema ist freilich immer noch und wieder sehr aktuell. In dieser Woche hat Jean-Claude Juncker Vorschläge für die Weiterentwicklung der Währungsunion gemacht. Emmanuel Macron hat bereits im September an der Sorbonne-Universität in Paris Reformen vorgeschlagen. ESM-Chef Klaus Regling war zuvor mit von der Partie, er schlug im Sommer einen Schlechtwetterfonds für Krisenstaaten vor, gerade so als ob die Überschuldung eine Naturkatastrophe wäre. Es war eine Vorahnung, dass Prometheus vor dieser Welle zentralistischer Vorschläge bereits im November 2015 Reformvorschläge für die EU gemacht hat. Gemeinsam mit Thomas Mayer, Stefan Kooths und Justus Haucap habe ich im Rahmen unserer Prometheus-Kampagne „Europa der Bürger“ ein Manifest für ein konföderales Europa vorgestellt. Es ist quasi ein Gegenentwurf zum Zentralismus Junckerscher Prägung.

Deshalb ist das neue Buch von Roland Vaubel eine Kaufempfehlung für all diejenigen, die kompakt einen Überblick bekommen wollen, woran es in der Europäischen Union hakt. Vaubel ist einer der besten Kenner der europäischen Politik. Als Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim gehört er dem Wissenschaftlichen Beirat im Bundeswirtschaftsministerium an und hat im Rahmen der European Constitutional Group bereits 1991 wegweisende Reformvorschläge für die damalige Europäische Gemeinschaft gemacht. Der klassisch liberale Ökonom verfolgt also die Brüsseler Politik schon sehr lange. „Das Ende der EUromatik – Neustart jetzt“ ist daher auch eine sehr kenntnisreiche Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte der gemeinsamen Währung. Er beschreibt die Euro-Einführung als einen deutschen Plan, der die gemeinsame Währung als Preis für eine gemeinsame Verteidigungs- und Außenpolitik vorsah. Dieser ursprüngliche Plan wurde im Zuge der Wiedervereinigung auf Druck Frankreichs wieder fallengelassen. Übrig blieb die gemeinsame Währung, die Mitterand zur Bedingung für die Zustimmung Frankreichs zur Wiedervereinigung machte.

Hart ins Gericht geht Vaubel mit den Präsidenten der EZB, insbesondere mit Mario Draghi. Während die EZB in den Europäischen Verträgen politikfern definiert und lediglich der Wahrung der Geldwertstabilität verpflichtet ist, verschoben Draghi und sein Vorgänger Jean-Claude Trichet die EZB immer stärker zu einer politischen Institution ohne jegliche Kontrolle. Vaubel belegt das mit zahlreichen Beispielen und vergleicht diese mit der politikfernen Rolle der früheren Bundesbank. Im Juni 2015 beteiligte sich Draghi am Fünf-Präsidenten-Bericht und forderte darin mehr Kompetenzen für die EU. Man stelle sich einmal vor, der Bundesbankpräsident hätte in den 1980er Jahren gemeinsam mit dem Bundestagspräsidenten und dem Bundeskanzler Vorschläge für einen stärkeren Zentralismus in Deutschland gemacht. Oder der damalige Bundesbankpräsident hätte vorgeschlagen, den 1.000 DM-Schein abzuschaffen, um die Steuerhinterziehung und Bandenkriminalität zu bekämpfen. Oder die Bundesbank hätte sich an der Haushaltskontrolle der überschuldeten Bundesländer Bremen oder Saarland beteiligt, und die Umsetzung von Sparmaßnahmen überwacht. Es wäre unvorstellbar gewesen. All das geschieht aber heutzutage im Namen und in Verantwortung der Europäischen Zentralbank, obwohl Artikel 130 AEUV eindeutig regelt, dass „die Regierungen der Mitgliedsstaaten verpflichtet sind (…) nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.“ Dies gilt nicht nur von Regierungen hin zur Zentralbank, sondern auch umgekehrt. Es „darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Entschlussorganen oder Einrichtungen der Union, der Regierungen der Mitgliedsstaaten einholen oder entgegenzunehmen.“

Besonders geht Vaubel richtigerweise auf die kollektiven Rechtsbrüche in der EU ein. Wo nur Mitgliedsstaaten gegen Vertragsverletzungen vorgehen können, aber diese sich in den Vertragsverletzungen einig sind, wird Recht beliebig. Die Mutter dieser kollektiven Rechtsbrüche war der Verstoß gegen die Nichtbeistandsklausel im Mai 2010. Nur Mitgliedsstaaten konnten dagegen klagen, aber keiner tat es. Seitdem kommt immer wieder ans Tageslicht, wie die nationalen Notenbanken durch eigene Liquiditätshilfen und überzogene Anleihenkäufe die Politik der EZB zusätzlich flankieren.

Die wachsende Zentralisierung sieht Vaubel in den Konstruktionsfehlern des institutionellen Aufbaus der EU. Nur die Kommission kann Gesetze vorschlagen. Das „Initiativmonopol für die Gesetzgebung“ erlaubt es der Kommission jede dezentrale Gesetzgebung der EU im Keim zu ersticken. Zum später gescheiterten Verfassungsvertrag der EU schlug 2004 die European Constitutional Group vor, das Initiativrecht von der Kommission im ersten Schritt auf den Rat und langfristig auf das Parlament der Europäischen Union zu verlagern. Auch institutionelle Änderungen bei der Besetzung der Richter des Gerichtshofs der Europäischen Union schlugen die Ökonomen um Roland Vaubel seinerzeit vor, um so die Interessen der Mitgliedsstaaten zu wahren.

Am Schluss des Buches finden sich Vorschläge, wie die Unabhängigkeit der EZB wieder hergestellt werden kann. Hier geht es Vaubel darum, dass die EZB erklärt, dass ihre Vertreter sich künftig aus politischen Gremien der EU fernhalten, und der EZB-Rat künftig darauf verzichtet, den Regierungen wirtschaftspolitische Bedingungen für geldpolitische Entscheidungen zu stellen.

Auch Vertragsänderungen gehören zu seinen Vorschlägen. Der Austritt und der Ausschluss aus dem Euro, ohne die EU verlassen zu müssen, gehören dazu. Interessant ist, dass er dabei auf eine bestehende Analogie in den EU-Verträgen verweist. Im Bereich der „strukturierten“ militärischen Zusammenarbeit (Artikel 46 Abs. 5 EUV) gibt es dieses Austrittsrecht bereits. Dort heißt es: „Wünscht ein teilnehmender Mitgliedsstaat von der ständigen strukturierten Zusammenarbeit Abstand zu nehmen, so teilt er seine Entscheidung dem Rat mit, der zur Kenntnis nimmt, dass die Teilnahme des betreffenden Mitgliedstaats beendet ist.“

Vaubel prognostiziert am Ende seines Buches eine Zunahme der Parteien, die in Frankreich, Italien und Finnland einen Austritt aus der Währungsunion fordern. Die Zunahme hängt seiner Auffassung nach mit dem zu hohen Preisniveau und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit in diesen Ländern zusammen. Er befürchtet aber, dass Deutschland dem Drängen Frankreichs und Italiens nachgibt, für die Eurozone ein gemeinsames Schatzamt und eine gemeinsame Einlagensicherung zu schaffen. Letztlich würden europäische Institutionen in die Haushaltspläne der Mitgliedsstaaten hineinregieren und das Budgetrecht der nationalen Parlamente weiter aushöhlen. Die aktuellen Reformpläne der Kommission von Mittwoch lassen diese Befürchtungen vielleicht bald Realität werden. Er plädiert in seinem überzeugenden Buch dagegen für einen Neustart. Dem kann man sich nicht deutlich genug anschließen!

Roland Vaubel: Das Ende der EUromantik – Neustart jetzt, Wiesbaden 2018.

Am 20. März ist in der „Edition Prometheus“ beim FinanzBuch Verlag München das Buch „Wie wir wurden, was wir sind. Einführung in den Klassischen Liberalismus“ von Eamonn Butler erschienen.

Die Übersetzung des Buches „Classical Liberalism“ von Eamonn Butler erscheint unter dem deutschen Titel „Wie wir wurden, was wir sind“ und zur rechten Zeit. Denn der Klassische Liberalismus in Deutschland kann eine Selbstvergewisserung gut gebrauchen, ist er doch eine der Quellen dessen, wer wir sind. Eamonn Butler ist Gründer und Leiter des Londoner Adam Smith Institute, Englands führender Denkfabrik für Marktfreiheit und Klassischen Liberalismus. Sein Buch ist aus allgemeiner, doch angelsächsisch gefärbter Sicht verfasst, und das ist kein Nachteil.

Die Ursprünge des Klassischen Liberalismus liegen nämlich im Schottland des 18. Jahrhunderts. Die schottische Aufklärung brachte Persönlichkeiten wie Adam Smith, David Hume und Adam Ferguson hervor, deren Strahlkraft bis heute reicht. Ihre Schriften erreichten im 18. und 19. Jahrhundert auch Kontinentaleuropa und die deutschen Länder. Zur damaligen Zeit galten die klassisch Liberalen als politisch links, weil sie sich gegen die etablierten Autoritäten auflehnten. Sie kämpften für die Herrschaft des Rechts und gegen die Willkür der Obrigkeit.

Ihr entschiedenes Eintreten für den Freihandel sollte nicht den Reichen und Vermögenden zugutekommen, sondern Armut bekämpfen und Frieden stiften. Die Liberalen waren allesamt Marktwirtschaftler und kämpften für die Meinungsfreiheit. Der deutsche Sprachraum wurde ein Hort des Klassischen Liberalismus: Im 18. Jahrhundert waren seine bekanntesten Vertreter Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt, im 19. Jahrhundert John Prince-Smith, Eugen Richter und Hermann Schulze-Delitzsch. Jeder von ihnen stand für etwas, das heute noch Grundlage für eine liberale Gesellschaft ist.

John Prince-Smith machte die Freihandelsidee in Preußen populär. Er gründete Freihandelsvereine und saß im Preußischen Abgeordnetenhaus, später auch im Reichstag. Eugen Richter war der kompromisslose Kämpfer für die klassisch liberale Deutsche Fortschrittspartei im Kaiserreich. Als politischer Gegenspieler des Reichskanzlers Otto von Bismarck, ging er gleichzeitig mit den aufkommenden Sozialdemokraten hart ins Gericht. Er wandte sich vehement gegen die Sozialistengesetze Bismarcks auf der einen Seite, aber auch gegen die Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung auf der anderen Seite. Hermann Schulze-Delitzsch war der entscheidende Begründer und Antreiber des Genossenschaftswesens in Deutschland – Hilfe zur Selbsthilfe für Gewerbetreibende, Handwerker und Landwirte, die keinen Zugang zu Krediten hatten. Dieser Grundgedanke des Genossenschaftswesens ist bis heute im Bankwesen, im Gesundheitswesen und im Einzelhandel verankert.

Der Klassische Liberalismus damals wie heute hatte und hat viele Gegner. Sie kommen aus der konservativen wie auch aus der sozialistischen Ecke – die beide dazu neigen, das Althergebrachte zu konservieren und im Neuen nicht die Chance, sondern die Gefahr zu vermuten. Selbstverständlich gilt das nicht überall und im gleichen Maße. Die Konservativen sind häufig ökonomisch aufgeschlossener als die Sozialdemokraten, aber gesellschaftlich rückwärtsgewandt. Die Sozialdemokraten sind oft gesellschaftlich offener für Veränderungen als die Konservativen, aber ökonomisch wollen sie die alte Welt möglichst lange behalten. Letztlich vereint sie aber derselbe Irrtum: Sie trauen dem Einzelnen wenig zu. Sie glauben, dass der Staat die Dinge regeln muss, weil der Einzelne ökonomisch, geistig oder körperlich dazu nicht in der Lage ist.

Wie sieht also die Situation des Klassischen Liberalismus heute in Deutschland aus? Haben die Marktwirtschaft, der Freihandel, der Rechtsstaat und das Individuum noch eine Lobby? Aber ja! Ähnlich wie schon einmal im 19. Jahrhundert weht seit einiger Zeit, inspiriert aus dem angelsächsischen Raum, ein neuer klassisch-liberaler Wind nach Deutschland hinein. Diese Szene ist bunt, jung – und sie wächst. Dem Netzwerk „Students for Liberty“ etwa, 2008 in den USA gegründet, gehören derzeit weltweit über 2000 und in Deutschland über 20 Studentengruppen an, die dem Liberalismus verpflichtet sind.

Sogar Ludwig von Mises’ „Nationalökonomie“ und Friedrich August von Hayeks „Verfassung der Freiheit“ werden wieder neu aufgelegt und von jungen Lesern entdeckt. Die Kenntnisse dieser Klassiker tun gut; denn der deutsche Liberalismus ist in seiner Geschichte bisher niemals an seiner Prinzipientreue und Standfestigkeit gescheitert, sondern immer an seiner Beliebigkeit. Deshalb ist ein festes theoretisches Fundament so notwendig. Und als ein verlässlicher und informativer Stein in diesem Fundament dient das Buch von Eamonn Butler.

Erstmals erschienen in Der Hauptstadtbrief.

Von Klaus-Peter Willsch, Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU)

Im Mai 2010 drohte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy offen damit, dass Frankreich die Eurozone verlässt, wenn sich Deutschland nicht am ersten Griechenland-Hilfspaket und dem (damals noch temporären) Euro-Rettungsschirm beteiligen würde. Gleichzeitig begab sich die Europäische Zentralbank außerhalb ihres Mandats und begann massiv Staatsanleihen von Schuldenstaaten aufzukaufen.

Drei entschlossene Franzosen in Schlüsselpositionen – EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und Sarkozy – hatten im Handstreich die Stabilitätsarchitektur der Währungsunion hinweggefegt. Die damalige französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin Christine Lagarde, gab offen zu: „Wir haben alle Regeln gebrochen, weil wir zusammenhalten und die Eurozone retten wollten.“ Nachdem die Euro-Retter kollektiv europäisches Recht gebrochen hatten, gab es zwar viele Kläger, aber keinen Richter. In dieses rechtsstaatliche Vakuum stößt Frankreich nun erneut vor, um die de facto bereits erfolgte Umwandlung der Europäischen Union in eine Transferunion auch rechtlich abzusichern.

Unverhohlen forderte nun der „begeisterte Europäer“ und französische Finanzminister Emmanuel Macron in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Meine Generation muss Europa von Grund auf erneuern. […] Wollen wir die Neugründer Europas sein – oder seine Totengräber? So wie bisher darf es nicht weitergehen. Es genügt nicht mehr, nur in kleinen Schritten voranzukommen – wir müssen das Wesen Europas verändern. […] Und auch von Deutschland verlangt das Tabubrüche: Falls die Mitgliedstaaten wie bisher zu keiner Form von Finanztransfer in der Währungsunion bereit sind, können wir den Euro und die Euro-Zone vergessen.“

Macron vergisst dabei, dass in der Europäischen Union mit den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds bereits Finanztransfers etabliert sind. Deutschland ist hier seit jeher Nettozahler. Seit der Einführung des Euro-Bargeldes am 1. Januar 2002 hat Deutschland 114,1 Milliarden Euro mehr in die EU einbezahlt, als über die Fonds zurückfloss. Griechenland bekam im gleichen Zeitraum etwa 58 Milliarden Euro und ist somit der zweitgrößte Nutznießer der europäischen Kohäsionspolitik. Gerade wird EU-intern darüber entschieden, dass Athen 2015 und 2016 zusätzliche zwei Milliarden aus den EU-Strukturfonds erhalten soll. Die Sache ist wieder einmal sehr eilbedürftig. Defizitsünder werden belohnt, immer wieder Fehlanreize gesetzt. Zarten Widerspruch kam nur von Bulgarien und der Slowakei, die daran erinnerten, dass alle Staaten gleich behandelt werden sollten.

Während die Euro-Rettung in Deutschland metaphysisch überladen ist, die gemeinsame Währung schon fast religiös verklärt wird, betreibt Paris knallharte Interessenspolitik. Frankreich steckt seit 2009 im Defizitverfahren. Gebessert hat sich seitdem nichts. Die französische Neuverschuldungsquote liegt auch 2015 mit vier Prozent deutlich über dem erlaubten Wert. Um die französische Verweigerungshaltung nicht (quasi-automatisch) sanktionieren zu müssen, verlängerte die Europäische Kommission das Defizitverfahren um zwei Jahre bis 2017. So umgeht Frankreich ganz nebenbei die Bestimmungen des 2012 viel umjubelten Fiskalpaktes. Gemäß der dort verankerten 1/20-Regel müsste Frankreich eigentlich jährlich fünf Prozent seiner Schulden abbauen, die über der Maastricht-Grenze von sechzig Prozent liegen.

Damit die Europäische Kommission nicht auf dumme Ideen kommt, installierte der französische Staatspräsidenten François Hollande seinen ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsminister Pierre Moscovici als Wirtschafts- und Währungskommissar in der Europäischen Kommission. Moscovicis Bewerbungsmappe war relativ dünn: In seiner Zeit als Finanzminister hatte Moscovici kein einziges Mal die Maastricht-Kriterien eingehalten. Als 2013 das französische Defizitverfahren um zwei Jahre verlängert worden war, bejubelte Moscovici dies als Ende der Sparpolitik mit dem Satz: „C’est la fin du dogme de l’austérité, il n’y a plus de fétichisme du chiffre.“ („Das ist das Ende des Dogmas der Sparpolitik, es gibt keinen Zahlenfetischismus mehr.“)

Ein Wirtschafts- und Währungskommissar, der die Einhaltung von Defizitkriterien als Zahlenfetischismus bezeichnet, ist genauso eine Fehlbesetzung wie Kommissions-Chef Juncker höchst persönlich. Noch während seiner Zeit als luxemburgischer Ministerpräsident ließ er keinen Zweifel an seinem Politikverständnis:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Macrons Interview ist im Vergleich zur „Methode Juncker“ von einer hochanständigen Ehrlichkeit beseelt. Ich vermisse aber auch hier eine klare (Abwehr-)Haltung der Bundesregierung. Wir brauchen kein europäisches Finanzministerium, das die Verteilung hart erarbeiteter deutscher Steuergelder unter den Schuldensaaten Europas koordiniert. Wir brauchen keine Neugründung Europas sondern eine Rückbesinnung. Nichts ist unglaubwürdiger als die Lüge. Mit Lügen kann man kurzfristig vieles erreichen. Das dadurch langfristig verspielte Vertrauen zurückzugewinnen, ist fast unmöglich. Es geht ein Riss durch Europa. Wer versucht, die Unterschiede zwischen den Nationen Europas zu eliminieren, zerstört den europäischen Geist und ist der wahre Totengräber Europas.

Vor wenigen Tagen ist das Buch von Klaus-Peter Willsch „Von Rettern und Rebellen“ erschienen. In seinem Buch zeichnet Willsch chronologisch die (Fehl-)Entwicklungen der Euro-Rettungspolitik aus der Innenperspektive nach. Mit Informationen, die der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich waren, deckt er minutiös die zentralen Probleme der Euro-Rettungspolitik auf: die Machtlosigkeit des Parlaments gegenüber der Regierung, mangelnder ökonomischer Sachverstand im Bundestag und die mal subtile, mal rigorose Machtsicherung der Führung. Willsch scheut nicht davor zurück, Ross und Reiter zu nennen. Und doch ist „Von Rettern und Rebellen“ kein Blick zurück eines Polit-Veteranen. Denn Willsch ist als engagierter Abgeordneter immer noch Teil des politischen Karussells.

Von Aaron Koenig, Autor von „Bitcoin – Geld ohne Staat„, Gründer und Geschäftsführer von bitfilm.

In Griechenland zeigt sich das herrschende Geldsystem von seiner hässlichen Seite. Die Menschen können nur kleine Beträge ihres eigenes Geldes von ihrem Konto abheben. Ein aufgeblähter Staatsapparat bezahlt die Rechnungen von Lieferanten und Handwerkern nicht. Renten und Sozialleistungen werden gekürzt. Mit der Wirtschaft geht es immer weiter bergab. Europäischen Politikern fällt als „Reformmaßnahme“ nichts Besseres ein, als die Steuern zu erhöhen. Das verschlimmert die Situation der Menschen in Griechenland noch mehr. Auch ein Austritt Griechenlands aus dem Euro und die Wiedereinführung der Drachme wird die Probleme nicht lösen.

Die tiefere Ursache der Misere liegt nämlich im staatlichen Scheingeldsystem, das seit dem Ende der Golddeckung des Dollars im Jahr 1971 überall auf der Welt die Norm ist. Es hat zu zahllosen Finanzkrisen und zum Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich geführt. Das staatliche Privileg der Zentral- und Geschäftsbanken, aus dem Nichts Geld zu schaffen, führt zu einer Verwässerung des Geldwertes und zu einer ungerechten Bevorteilung derjenigen, die nah an der Quelle dieses „virtuellen Geldes“ sitzen, in erster Linie also Banker und Politiker.

Auch die Verschuldung ist im Zeitalter des beliebig vermehrbaren Geldes sehr viel einfacher geworden. Seit Ende der Golddeckung sind die Schuldenberge fast aller Staaten in bisher ungekannte Höhen gewachsen. Griechenland ist da keine Ausnahme. Doch irgendwann muss ein solches auf Schulden gebautes Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Griechenland ist Teil einer Entwicklung, die auch uns unweigerlich treffen wird, wenn wir das Übel nicht an der Wurzel packen.

Der beste Ausweg aus der Krise ist es, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen und durch einen freien Wettbewerb nicht-staatlicher Währungen zu ersetzen. Die bekannteste darunter ist zweifellos der Bitcoin. Er hat dieselben Qualitäten, die Gold über viele tausend Jahre zum beliebtesten Geld der Menschheit gemacht haben: beide sind knapp, teilbar, fälschungssicher und unverwüstlich. Niemand würde für ein Stück bedrucktes Papier arbeiten, wenn nicht der Zwang des Staates wäre, es als „gesetzliches Zahlungsmittel“ anzuerkennen. Gold und Bitcoin werden von den Menschen hingegen ganz ohne Zwang als Geld akzeptiert, aufgrund ihrer besonderen Qualitäten.

Mario Draghi kann auf Knopfdruck täglich ein paar Milliarden neue Euro erzeugen, was unsere Ersparnisse abwertet. Der Zuwachs an Bitcoins ist hingegen streng reglementiert. Die Gesamtmenge an Bitcoins ist durch die Software auf 21 Millionen begrenzt. Im Gegensatz zum Gold kann man Bitcoin in Sekundenschnelle und zu minimalen Kosten rund um die Welt schicken. Es ist daher das perfekte Geld für das Internet-Zeitalter.

Der Staat wird sicher nicht freiwillig auf sein Geldmonopol verzichten. Doch der Geist ist aus der Flasche. Der freie Wettbewerb der Währungen, wie ihn Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek vorgeschlagen hat, ist bereits Wirklichkeit. Das Bitcoin-System ist so aufgebaut, dass es gegen staatliche Verfolgung immun ist. Es gibt keine zentralen Server, die man abschalten, keine „Bitcoin-Firma“, die man schließen könnte. Bitcoin ist einfach freie Software, die jeder nutzen kann – ohne irgendwen um Erlaubnis zu fragen. Wenn der große Schwindel des staatliches Scheingeldsystem auffliegt, steht mit Bitcoin ein gut funktionierendes, weltweites Zahlungssystem als Alternative bereit.

Schon jetzt kann es interessant sein, einen Teil seines Geldes in Bitcoins umzutauschen, um Kapitalverkehrskontrollen wie in Griechenland zu umgehen. Bitcoins haben den großen Vorteil, dass sie von keiner Macht der Welt gesperrt oder konfisziert werden können. Bitcoins sind digitales Bargeld, das man nicht verbieten kann. Ihre Aufbewahrung ist sehr viel sicherer als die von klassischem Bargeld, denn man kann von ihnen Sicherheitskopien machen und an verschiedenen Orten speichern. Auch das Überschreiten von Grenzen ist mit Bitcoins sehr viel einfacher als mit Bündeln von Geldscheinen. Alles, was man sichern muss, selbst wenn man Millionenwerte bewegen will, ist ein digitaler Code, der auf einen USB-Stick oder gar ein Blatt Papier passt.

Als im März 2013 während der Bankenkrise auf Zypern für ein paar Tage die Konten der Bürger gesperrt und Sparguthaben über 100.000 Euro enteignet wurden, stiegen das Interesse am Bitcoin und damit der Kurs sprunghaft an. Es ist damit zu rechnen, dass eine ähnliche Entwicklung im absehbaren Fall eines griechischen, italienischen oder französischen Staatsbankrotts eintreten wird. Wer jetzt in Bitcoin investiert, profitiert vom noch relativ günstigen Kurs von rund 200 Euro.

Nicht-staatliche Währungen wie Bitcoin sind wirkungsvolle Gegenmittel gegen staatliche Finanztyrannei. Sie nehmen dem Staat die Möglichkeit, unser Eigentum zu beschlagnahmen und durch Inflation im Wert zu mindern. Die Griechenland-Krise hat die Schwäche des staatlichen Scheingeldsystems besonders deutlich gemacht. Wir haben jetzt die Freiheit, auf ein besseres System umzusteigen.

Das Buch „Bitcoin – Geld ohne Staat“ ist im Mai 2015 beim Finanzbuchverlag München erschienen. Es betrachtet Bitcoin aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft.