Photo: emma freeman portraits from Flickr (CC BY 2.0)

Vermutlich haben schon im Alten Ägypten die Menschen über soziale Ungerechtigkeit geklagt. Freilich haben selbst die Ärmeren vor fünfzig Jahren nicht mehr sehr viel gemeinsam mit dem ärmeren Teil der Bevölkerung heute. Der Technik und der Marktwirtschaft sei Dank.

Bittere Armut kann überwunden werden

Der diesjährige Ökonomie-Nobelpreisträger Angus Deaton hat vor zwei Jahren ein Buch geschrieben unter dem Titel „The Great Escape – Health, Wealth and the Origins of Inequality“. Er schildert darin, wie es insbesondere den westlichen Gesellschaften gelang, aus Not, Armut und der Sorge um das tägliche Überleben herauszukommen. Erfreulicherweise ist diese Tendenz inzwischen auch in Schwellen- und Entwicklungsländern zu beobachten. Diese Entwicklung hängt zusammen mit dem zunehmenden Wirtschaftswachstum, aber besonders auch mit dem beständigen und geradezu exponentiellen Fortschritt von Technik und Wissenschaft. Allein schon der medizinische Fortschritt in den letzten 150 Jahren ist atemberaubend.

Echte Armut ist hart und oft genug auch eine Bedrohung der Menschenwürde der Betroffenen. Darum muss man sie bekämpfen, wo man kann. Dass uns das einigermaßen gelingt, kann man etwa daran erkennen, dass sich der Anteil an der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt (weniger als 1,25 $ pro Tag), von 43,1 % im Jahr 1990 auf 20,6 % im Jahr 2010 reduziert hat. Und das obwohl die Weltbevölkerung in der gleichen Zeit von 5,3 auf 6,9 Milliarden gestiegen ist. Diese extreme Armut finden wir in unseren Breitengraden zum Glück nicht mehr vor. Aber natürlich gibt es auch hierzulande noch viele Menschen, die gezwungen sind, ihre Ausgaben sehr genau zu kalkulieren.

Armut ist nicht nur eine Geldfrage

Und doch ist die Schere zwischen Arm und Reich inzwischen in vielerlei Hinsicht nur noch als Luxusedition vorzufinden. Natürlich definiert sich Armut nicht nur monetär. Aber gerade die Ungleichheits-Kritiker argumentieren ja oft mit entsprechenden Statistiken. Diese Zahlen sind jedoch meist wenig aussagekräftig – wie das bei bloßen Zahlen ja oft der Fall ist. Einen besseren Einblick in die Entwicklungen bekommt man, wenn man sich konkrete Beispiele ansieht. Eine Form, die ökonomischen Veränderungen präziser darzustellen, kann darin bestehen, dass man sich ansieht, wie viele Stunden ein Durchschnittsverdiener für ein bestimmtes Produkt arbeiten musste bzw. muss. Besonders spannend daran ist, dass man auch noch die Qualität der Produkte vergleichen kann. Mithin kann man mit dieser Methode also nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den technischen Fortschritt visualisieren. Und beides ist substantiell für die Bekämpfung von Armut. Gerade weil sie sich nicht nur in Geld, sondern wesentlich auch in Lebensqualität bemisst.

Hätte ein normal verdienender Handwerker im Jahr 1953 für sich und seine Frau einen Hin- und Rückflug von Düsseldorf nach New York buchen wollen, dann hätte er dafür fast 7800 Stunden arbeiten müssen – dreieinhalb Jahre. Sein Enkel in ähnlicher Position arbeitet dafür gerade einmal 41 Stunden, also etwas mehr als eine Woche. Und auch wenn der Enkel an Bord unter Umständen keinen Whiskey mehr umsonst serviert bekommt, stehen dafür die Chancen gut, dass er den Flug damit zubringen kann, sich auf seinem Tablet Hollywood-Blockbuster im Stream anzusehen.

Die Lebensqualität verbessert sich rapide

Inzwischen gehören in den allermeisten Haushalten Waschmaschinen und Fernseher zur Grundausstattung. Das liegt auch daran, dass sie erheblich günstiger geworden sind. Im Jahr 1967 musste ein Normalverdiener 265 Stunden arbeiten, um sich eine Waschmaschine von Bosch zu kaufen und 455 Stunden für den ersten Farbfernseher von Blaupunkt. Heute arbeitet er 23,5 Stunden für die Bosch-Waschmaschine und etwas mehr als 19 Stunden für den LED-Fernseher von Blaupunkt. Er kann sich aber nicht nur viel rascher die Geräte kaufen (und auch mehr von ihnen). Auch die Qualität hat sich enorm verbessert. Die Waschmaschine geht pfleglicher mit der Wäsche um, verbraucht erheblich weniger Wasser und Strom und auch die Umweltbelastung ist geringer. Der Fernseher hat nicht nur eine Farb- und Tonqualität, die mit der seines Vorgängers vor 50 Jahren eigentlich nicht einmal mehr Ähnlichkeit hat. Man kann mit ihm auch ins Internet gehen, Filme streamen, aus hunderten von deutschen und abertausenden von internationalen Programmen bis zu den ausgefallensten Spartensendern auswählen. Schließlich nimmt er auch noch weniger Platz im Raum ein als sein schwergewichtiger Röhren-Ahne.

Und wenn wir nur eine kürzere Zeitspanne zurückblicken, wird der Vergleich eigentlich noch unglaublicher. Während der Durchschnittsverdiener 1992 noch mehr als 56 Stunden arbeiten musste, um sich das Siemens Koffertelefon leisten zu können (nein, das hatte keine Wählscheibe mehr …), ist der Smartphone-Klassiker Samsung Galaxy S3 Mini heute schon zum Gegenwert von nicht einmal vier Arbeitsstunden zu haben (selbst der Mindestlohnempfänger muss nur etwas mehr als zehn Stunden dafür arbeiten). Dieses Gerät kann aber gleichzeitig als Wecker und als Straßenkarte fungieren, sich mit dem Internet verbinden, Fotos und Videos machen, Musik abspielen und und und … Jede Sechstklässlerin, ja jeder Flüchtling kann sich inzwischen so ein Gerät leisten und sein Leben dadurch substantiell erleichtern.

Die Schere vergolden

Wer Ungleichheit beklagt und die Schere zwischen Arm und Reich wieder und wieder anführt, tut gut daran, die Frage einmal unter dem Aspekt des sich dank technischen Fortschritts und wirtschaftlichen Wachstums beständig erweiternden Konsumspektrums zu sehen. Vom Stand der medizinischen Versorgung bis zur Mobilität, von der Kommunikationstechnik bis zu Zeit und Arbeit ersparenden Haushaltsgeräten: Das Leben ist in den vergangenen Jahrzehnten für alle Menschen um Quantensprünge besser geworden. Wer möchte, dass immer mehr Menschen daran teilhaben können, muss sich für technischen Fortschritt und mehr Marktwirtschaft einsetzen. Damit die Schere zwischen Arm und Reich eines Tages aus Gold ist, mit Diamanten besetzt und mit einem kostenlosen Internetzugang ausgestattet!

Die in diesem Artikel verwendete Methode, Produkte und zu deren Anschaffung nötige Arbeitsstunden über die Jahrzehnte hinweg zu vergleichen, hat der Verfasser erstmals in einem Vortrag des amerikanischen Ökonomen Donald J. Boudreaux kennengelernt. Sein Vortrag findet sich hier. Den Datenvergleich zum Artikel finden Sie hier.

7 Kommentare
  1. berta
    berta sagte:

    Armut ist, wenn man nicht das Geld hat die eigenen vier Wände, das Essen, die Kleidung zu bezahlen. Ohne Sozialstaat wären viele Menschen sehr arm. und das ist eine Folge des Wirtschaftswachstums, der Rationalisierung, des Kapitalismus, von Habgier und der Umverteilung von Einkommen von unten nach oben.

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  2. j.h.schröters
    j.h.schröters sagte:

    Tja Herr Schneider, Sie sehen es ja nachfolgend selbst. Perlen vor die Säue, sagt da glaub ich der Volksmund zu.
    Wir gehen nicht mehr dort hin, wir sind schon mitten drin, in der DDR 2.0.
    Vielen Dank für den guten Artikel und die ein oder andere Argumentationshilfe.

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