Photo: Justin Ennis from Flickr (CC BY 2.0)
Von Franco Debenedetti, Unternehmer, ehemaliges Mitglied des italienischen Senats und Präsident unseres Partnerinstituts „Istituto Bruno Leoni„.
Die italienische Bankenkrise bedarf gerade eines deutlichen Zwischenrufs: Das Ausmaß der Artikel und Interviews, in Zeitungen und Blogs, die sich darüber auslassen, was zu tun und was zu lassen sei, ist zu einem Punkt gekommen, an dem es nötig ist, eine Einordnung vorzunehmen.
Die widersprüchlichen Argumente
Sie reduzieren sich letztlich darauf, dass man sich einerseits die „ever closer union“ ersehnt, die Fiskalunion und die Vereinigten Staaten von Europa, während man sich andererseits dafür ausspricht, die Maastricht-Kriterien aufzuweichen und die Vorschriften der Bankenunion nicht zu befolgen. Die EU hat keine Verfassung, sie hat keine eigene politische Geschichte – sie hat nur ihre Verträge. Auf der Website der EU liest man: „Die Europäische Union basiert auf dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet, dass jede Tätigkeit der EU auf Verträgen beruht“. Ohne Verträge gibt es keine EU. Es ist ein Widerspruch, wenn man mehr Europa will, aber gleichzeitig das Europa von 1992 untergräbt, den ersten großen Schritt nach vorn, und auch die zwanzig Jahre später als lang ersehnten zweiten Schritt begrüßte Bankenunion.
Die kontraproduktiven Argumente
Eine Lawine … Manche argumentieren, es gebe natürlich die Banca Monte dei Paschi di Siena – aber es gebe ja auch die Deutsche Bank. Es gebe unsere Staatshilfen, aber auch die der anderen. Es wird erklärt, dass unser Problem nur Ausdruck eines viel größeren Problems sei. Und dann endet man mit dem Vorwurf an die Obrigkeiten, die unsere Forderungen beurteilen werden, unaufmerksam oder parteiisch zu sein. Faule Kredite seien etwas Anderes als Derivate; frühere Kritikpunkte hätten mit der jetzigen Situation nichts zu tun. Wenn man immer auf die Fehler der anderen hinweist, kann es sein, dass man irgendwann dazu ermahnt wird, einmal wieder auf die eigenen zu Blicken: vernichtetes Kapital, subventioniertes Wachstum, verschlechterte Kredite – es gibt genug Schwachpunkte.
Es ist kontraproduktiv, dem Brexit die Schuld zu geben: Ein Ereignis, das beweist, wie wichtig es ist, dass die Banken ausreichend Kapitalausstattung haben, um Schocks zu überstehen, kann nicht angeführt werden, um ein Auge zuzudrücken gegenüber denjenigen, die nicht ausreichend Kapital haben. Das gleiche gilt für die Umstellung von nachrangigen Anleihen in den Händen institutioneller Inverstoren in Aktien: Manch einer sagt, das könne man nicht machen, weil es den europäischen Markt für nachrangige Anleihen in Panik versetzen würde. Doch wenn das so wäre, dann würde das bedeuten, dass die Investoren nicht daran glauben, dass die Direktive je angewandt würde. Eine Einladung an die Obrigkeit, im Fall der Bank aus Siena unnachgiebig zu sein, um ganz Europa zu beweisen: wir meinen es ernst.
Die peinlichen Argumente
Manche erwarten ein Moratorium bei der Anwendung der Bail-in-Klauseln. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie die Probleme, die damit verbunden sein können, erst erkannt haben als sie nicht mehr theoretisch, sondern real waren. Dasselbe gilt auch für die Rettungen mit öffentlichem Kapital aus Deutschland (jemand sagt auch aus Großbritannien, als ob es Teil der Bankenunion wäre). Ist es ein Zeichen von Vorausschau oder auch nur Klugheit, immer stolz behauptet zu haben, man brauche das nicht?
Die fehlenden Argumente
Allenthalben hört man Beschwerden, dass den Italienern die ökonomische Bildung fehle, aber keiner spricht aus, wer in seiner Pflicht scheitert, diese zu ermöglichen. Das fängt bei der ersten Lektion an: Was für den einen eine Unterstützung ist, ist für den anderen eine Ausgabe, die von jemandem finanziert werden muss – entweder heute mit Steuern oder morgen mit den Zinszahlungen auf neue Schulden. Es scheint, dass die vier Banken (von Marche, Ferrara, Etruria, Chieti), die Ende 2015 pleite gingen, für 500 Millionen verkauft werden können? Ihre Rettung hat 1500 Millionen gekostet. Die Differenz wird den Interbanken-Fonds mit Garantien bezahlen, mithin also die Einleger in Form von geringerer Güte der Garantien. Falls es dem Fond Atlante nicht gelingen sollte, die großzügig bewerteten Bankenkredite zurückzugewinnen, dann wäre das ein Geschenk an die Bankaktionäre. Bezahlt würde das von dem Geld, das aus den Banken und Rentenkassen genommen wurde. Und die letzte Lektion lautet: Im Nachhinein führen diese Rettungen notwendigerweise in eine Situation des „moral hazard“. Sie laden Banken und Banker ein, weiterzumachen wie bisher. Schließlich bezahlt die Rechnung am Ende doch ein anderer.
„La mala educaciòn“ – Die schlechte Erziehung
Wenn der Interessenkonflikt der Regierungen nicht ans Licht gebracht wird. Sie haben in zweifacher Hinsicht ein Interesse daran, zu intervenieren und die Banken zu retten. Einerseits stoßen sie auf Zuspruch, weil sie „ein Problem gelöst“ haben und sie legen sich die Instrumente bereit, um das in Zukunft wieder zu tun. Indem sie als Kapitalgeber der Banken fungieren, gewinnen sie andererseits Gewicht im Prozess der Kreditvergabe, wenn es um Gelegenheiten der „Problemlösung“ geht, die öffentliches Interesse auf sich ziehen: sei es bei der Rettung des Stahlherstellers Ilva, beim Breitbandausbau oder beim Fonds „Atlante“. Dass die ökonomischen Interessen der „Geretteten“ gegebenenfalls nicht mit ihrem politischen Votum über ihren „Retter“ Renzi übereinstimmen, ist auch ein Widerspruch. Von allen, die wir hier gesehen haben, aber vielleicht der harmloseste.
Erstmals erschienen in der Zeitung „Il Foglio quotidiano“ und veröffentlicht auf dem Blog von Franco Debenedetti, eigene Übersetzung.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!