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Photo: Tard Sands Blockade from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre. 

Um den Handel zu vereinfachen, müssen die Farben von Blinkern in der EU und den USA nicht vereinheitlicht werden. Statt der Übernahme amerikanischer Standards durch die EU oder der USA von europäischen Standards, könnten beide Seiten die jeweiligen Standards als gleichwertig anerkennen. Eine gegenseitige Anerkennung von Standards würde den Konsumenten erlauben, auch weiterhin Produkte zu erwerben, die nach dem bekannten Standard hergestellt wurden. Gleichzeitig könnten Konsumenten Produkte mit ausländischen Standards testen.

Staatlich festgelegte Produktstandards können eingesetzt werden, um legitime Ziele zu verfolgen, etwa um ein ausreichendes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Doch Standards werden auch aus protektionistischen Motiven eingeführt, wie wir in einem aktuellen IREF Policy Paper diskutieren. Werden Produktanforderungen inländischen Produzenten auf den Leib geschneidert, werden sie gegenüber ausländischen Anbietern übervorteilt und ausländische Produzenten werden sich weniger häufig mit inländischen Kunden einig. Ein Mittel gegen den Protektionismus durch Produktstandards bieten vor allem internationale Abkommen wie TTIP.

Protektionistische Produktstandards schwer zu identifizieren

Nicht alle Produktstandards, die handelswirksam werden, schränken den Handel über Grenzen hinweg ein. So können Mindestanforderungen und Standards zum Schutz von Umwelt und Mensch theoretisch auch handelsstärkend wirken, wenn es ausländischen Produzenten durch die Maßnahmen leichter fällt, das Vertrauen inländischer Abnehmer ebenso gut zu gewinnen wie inländische Produzenten. Doch haben Interessensvertreter inländischer Produzenten ein Interesse daran, gerade dieses Argument als Unterstützung für Produktstandards vorzuschieben, wenn ihr tatsächliches Ziel der Schutz vor unliebsamen Konkurrenten aus dem Ausland ist.

Protektionistischen Standards auf der Spur

Es gibt Hinweise darauf, dass inländische Produzenten in der Tat erfolgreich für protektionistische Standards lobbyieren. Beispiele aus der EU und den USA illustrieren nicht nur, dass die inländische Lobby erfolgreich den Gesetzgeber um protektionistische Produktstandards ersuchen kann, sondern auch, dass der Ermessungsspielraum bei der Durchsetzung von Standards durch Behörden im Sinne der inländischen Produzenten genutzt werden kann.

In einer Studie aus dem Jahr 2016 wird die Umsetzung von Importregulierungen in den USA durch die Food and Drug Administration untersucht. Die Behörde hat bei der Durchsetzung von Importbestimmungen bezüglich der von ihr beaufsichtigten Produktgruppen wie Medikamente, medizinisches Gerät, Kosmetika und Nahrungsmitteln einen gewissen Spielraum. So kann sie auch ohne Untersuchung den Import untersagen, wenn die Importe nur den Anschein einer Verletzung der Importregulierung erwecken. Die Ergebnisse der Autoren deuten darauf hin, dass die US-Behörden ihren Entscheidungsspielraum in wirtschaftlich schlechten Zeiten häufiger nutzen, um Importe zu untersagen und so inländische Produzenten schützen.

Ein aktuelles Papier untersucht Sicherheitsstandards der Europäischen Union für Importe von Nahrungsmitteln aus Afrika und findet Hinweise darauf, dass Produktstandards zwecks Protektionismus eingesetzt werden. Die Forscher zeigen, dass die EU bei einigen Produkten höhere und bei anderen Produkten niedrigere Anforderungen stellt, als international üblich. So bleibt die EU bei der Regulierung von Zitrusfrüchten hinter international anerkannten Standards zurück, während sie Tomaten stärker als international üblich reguliert. Die Autoren führen den Unterschied auf das Motiv zurück, den Import von Tomaten in die EU stärker zu erschweren als den von Zitrusfrüchten.

Konsumenten für Protektionismus?

Handelsabkommen haben sich als probates Mittel erwiesen, den Lobbybemühungen der einheimischen Produzenten für Protektionismus durch Produktstandards zu begegnen. Durch Abkommen können sich Regierungen glaubhaft an Regeln binden, die es inländischen Interessengruppen erschweren, Privilegien von ihren Regierungen in Form protektionistischer Standards zu erlangen. Doch die Vertreter der Industrie, wie der BDI, haben sich in jüngster Vergangenheit für internationale Abkommen ausgesprochen – nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Vermutlich wird der Verlust der Privilegien der Mitglieder im Inland von den Vorteilen durch den Barriereabbau im Ausland übertrumpft, wenn auf beiden Seiten Märkte offener werden.

Der massive Widerstand gegen das Freihandelsabkommen TTIP war vor allem durch Widerstand seitens Interessensgruppen geprägt, die nicht den einheimischen Produzenten nahestehen. Dem Bündnis „Stop TTIP“ gehören über 500 Organisationen in Europa an; darunter Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und Umweltorganisationen. Diese argumentierten mitunter, dass die Angleichung von Standards zwischen der EU und den USA negative Konsequenzen für die Verbraucher diesseits des Atlantiks hätten.

Die Befürchtung einer Absenkung der Standards durch TTIP scheint in der Bevölkerung weit verbreitet zu sein. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2016 zufolge lehnt eine Mehrheit der Befragten TTIP ab, obwohl ebenso eine Mehrheit der Befragten Handel mit anderen Ländern für eine gute Sache hält. Die Studie gibt auch Hinweise darauf, dass das Handelsabkommen in Deutschland besonders wegen der Furcht vor der Aufweichung von Standards auf Ablehnung stößt. 46 Prozent der Befragten stehen einer Angleichung von Standards in Europa und den USA negativ gegenüber, während nur 36 Prozent dies als positiv bewerten. Ebenso befürchtet eine deutliche Mehrheit der Befragten, dass TTIP negative Auswirkungen auf Verbraucher-, Umwelt-, und Sozialstandards hätte.

Standards: Favorisierter Status Quo

Eine deutliche Mehrheit der befragten Deutschen gab in der Bertelsmann Studie an, mehr Vertrauen in europäische Standards zu haben, als in amerikanische. Für die Studie wurden auch US-Bürger befragt. Wenn auch weniger deutlich als die deutschen Befragten, hielten diese die eigenen Standards für vertrauenswürdiger.

Diese auf den ersten Blick verwunderlichen Ergebnisse sind möglicherweise auf den „Status Quo Bias“ zurückzuführen. Menschen schätzen das ihnen Vertraute mehr, als das Unbekannte. Die bekannten Standards werden – unabhängig davon, ob sie wirklich besser oder schlechter sind – stärker wertgeschätzt.

Oft sind Standards in den USA nicht mehr oder weniger streng, sondern schlicht anders. So dürfen an Autos in den USA Blinker hinten rot sein. In der EU müssen sie gelb sein. Wollen amerikanische Produzenten ein Auto in die EU exportieren, muss der Blinker ausgetauscht werden. Der rote Blinker blinkt und zeigt anderen Autofahrern mögliche Fahrmanöver zuverlässig an. Er ist nicht mehr oder weniger sicher als ein gelber Blinker.

Gegenseitige Anerkennung

Um den Handel zu vereinfachen, müssen die Farben von Blinkern in der EU und den USA nicht vereinheitlicht werden. Statt der Übernahme amerikanischer Standards durch die EU oder der USA von europäischen Standards, könnten beide Seiten die jeweiligen Standards als gleichwertig anerkennen. Eine gegenseitige Anerkennung von Standards würde den Konsumenten erlauben, auch weiterhin Produkte zu erwerben, die nach dem bekannten Standard hergestellt wurden. Gleichzeitig könnten Konsumenten Produkte mit ausländischen Standards testen.

Dann entscheiden nicht vermeintlich intransparente Gremien mit welchem Standard Produkte gefertigt werden, sondern die Hersteller und ihre Kunden. Gelber oder roter Blinker? Die Kunden hätten das letzte Wort.

Sichere Produkte ohne Protektionismus

Für den Abbau protektionistischer Produktstandards bieten sich neben bilateralen Freihandelsabkommen wie TTIP zwei weitere Instrumente an. Eine unilaterale Anerkennung von Standards hätte für die heimischen Konsumenten eine ähnliche Wirkung, wie die gegenseitige Anerkennung durch Handelsverträge. Allerdings stößt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Widerstand einheimischer Produzenten, da sie als Ausgleich für den Wegfall ihrer Privilegien im heimischen Markt keinen verbesserten Marktzugang in anderen Ländern erhalten.

Schließlich könnten Auslaufklauseln in Gesetzen und Regulierungen dem „Status Quo Bias“ des Politkbetriebes entgegenwirken. Eine regelmäßige Überprüfung von Regelungen könnte dafür Sorge tragen, dass unnötige Regelungen automatisch auslaufen. Außerdem machen Auslaufklauseln Lobbying unattraktiver. Wenn Regeln auslaufen, müssen sich Interessengruppen immer wieder aufs Neue für ihre Privilegien einsetzen. Das erhöht die Kosten für erfolgreiches Lobbying und spricht ebenfalls für Auslaufklauseln.

Grundsätzlich sollten sich die Verbraucher ihrer Neigung, Gewohntes übermäßig positiv zu bewerten, stets bewusst sein, um zu verhindern, dass inländische Produzenten auf ihre Kosten von der Aufrechterhaltung von etablierten Standards profitieren.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: European People’s Party from Flickr (CC BY 2.0)

Die Kanzlerin verständigt sich mit dem französischen Präsidenten über eine Industriepolitik der EU. Der Wirtschaftsminister sinniert über eine „Nationale Industriepolitik 2030“. Der Staatssekretär im Finanzministerium fädelt im Verborgenen die Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank ein. Und selbst der Bundesverband der Industrie fordert, in bester Erinnerung an die korporatistischen Zeiten der Weimarer Republik,  eine Industriestrategie EU gegen die vermeintliche Übermacht aus China und den USA. Wenn all das zusammenkommt, dann ist es spätestens Zeit, einmal die derzeitige Verfassung unserer Wirtschaftsordnung zu betrachten. Sind wir auf dem richtigen Weg oder längst auf Abwegen? Wenn man diese Frage beantworten will, dann reicht es nicht, nur auf die aktuellen Wirtschaftszahlen zu schauen. Denn Wirtschaftspolitik beeinflusst nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft.

Walter Eucken hat dazu bereits in den späten 40er Jahren sechs konstituierende Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung aufgestellt, die heute noch herangezogen werden können, um die Situation der Wirtschaftspolitik in Deutschland und in der EU zu beurteilen.

Erstens: Der Primat der Währungspolitik im Sinne einer Geldwertstabilität. Die Geldwertstabilität ist nur auf der ersten Blick gewahrt. Die Nullzinspolitik der EZB hat fatale Nebenwirkungen. Zwar sind die offiziellen Konsumentenpreise einigermaßen stabil, jedoch fließt das billige Geld in die Vermögensgüter und sorgt dort für Inflation. Die Aktien- und Immobilienmärkte boomen seit 2009. Durch die verzerrende Wirkung der Nullzinspolitik verlieren die Akteure im Wirtschaftsprozess die Orientierung. Der Zins als Lenkungsinstrument fehlt. Unrentable Investitionen rentieren sich plötzlich, Unternehmen, die unter normalen Zinsbedingungen längst vom Markt verschwunden wären, überleben und hängen am Tropf des billigen Geldes.

Zweitens: Offene Märkte: Nicht nur Donald Trump schottet sich ab, sondern Deutschland und die EU auch. Die EU hält ein umfangreiches Zollregime aufrecht, die deutsche Regierung will nationale Champions fördern und Technologieunternehmen von einer ausländischen Übernahme „schützen“. Alles das widerspricht offenen Märkten. Wer eine Wirtschaftspolitik der offenen Märkte vertritt, baut Schranken ab. Wer für Freihandel ist, orientiert sich am Konsumenten, der souverän entscheiden kann, was und von wem er etwas erwirbt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Ware oder Dienstleistung von einem chinesischen, amerikanischen oder schwäbischen Unternehmen stammt. Einzig und alleine der Konsument entscheidet nach seinen Präferenzen.

Drittens: Privateigentum: Die enteignende Wirkung der Energiewende nach dem Ausstieg aus der Kernkraft und jetzt auch aus der Braunkohlenutzung lässt Vertrauen in private Investitionen schwinden. Zustimmungsvorbehalte der Regierung für Beteiligungen ausländischer Unternehmen an heimischen Unternehmen verunsichern Investoren. Die Diskussion über die Enteignung von privaten Wohnungsunternehmen in Berlin, und die Beschränkung des Nutzungsrechtes durch Milieuschutz und Mietpreisbremse sind ebenfalls tiefe Eingriffe in die Eigentumsordnung.

Viertens: Vertragsfreiheit: Die Verschärfung der Entsenderichtlinie in der EU zerstört den gemeinsamen Markt für Dienstleistungen in Europa. Wenn Unternehmen für grenzüberschreitende Dienstleistungen den am Erbringungsort zu zahlenden Tariflohn zugrunde legen müssen, dann führt das nicht nur zu einer überbordenden Bürokratie und zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit von beiden Seiten durch Dritte, sondern es ist auch eine subtile Form des Protektionismus innerhalb der EU. Das Antidiskriminierungsgesetz führt dazu, dass Arbeitgeber nicht mehr die Personen einstellen können, die sie präferieren. Die Vertragsfreiheit wird vergesellschaftet.

Fünftens: Haftung: Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen, so Eucken. Weder in der Euro-Schuldenkrise seit 2010 ist dies der Fall gewesen, noch ist es sehr wahrscheinlich, dass dieses Prinzip künftig stärker durchgesetzt wird. Die mögliche europäische Einlagensicherung oder die von Olaf Scholz präferierte europäische Arbeitslosenversicherung sind das glatte Gegenteil des Haftungsprinzips. Aber auch der 2015 geschaffene EU-Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), der unter dem Stichwort „Juncker-Fonds“ das Wirtschaftswachstum in der EU ankurbeln sollte, ist ein tiefer Verstoß gegen Euckens Prinzip. Für rund 21 Milliarden Euro und seit 2018 mit 33,5 Milliarden Euro versucht die EU private Investitionen in der Größenordnung von 315 bzw. 500 Milliarden Euro anzuregen, indem die öffentliche Hand Haftungsrisiken für private Investoren übernimmt. Der Europäische Rechnungshof hat gerade ein verheerendes Urteil über die Wirkung gefällt.

Sechstens: Konstanz der Wirtschaftspolitik: Hier ist wohl das größte Sündenregister angesiedelt. Wer aus wichtigen Technologien, wie der Kernkraft oder der Braunkohle, von heute auf morgen aussteigt; wer die Übernahme von Unternehmen verhindert; wer mit Zöllen auf Zölle reagiert, der kann nicht auf Vertrauen in die Wirtschaftspolitik setzen. Gerade große Investitionen brauchen Planungssicherheit. Die „Konstanz der Daten“ wie es Eucken bezeichnet, ist entscheidend für das Vertrauen in die Zukunft. Dies gilt für die Währungs-, Handels-, Steuer- und Lohnpolitik. Wer daran Hand anlegt, legt die Hand an unser Wirtschaftssystem.

Wenn die Kanzlerin davon spricht, dass die traditionelle Rolle des Staates, der Leitplanken setze, sich sonst aber aus der Wirtschaft heraushalte, so nicht mehr funktioniere, und daher eine engere Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft verlange, dann maßt sie sich ein Wissen an, das sie nicht hat. Aber nicht nur sie, auch ihr Wirtschafts- oder Finanzminister haben dieses Wissen nicht. Dieses Wissen hat niemand. Wer mit großen Augen dennoch nach Asien schaut, den mag man an die 1980er Jahre erinnern, als schon einmal so eine Diskussion in Deutschland geführt wurde. Die übermächtige japanische Auto- und Technologieindustrie war äußerst erfolgreich. Damals schauten alle nach Japan. Das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) und die Japan AG waren das große Vorbild deutscher Industriepolitiker. Heute ist Japan immer noch erfolgreich, aber die jahrzehntelange Marktabschottung, die Nullzinspolitik und die überbordende Verschuldung haben ihre Strahlkraft selbst bei den Ingenieuren der Wirtschaftspolitik verloren.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Konrad-Adenauer-Stiftung from Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Um es vorweg zu sagen. Peter Altmaier ist ein schlechter Wirtschaftsminister. Wohl der schlechteste, den dieses Land seit vielen Jahrzehnten hat. Doch er passt in die Zeit. Wenn Donald Trump „Amerika First“ ruft und China die „neue Seidenstraße“ vorantreibt, dann dürfe auch ein deutscher Wirtschaftsminister nicht untätig sein – glauben viele. Altmaier meint zu wissen, woran es hakt: „Wer neue Technologien verpennt, wird zur verlängerten Werkbank der Länder, die rechtzeitig gehandelt haben.“ Wer will da widersprechen? Es klingt auch so wohlfeil, wenn er in seinem Handlungspapier für eine Industriestrategie 2030 dazu schreibt: Das Ziel der „Nationalen Industriestrategie 2030 besteht darin, gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft einen Beitrag zu leisten zur Sicherung und Wiedererlangung von wirtschaftlicher und technologischer Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Führerschaft auf nationaler, europäischer und globaler Ebene in allen relevanten Bereichen.“ Dazu soll der Staat für einen befristeten Zeitraum auch Unternehmensanteile kaufen können, deren Mittel aus einem staatlichen Beteiligungsfonds stammen sollen.

Gerne wird das Beispiel Airbus für diese erfolgreiche Industriestrategie genannt. Das deutsch-französische Luftfahrtunternehmen gilt als Vorzeigeprojekt. Zwar hat es über viele Jahrzehnte nur Verluste gemacht, aber inzwischen ist es durchaus erfolgreich. Daher wurde der Holdingsitz vor einigen Jahren auch in das niederländische Leiden verlegt. Gibt es dort doch die Möglichkeit, die Ertragssteuern unter bestimmten Bedingungen auf nahe Null zu verrechnen. Schön, wenn sich die Bundesregierung über die Amazons, Googles und Apples beschwert und mit einer neuen Digitalsteuer droht, wenn die eigenen Staatsunternehmen vor der lästigen Steuerzahlung geschützt werden. Klar ist das eine sehr interessante Industriestrategie, die die „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Industrieführerschaft“ sichert. Leider funktioniert sie nur für wenige Staatsunternehmen.

Eigentlich ist das Vorgehen Altmaiers eine Form des Sozialismus. Im Ernst. Das ist wahrlich nicht zu weit hergeholt. Denn der Sozialismus, also die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, kann auf verschiedene Arten erfolgen. Die wohl bekannteste ist die, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast zu Ende ging. Einige Ausprägungen, wie aktuell in Venezuela, gibt es zwar noch, aber auch diese neigen sich dem Ende zu. Dort ging es um einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Eigentumsordnung. Mit einem Schlag wurde das Privateigentum verstaatlicht und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel vollzogen. Das Ende ist bekannt.

Die andere Form des Sozialismus ist eine schleichende Aushöhlung und Zerstörung der Eigentumsordnung. Durch Regulierung, Ge- und Verbote und eine prohibitive Besteuerung muss nicht einmal eine formale Eigentumsübertragung auf den Staat erfolgen, sondern es reicht schon, wenn das private Eigentum nur noch eine leere Hülle ist, aber der Staat die Richtung und die Art der Produktion steuert. Und genau dieses Ziel strebt Altmaier an – ob bewusst oder unbewusst. Das klingt hart, ist aber die Konsequenz seines Handelns. Der Sozialismus ist letztlich daran gescheitert, dass er die Komplexität des arbeitsteiligen Wirtschaftens nicht lösen und in einem Produktionsplan für eine ganze Wirtschaft nicht abbilden konnte. Denn kein Zentralplaner, kein noch so intelligenter Denker und selbst ein deutscher Wirtschaftsminister haben nicht das Wissen, welches Millionen von Menschen haben und in ihrem täglichen Agieren anwenden. Deshalb weiß Altmaier auch nicht „welche Technologien verpennt“ werden, und ob Deutschland zur „verlängerten Werkbank“ wird. Selbst seine Berater im Ministerium sind dazu nicht in der Lage. Wenn die Regierung nunmehr Siemens, ThyssenKrupp, BWM, VW und Daimler als nationale Champions einstuft und deren Wohlbefinden als im „nationalen politischen und wirtschaftlichen Interesse“ definiert, dann sollten alle skeptisch sein.

Denn wieso diese Unternehmen und nicht andere? Gibt es nicht tausende von „Hidden Champions“ in Deutschland, die es zu fördern gilt, damit „wir“ keine Technologie „verpennen“? Sitzen viele der Innovationstreiber in unserem Land nicht in Göppingen, Freiberg und Minden? Oder wäre es nicht schlauer, wenn sich ein Wirtschaftsminister für bessere Rahmenbedingungen für Unternehmer einsetzen würde. Wie ist es mit Bürokratieabbau? Wie mit der Senkung der Abgabenbelastung? Wie sorgt die Regierung für eine attraktive Infrastruktur? Wie schützt die Regierung das private Eigentum? Das sind die Fragen, mit denen sich ein Wirtschaftsminister beschäftigen sollte. Wie weit ist es schon gekommen, wenn der amtierende Wirtschaftsminister der Vergemeinschaftung von Großunternehmen das Wort redet! Stattdessen sollte er eigentlich die Speerspitze der Marktwirtschaft in der Regierung sein. Man kann sich nur entsetzt die Augen reiben und an den ersten Wirtschaftsminister Ludwig Erhard erinnern, der gesagt hat: „Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen.“

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Oft hört man, dass Politiker gar nichts mehr gestalten könnten. Zumindest Finanzminister Olaf Scholz scheint das nicht zu glauben. Er fädelt gerade eine Megafusion ein, die in jüngster Zeit seinesgleichen sucht. Seit geraumer Zeit bereitet sein Staatssekretär Jörg Kukies in Geheimverhandlungen die Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank vor. Was ist davon zu halten? Ein Blick zurück.

Bereits 2009 hat ein sozialdemokratischer Finanzminister eine Bankenfusion eingeleitet. Es hieß damals, dass Deutschland neben der Deutschen Bank ein zweites international wettbewerbsfähiges Institut benötige. Viele global operierende Unternehmen aus Deutschland bräuchten einen heimischen Begleiter für ihre internationalen Geschäfte. Die damals schon schwankende Dresdner Bank, die bereits unter das Dach der Allianz Versicherung schlüpfte, wurde an die Commerzbank weitergereicht. Anschließend schwankte das fusionierte Institut und musste mit Steuergeldern gerettet werden. Heute, mehr als 10 Jahre später, hat die fusionierte Commerzbank ihre Verluste von damals immer noch nicht aufgeholt. Sie musste im November 2008 mit einer stillen Einlage von 8,2 Mrd. Euro gerettet und mit einem Garantierahmen von 15 Milliarden Euro abgeschirmt werden. Bereits im Januar 2009 reichte das nicht mehr aus, und der Bund stieg für 1,772 Mrd. Euro mit 25 Prozent plus einer Aktie als Minderheiteneigentümer ein und half mit einer weiteren stillen Einlage von 8,228 Mrd. Euro. Mit 18,2 Milliarden Euro direkten Hilfen und 15 Milliarden Garantien half der Bund damals der Commerzbank, um die Abenteuer des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück zu finanzieren. Inzwischen wurden zwar die stillen Einlagen zurückbezahlt, doch alleine der Wertverlust des Aktienpaketes geht in die Milliarden.

Man könnte meinen, dieser unglückliche Versuch habe sozialdemokratische Finanzminister für alle Zeit geheilt. Doch weit gefehlt. Nun will wieder ein sozialdemokratischer Finanzminister diese Form der Industriepolitik machen. Das Risiko für den Steuerzahler ist wieder enorm. Beide Institute haben zusammen eine Bilanzsumme von rund 2.000 Milliarden Euro. Das ist das Sechsfache der Steuereinnahmen des Bundes und entspricht ungefähr der offiziellen Gesamtverschuldung des Staates. Ohnehin muss man fragen, was das bringen soll.

Mit zwei Billionen Euro Bilanzsumme spielt diese fusionierte Bank allenfalls im Mittelfeld der Europaliga. Der Bankenmarkt in Deutschland wird noch konzentrierter. Dann gibt es fast nur noch Sparkassen, Volksbanken und die verbliebene Deutsche Bank. Gleichzeitig muss die fusionierte Deutsche Bank erheblich Personal im Inland abbauen. Denn häufig gibt es dann Doppelstrukturen, die dann beseitigt würden.

Es wäre auch ein Schlag gegen den europäischen Binnenmarkt. Heute ist eines der Probleme des Euro, dass die Kapitalmärkte nationaler Natur sind und Banken und Staaten in einem engen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Banken kaufen die Staatsanleihen des Staates, ohne dafür Eigenkapital aufwenden zu müssen und reichen diese Staatsanleihen als Pfänder bei der Notenbank ein, um sich zu refinanzieren. Daraus entsteht der Staaten-Banken-Nexus, der die systemischen Risiken im Euro-Raum immer weiter erhöht. Grenzüberschreitende Fusionen würden dagegen auch bei den Banken die Abhängigkeit von den jeweiligen Staaten lösen.

Wenn Olaf Scholz also etwas gegen die Überschuldungskrise in Europa tun will, dann sollte er nicht auch noch die Bankenfusionen im eigenen Land befördern. Dies gilt übrigens aktuell auch für die NordLB. Auch hier wollen die Sparkassenorganisation und das Land Niedersachsen eine große Landesbank für ganz Deutschland schaffen. Und auch hier kann man sagen – nichts gelernt. WestLB, SachsenLB, BayernLB und die HSH Nordbank haben die Länder und die Kommunen in den vergangenen Jahren ebenfalls Milliarden Euro gekostet, nur weil Provinzpolitiker „Industriepolitik“ für die Region, das jeweilige Land und teilweise sogar weltweit machen wollten.

Diesen „Industriepolitikern“ sollte man Milton Friedman vor Augen halten. Dieser hat einmal über den Umgang mit Geld folgendes gesagt: Es gibt vier Arten, Geld auszugeben. Erstens: man gibt sein Geld für sich selber aus. Dabei ist man besonders sparsam. Zweitens: Man gibt sein Geld für andere aus. Da werden die Menschen bereits großzügiger. Drittens: Man gibt fremdes Geld für sich aus. Da fallen schon die meisten Schranken. Und viertens: Man gibt fremder Leute Geld für andere aus. Da gibt es kein Halten mehr.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Eneas De Troya (CC BY 2.0)

Ohne wirtschaftliche Freiheit kann es keine politische Freiheit geben. Linke sehen das anders. Sie glauben, man könne wirtschaftliche Freiheit beschränken oder sogar unterbinden, und dennoch politische Freiheit zulassen. Damit wollen sie begründen, warum das System der Sowjetunion und der DDR nicht (mehr) ihr ideal ist. Junge Menschen sind dafür durchaus empfänglich. Haben doch die Marktwirtschaft und noch viel mehr der Kapitalismus ein schlechtes Image. Selbst als Liberaler vermeidet man den Begriff des Kapitalismus und verwendet lieber den der Marktwirtschaft, obwohl beide etwas Unterschiedliches bedeuten.

Die Marktwirtschaft ist die dezentrale Planung und Lenkung wirtschaftlicher Prozesse, die über die Märkte mit Hilfe des Preismechanismus koordiniert werden.  Prinzipiell sagt dies nichts darüber aus, wer die Akteure sind. Es können Einzelpersonen, private Unternehmen, staatliche Unternehmen oder Kommunen sein. Man kann sich theoretisch eine Marktwirtschaft vorstellen, die sehr dezentral nur durch staatliche Unternehmen betrieben wird, die miteinander im Wettbewerb stehen. In Deutschland existiert eine Marktwirtschaft, die ein Mischsystem aus unterschiedlichen Akteuren abbildet. Neben privaten Unternehmern und Unternehmen in vielen Wirtschaftsbereichen betreiben Kommunen Stadtwerke, Banken, Wasserwerke, Abfallunternehmen, Autowerkstätten, Gärtnereien.  Länder sind Eigentümer von Flughäfen, Binnenhäfen, Banken und Versicherungen. Der Bund baut Flugzeuge, betreibt Speditionen und Reisebüros. Alles könnten Private genauso gut, wahrscheinlich sogar besser und günstiger erledigen. Doch mit dem „Wieselwort“ Daseinsvorsorge lässt sich in Deutschland fast alles begründen.

Der Kapitalismus stellt die Frage, wem das Kapital, also beispielsweise die Unternehmen, gehören. Im Kapitalismus gehören sie privaten Personen und nicht dem Staat. Der Staat ist im Kapitalismus kein Mitspieler, sondern Schiedsrichter. Wer für privates Eigentum eintritt, ist daher sicherlich auch für die Marktwirtschaft, meint aber den Kapitalismus. Privates Eigentum hat gegenüber staatlichem Eigentum den Vorteil, dass mit eigenem Geld besser umgegangen wird als mit fremdem Geld. Daher schützen private Eigentümer ihr Vermögen besser als staatliche. Die Verwalter staatlichen Eigentums, meist Politiker, sind auf Zeit gewählt, in der Regel für vier oder fünf Jahre. Gehen sie mit staatlichem Eigentum falsch um, vernichten sie es sogar, dann werden sie eventuell nicht wiedergewählt. Sie haften aber nicht persönlich.

Voraussetzung für wirtschaftliche Freiheit ist das Privateigentum. Nur wenn man mit eigenem Kapital arbeiten kann und damit vom Staat nicht gehindert wird, die eigenen Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, herrscht Freiheit. Dies gilt umgekehrt auch für den Konsumenten. Freiheit für ihn herrscht nur, wenn er die Produkte und Dienstleistungen seiner Wahl kaufen kann. Führt der Staat Devisenkontrollen ein, beschränkt er den Handel durch Einfuhrzölle und Quoten, dann wird nicht nur die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen beschränkt, sondern auch die persönliche Freiheit, so zu leben wie er oder sie es will. Das mag hierzulande nicht das große Problem sein. Doch schon Milton Friedman ließ dieses Argument nicht gelten: „Wer an die persönliche Freiheit glaubt, zählt keine Köpfe.“

Daher sollten diejenigen, die für Privateigentum eintreten, sich nicht scheuen, auch von Kapitalismus zu sprechen. Die Hoheit über die Begriffe darf man nicht den Gegnern der wirtschaftlichen Freiheit überlassen.

Dass wirtschaftliche Freiheit Voraussetzung für die politische und persönliche Freiheit ist, wird nicht jedem sofort klar. Daher braucht es auch Beispiele. Der Machtkampf in Venezuela ist so ein Beispiel. Noch im Mai 2018 haben sich Linke auch hierzulande mit Glückwunschbotschaften zur Wiederwahl von Nicolas Maduro als Präsident von Venezuela überschlagen. Trotz ökonomischem Niedergang glaubten viele an das Ideal eines neuen Sozialismus. Doch der neue ist der alte Sozialismus. Erst wird die wirtschaftliche Freiheit eingeschränkt und dann die politische. Die Enteignung von Unternehmen, die Hyperinflation, Höchstpreise für Nahrungsmittel haben das an Rohstoffen reiche Land an den Abgrund geführt. Für viele Menschen in Venezuela ist der wirtschaftliche Niedergang sehr politisch und auch sehr persönlich. Sie machen es am bisherigen Präsidenten Maduro fest, der die Politik Hugo Chavez konsequent fortgesetzt hat. Jetzt begehrt das Volk auf und der Parlamentspräsident erklärt sich zum neuen Präsidenten des Landes. Schade nur, dass es erst solche brutalen Begegnungen mit der Realität braucht, bis viele Menschen merken, dass die Freiheit unteilbar ist und der Kapitalismus das Fundament der Freiheit ist.