Photo: Global Justice Now from Flickr (CC BY 2.0)

Kritiker des Freihandelsabkommens TTIP formieren sich. Nicht erst seit der Großdemonstration am 10. Oktober in Berlin. Von links bis rechts gehen Tausende auf die Straße und malen die Knechtschaft des Kapitalismus an die Wand. Sozialabbau und Umweltverschmutzung seien die Folgen, und die Großkonzerne würden sich über internationale Schiedsgerichtsverfahren am Steuerzahler schadlos halten. In dieses Horn blies am Montag auch die ARD in der Sendereihe „Die Story im Ersten“. „Konzerne klagen – wir zahlen“ war der Titel und auch der ausschließliche Inhalt der halbstündigen Sendung. Eine Differenzierung war der dem Grundversorgungsauftrag verpflichtete „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“, neudeutsch ARD, erst gar nicht eingefallen.

Stattdessen wurde „investigativ“ dargestellt, dass Anwaltskanzleien in den USA sich auf internationale Schiedsgerichtsverfahren spezialisierten und damit viel Geld verdienen. Wer hätte das gedacht? Skandal! Was sagen die Autoren denn dazu, dass sich hierzulande Anwälte auf Ehescheidungen oder Nachbarschaftsstreitereien konzentrieren und damit gutes Geld verdienen. Das kann doch nicht richtig sein, oder?

Schiedsgerichte sind richtig und notwendig. Sie sind auch nichts Ungewöhnliches. Der Kaninchenzüchterverband hat eins, der „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) hat eins und der Deutsche Gewerkschaftsbund hat auch eins. Deren private Gerichte tagen nichtöffentlich, ihre Richter müssen nicht im Hauptberuf Richter sein und eine Revision vor einem ordentlichen staatlichen Gericht ist ebenfalls nicht möglich. Kein Vereinsmeier und kein Gewerkschaftsfunktionär käme deshalb auf die Idee, diese privaten Schiedsgerichte an einen staatlichen Gerichtshof zu verlagern. Und der DGB würde mit Recht sagen: „Was interessiert das den Deutschen Arbeitgeberverband wie wir unsere internen Streitigkeiten beilegen?“

Internationale Schiedsgerichte schützen Eigentümer vor dem willkürlichen Zugriff des Staates auf sein Hab und Gut. Das passiert nicht nur in Bananenrepubliken oder bei despotischen Herrschern, sondern überall wo der Rechtspositivismus wütet. Immer dann, wenn sich politische Mehrheiten ändern und die neuen Machthaber aus ideologischen Gründen das Eigentum Einzelner aushöhlen, mit Auflagen versehen oder kalt enteignen wollen.

Die Methoden sind in unserer Hemisphäre vielleicht etwas subtiler, eleganter und gewiefter. Das Ergebnis ist jedoch das Gleiche: die Mehrheit greift dem Einzelnen in die Tasche. Dass dies Unternehmen, die ihre Waren und Dienstleistungen anderen auf dieser Welt anbieten wollen, verhindern wollen, ist doch nur gut und richtig. Was spricht dagegen, die Konsumenten dieser Produkte über die Beschaffenheit und Qualität entscheiden zu lassen und nicht die Regierung?

Als Beispiel hat die ARD die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen das Land Hamburg um das Kohlekraftwerk Moorburg angeführt. Der CDU-Senat bewilligte 2005 das Projekt. 2008 verteuerte die grüne Umweltsenatorin mit immer neuen Auflagen die Investition. Dagegen klagte Vattenfall vor einem internationalen Schiedsgericht auf Schadenersatz von 1,4 Milliarden Euro. Dieser Druck führte dazu, dass das Land Hamburg sich auf Vattenfall zubewegte und man sich anschließend außergerichtlich einigte.

Ohne diese Klagemöglichkeit wäre die Investition für Vattenfall unrentabel geworden. Schiedsgerichte schaffen Rechtssicherheit für ausländische Investoren. Sie müssen sich nicht auf nationale Richter verlassen, die vom dortigen Staat bestellt und bezahlt werden.

Gerade Schiedsgerichte sind daher ein großer Verdienst der Freihandelsbewegung auf dieser Welt. Sie disziplinieren Regierungen. Denn jede Rechtsänderung, die enteignungsgleiche Wirkung entfaltet, führt zu Schadensersatzansprüchen der Investoren gegen diesen Staat und seine Regierung. Sie sind ein Entmachtungsinstrument. Sie zwingen die Regierungen und Parlamente, eine zweckunabhängige Rechtsordnung zu schaffen, die für alle gleich ist. Jetzt könnten Kritiker einwerfen, dass diese internationalen Schiedsverfahren heimischen Unternehmen gegenüber der eigenen Regierung versagt bleiben und dies doch ungerecht sei.

Das stimmt, daher ist zu überlegen, ob diese positive Wirkung der Entmachtung des Staates auch auf Unternehmen, Institutionen und Bürger in unserem Land ausgeweitet werden sollte. Warum sollen Schiedsgerichte nur dem BUND, ver.di oder dem Bauernverband vorbehalten sein? Warum nur innerhalb eines Vereins oder Organisation und nicht gegenüber einer Kommune, dem Land oder dem Bund? Die Gleichheit vor dem Recht wäre ein Stückchen mehr realisiert.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

8 Kommentare
  1. j.h.schröters
    j.h.schröters sagte:

    Das Problem sind nicht die Anwälte. Das Problem ist der Markt der dort entsteht und die exorbitanten Gewinne die er nicht nur verspricht sondern auch hält.
    Mittlerweile gibt es nämlich Versicherer die auf Mittlere Unternehmen zugehen um ihnen eine Klage schmackhaft zu machen die sie sich eigentlich nicht leisten können. Natürlich müssen die Klagekosten bei einem Sieg mit 400% zurückgezahlt werden plus 15% des Schadensersatzes das aus dem Urteil zugesprochen wurde. Um es kurz zu machen. Die Politik beschließt ein Abkommen das einen Markt erschafft der es Privatunternehmen ermöglicht direkt in den Steuertopf zu greifen. Bald nach Ratifizierung werden wir feststellen das man nicht mehr Investieren will sondern nur noch klagen. Wenn ich 400Millionen verdienen kann mit ner Klage, warum dann Investieren wenn die Investition vielleicht u.u. 430Millionen im besten Fall verspricht?
    Machen wir uns nichts vor. Unternehmer waren schon immer Cleverer als Politiker weil Unternehmer einfach einen Schritt weiter denken als Politiker. Deren Denke reicht nur von einer Wahlperiode bis zur nächsten. Und bei den meisten noch nicht mal das. In Krisen schreien ALLE nach dem Staat. In guten Zeiten wollen ihn alle kaputt machen. Was ist das nur.

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  2. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    http://www.attac.de/kampagnen/freihandelsfalle-ttip/hintergrund/ceta/
    Paralleljustiz und Zombieklauseln
    CETA ist der erste
    Handelsvertrag der EU, der private Schiedsgerichte vorsieht: Unternehmen können die Vertragsstaaten vor Tribunalen verklagen, wenn sie ihre zukünftigen Profiterwartungen durch Gesetzgebungen eingeschränkt sehen.
    Damit kommen auf die Staaten Klagen in Milliardenhöhe zu. Zugleich wird der Spielraum für eine Gesetzgebung zugunsten des Gemeinwohls erheblich eingeschränkt. Profitieren werden vor allem Transnationale Konzerne.
    Viele der größten US-Firmen unterhalten in Kanada Niederlassungen. Über CETA würden sie EU-Staaten verklagen können, selbst wenn das TTIP-Abkommen zwischen den USA und der EU scheitert.CETA wird völkerrechtlich bindend sein und sich kaum mehr zurücknehmen
    lassen. Die berüchtigte „Zombieklausel“ in Kapitel 34 sieht für den unwahrscheinlichen Fall einer Auflösung von CETA sogar vor, dass die Klagerechte für Investoren noch weitere 20 Jahre erhalten bleiben.

    Schnelleres Bevölkerungswachstum als angenommen
    http://www.sueddeutsche.de/news/leben/bevoelkerung-schnelleres-bevoelkerungswachstum-als-angenommen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-150729-99-12238

    Deutschland lehnt Freihandelsabkommen vorerst ab
    Kanadas Pläne zum Investorenschutz gehen der Bundesregierung offenbar zu weit. Diese deutsche Ablehnung könnte auch das TTIP-Abkommen mit den USA platzen lassen.
    http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-07/ceta-ttip-deutschland

    TTIP – Gefahren für die Demokratie abwenden
    https://www.lobbycontrol.de/schwerpunkt/ttip/

    Gerade bei der ständigen Zunahme der weltweiten Bevölkerung, der sinnlosen Ressourcenverschwendung und der Abholzung von Regenwäldern ist es nicht vorteilhaft, wenn unsere Demokratien ihre Zepter an Konzerne abgeben.

    Die FDP spricht von sinnloser Angst und irgendwelchen Chlorhühnchen.

    Angst ist nichts Sinnloses, sondern eine Schutzfunktion des Menschen.
    http://www.fdp.de/content/informieren-statt-angste-ausnutzen

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  3. j.h.schröters
    j.h.schröters sagte:

    Das linke attac pack lehnt das Abkommen aber nur ab weil sie selbst das Geld des Steuerzahlers für ihre eigene Umverteilungsmaschinerie benötigt.
    TTIP für die also nichts anderes ist als ein Konkurrent am Fresstrog des Steuerzahlers. Extremismus wohin man schaut.
    Adjö liberale Welt des Interessensausgleichs.

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    • Ralf Becker
      Ralf Becker sagte:

      Es gibt eigentlich auch keine Partei oder Gruppierung, die perfekte Ansichten hat. Letztlich ist jeder auch selbst gefordert, mögliche Fehler seiner Mitmenschen selbst herauszufinden.

      Ich selbst bin – obwohl eindeutig links eingestellt – aber trotzdem nicht für Umverteilung, weil es für Leistungsempfänger dann unzureichend Arbeitsanreize gibt. Hartz IV ist eine Art Sozial-Rassismus und daher reformbedürftig.

      Die SPD behauptet zwar von sich eine soziale Partei zu sein, aber komischerweise ist sie gleichzeitig ein Medienkonzern und bekommt auch sehr hohe Parteispenden von der Wirtschaft.
      Leider ist die FDP bezüglich der Parteispenden und der zu eindeutigen Wirtschaftsnähe auch keine Ausnahme.

      Daher ist es leider der Fall, dass die Altparteien nicht die Politik machen, die sie ohne eine Abhängigkeit von der Wirtschaft gemacht hätten.

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      • j.h.schröters
        j.h.schröters sagte:

        Wie kann das Leben oder ne Partei perfekt sein wenn es der
        Mensch nicht ist? Insofern würd ich also doch meinen dass die Liberalen der Natur der Dinge am nächsten stehen.
        Davon aber mal abgesehen stehen sie, wenn sie links sind, nicht wirklich falsch. In der DDR 2.0 ist es in allen Belangen bessere sich als Sozialist zu bezeichnen. Nur nicht vergessen in dem Zusammenhang auch immer das Wort Freiheit zu benutzen wenn man selbige beschränkt, die Bürger bestiehlt und mit Gesetzen, Reglementierungen und Verordnungen solang drangsaliert bis nichts mehr da ist von der Würde des Menschen auf Selbstbestimmung. Genau dort wo die Würde nämlich beginnt ist sie für die Sozis bereits zu ende. Alles was die zu bieten haben ist das was sie vorher geklaut, gestohlen, gezogen und geraubt haben. Ich bin in der Original DDR aufgewachsen und weis wovon ich spreche.
        Naja macht halt jeder das was er am besten kann.
        Sie sind doch kein dummer Herr Becker; lassen Sie die linken links liegen und entscheiden ab sofort für sich selbst.:-)

        Antworten
        • Ralf Becker
          Ralf Becker sagte:

          „Links“ ist nicht die Zugehörigkeit zu einer Linkspartei, sondern mehr eine auf Gerechtigkeit abzielende Politik. Der parteilose Bernie Sanders gilt auch als Linker. Aber in Wirklichkeit ist er ein Liberaler.

          Sicher ist es jedenfalls, dass ich im Zweifel keine Politik wählen werde, die die Interessen von Milliardären zementieren könnte.

          Insgesamt lässt die Geheimnistuerei unserer Regierung es fast schon vermuten, dass es ohnehin eine Währungsreform geben wird.

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          • j.h.schröters
            j.h.schröters sagte:

            Gerechtigkeit! Was ist das und wo findet man die?
            Ich würd meinen im Leben von Zivilgesellschaften geht es mehr um den Ausgleich von Interessen.
            Was die Milliardäre anbelangt, solang die, genau wie jeder andere auch, nur einen Arsch haben um ihrem Hobby zu frönen ist da nichts was sie mir, ihnen und anderen ungerechterweise vorenthalten oder wegnehmen können. Wohlstand ist eben immer ne Sache der Definition. Finanzieller Reichtum und Materielle Reichtum nicht zwangsläufig dasselbe.
            Sollten sie große Zahlen beunruhigen schauen sie einfach nicht hin oder schauen sie ganz genau hin. Dann verlieren die Dinge ihren schrecken und sie müssen nicht in konspirative Verschwörungen abdriften…..Geheimnistuerei, Währungsreform.:-))

          • Ralf Becker
            Ralf Becker sagte:

            Dass das System nicht funktioniert, kann man bereits daran erkennen, dass man sowohl bei uns als auch in den USA nur dann an die Regierung kommt, wenn man Geld hat. Dieser Umstand kann in der derzeitigen Krise nicht hilfreich sein.

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