Die Börsen-Zeitung ist sicherlich die teuerste Tageszeitung in Deutschland. 4,40 Euro kostet das Einzelexemplar. Qualität hat seinen Preis. Die kleine, aber feine Frankfurter Postille gehört zweifelsohne zum Besten was der deutsche Zeitungsmarkt zu bieten hat. Deshalb verwundert es nicht, wenn deren Chefredakteur Claus Döring in der vergangenen Woche in Berlin den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik erhalten hat. Seit Jahren schreibt Döring kompromisslos für die Marktwirtschaft ohne Rücksicht auf die Großen.

In seiner Dankesrede hat er sich mit dem Volkswagen-Konzern und seiner aktuellen Krise beschäftigt. Seine These ist, dass der große Einfluss des Staates und der Gewerkschaften bei VW ein Umfeld geschaffen hat, das Kungeleinen des Vorstands mit den Gewerkschaften und dem Betriebsrat zu Lasten der privaten Eigentümer möglich machte und damit ein Klima des „Wegschauens“ erzeugte. Da ist sicherlich was dran.

Denn ohne die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat geht bei VW nichts. Beschlüsse zu Errichtung und Verlagerung von Produktionsstätten bedürfen einer 2/3-Mehrheit im Aufsichtsrat. Die Arbeitnehmerseite hat damit ein Vetorecht für alle diese Entscheidungen. Das lässt sie sich teuer bezahlen. Das Einkommen des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, Bernd Osterloh, wird beispielsweise auf 240.000 Euro geschätzt. Die aktuelle Manipulation muss auch im Kontext der 2005 bekanntgewordenen Bestechungsaffäre um den damaligen Personalvorstand Peter Hartz und den früheren Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert gesehen werden. Beide sind inzwischen rechtskräftig verurteilt. Volkert soll über Hartz von 1994 bis 2005 zusätzlich zu seinem Gehalt 1,95 Millionen Euro erhalten haben.

Doch vielleicht ist VW nur die Spitze des Eisbergs? Vielleicht ist die Verbrüderung des Vorstandes mit der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat gegen die Eigentümer nicht nur bei VW von Bedeutung? Vielleicht wird auch in anderen großen Aktiengesellschaften nachgeholfen und die Betriebsräte besser bezahlt? Vielleicht sind alle kleine VWs? Vieles spricht dafür.

Es ist der falsche Ordnungsrahmen der eine solche Entwicklung fördert. Der Ordnungsrahmen wurde in den 1970er Jahren zulasten der Eigentümer und zugunsten der Arbeitnehmer verändert. Seitdem gilt, dass bei großen Aktiengesellschaften die Arbeitnehmerseite die Hälfte der Aufsichtsräte stellt. Lediglich den Vorsitzenden kann die Kapitalseite durchsetzen. Entscheidend ist aber, dass im Normalfall die Vorstände mit einer 2/3-Mehrheit berufen werden. Das heißt, die Arbeitnehmerseite wird immer gebraucht. Die Aktionärsseite als Eigentümerin des Unternehmens wird so immer stärker an die Seite gedrängt. Die Basis dieser Regeln ist das Mitbestimmungsgesetz von 1976. Es war und ist ein schwerer Eingriff in die Eigentumsordnung.

Unternehmen mit Staatsbeteiligung, wie die Deutsche Bahn und VW, oder mit starker kommunaler Beteiligung wie RWE, sind deshalb besonders anfällig für Vetternwirtschaft. In diesen Unternehmen ist es üblich, dass Gewerkschaftsführer oder Betriebsratsvorsitzende über den Aufsichtsrat in den Vorstand wechseln. Norbert Hansen bei der Bahn oder Uwe Tigges bei RWE sind nur die prominentesten Beispiele. In solch einem Umfeld sind die Produktivität, die Höhe der Dividende oder der Aktienkurs zwar wichtige strategische Ziele, aber nicht die entscheidenden.

Es verwundert nicht, dass nicht nur VW, sondern auch RWE aktuell Probleme hat. Die Deutsche Bahn hat es dagegen leichter. Sie steht als hundertprozentiges Staatsunternehmen nur indirekt im Wettbewerb mit Fernbussen oder Autos und hält kleinere Bahnanbieter durch den beherrschenden Einfluss auf das Netz fern. In diesem Umfeld ist es noch einfacher, Politik und Gewerkschaften einzukaufen.

Das Grundübel ist ein Auseinanderfallen von Eigentum und Verantwortung durch das Gesetz. Nicht die Eigentümer entscheiden, was mit ihrem Vermögen passiert, sondern sie werden von den angestellten Managern mit Hilfe der Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionären in den Aufsichtsräten ausgetrickst. Das Mitbestimmungsgesetz unterstellt, dass die Interessen der Eigentümer, der Vorstände, der Gewerkschaften sowie der Betriebsräte identisch seien. Doch das ist natürlich nicht so. Schon deshalb gibt es Betriebsräte in den Betrieben, die als gewählte Arbeitnehmervertretung die Interessen gegenüber dem Unternehmen vertreten sollen. Doch das Mitbestimmungsgesetz sorgt dafür, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter auf beiden Seiten des Tisches sitzen – auf der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite.

Natürlich wäre es im ersten Schritt richtig und notwendig, die Staatsbeteiligung an VW und der Deutschen Bahn und die kommunale Beteiligung an Energieversorgern endlich zu beenden, doch des Pudels Kern ist das Mitbestimmungsgesetz. Es erlaubt, oder besser ausgedrückt: es fördert die Korruption in großen mitbestimmten Unternehmen. Betriebsräte werden über das gesetzliche Maß hinaus von der Arbeit freigestellt, besser bezahlt und anschließend in den Vorstand gehoben, nur um Ziele der angestellten Manager im Vorstand durchzusetzen.

So ein gesetzliches Umfeld erzeugt keine unternehmerisch denkenden Menschen, die mutige strategische Entscheidungen treffen, sondern Eunuchen, die nach allen Seiten offen sind und am Ende sagen, sie hätten von nichts gewusst …

 

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Mike Licht from Flickr

Sprache ist manchmal entlarvend. Manchmal kommt es sogar vor, dass diejenigen, die sie benutzen, das gar nicht merken. Seit Monaten geistert die Idee der Kulturstaatssekretärin Monika Grütters für eine Kulturgutschutznovelle durch die Feuilletons. Jetzt hat die Berliner CDU-Frau die Begründung nachgeliefert: Man wolle verhindern, dass „Artefakte aus Raubgrabungen, mit deren Verkauf zum Beispiel der IS seine Terrorherrschaft finanziert, nach Deutschland eingeführt und hier illegal gehandelt werden.“ Und ich dachte bisher immer, dass der IS wichtige Kulturgüter zerstören würde. So kann man sich irren… Da hätte man doch mal die Chance, welche zu retten! In der Pressemitteilung Nr. 319 vom 15. September 2015 der Bundesregierung schreibt die Jeanne d’Arc des deutschen Kulturgutes über die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfes. Derzeit sei bereits nach EU-Recht eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich, wenn entsprechende Kulturgüter ins außereuropäische Ausland, also etwa in die wichtigen Kunsthandelsländer USA oder Schweiz (deren außereuropäische Kolonien?) ausgeführt werden solle. Soweit zum Verständnis der Kulturstaatssekretärin der Deutschen Bundesregierung zum Kulturraum Europa.

Mann oh Mann, wie soll ich meinem Sohn in Erdkunde die Hauptstädte und Länder Europas einbläuen, wenn die eigene Bundesregierung bei den Geographiekenntnissen die Schweiz in Afrika vermutet? Okay, wenn Claudia Roth Kulturstaatssekretärin wäre, dann hätte ich ja noch ein gewissen Verständnis, denn sie musste sicherlich in ihrer Schulzeit die Hauptstädte und Länder Europas tanzen. Aber dennoch ist es erschreckend, wenn die eigene Regierung in den Grundlagen der Geographie nicht versetzungsfähig ist.

Grundsätzlich muss man sich ohnehin fragen, was das Ganze soll. Mit welchem Recht greift der Staat in das Eigentum Einzelner ein? Ist es schlimm, wenn Kunstgegenstände irgendwo anders gezeigt werden oder in ausländischem Besitz sind? Der Bestand des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel stammt sicherlich auch nicht aus dem Bayerischen Wald. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn diese Schätze in Berlin gezeigt und nicht vom IS zerstört werden. Am Ende eignet sich die Regierung wieder einmal etwas an, was ihr nicht gehört. Hier hilft eine gute Faustregel: Verlangt der Staat nach „Kulturgütern“, lauf um dein Leben, achte auf dein Portemonnaie und auf das Gemälde, das dir deine Großmutter vermacht hat …

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „eigentümlich frei“.

Photo: Lucas Film

Photo: Protoplasma Kid/WikimediaCommons (CC-BY-SA 4.0)

Viele haben darüber spekuliert, ob Angela Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik den Friedensnobelpreis bekommt. Nun ist doch nichts daraus geworden, und sie muss sich jetzt wohl wieder mit den Folgen ihrer einladenden Geste an die Flüchtlinge in Ungarn beschäftigen. Deren Konsequenz ist wohl viel weitreichender als der aktuelle Flüchtlingsstrom nach Deutschland. Ihr Handeln stellt das wesentliche Element der europäischen Einigung infrage. Dies ist die Freizügigkeit von Personen, Waren- und Dienstleistungen sowie Kapital.

Auf diesen vier Grundfreiheiten basiert die Idee der europäischen Einigung. Die Flüchtlingskrise rüttelt am Fundament dieser Idee. Denn wenn auf der einen Seite die Außengrenzen der EU zu löchrigem Käse werden und gleichzeitig die Flüchtlinge durch halb Europa reisen können, um in die Sozialsysteme ihrer Wahl einwandern zu können, dann mag das durch den Appell der Kanzlerin („Wir schaffen das!“) eine Weile gutgehen, aber schon bei näherer Betrachtung sprengt diese Entwicklung das Fundament der europäische Idee hinweg. Wenn die Personenfreizügigkeit in Europa durch den Bruch der Regeln des Schengener Abkommens infrage gestellt wird, dann dauert es nicht mehr lange, bis auch Waren wieder an der Grenze gestoppt werden und Investitionen im europäischen Ausland von der dortigen Regierung genehmigt werden müssen. Es wäre nicht nur der Schritt in die Vorkriegsjahre des letzten Jahrhunderts, sondern sogar ein Rückfall ins frühe 19. Jahrhundert.

Aus diesem Grund wäre es ein starkes Signal des norwegischen Nobelpreis-Komitees gewesen, wenn es die Chance genutzt hätte, den Freihandel als friedensstiftendes Element des Zusammenlebens auf dieser Welt herauszustellen. Vielleicht hätte das Komitee, den vor 150 Jahren verstorbenen geistigen Vater der Freihandelsidee, den Briten Richard Cobden, postum damit ehren sollen. Damit hätte es den stockenden Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO wieder Lebensmut einhauchen und einen aktiven Beitrag gegen die Armut in dieser Welt leisten können.

Cobden, der in ärmlichsten Verhältnissen als viertes von elf Kindern eines Farmers in Sussex aufwuchs, bekam früh zu spüren, welche Folgen Zölle und Exportsubventionen für die Menschen haben. Sie führten zur Verarmung weiter Teile der Bevölkerung und zu Hungersnöten in England. Doch damals, und in weiten Teilen auch heute noch, glaubten Ökonomen und Politiker, dass die wachsende Zahl der Bevölkerung durch die landwirtschaftliche Produktion nicht ernährt werden könne. Der Glaube, dass dies nur durch eine Politik der staatlichen Geburtenkontrolle erreicht werden kann, ist bis in die heutige Zeit zum Beispiel der Geist der Ein-Kind-Politik in China.

Die Theorie ist nicht nur durch den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft, sondern auch durch den Freihandel seit langer Zeit widerlegt. Es herrschen in Teilen dieser Welt nicht deshalb Hungersnöte, weil es zu wenig zu essen gibt, sondern weil sich Länder und Regionen abschotten, ihre Unternehmen einseitig subventionieren und Entwicklungs- und Schwellenländer hindern, ihre Waren auf dem Weltmarkt anzubieten. Viele Länder tragen durch Kriege, Korruption und Vetternwirtschaft zu dieser Mangelwirtschaft bei. Und auch die Politik der Abwertung der eigenen gegenüber der fremden Währung ist eine moderne Form der Subvention. Sie ist die subtile Art, der Exportwirtschaft einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.

Offene Märkte, so Cobdens Botschaft, nutzen dagegen nicht nur wenigen Privilegierten, sondern allen. Denjenigen, die Waren produzieren, und denjenigen, die diese kaufen wollen. Dabei ist es unerheblich, ob diese im eigenen Land beheimatet sind oder in einem fremden Land. Und sein entscheidendes Erbe für die heutige Zeit ist, dass wahrscheinlich keine Entwicklung friedensstiftender ist, als der Freihandel. Wer Handel treibt, sich austauscht, sich als Unternehmer in die Abhängigkeit der Konsumenten begibt, greift nicht zur Waffe, damit die Waren gekauft werden, sondern er hegt und pflegt seine Kunden, damit sie wiederkommen und noch mehr Waren von ihm kaufen.

Der verhinderte Preisträger Cobden schrieb schon im April 1842: „Der Freihandel wird unweigerlich, indem er die wechselseitige Abhängigkeit der Länder untereinander sichert, den Regierungen die Macht entreißen, ihre Völker in den Krieg zu stürzen.“

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 10. Oktober 2015.

Photo: CollegeDegrees360 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Ob Entwicklungen wie das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs unsere Daten wirklich sicherer machen, ist höchst zweifelhaft. Es bestimmt nur, dass jetzt der europäische Bock der Gärtner sein darf: Das Problem sind nämlich weder Facebook noch Google, sondern NSA und BND.

Europäische Daten auf europäischen Speichern

Schon reiben sich die Nachwuchs-ITler in Europa vergnügt die Hände. Eine erkleckliche Zahl von ihnen kann demnächst in Irland, Rumänien und mit etwas Glück sogar auf deutschem Boden eine Anstellung finden, wenn amerikanische Internetkonzerne von Amazon bis Zuckerberg nun neue IT-Zentren in Europa aufbauen, um die europäischen Daten auf europäischem Boden zu speichern. Das World Wide Web wird etwas weniger weltweit. Das passt natürlich auch den Kritikern von Google, Facebook und Co., die quer durch die Parteien den besorgten Bürgern zur Seite springen und sie vor den amerikanischen Großunternehmen retten wollen.

Der europäische Suchmaschinen-Flop „Qwant“ zeigt jedoch sehr deutlich, dass „nationale Alleingänge“ der EU nicht besonders erfolgversprechend sind. Einem Großteil der Internetnutzer ist es egal, ob ein Produkt im Netz aus den USA, aus Indien oder aus Dänemark kommt. Es muss gut sein. Deswegen haben sich auch bisher nur wenige Menschen daran gestört, dass ihre Daten in den USA lagen, solange Google gute Ergebnisse lieferte und man bei Facebook seine alten Freunde anschreiben konnte. Wem das zu unheimlich war, der hat halt auf diese Dienste verzichtet.

Man muss das Hebelgesetz kennen

Nun weiß man, dass die meisten Menschen nicht besonders achtsam sind, wenn es um ihre Daten geht. Die Mentalität des „ich hab doch nichts zu verbergen“ ist sehr weit verbreitet. Daran ändern auch die krassesten Enthüllungen über die Schnüffelorgien der NSA nichts – zumindest nicht über die rituelle 48stündige Empörungswelle hinaus. Ein erster Schritt hin zu mehr Datenschutz wäre also auf jeden Fall, die Sensibilität für das Thema zu schärfen. Dafür ist es erst einmal wichtig zu erkennen, woher die Gefährdung kommt. Und das hat vor allem mit den Gesetzen der Physik zu tun.

Schon der gute alte Archimedes hatte vor über 2200 Jahren das Hebelgesetz entdeckt. Wenn man den richtigen Punkt zum Ansetzen hat, so der Tausendsassa aus Syrakus, dann kann man die ganze Erde aus den Angeln heben. Wer die Internetgiganten dazu zwingen will, die Daten europäischer Nutzer auch in unseren Landen zu speichern, setzt aber am falschen Punkt an. Denn für diese Riesenkonzerne ist das nicht mehr als eine ärgerliche und lästige Zusatzaufgabe, die Kosten letztlich Peanuts. Die Profi-Schnüffler von den Geheimdiensten werden aber sicher nicht vor den Außengrenzen der EU Halt machen – von unseren eigenen Schnüfflern ganz zu schweigen. Bewegt hat sich dann also erstmal nichts.

Die Konzerne sind gefragt, nicht die Regierungen

Wer wirklich etwas bewegen will für den Datenschutz muss zu den Mitteln greifen, die der Markt uns in die Hände legt. Im Augenblick ist der Anreiz für die Internetriesen groß, den Geheimdiensten aus den USA, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland ein Schlupfloch in ihre große bunte Datenwelt offen zu halten. Nicht nur, weil sie es sich nicht mit den Regierungen und Bürokratien verscherzen wollen (die drehen sonst nur wieder an den Steuer-Daumenschrauben!), sondern insbesondere auch, weil die Nutzer sich nicht deutlich genug zur Wehr setzen.

Das Vertrauen in die staatlichen Institutionen ist dann doch noch zu groß. Schon bevor Edward Snowden das Ausmaß des Überwachungsstaates bekannt gemacht hatte, hatten westliche Regierungen stets ihre Datensensibilität betont. Warum aber sollten sich die Geheimdienste in der Post-Snowden-Ära jetzt plötzlich an die Sonntagsreden der Politiker halten? Haben nicht kürzlich erst die Anschläge in Paris gezeigt, dass man da vielleicht doch etwas weniger sensibel sein sollte? Wer ein genuines Interesse daran hat, seine Daten zu schützen, sollte nicht Regierungen damit beauftragen, sondern den Konzernen diese Hausaufgabe geben.

Hausaufgaben für die Programmierer in Silicon Valley

Was wir mit dem Safe-Harbor-Abkommen und jetzt mit dem jüngsten EuGH-Urteil erlebt haben, war kein echter Datenschutz, es war Daten-Protektionismus. Die westlichen Länder, bzw. seit neustem nur noch Europa, definieren sich als „sichere Häfen“, in denen die Daten geschützt sind. Angesichts der Erfolge, die mutmaßliche chinesische, russische oder sogar nordkoreanische Hacker immer mal wieder haben, ist das ohnehin eine absurde Vorstellung. Sie verfängt aber, weil viele den westlichen Regierungsapparaten immer noch blind vertrauen. Dahinter steckt ein Stück Hochmut: die Vorstellung der Überlegenheit unserer westlichen Demokratien. Das mag in vielerlei Hinsicht stimmen: wir lassen Oppositionelle nicht auspeitschen, wir erlassen keine Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda“ und wir zwingen Menschen nicht zu einer Maximalzahl an Kindern. Das allein macht unsere Politiker und Bürokraten aber noch nicht zu Engeln.

Am besten werden unsere Daten von Google, Facebook, Amazon und deren Wettbewerbern selbst geschützt. Es ist unsere Aufgabe als Verbraucher, diesen Konzernen deutlich zu machen, dass wir die Daten, die wir ihnen zur Verfügung stellen, geschützt haben wollen – vor dem kriminellen Hacker genauso wie vor neugierigen Regierungsschnüfflern. Wir selbst müssen den Konzernen klar machen, dass das wertvolle Gut, das wir ihnen mit unseren Daten zur Verfügung stellen, ihnen auch wieder entzogen werden kann, wenn sie damit nicht vorsichtig umgehen. Dieser Druck von unten könnte die Erfindungskünste der Programmierer in Silicon Valley enorm beflügeln …

Photo: Tobias Abel from Flickr (CC BY-ND 2.0)

In der Euro-Schuldenkrise herrscht weitgehend Sprachlosigkeit. Vielleicht könnte man meinen, die Staatengemeinschaft kümmere sich derzeit besonders um das Flüchtlingsproblem, doch auch hier irrlichtern alle umher. Klar ist: die Zuwanderungswelle stellt unser hiesiges Sozialstaatsmodell grundlegend in Frage. Das ist nicht ganz verkehrt, zwingt es uns doch, es zu hinterfragen. Ersteres, die Euro-Schuldenkrise, stellt dagegen unser Wirtschaftsmodell in Frage. Das muss uns Sorgen machen. Denn unsere Freiheit beruht auf dem Modell der Marktwirtschaft. Wo sie nicht existiert, wo der Staat sich übermäßig einmischt, die Vertragsfreiheit und den Marktzugang beschränkt, gibt es Probleme.

Denn anders als landauf, landab berichtet, ist Griechenland kein isolierter Fall, geschweige denn ein Unikum. Am Sonntag wählte die portugiesische Bevölkerung die alte Regierung wieder. Nicht nur dieser Umstand ist identisch mit Griechenland. Die fiskalischen und ökonomischen Zahlen in Portugal sind ebenso verheerend. 2014 betrug das Staatsdefizit offiziell 7,2 Prozent (Griechenland 3,5 Prozent). Im ersten Halbjahr 2015 erneut 4,7 Prozent. Selbst der Einwand, dass das hohe Defizit der Staatshilfe für die Pleitebank Espirito Santo geschuldet ist, kann nicht wirklich beruhigen. In den meisten Fällen der jüngsten Euro-Krise war eine Bankenschieflage der Grund für das übermäßige Staatsdefizit. Wer dies also als isoliertes Ereignis betrachtet, hat die Schuldenkrise in Europa nicht verstanden.

Portugals Schuldenstand ist mit fast 130 Prozent der drittgrößte im Euro-Club. 2001 lag er noch bei 51 Prozent. Die Industrieproduktion ist auf dem Niveau Anfang der 1990er Jahre, und die Arbeitslosigkeit geht lediglich zurück, weil junge Menschen in großem Stil das Land verlassen. Die wichtige Bauindustrie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Es wird in Portugal, wie übrigens in Spanien auch, so wenig gebaut wie seit mindestens 40 Jahren nicht mehr. Ein Wachstum von 0,9 Prozent im letzten Jahr und eine Hoffnung auf 1 bis 2 Prozent in diesem Jahr ist besser als Nichts, ändert aber an der Überschuldungssituation nichts.

Die bessere Beurteilung Portugals durch die Ratingagenturen darf nicht fehlinterpretiert werden. Sie hat zwei banale Gründe:

Erstens: Die Zusicherung der Euro-Romantiker, kein Land aus dem Euro hinauszudrängen oder innerhalb des Euro Konkurs gehen zu lassen, sorgt für ein geringeres Ausfallrisiko der portugiesischen Anleihen. Mit dieser Zusage sind die Schulden Portugals die Schulden aller Euro-Staaten.

Zweitens sichert die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik und ihrem aktuellen Anleihenaufkaufprogramm in Billionenhöhe die Finanzierungsfähigkeit der Krisenstaaten, deren Banken, Unternehmen und privaten Haushalte.

Beides in Kombination bewahrt den Euro-Raum vor der schnellen Insolvenz. Und beides wird die Überschuldung weiter fortschreiten lassen. Denn keines der Krisenländer, sei es Griechenland, Italien, Spanien oder Portugal, wird in der Lage sein, die wachsende Schuldenlast durch Wachstum zu bremsen oder sogar zu reduzieren.

Die Schöpfer des Euro wollten mit der Einheitswährung die Konvergenz der Volkswirtschaften erzwingen. Das ist nachweislich misslungen. Jetzt meinen die Nachfolger der Romantiker von damals, es läge an der mangelnden Zentralisierung und Koordinierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Manche träumen sogar von einem europäischen Finanzminister. Gott bewahre uns vor noch mehr Zentralismus! Es ist ungefähr so, als wenn der Hamster im Rad immer schneller läuft, in der Hoffnung dadurch eher den Ausgang zu finden. Doch Europa ist kein Hamsterrad, sondern von den Gründervätern als ein Hort der Freiheit gegen alle Formen der Diktatur, Unfreiheit und Planwirtschaft erträumt worden. Die Realität wird so langsam zum Albtraum.

Zuerst erschienen bei Tichys Einblick.