Photo: SPD Saar from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Verbraucherschutz als Bollwerk gegen ausbeuterische und profitgierige Konzerne? Es wäre angebracht, die Aufmerksamkeit auch auf politische Akteure zu richten. Denn viele Nachteile für Verbraucher kommen aus Besteuerung und Regulierung und nicht von Marktakteuren.

Gierige Unternehmer? Gieriger Staat!

Ein großer deutscher Energiekonzern verschickte vor kurzem an seine Kunden einen Brief, in dem er Preiserhöhungen ankündigte. Im Brief und der beiliegenden Broschüre wird ohne Schaum vorm Mund, aber mit einer durchaus klaren Sprache herausgearbeitet, dass die Preiserhöhung nicht Ergebnis zunehmender Raffgier des Unternehmens ist. Dem Kunden wird verdeutlicht, dass 24 % des Strompreises Netzentgelte sind, 54 % durch staatliche Steuern, Abgaben und Umlagen entstehen und nur 22 % für Beschaffung und Betrieb anfallen, vom Stromversorger also tatsächlich zu beeinflussen sind. Derlei Informationen sollten dem Verbraucher viel öfter und deutlicher zur Verfügung gestellt werden!

Gesetzgeber und Bürokraten schildern die Macht der Konzerne oft in düsteren Farben. So entblödete sich etwa Verbraucherschutzminister Heiko Maas nicht, in einem Artikel aus dem Jahr 2014 der digitalen Industrie pauschal finstere Motive zu unterstellen: „so schnell wie im Silicon Valley neue Produkte erfunden werden, kann kein Staat der Welt Gesetze verabschieden“. Als ob jedes Produkt erst einmal dringend der Inspektion durch den Staat bedürfte … (Der Minister spricht hier übrigens von den Leuten, die unsere Informationsgesellschaft mit Google, Wikipedia & Co. exponentiell vorangebracht haben, Unterhaltung mit Diensten wie Netflix und Spotify für alle leichter zugänglich gemacht haben und die darüberhinaus auch unendlich viel forschen, um Medizin, Umweltschutz und Bildung zu verbessern.)

Energiewende – bezahlt vom Kindergeld

Natürlich gibt es gefährliche Konzernentscheidungen, verbrecherische Unternehmer und kurzsichtige Manager. Im Zweifel sollte aber doch nicht nur im rechtsstaatlichen, sondern auch im zwischenmenschlichen Umgang die Unschuldsvermutung gelten. Ersteres sollte gerade dem Justizminister bewusst sein, wenn er pauschale Verdächtigungen ausspricht – zumal er selber im vergangenen Jahr zurecht vor einem Pauschalverdacht gegenüber Flüchtlingen gewarnt hatte. Selbstverständlich sind in Unternehmen Menschen tätig, die ähnlichen Versuchungen ausgesetzt sind wie Politiker: den Versuchungen des Machtmissbrauchs. Insofern ist der aufmerksame Verbraucher durchaus gefragt. Aber eben auch der aufmerksame Bürger. Denn auch politische Maßnahmen wirken sich oft zum erheblichen Schaden des Verbrauchers und Bürgers aus.

Knapp 29 Euro im Jahr mehr fallen laut der Rechnung des Stromversorgers aufgrund der erhöhten Abgaben für den typischen Haushalt an. Unabhängig davon, ob Sie Rechtsanwalt oder Reinigungskraft sind. Da sind die zwei Euro Kindergelderhöhung auch gleich wieder futsch. Hier lässt sich sehr anschaulich verdeutlichen, wo das Problem staatlicher Interventionen für den Bürger liegt: Eine gigantische Summe Geld wird Jahr für Jahr aus den linken Taschen der Bürger genommen, um sie Ihnen anschließend mit großzügiger Geste in die rechte Hand zu drücken. Auf dem Umweg über den Staat kann die Politik dann noch bestimmen, wo diese vom Bürger erwirtschafteten Ressourcen besser eingesetzt werden können als wenn sie das Geld behalten hätten: bei der Unterstützung der Energiewende zum Beispiel oder im Kampf gegen den demographischen Wandel.

Der Bürger hat ein Recht zu wissen, wieviel Geld der Staat ihm abnimmt

Die (das zeigen gerade die populistischen Entwicklungen der jüngsten Zeit) brandgefährliche Pauschalschelte von Unternehmen sollten den vielen Menschen in unserem Land zu denken geben, die sich als Eigentümer oder verantwortliche Manager ehrlich und fleißig an der erheblichen Wertschöpfung in unserem Land beteiligen. Es könnte an der Zeit sein, sich gegen eine in Worten und Taten zunehmend übergriffige Politik auch deutlicher zur Wehr zu setzen. Mit fairen Mitteln, versteht sich, und ohne in dieselbe Polemik-Kiste zu greifen. Informationen wie diejenigen des Energiekonzerns sind wichtig – im Sinne des Verbraucherschutzes und der Wähler-Aufklärung. Der Bürger hat ein Recht zu wissen, wieviel Geld der Staat ihm abnimmt – nicht nur einmal im Jahr, wenn er sich durch seine Steuererklärung quält.

Hersteller von Produkten wie Energie, Treibstoff, Bier, Kaffee oder Tabak, die durch Steuern, Abgaben und Regulierungen einen hohen Staatsanteil am Preis zu verzeichnen haben, sollten deutlich auf den Steueranteil am Gesamtpreis hinweisen. In den Vereinigten Staaten werden Preise in der Regel ohne Mehrwertsteuer ausgezeichnet: Auch eine interessante Methode, um dem Bürger vor Augen zu führen, was der Staat nimmt. Nicht nur Unternehmen sollten sich vom Verbraucher stets observiert fühlen. Auch staatliche Akteure sollten sich unter beständiger Beobachtung wissen. An dieser Stelle ein kleiner Gruß an den Kanzlerkandidaten der SPD: Staatlich verursachte Preiserhöhungen wie beim Strom treffen vor allem die Geringverdiener hart. Während der Verbraucher in einer freien Marktwirtschaft in der Regel die Möglichkeit hat, betrügerischen Unternehmen aus dem Weg zu gehen, ist ihm dieser Weg beim Staat verwehrt. Umso mehr muss er sich schützen – vor den Übergriffen und Eingriffen der Politik. Hier ist Transparenz mindestens so wichtig wie bei Marktakteuren.

Photo: Sascha Kohlmann from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. N. Christian Hesse, wirtschaftspolitischer Referent und Redenschreiber.

Wie konnte es zu Trump und Brexit kommen, obwohl doch die Meinungseliten nachdrücklich vor den Folgen gewarnt haben? Von den zwei wichtigsten Erklärungssträngen – dem ökonomischen und dem kulturellen – wäre vor allem der politischen Linken die ökonomische Erklärung lieber, da sie dann ihre bekannten Umverteilungsinstrumente ins Spiel bringen könnten.  In Umfragen ist allerdings der kulturelle Erklärungsstrang bedeutender. Weder für Trump-Wähler noch für Brexiteers war die ökonomische Ungleichheit wahlentscheidend. In der Brexit-Kampagne wurde der Widerstandsgeist gegen eine als paternalistisch, regelbrechend und abgehoben dargestellte Brüsseler Elite geweckt. Der Hauptslogan der Brexiteers war „take back control“, nicht „increase taxes and redistribution“. Gegen welche Art von Elite sich die amerikanischen Wähler richteten, zeigt der Kandidat Trump. Er zählt zwar zur ökonomischen, nicht aber zur kulturellen Elite. Auch seine Wähler sind im Durchschnitt keineswegs so ökonomisch unterprivilegiert, wie oft behauptet wird.

Die Politologen Inglehart und Norris haben sich die Motive von Trump-Anhängern und Brexiteers genauer angesehen.[1] Sie erkennen einen kulturellen backlash und ein tiefes Misstrauen gegen das linksliberale Establishment. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien gibt es eine verbreitete, große Sorge vor illegaler Migration, vor allem aus wenig entwickelten Ländern. Aus dieser Sorge lässt sich noch keine generelle Fremdenfeindlichkeit und erst recht keine rassistische Einstellung ablesen, wohl aber eine Skepsis an der von vielen Kommentatoren gepriesenen Multi-Kulti-Gesellschaft.

Bei der nach diversen Gleichheitsidealen strebenden Meinungselite in Politik und Medien löst derartige Skepsis befremden aus. Denn die konkreten Probleme bei der praktischen Umsetzung der gut gemeinten Ideale dringen in die Elitenblasen kaum vor. Solche Blasen, in der sich jeder seine politische Meinung und moralische Erhabenheit bestätigen lässt, gab es freilich schon immer. Die heutige Blase der Meinungseliten ist aber nicht nur besonders groß, sondern auch besonders homogen. In der US-Hauptstadt Washington haben ganze 92,8 Prozent der Wähler Hilary Clinton gewählt. Unter US-Hauptstadtjournalisten sind die Präferenzen traditionell noch pro-demokratischer.[2]

Die Parteienpräferenz deutscher Meinungseliten ist zwar auch stark linkslastig, aber immerhin etwas gleichmäßiger verteilt. Für die Meinungspluralität bringt dies dennoch wenig, wenn sich alle im Bundestag vertretenen Parteien – mit einigen Abstrichen bei CSU und Linke – bei den entscheidenden europa-, gesellschafts-, migrations- und energiepolitischen Fragen weitgehend einig sind. Ein politisch korrekter Sprachcode erschwert es zusätzlich, die ohnehin ähnlichen Positionen zu unterscheiden. Es verwundert nicht, wenn in einer solchen Blase die Diskussionskultur leidet, der politische Wettstreit erlahmt und der Kontakt zur Außenwelt mehr und mehr abreißt. Die Kluft zwischen Journalisten und Lesern wächst genauso wie die zwischen Politikern und Wählern. Die resultierende Verdrossenheit beruht dann oft auf Gegenseitigkeit.

Es scheinen also weniger Neid und materielle Sorgen, auch kein (Fremden-)Hass zu sein, der viele Briten und US-Amerikaner bei ihrer Wahlentscheidung leitete. Eher eine Mischung aus Ohnmacht, Ärger und Verunsicherung. Ohnmacht, den Eliten in Washington bzw. Brüssel ausgeliefert zu sein. Ärger, sich für den eigenen Lebensstil und die eigenen Wertvorstellungen von diesen Eliten noch beschimpfen zu lassen. Verunsichert sind viele Menschen, wenn die Globalisierung, die EU-Integration und die internationalen Flüchtlingsströme abseits sanktionsbewährter Regeln über sie hereinbrechen. Vor allem die illegale Zuwanderung bereitet vielen Menschen große Sorgen. Forget the economy. It’s immigration, stupid.

Die Antworten der Meinungseliten, auch in Deutschland, fallen nun unterschiedlich aus. Einige wollen mit staatlichen Transfers die Gemüter beruhigen. In Österreich steckt die Regierung den Rentnern vor der kritischen Präsidentenwahl noch schnell 100 Euro zu. Andere verfolgen hartnäckig einen pädagogischen Ansatz. Die Politik müsse nur noch besser erklärt werden. Wieder andere werden pathetisch, geschichtsvergessen und maßlos. Nicht jede Kritik am Euro ist gleich eine Kriegserklärung, nicht jeder Tweet Trumps das Ende des Westens und nicht jeder rechte Kommunalpolitiker die Reinkarnation Hitlers.

Ordoliberale Ideen drohen im Wettstreit zwischen linken Meinungseliten und rechtem Protest unter die Räder zu kommen, wenn Protektionismus, Umverteilung und Konjunkturprogramme den scheinbar kleinsten gemeinsamen Nenner bilden. Wer weder den Bürgern, noch den selbst gesetzten Regeln, noch dem Markt mehr traut, dem bleiben nur politische Lösungen. Dabei wäre gerade hier mehr Skepsis angebracht.

Ordoliberale haben ein Grundvertrauen in die Bürger, in das Recht und in den Markt. Ihre Prinzipien und Werte können viele Menschen überzeugen, die sich enttäuscht von den Eliten abwenden. Sie müssen nur glaubhaft vertreten werden.

Freihandel

Der marktwirtschaftliche Wettbewerb und freier Handel, auch über Ländergrenzen hinweg, sind ebenso zentrale wie umstrittene Prinzipien der ordoliberalen Konzeption.  Zahlreiche Missverständnisse rund um den Freihandel halten sich hartnäckig. Während sein Beitrag zur weltweiten Armutsbekämpfung und zum friedlichen Miteinander beharrlich unterschätzt wird, wird er für globale Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht, mit denen er oft gar nichts zu tun hat. Ob wachsende Ungleichheit, globale Finanzkrisen oder Klimawandel: Ein Freihandel im ordoliberalen Sinne ist Teil der Lösung, nicht des Problems. So waren für die Finanzkrise 2008 nicht unregulierte, sondern fehlregulierte Märkte ursächlich. Man kann für den Freihandel sein, und die organisierte Verantwortungslosigkeit auf den internationalen Finanzmärkten kritisieren. Ordoliberale tun dies. Es würde schon helfen, den freien Güterhandel gedanklich stärker vom freien Personenverkehr zu trennen. Mehr Freihandel muss nicht mit mehr Migration einhergehen. Ganz im Gegenteil. Die internationale Arbeitsteilung macht Migration oft entbehrlich. Zudem kann Freihandel den Migrationsdruck mindern, indem er die wirtschaftlichen Perspektiven in den Herkunftsländern verbessert.

Doch ganz ohne Zumutungen ist auch der globale Freihandel nicht zu haben. Auf kulturelle Spannungen bietet der Freihandel alleine keine passende Antwort. Denn er beschleunigt den Strukturwandel und verändert damit den Alltag vieler Menschen oft schneller, als es ihnen recht ist. Dabei entwickelt er eine Eigendynamik, die zum Ohnmachtsgefühl der Bürger beiträgt. Doch diese Ohnmacht lässt sich begrenzen, ohne das ordoliberale Freihandelsprinzip aufzugeben. Es kommt darauf an, wie der Freihandel vertreten wird, unter welchen Spielregeln er stattfindet und wie diese Regeln durchgesetzt werden.

Demut

Das entscheidende ordoliberale Bewertungskriterium sind die Regelinteressen der souveränen Bürger. Die einzelnen Gesellschaftsmitglieder sind der Ausgangs- und Zielpunkt, keine Kollektive. Denn jeder Einzelne hat bestimmte Werte, Bedürfnisse, Kenntnisse, Fähigkeiten. Das Wissen einer Gesellschaft ist daher in Millionen Köpfen verteilt und, wie Hayek betonte, in den Traditionen, Sitten und Moralvorstellungen gespeichert. Kein Mensch kann sich in seiner kurzen Lebensspanne mehr Wissen aneignen als ein über Jahrhunderte währender Selektionsprozess. Einen anderen Eindruck zu erwecken, ist anmaßend. Doch die oben beschriebenen Eliten tun oft genau das. Wissensanmaßend sind zum Beispiel Politiker, die glauben, die Technologien der Zukunft zu kennen, Volkswirte, die auf zwei Nachkommastellen genau berechnen, wie viele Arbeitsplätze durch eine Subvention angeblich geschaffen wurden oder wie viel Euro und wie viel Cent der Brexit kostet, und Journalisten, die vom postfaktischen Zeitalter sprechen, ganz so, also hätte es jemals ein faktisches Zeitalter gegeben. Wissensanmaßend sind aber auch Bürger, die hinter jeder Hecke eine groß angelegte Verschwörung vermuten. Unwissen mag ärgerlich sein. Gefährlich aber ist, es sich nicht einzugestehen.

Es sind oft einfache Dinge, an die es zu Erinnern gilt: Politiker sollten nicht so tun, als ob sie ihr eigenes Geld, und nicht das der Steuerzahler, verteilen. Journalisten sollten zwischen Meinung und Nachricht, Wissenschaftler zwischen normativer und positiver Analyse unterscheiden können und diesen Unterschied auch kenntlich machen. Wir alle sollten die Regeln des anständigen Umgangs nicht vergessen, auch wenn wir uns bei Facebook einloggen. Im gleichen Maße, in dem sich Meinungseliten und Wutbürger zurücknehmen, gehen auch Ärger bzw. Überheblichkeit ihnen gegenüber zurück. Gegenseitiges Vertrauen kann wieder wachsen. Denn demütiges Auftreten bedeutet immer auch, dem anderen ein eigenes, souveränes Urteil zuzutrauen.

Subsidiarität

Um nicht nur dem Ärger, sondern auch dem Ohnmachtsgefühl der Menschen zu begegnen, hilft das Subsidiaritätsprinzip. Die Möglichkeiten, den globalen Freihandel lokal steuern zu können, mögen begrenzt sein. Dafür gibt es viele andere Politikfelder, über die die Menschen vor Ort am besten entscheiden können. Die Schweizer zeigen, wie das geht. Hier stimmen die Bürger direkt über viele Sachfragen ab. Wenn die Bürger aber nur alle Schaltjahre an die Urnen dürfen, entlädt sich die aufgebaute Frustration, oft recht unabhängig vom Anlass der Wahl.

In kleineren, dezentralen politischen Einheiten bekommen die Bürger so Kontrolle zurück. Sie können vor Ort die Konsequenzen von lokalen Entscheidungen und Regeln spüren und die handelnden Politiker für diese Konsequenzen haftbar machen. Fehler werden schneller erkannt und können entsprechend schneller korrigiert werden. Ein Wettbewerb um die besten Regeln wird möglich. Damit Entscheidungskompetenz nach unten abgegeben wird, braucht es oben die Einsicht, nicht alles regeln zu können – Demut also – und Vertrauen in die Bürgersouveränität, möglichst vor Ort über gute Regeln des Zusammenlebens entscheiden zu können.

Rechtsstaatlichkeit

Diese Regeln muss im ordoliberalen Ansatz der Staat durchsetzen und sich vor allem selbst an sie halten. Im Großen wie im Kleinen: Völkerrechtswidrige Kriege, gebrochene Verträge (Schengen), Klauseln (No-Bail-Out), Verbote (EZB-Staatsfinanzierung) und Abkommen (Dublin) tragen ebenso zur Erosion des Rechtsstaats bei wie No-Go-Areas, Abschiebeversagen, fehlender Respekt vor Polizisten und Delikte, bei denen erst gar keine Anzeige mehr aufgenommen wird. Das fatale Signal kommt bei den Bürgern an. Bei denen, die schon länger hier leben und bei denen, die es erst seit kurzem tun. Erodierendes Recht trug so zu erschütternden Taten vom Kölner Hauptbahnhof, der Freiburger Dreisam und dem Berliner Breitscheidplatz bei.

Um Regeln durchzusetzen und um, wie Wilhelm Röpke es ausdrückte, das Allgemeine und Dauernde zu bewahren, braucht es starke, unabhängige Institutionen. In einem funktionierenden Rechtsstaat mit einer starken Verfassung können einzelne Interessensgruppen wenig Einfluss nehmen und einzelne Politiker wenig bleibenden Schaden anrichten. Der Rechtsstaat hat seit dem 8. November 2016 deshalb auch bei den US-Demokraten neue Anhänger gefunden. Die Institutionen in den USA werden in den nächsten Jahren Gelegenheit haben, ihre Stärke zu beweisen. Die Institutionen der EU und insbesondere der Eurozone haben diesen Beweis bislang nicht erbracht. Mit jedem Regelbruch verlieren sie weiter an Vertrauen. Es mangelt in der Eurozone an glaubwürdigen Sanktionsmechanismen und letztlich an Exit-Optionen auch für Staaten, die sich an die Regeln dauerhaft nicht halten können oder wollen.

Fassen wir zusammen

Ohnmächtig, verärgert und verunsichert haben viele Menschen Donald Trump gewählt oder für den Brexit gestimmt. Darüber kann man sich echauffieren. Oder man kann mit ordoliberalen Prinzipien antworten. Der Freihandel bietet wirtschaftliche Perspektiven gerade für die Ärmsten. Gegen die Ohnmacht hilft die Rückverlagerung von Kompetenzen auf untere Ebenen. Die Antwort auf den Vertrauensverlust der Meinungseliten ist mehr Demut und eine konsequent rechtstaatliche Politik.

Die Chance ist da, für eine glaubwürdig vertretene ordoliberale Politik als Gegenentwurf zur linksliberalen Meinungselite und als Gegen-Gegenentwurf zum rechtsnationalen Protest Mehrheiten zu gewinnen. Das zeigt sich selbst im sozialistisch geprägten Frankreich und am Kandidaten Fillon. Dieser hatte es mit einer wirtschaftsliberalen und wertkonservativen Agenda zum aussichtsreichen Kandidaten gebracht. Sein Beispiel zeigt aber auch, wie schnell die Glaubwürdigkeit wieder weg ist, wenn man die eigenen Prinzipien nicht auch vorlebt. In Großbritannien und den USA sieht der Economist[3] die Regierungschefs vor dem Dilemma, nicht gleichzeitig populistische und marktwirtschaftliche Konservative sein zu können, wenn sie nicht entweder die Wähler oder die Märkte enttäuschen wollen. Die hier beschriebenen Prinzipien weisen einen Ausweg, den zumindest Theresa May vielleicht auch nutzen wird. Währenddessen vertiefen sich innerhalb der EU die Gräben weiter. Um diesen Prozess zu stoppen, sollten wir uns allen voran in Deutschland, dem Land Ludwig Erhards, wieder auf ordnungspolitische Prinzipien und damit auf die Erfolgsfaktoren der Sozialen Marktwirtschaft besinnen.


[1] Vgl. Inglehart, R. und P. Norris (2016): Trump, Brexit, and the Rise of Populism: Economic Have-Nots and Cultural Backlash.

[2] Vgl. Tim Groseclose (2011): „Left turn: How Liberal Media Bias Distorts the American Mind.“

[3] http://www.economist.com/blogs/buttonwood/2017/01/fatal-contradictions?fsrc=scn/fb/te/bl/ed/

Erstmals erschienen auf The European.

Photo: Sludge G from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Was bewegt den französischen Autohersteller PSA, Opel zu kaufen? Vielleicht ist es die Elektrostrategie der Rüsselsheimer, vielleicht ist es der Preis oder vielleicht ist es auch nur das dichte Vertriebsnetz Opels in Deutschland. Wir wissen es nicht. Ebenso wissen wir nicht, was das chinesische Unternehmen Midea bewegt hat, den Augsburger Roboterhersteller Kuka zu übernehmen. Ex-Wirtschaftsminister Gabriel wusste es jedoch gleich, so dass er einen Ausverkauf „deutscher Hochtechnologie“ heraufbeschwor. Gibt es denn „deutsche Hochtechnologie“? Nein, natürlich nicht.

Kuka gehörte nicht Sigmar Gabriel, der Bundesregierung oder allen Deutschen, sondern war im Streubesitz. Jeder konnte daher das Unternehmen kaufen. Die jeweiligen Beweggründe können dabei sehr unterschiedlich sein, warum ein chinesisches Unternehmen letztlich in das Augsburger Unternehmen investierte. Doch ist Midea eigentlich ein chinesisches Unternehmen? Immerhin sind 20 Prozent der Eigentümer nicht-chinesische Investoren. Wem gehört Opel? Neu-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries, den Opelanern in Rüsselsheim oder allen Deutschen? Nein, seit 1929 gehört die Adam Opel AG mehrheitlich zu General Motors in den USA. Ist PSA ein französisches Unternehmen, nur weil es Peugeots und Citroëns herstellt? Auch nicht so ganz, immerhin ist daran zu fast 13 Prozent ein chinesischer Investor beteiligt. Ist die Deutsche Bank eine deutsche Bank, nur weil sie so heißt und ihre Gründung in Deutschland war? Auch nicht ganz, immerhin sind 44 Prozent des Grundkapitals in ausländischem Eigentum.

Wer in solchen Kategorien denkt, ist nicht nur fremdenfeindlich, sondern offenbart auch ökonomische Blindheit. Letztlich unterstellen die Kritiker den Investoren destruktive Absichten. Das mögen Regierungen untereinander so handhaben, bei Wirtschaftsunternehmen ist das nicht sehr wahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Investor seine Investitionssumme mindestens mittel- bis langfristig vermehren will, ist weitaus größer, als dass er freiwillig Geld verbrennt. Unternehmen wollen wachsen, wollen ihre Ertragskraft erhöhen und neue Märkte erobern. Sie wollen ihre Aktionäre und Eigentümer nicht ärmer, sondern reicher machen. Alles andere ist ein Hirngespinst einer konstruktivistischen Industriepolitik. Seit 2000 soll General Motors in Europa mit Opel und anderen Marken über 15 Milliarden Dollar Verlust gemacht haben. Es ist nicht verwunderlich, dass GM so langsam die Geduld verliert. Für Opel mag die Zusammenarbeit mit PSA auch neue Chance bieten, hat GM doch bislang verhindert, dass Opel auch in Übersee seine Autos verkaufen konnte. Daher sind die Reflexe der Politik in den betroffenen Ländern besorgniserregend.

Gerade hat Gabriels Nachfolgerin Brigitte Zypries mit Italien und Frankreich einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, wie die EU künftig den „Ausverkauf europäischer Expertise“ verhindern kann. Es dürften künftig nicht nur Sicherheitsaspekte und die mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung als Untersagungsgrund möglich sein, sondern auch ökonomische Kriterien. Da fragt man sich, welche? Die Standorte, die Frauenquote oder die Anzahl der Unisex-Toiletten? Wo fängt es an und wo hört der Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Eigentum auf?

Grundsätzlich müsse auch die Reziprozität gelten, so der Plan. Also nur, wenn das Land, aus dem der Käufer stammt, ebenfalls ausländische Übernahmen ermöglicht, dann sei das auch im eigenen Land in Ordnung. Es lässt tief blicken, dass die Nachfolgerin von Ludwig Erhard so argumentiert. Sie hat das Einmaleins der Marktwirtschaft nicht verstanden. Wieso darben denn Länder wie Griechenland oder Portugal vor sich hin? Warum ist die Arbeitslosigkeit in Italien so hoch? Weshalb hinkt Frankreich beim Wachstum anderen hinterher? Sicher nicht, weil in diesen Ländern zu viel investiert wird. Ganz im Gegenteil, weder Investoren aus dem eigenen Land noch von außen wollen ihr Geld in diesen Ländern ausreichend anlegen. Es herrscht überall in diesen Ländern Investitionsmangel. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Der Arbeitsmarkt ist zu starr, die Bürokratie zu lähmend, der Staatseinfluss zu dominant oder die Steuern zu hoch. Es ist die europäische Krankheit, dass Auslandsinvestitionen als Gefahr und nicht als Ausdruck der Attraktivität des Standortes betrachtet werden. Wenn die deutsche Regierung sich die Industriepolitik der Länder mit sozialistisch geprägter Wirtschaftspolitik wie Italien und Frankreich zum Vorbild nimmt, die nachweislich zurückgefallen sind, dann gefährdet sie letztlich unser aller Wohlstand.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Was hat die Werbung für Tabak und die Werbung für eine politische Partei gemeinsam? Beides kann Nebenwirkungen haben. Rauchen schadet der Gesundheit, und die Wahl einer falschen Partei kann die Lebensumstände des Einzelnen negativ beeinflussen. Eine Partei, die die Steuern auf den Grunderwerb erhöht, trägt dazu bei, dass sich viele Bürger kein Eigenheim mehr leisten können. Eine Partei, die eine schlechte Bildungspolitik macht, trägt dazu bei, dass Kinder in der Schule versauern und ihre Talente nicht ausleben können. Und eine Partei, die die Unternehmen mit Bürokratie quält, trägt dazu bei, dass mittelbar keine neuen Arbeitsplätze entstehen.

Dennoch käme keiner auf die Idee, die politische Werbung zu verbieten. Unsere Demokratie nimmt in Kauf, dass ein Wahlergebnis für den Einzelnen auch Nachteile haben kann. Die Mehrheit entscheidet letztlich über die Minderheit. Die Nachteile für die Minderheit werden akzeptiert, da die Erfahrungen mit der Demokratie gezeigt haben, dass damit am ehesten ein unblutiger Machtübergang von einer Regierung zur andern möglich ist.

Die Nebenwirkungen des Tabakkonsums veranlassen jetzt jedoch die Regierung, das Verbot der Zigarettenwerbung zu fordern. Zumindest die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler hat das vorgeschlagen: „Wie schwer man wieder davon loskommt, dürfte jeder, der, so wie ich, einmal geraucht hat, sehr genau wissen,“ ließ sich die Regierungsbeauftragte in der FAZ zitieren.

In einer Marktwirtschaft entscheiden letztlich die Konsumenten über den Kauf eines Produktes. Die Produzenten versuchen, unter anderem durch Werbung auf ihre Produkte aufmerksam zu machen. So lange der Verkauf eines Produktes legal ist, es also nicht gestohlen oder unter falschen Angaben verkauft wird, sollte keine Regierung in die individuellen Kaufentscheidungen des Einzelnen eingreifen dürfen. In einer Marktwirtschaft herrscht Konsumentensouveränität.

Im Obrigkeitsstaat hingegen herrscht Unmündigkeit. Die Regierung traut dort dem Einzelnen nicht zu, selbstständig über sein Leben, seine Gesundheit und sein Wohlergehen zu entscheiden. Hier glaubt die Regierung, den Konsumenten lenken und steuern zu müssen. Die Marktwirtschaft sei so unübersichtlich, dass der Konsument den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen würde. Den Durchblick müsse daher der „große Bruder“ von der Regierung für den Einzelnen schaffen. In dieser Denke gibt es kein individuelles Konsumentenverhalten mehr, sondern nur ein kollektives Interesse. Das Rauchen schadet der solidarischen Krankenversicherung. Die Raucherpausen im Betrieb reduzieren das Bruttoinlandsprodukt. Und das Rauchen verpestet die Gaststätten.

Doch die Struktur- und Konstruktionsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung können nicht durch Konsumentscheidungen einzelner gelöst werden. Der Umgang mit Rauchern im Betrieb sollte die Unternehmensleitung mit den Arbeitnehmern selbst regeln. Und ob ein Gastwirt in seinem Restaurant oder seiner Kneipe Rauchen erlaubt oder nicht, sollte ihm persönlich überlassen bleiben. Der Konsument kann dann entscheiden, ob er dieses Angebot nutzen will oder nicht.

Das Verbot von Tabakwerbung wäre in der Welt des „großen Bruders“ nur der Anfang. Auch der übermäßige Konsum von Bier gefährdet sicherlich die Gesundheit. Der übermäßige Verzehr von Zucker beeinflusst vielleicht die durchschnittliche Lebenserwartung. Auch zu viele Kohlehydrate sollen zu Fettleibigkeit führen. Und das Autofahren gefährdet durch Schadstoffe unsere Umwelt. Wer so denkt, muss Werbung generell in Frage stellen. Er spielt sich dann aber als moralischer Oberlehrer auf, der unser Wirtschaftssystem grundlegend verändern will. Konsumenten sind keine Schafe, sondern müssen Selbstverantwortung übernehmen. Daran sollte eine Regierung ein Interesse haben. Werbeverbote passen nicht dazu.

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Von Dr. Titus Gebel, Unternehmer, Mitgründer der Deutschen Rohstoff AG, Gründer der Initiative “Free Private Cities“.

Vor vielen hundert Jahren waren die Menschen in Deutschland eingeengt durch Landesherren, Lokalfürsten und Bischöfe, die hohe Steuern forderten und das tägliche Leben bis ins kleinste regulierten. Der Kaiser war fern und hatte wenig Macht. Wer Freiheit, Selbstbestimmung und wirtschaftliche Verbesserung suchte, für den gab es nur einen Weg. Er musste in eine Freie Reichsstadt gelangen. Denn der Spruch „Stadtluft macht frei“ galt zu jener Zeit wörtlich. Der Leibeigenschaft konnte entgehen, wer entflohen und nach einer Frist von einem Jahr und einem Tag nicht wieder gefasst wurde. Am besten verließ man die Stadt während dieses Zeitraums nicht; „nach Jahr und Tag“ galt man als freier Mann.

Wieso konnten Freie Reichsstädte überhaupt existieren? Wieso ließen die Fürsten das zu? Tatsächlich waren „Freie und Reichsstädte“ das Ergebnis eines langen Kampfes ihrer Bewohner um mehr Selbstbestimmung. Dieses Abtrotzen von Rechten vom jeweiligen Stadtherrn, von vielen Rückschlägen gezeichnet, mündete schließlich in eine Art Stadtverfassung bis hin zur weitgehenden Unabhängigkeit (Freie Städte) bzw. Direktunterstellung unter kaiserliche Hoheit (Reichsstädte).

In der Stadt Köln etwa fand erstmals 1074 ein größerer Aufstand gegen den herrschenden Erzbischof statt, aufgrund von dessen Ungerechtigkeiten gegenüber Kölner Kaufleuten. Dieser wurde brutal niedergeschlagen. Aber der Drang zu mehr Eigenständigkeit war nicht aufzuhalten. 1103 ist ein eigenes Gericht erwähnt, das Schöffenkolleg, das vom erzbischöflichen Stadtherrn unabhängig war. Ab 1130 bezeichneten sich die Schöffen nach römischem Vorbild als Senatoren. 1216 konnte erstmals ein Stadtrat gegen den Widerstand des Erzbischofs eingerichtet werden. Schließlich verbündeten sich die Kölner 1288 mit einem der umliegenden Territorialfürsten gegen ihren Erzbischof, und besiegten diesen in der Schlacht von Worringen. Seitdem verwalteten sich die Kölner selbst.

Ähnliche Entwicklungen fanden anderswo statt. Die Freien Reichsstädte blühten auf und zogen scharenweise neue Siedler an. Und dann geschah etwas Überraschendes. Die bisherigen Stadtherren versuchten auf einmal nicht mehr, die städtische Unabhängigkeit zu verhindern, sondern versprachen im Gegenteil Ansässigen und Neusiedlern verbriefte Stadtrechte auf ihrem Territorium. Sie wussten um die wirtschaftliche Prosperität freier Städte und rechneten sich dadurch einen eigenen Vorteil aus. Die Städte wiederum bildeten im Laufe der Zeit mächtige Bündnisse wie den Süddeutschen Städtebund oder die Hanse, welche in ganz Nordeuropa Mitgliedstädte hatte und auch Großmächten trotzen konnte.

Vor diesem Hintergrund soll ein Vorschlag gemacht werden, wie wir in Anknüpfung an historische Vorbilder und unter Zuhilfenahme moderner Entwicklungen unser Zusammenleben in Zukunft gestalten könnten. Die Rede ist von Freien Privatstädten.

Analysieren wir zunächst den „Markt des Zusammenlebens“: Staaten existieren, weil offenbar eine Nachfrage nach ihnen besteht. Eine staatliche Ordnung schafft einen Rahmen, innerhalb dessen der Mensch sozial interagieren und friedlich Leistungen und Güter tauschen kann. Das Bestehen von Sicherheit und festen Regeln macht es möglich, dass Menschen in grosser Zahl mit- und nebeneinander leben können. Ein derartiges Zusammenleben ist so attraktiv, dass dafür auch erhebliche Freiheitseinschränkungen akzeptiert werden. Vermutlich würden selbst die meisten Nordkoreaner das Verbleiben in ihrem Land dem freien, aber einsamen Robinson-Dasein vorziehen.

Wenn man nun die Leistungen des Staates bieten und gleichzeitig dessen Nachteile – immer mehr Besteuerung, Bevormundung und Gängelung bei gleichzeitig permanenter Änderung der Spielregeln – vermeiden könnte, hätte man ein besseres Produkt geschaffen. Mein persönliches Fazit nach über 30 Jahren politischer Aktivität lautet, dass echte Freiheit im Sinne von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung auf demokratischem Wege nicht zu erreichen ist. Diese Werte werden schlicht nicht ausreichend nachgefragt.

Aber warum nicht ein entsprechendes Nischenprodukt anbieten? Hat es Erfolg, werden mehr Menschen Vergleichbares wollen. Und warum sollten „Staatsdienstleistungen“ nicht rein privatwirtschaftlich von Unternehmen angeboten werden können? All das, was wir vom Markt her kennen, ließe sich auf unser Zusammenleben übertragen: die enorme Vielfalt des Produktangebotes, das Recht etwas nicht zu kaufen, was uns nicht gefällt, schliesslich der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Modellen, der dafür sorgt, dass diese immer billiger und immer besser werden. Der „Staatsdienstleister“ bietet auf einem abgegrenzten Territorium ein bestimmtes Modell an und nur derjenige, dem dies zusagt, siedelt sich dort an. Solche Konzepte müssen attraktiv sein, sonst kommt niemand bzw. wandert wieder ab in andere Systeme.

Freie Privatstädte sind aus bekannten Elementen zusammengesetzt, stellen für sich genommen jedoch eine neuartige Alternative zu bisherigen Regierungssystemen dar. Sie sind herkömmlichen Staaten in mehreren Bereichen überlegen und haben daher auch eine Aussicht auf Umsetzung. Sie sind wie folgt charakterisiert:

1. Freie Privatstädte sind souveräne oder zumindest teilautonome Gebiete, welche als gewinnorientierte Unternehmen geführt werden. Für einen Jahresbeitrag gewährleistet die Betreibergesellschaft als Staatsdienstleister Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum in einem abgegrenzten Gebiet. Die Teilnahme ist freiwillig.

2. Alle Bewohner haben mit der Betreibergesellschaft einen schriftlichen „Bürgervertrag“ geschlossen, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten abschließend regelt. Dieser umfasst die vom Betreiber zu erbringenden Leistungen und die dafür zu bezahlende Summe, daneben die in der Freien Privatstadt geltenden Regeln. Dieser Bürgervertrag kann nicht einseitig geändert werden. Im Übrigen können die Bürger tun, was sie möchten, solange sie anderen nicht schaden.

3. Im Falle von Konflikten über Einhaltung oder Auslegung des Bürgervertrages ist jeder Bürger berechtigt, unabhängige Schiedsgerichte anzurufen, die nicht der Organisation des Betreibers angehören.

Diese Konstruktion hat den Vorteil, das sie bereits erprobt und bewährt ist. Sie entspricht dem, was wir aus den privaten Geschäften des täglichen Lebens kennen. Sei es der Brötchenkauf beim Bäcker, der Abschluss einer Versicherung oder die Beauftragung eines Steuerberaters. Stets liegt ein gegenseitiger, einvernehmlich geschlossener Vertrag zu Grunde. Dieser regelt, welches Produkt oder welche Dienstleistung zu welchen Bedingungen und zu welchem Preis zu liefern ist. Das gilt selbst dann, wenn der Vertrag – wie beim Bäcker – nur durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen ist. Der Käufer weiß, dass sein Vertragspartner ein wirtschaftliches Interesse hat; dieser muss ihm weder Gemeinwohl noch Menschheitsrettung als Motive vorgaukeln. Bei Streitigkeiten kann man sich an unabhängige Gerichte oder Schiedsstellen wenden. Kein Verkäufer würde damit durchkommen, dass er nachträglich einseitig den Vertragsinhalt ändert oder eine Streitschlichtung ausschließlich durch eigene Einrichtungen erlaubt.

Auch in einer Freien Privatstadt bezahlt der Bürger nur für das, was er bestellt hat. Er hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der Vertrag eingehalten wird, sowie einen Schadensersatzanspruch bei Schlechterfüllung. Streitigkeiten zwischen Bürgern und dem Betreiber werden vor neutralen Schiedsgerichten verhandelt. Ignoriert der Betreiber die Schiedssprüche oder missbraucht er seine Macht auf andere Weise, wandern seine Kunden ab, und er geht in die Insolvenz. Als privater Staatsdienstleister trägt er ein eigenes wirtschaftliches Risiko. Er kann die Kunden auch nicht zwingen, sein Produkt abzunehmen, sondern muss allein durch die Attraktivität seines Angebots Nachfrager finden.

Um eine Freie Privatstadt umzusetzen, ist eine Autonomie im Sinne territorialer Souveränität notwendig. Dies bedeutet nicht zwingend vollständige Unabhängigkeit, aber erfordert zumindest das Recht, die eigenen Angelegenheiten selbständig regeln zu dürfen. Zur Etablierung einer Freien Privatstadt bedarf es daher einer vertraglichen Vereinbarung mit einem bestehenden Staat. In diesem Vertrag räumt der Mutterstaat der Betreibergesellschaft das Recht ein, auf einem abgegrenzten Territorium die Freie Privatstadt zu den vereinbarten Bedingungen zu errichten.

Bestehende Staaten können für ein solches Konzept gewonnen werden, wenn sie sich Vorteile davon versprechen. Insofern unterscheiden sie sich nicht von den Fürsten aus der Zeit der Freien Reichsstädte. Um die Stadtstaaten Hong Kong, Singapur oder Monaco hat sich ein Kordon von dicht besiedelten und wohlhabenden Gegenden gebildet. Dessen Einwohner versteuern in den Mutterstaat. Wenn nun in einem vormals strukturschwachen oder unbesiedelten Gebiet derartige Gebilde entstehen, dann ist dies auch für den Mutterstaat ein gutes Geschäft. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Hongkong nach 1997 nicht von China einverleibt wurde.

Spinnt man den Gedanken weiter, könnten Freie Privatstädte auch ein Ausweg für unterdrückte Minderheiten und Flüchtlinge in Krisenregionen werden.

Wem gehört nun eine Freie Privatstadt? Sie gehört zunächst einmal allen, die dort Eigentum haben. Und wem gehört die Betreibergesellschaft? Hier ist von der Einzelfirma über die Aktiengesellschaft bis hin zur Genossenschaft alles denkbar. Vorstellbar ist, dass jeder Bewohner mit Ansiedlung einen Anteil an der Betreibergesellschaft erwirbt. Er hätte damit teil am wirtschaftlichem Erfolg und auch Mitspracherecht auf den Gesellschafterversammlungen, die über die Besetzung der Verwaltung entscheiden. Ebenso vorstellbar ist, dass der Staatsdienstleister nur einer Privatperson oder ausschließlich den Bewohnern gehört. Und auch alle Arten von Zwischenformen sind denkbar.

Die Eigentumsverhältnisse an der Betreibergesellschaft und die Regelung der Mitsprache sind gar nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist, dass der Betreiber oder auch ein von der Mehrheit gewähltes Gremium nicht immer mehr Befugnisse an sich ziehen und den Bewohnern in ihre Lebensgestaltung hineinreden kann. Daher sind der Vertrag mit jedem einzelnen und die entsprechende Rechtsposition so wichtig. Es geht um größtmögliche Selbstbestimmung, nicht um größtmögliche Mitbestimmung. Wenn jeder frei entscheiden kann, was er tun und wie er leben möchte, gibt es auch für Mitbestimmungsorgane wie Parlamente keinen wirklichen Bedarf. Diese laufen zudem immer Gefahr, von Interessengruppen oder der Regierung für ihre Zwecke gekapert zu werden.

Im Grunde stellt der Betreiber als Dienstleister nur den Rahmen, innerhalb dessen sich die Gesellschaft ergebnisoffen entwickeln kann. Die einzige Veränderungssperre zugunsten von Freiheit und Selbstbestimmung ist der Bürgervertrag. So können sich zwar die Bewohner auf eine Interessenvertretung einigen und etwa einen Gemeinderat etablieren. Aber auch wenn 99% der Bewohner dort mitmachen und sich freiwillig den Mehrheitsentscheidungen unterwerfen, hat dieses Gremium kein Recht, den übrigen 1%, die damit nichts zu tun haben wollen, seine Ideen aufzuzwingen. Das ist der Punkt, an dem bisherige Systeme regelmäßig gescheitert sind: die dauerhafte Gewährleistung der individuellen Freiheit.

Weder Demokratie, noch Verfassung, noch Gewaltenteilung, noch ausgeklügelte Checks and Balances haben sich als geeignet erwiesen, die Rechte des Einzelnen dauerhaft zu schützen. Stets reißen im Laufe der Zeit Gruppen oder Einzelpersonen die Macht an sich und missbrauchen diese nach eigenem Gutdünken.

Das liegt allerdings auch daran, dass alle bisherigen Ordnungen auf einem Über-/ Unterordnungssystem beruhen. Eine Seite ordnet an, die andere muss parieren. Eine Seite ändert ständig die Spielregeln, die andere kann nichts dagegen tun. Das betrifft leider auch die Regeln, die zum Schutz des Einzelnen gedacht sind. Die jeweiligen Machthaber tragen zudem kein eigenes wirtschaftliches Risiko für Fehlentscheidungen, sind rechtlich immun gegen Haftung und haben gegenüber den Regierten keine einklagbaren Verpflichtungen. Eine derartige Macht ohne Haftung korrumpiert am Ende jeden.

In der Freien Privatstadt hingegen ist jeder Souverän Seiner Selbst, der aufgrund freiwilliger Vereinbarung einen echten Vertrag mit einem mehr oder weniger gewöhnlichen Dienstleister abgeschlossen hat. Beide Parteien sind formal gleichberechtigt und somit rechtlich auf Augenhöhe. An die Stelle des Verhältnisses Obrigkeit-Untertan tritt das Verhältnis Kunde-Dienstleister. In herkömmlichen Systemen ist der Bürger zur Steuerzahlung verpflichtet, ohne ein korrespondierendes Leistungsrecht zu haben. In einer Freien Privatstadt stehen Leistung und Gegenleistung in einer direkten Beziehung. Beide Vertragspartner haben einen Anspruch auf Vertragserfüllung, d.h. der Betreiber kann vom Bürger die Zahlung des festgesetzten Beitrags verlangen, aber eben keine zusätzlichen Beträge. Der Bürger wiederum kann vom Betreiber einklagen, dass dieser seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt, indem er etwa Sicherheit und ein funktionierendes Zivilrechtssystem gewährleistet. Wer der Betreibergesellschaft gerade vorsteht und wem diese gehört, ist für das Funktionieren des Modells ohne Belang.

Im Ergebnis weisen Freie Privatstädte gegenüber den Staaten wie wir sie kennen, erhebliche Wettbewerbsvorteile auf:

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