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Photo: Dean Hochman from flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus.

Die Europäische Zentralbank hat das Ziel, in der Eurozone eine Inflationsrate von jährlich 2 % herbeizuführen. Obwohl sie dieses Ziel in den letzten Jahren deutlich nach unten verfehlte, überrascht es nicht, dass die nominellen Preise von Konsumgütern über die Zeit steigen. Allerdings misst die Inflationsrate den Preisanstieg eines repräsentativen Warenkorbs und die Preise der darin enthaltenen Güter und Dienstleistungen entwickelten sich über die vergangenen 25 Jahre sehr unterschiedlich.

So fiel beispielsweise der Preis der Nachrichtenübermittlung relativ zu den Preisen der übrigen Güter um etwa 60 %, während der relative Preis von Bildungsdienstleistungen um etwa 45 % stieg. Diese beiden Beispiele passen ins Muster. Tendenziell stiegen die relativen Preise in Branchen, die der Staat durch seine eigenständige Bereitstellung von Leistungen oder spezifische Regulierungen dominierte. Die relativen Preise fielen hingegen tendenziell in Branchen, in denen der Staat eher wenig Einfluss nahm oder seine Aktivitäten zurückbaute.

Ein Index, viele Preise und unterschiedliche Preisentwicklungen

Das Statistische Bundesamt berechnet regelmäßig, wie sich die Preise in Deutschland verändert haben. Der sogenannte Verbraucherpreisindex misst, wie sich die Preise für einen Warenkorb einer Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen, die ein repräsentativer Verbraucher konsumiert, entwickeln.

Von 1992 bis 2016 stiegen in Deutschland die Preise für den vom Statistischen Bundesamt als repräsentativ identifizierten Warenkorb um ca. 45 %. Das entspricht einer durchschnittlichen Inflationsrate von etwa 1,6 %.

Allerdings entwickelten sich die Preise der in den Warenkorb aufgenommen Güter und Dienstleistungen bisweilen sehr unterschiedlich. Das Statistische Bundesamt gliedert den Warenkorb in zwölf Abteilungen und stellt Preisdaten für jede dieser Warengruppen bereit.

Verbraucherpreisindex_Preisentwicklung_verschiedene Güter__relative preise

Hier dargestellt sind die Preise für die zwölf Warengruppen relativ zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex. Daraus wird ersichtlich, um wie viel teurer oder günstiger Warengruppen relativ zum gesamten Warenkorb über die Zeit wurden. So sind die Preise im Bildungswesen um etwa 45 % stärker gestiegen als die Preise im Durchschnitt über alle Warengruppen hinweg. Der relative Preis für alkoholische Getränke und Tabakwaren nahm um etwa 30 % zu.

Die Preise für die Nachrichtenübermittlung gingen hingegen relativ zum Preis für den repräsentativen Warenkorb um etwa 60 % zurück. Ebenfalls deutlich − um etwa 20 % − sank der relative Preis für „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind im Zeitverlauf ebenfalls etwas günstiger geworden – um etwa 5 %.

 Weniger Staat, niedrigere relative Preise

Es zeichnet sich ein Muster ab: Relativ günstiger sind vor allem die Güter und Dienstleistungen geworden, deren Anbieter miteinander in intensivem Wettbewerb um die Gunst von Kunden stehen. Wettbewerb sorgt für fallende Preise und Qualitätssteigerungen. Relativ teurer geworden sind dagegen vorwiegend jene Güter und Dienstleistungen, deren Märkte durch staatliche Eingriffe geprägt sind – durch wettbewerbshemmende Regulierung, hohe Besteuerung oder die Bereitstellung der Leistungen durch den Staat selbst.

Beispiel Kommunikation

Nach dem relativen Preisrückgang für Nachrichtenübermittlungen seit 1992 um ca. 60 % ist es heute sogar nominell günstiger als je zuvor, mit anderen Menschen zu kommunizieren − auch auf sehr weite Entfernungen. Im Mobilfunksektor gibt es seit Jahrzehnten einen starken Wettbewerb um Kunden und durch ihn induzierte fallende Preise. Bahnbrechende Innovationen und stetige Qualitätsverbesserungen haben die Kommunikation mit anderen Menschen zudem deutlich vereinfacht. Das gute alte Fax wurde von der E-Mail abgelöst. Grüße aus dem Auslandssemester werden nicht mehr von der Bundespost zugestellt. Via Internet kann heute ein jeder mit seinen Nächsten skypen.

Beispiel Bildung

Anders als in der Telekommunikation ist der Einfluss des Staates auf die Bereitstellung der relativ deutlich teurer gewordenen Bildungsdienstleistungen allgegenwärtig. Bildungsangebote werden in Deutschland entweder staatlich bereitgestellt oder im hohen Maße vom Staat reguliert.

Insbesondere der relative Preis für Leistungen im tertiären Bildungsbereich (Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien) stieg über die vergangenen 25 Jahre. Hier lag die Preissteigerung relativ zum Konsumentenpreisindex bei über 100%.

Politiker aller Parteien schreiben sich regelmäßig das Ziel besserer Bildung auf die Fahnen. Die Ausgaben für Bildung und Forschung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Staates sind in den letzten Jahren jedoch relativ konstant geblieben. Hauptproblem scheinen nicht fehlende Investitionen in Bildung zu sein, sondern eine niedrige Qualität der Leistungen relativ zu den Kosten der bereitgestellten Bildung.

Die vermehrte Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen durch private Anbieter könnte dazu beitragen, die relativen Preise von Bildungsleistungen zu senken und die Qualität zu steigern. Eine Möglichkeit, privaten Anbietern den Marktzutritt zu erleichtern und damit für Schüler, Eltern und Studenten mehr Wahlmöglichkeiten auf den verschiedenen Bildungsmärkten zu schaffen, wäre die Einführung von Bildungsgutscheinen. Sie würden die Finanzierung von der Bereitstellung von Bildungsleistungen trennen. Finanziert würde der Konsum von Bildungsleistungen weiterhin aus Steuermitteln, aber der Staat würde die Leistungen nicht mehr notwendigerweise bereitstellen.

Auch Steuern beeinflussen Preise für Endverbraucher

Mangelnder Wettbewerb ist nicht der einzige Grund für steigende Preise. Steuern und Abgaben verteuern Kraftstoffe, obwohl es Hinweise darauf gibt, dass es auf den Märkten für Öl und Benzin der Wettbewerb intensiv ist.  Vom Preis  jeder morgendlichen Tasse Kaffee gehen rund 28% direkt an den Fiskus. So trägt der schwarze Kaffee zur schwarzen Null bei. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Strompreis. Maßgeblicher Preistreiber sind die steigenden Abgaben für Ökoenergie.

Auch bei Alkohol und Tabakwaren, deren relativer Preis seit 1992 um ca. 30 % stieg, fällt auf, dass es sich um Produkte handelt, die nicht nur stark reguliert, sondern auch hoch besteuert werden.

Wettbewerb zwischen Unternehmen schützt Konsumenten

Die in den letzten 25 Jahren bei jährlich durchschnittlich 1,6 % liegende Inflationsrate ist moderat, doch sie verdeckt, dass die Preise für einige Güter und Dienstleistungen im gleichen Zeitraum weitaus stärker gestiegen sind. Es ist kein Zufall, dass es sich dabei um Wirtschaftsbereiche handelt, in denen staatliche Eingriffe besonders stark ausgeprägt sind. Geringer fielen die Preisanstiege dagegen tendenziell für jene Güter und Dienstleistungen aus, die seit langem durch private Unternehmen bereitgestellt werden können oder – wie im Fall der Kommunikationsdienstleistungen – in jüngster Zeit dereguliert und privatisiert wurden.

Wettbewerbshemmende Regulierungen, Staatsbeteiligungen und Steuern mögen ausgewählten Interessengruppen nützen und bei Zeiten politischen Zielen dienen. Doch gesamtgesellschaftlich sind sie kostspielig. Werden neue Anbieter vom Markteintritt abgehalten, werden Ressourcen vergeudet, weil überlegene Produktionsmethoden nicht zum Einsatz kommen und die Einführung neuer Produkte verhindert wird. „Wettbewerb belebt das Geschäft“ – ein Blick auf die Verbraucherpreisdaten zeigt, dass der Volksmund dieses Mal Recht behält.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Skimaniac from Flickr (CC BY-NC 2.0)

Alles hängt mit allem zusammen. Wenn die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Fed, Janet Yellen, in der nächsten Woche die Leitzinsen wie erwartet erneut leicht erhöht, dann hat das in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern tiefgreifende Folgen. Die dortigen Regierungen und Unternehmen sind überwiegend in Dollar verschuldet. Erhöht die US-Notenbank den Leitzins und steigen die Zinsen in Amerika anschließend auf breiter Front, dann werden Anlagen in den USA relativ zu Anlagen in anderen Ländern attraktiver. Die Folge: Anlagekapital fließt verstärkt in die USA. Der Wert der US-Währung steigt im Verhältnis zu anderen Staaten, die diesen Schritt nicht mitgehen. Wer Schulden in Dollar hat, muss daher als Regierung oder Unternehmen erheblich mehr zurückzahlen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer schaffen das meist nicht, da sie in der Zwischenzeit ihre Ausgaben massiv ausgeweitet haben und diese nicht rechtzeitig reduzieren können oder wollen.

Auch der Euro hat gegenüber dem Dollar in den vergangenen drei Jahren fast 24 Prozent seines Wertes verloren. Seitens der Europäischen Zentralbank ist das gewollt, glaubt man doch, dass eine billige Währung die Exporte ankurbelt und so die Konjunkturschwäche in Südeuropa beseitigen hilft. Doch dauerhafter Wohlstand kann nicht mit einer immer billigeren Währung erkauft werden. Hierfür gibt es viele historische Beispiele. Man muss dafür nicht erst nach Simbabwe schauen.

Der Blick sollte hier – aus aktuellem Anlass – eher auf die Entwicklung der Türkei gelenkt werden. Die Neue Türkische Lira hat in der gleichen Zeit rund 70 Prozent des Wertes eingebüßt – und allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent. Der Grund dafür:_Die Türkei steht aktuell wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Der langanhaltende Aufstieg des Landes scheint zu Ende zu gehen. Dabei war die Türkei lange eine Erfolgsgeschichte. In den vergangenen 30 Jahren hat die Industrieproduktion sich verdreifacht. Selbst die Weltfinanzkrise 2007/2008 hat die Türkei gut überstanden. Zum Tief 2009 legte die Industrieproduktion um fast 50 Prozent zu. Das ist sehr bemerkenswert und zeigt, wieso die Politik Recep Tayyip Erdogans so lange von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde.

Doch inzwischen steigt die Staatsverschuldung massiv an und die Auslandsverschuldung ist im Wesentlichen im Dollarraum angesiedelt. 2016 hat die Notenbank massiv Staatsanleihen gekauft und so die eigene Verschuldung durch die Notenpresse finanziert. Gleichzeitig wurden exportorientierte Unternehmen mit geldpolitischen Maßnahmen subventioniert, um das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren. Denn die Währungsreserven der Türkei sinken massiv, gleichzeitig steigen die Verbraucherpreise stark an. Investoren verlassen das Land und auch die wichtige Tourismusindustrie bricht massiv ein. Hinzu kommt, dass viele kluge Köpfe das Land verlassen, was zu einem Verlust von Wissen führt.

Die Türkei steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist wohl der Grund, wieso Präsident Erdogan immer autoritärer im In- und Ausland auftritt. Wirtschaftliche Probleme werden oftmals politisch dadurch kaschiert, dass Regierungen ablenken, neue Feindbilder schaffen und die Notenbanken zur Staatsfinanzierung missbrauchen. So macht es jetzt auch Erdogan. Der kommende Zinsschritt in den USA wird die Probleme der Türkei daher weiter massiv verschärfen.

Auf den Druck und die Provokationen Erdogans sollte die deutsche Regierung mit Klarheit antworten. Angela Merkels Flüchtlingsdeal mit Erdogan hat diese Klarheit nicht geschaffen, sondern die Bundesregierung erpressbar gemacht. Um so mehr Klarheit müsste eine Kanzlerin jetzt an den Tag legen, wenn eine ausländische Regierung ihre Probleme durch provokative Wahlkampfauftritte in Deutschland lösen will. Eine ausländische Regierung kann sich nicht auf das Minderheitenrecht der Meinungsfreiheit berufen, um innenpolitische Fragen in einem anderen Land zu thematisieren. Diese Klarheit muss die Bundesregierung nun schaffen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 11. März 2017.

Photo: Stewart Black from Flickr (CC BY 2.0)

Inflation ist Diebstahl. Das Perfide an ihr ist, dass der Dieb nicht direkt ins Haus einbricht und das teure Gemälde mitgehen lässt, sondern im fernen Frankfurt sitzt und Geld druckt. Der Staat ist daran schuld. Inflation hat ihre Ursache in der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. In der Eurozone ist die Menge an Bargeld und Sichteinlagen (M1) in den letzten Jahren um über 10 Prozent pro Jahr gestiegen, wie auch die breitere Geldmenge (M3), die Kredite und andere Geldmengenaggregate berücksichtigt, im Durchschnitt pro Jahr um über 5 Prozent wuchs.

Wer die Möglichkeit hat, die Geldmenge zu bestimmen oder zu beeinflussen, schafft die Grundlage für Preissteigerungen. Bislang konnte sich Mario Draghi im EZB-Turm noch rausreden. Seine Zielmarke für die Inflation war lange Zeit weit unter den von ihm angestrebten zwei Prozent. Jetzt lag sie nach langer Zeit in Deutschland im Februar darüber – bei 2,2 Prozent. Die Grundlage hat die EZB seit vielen Monaten selbst geschaffen. Ihre Nullzinspolitik und ihr Schuldenaufkaufprogramm spülten Geld aus dem Nichts in die Märkte. Damit schuf sie die Basis für diesen Preisanstieg, der zuerst bei den Immobilien- und Aktienmärkten ankam und jetzt auch bei den Konsumgütern. Zwar definiert das Statistische Bundesamt die Inflation als „die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden“, doch mit dieser Art von Statistik ist es so eine Sache.

Es gibt nicht den Durchschnittskonsumenten, die Durchschnittsfamilie oder den Durchschnittsstudenten. Jeder ist anders. Aber nicht nur das. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Geldmengenveränderung nicht alle zum gleichen Zeitpunkt erreicht, sondern einige früher und einige später. Deshalb ist jeder Veränderung durch die Geldpolitik der Notenbanken ein Eingriff in das Handeln einzelner und das hat Folgen für Sparer, Investoren, Steuerzahler, Konsumenten, Unternehmer, Politiker, Rentner, Schüler und Studenten, Banker, Arbeitnehmer, Beamte und alle anderen am Gesellschaftsleben Beteiligten.

Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Bereits der irische Ökonom Richard Cantillon (1680-1734) untersuchte die Folgen einer Veränderung der Geldmenge für die Marktteilnehmer. Cantillon beschreibt, welche Auswirkungen eine Geldmengenerhöhung auf die Geldhalter hat. Keineswegs ist dieser Vorgang – die Inflation – für alle Geldhalter gleichermaßen von Vorteil. Es profitieren besonders diejenigen, die das frische Geld zuerst erhalten. Insbesondere der Staat und die Geschäftsbanken ziehen den Nutzen aus der Geldmengenerhöhung, zu Lasten der Bürger. Heute gilt das immer noch. Finanzminister Schäuble muss fast keine Zinsen mehr für seine Schulden bezahlen und marode Banken können sich immer noch über Wasser halten. Cantillon lebte in Zeiten des Goldstandards, in der die Geldschöpfung nur durch eine stärkere Förderung von Gold in Goldminen oder durch Entdeckung und Raub von Gold möglich war. Heute ist die fast unbegrenzte Geldschöpfung durch Kreditvergabe der Banken aus dem Nichts möglich.

Was vielfach nicht beachtet wird, ist, dass dadurch eine schleichende Umverteilung von arm zu reich stattfindet. Diejenigen, die in den letzten Jahren in Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien investieren konnten, haben tendenziell profitiert. Diejenigen, die das nicht konnten, müssen jetzt mit steigenden Preisen bei den Konsumgütern dafür bezahlen. Draghis Eingriff in den Preismechanismus unserer Marktwirtschaft enteignet die kleinen Sparer und läßt dem normalen Konsumenten immer weniger von seinem Einkommen. Leider ist Draghi kein Einzeltäter. Die Geschichte staatlichen Umgangs mit Geld ist bekanntlich eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Princeton University Art Museum from Wikimedia Commons (CC 0)

Griechenland muss raus aus dem Euro. Je eher desto besser. Es wäre für beide Seiten gut. Für die Griechen, weil sie sich so endlich der verhassten Fremdherrschaft entledigen und einen echten Neuanfang in eigener Verantwortung angehen könnten. Und für die übrigen Euro-Staaten wäre der Austritt Griechenlands ebenfalls ein Segen. Die ungeschminkte Wahrheit käme endlich auf den Tisch. Das halbjährliche Theater über die weitere Auszahlung und Rückzahlung von Geldern, die Griechenland erhalten oder bezahlen muss, ermüdet nicht nur die Finanzminister in der EU. Wen interessiert es wirklich, ob der IWF bei der Programmumsetzung dabei bleibt oder nicht? Eigentlich ist es so interessant wie wenn in China eine Bratwurst platzt. Es ist nicht mehr und nicht weniger als politisches Mikado von Wolfgang Schäuble, um seine vermeintliche Entschlossenheit gegenüber der sozialistischen Regierung in Griechenland zu demonstrieren. Umgefallen ist der deutsche Finanzminister dennoch seit 2010 jedes Mal.

Die ewigen Rituale der Überprüfung nicht in die Tat umgesetzter Maßnahmen, die die Regierung und Bevölkerung in Griechenland eigentlich nicht wollen, aber dennoch auf Druck der EU müssen, ist längst zu einer Posse geworden.

Allein die Geschichte um die Privatisierung von Staatsvermögen in Griechenland kann nicht einmal mehr Frustration, sondern nur noch Lethargie hervorrufen. 2010 wurde das Ziel ausgegeben, bis Ende 2015 Privatisierungserlöse von 50 Milliarden Euro zu erzielen. Im 2. Griechenland-Programm im März 2012 wurde die Summe auf 24 Milliarden Euro bis 2016 reduziert. Die erste Überprüfung des Programms im Dezember 2012 führte dazu, dass man diesen Plan auf das Jahr 2020 verlängert hat. Im Juni 2013 wurde vereinbart, dass Ende 2016 Privatisierungserlöse von 9,2 Milliarden Euro in der Kasse sein sollten. Wahrscheinlich wurde es anschließend nochmals mehrfach verändert. Irgendwann hört man einfach auf zu zählen.

Tatsächlich sind bis heute lediglich 1,5 Milliarden Euro eingenommen worden. Griechenland gibt rund 10 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für das Rentensystem aus. Deutschland unter 3 Prozent. Die Militärausgaben sinken zwar, aber längst nicht so deutlich, wie das eigentlich notwendig wäre. Immer noch gibt Griechenland absolut mehr Geld dafür aus als Belgien oder Dänemark und 63 Prozent mehr als das gleich große Portugal. Innerhalb der Nato gibt Griechenland auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung mit 2,4 Prozent nach den USA den höchsten Anteil für die Verteidigung aus. Selbst der Nato-Partner Türkei gibt dafür mit 1,6 Prozent weniger aus. Die überhöhten Ausgaben werden mit dem schwelenden Konflikt mit dem ungeliebten Nachbarland begründet – mit dem man gemeinsam Mitglied der NATO ist … Gerne wird von den Medien die soziale Dimension des wirtschaftlichen Niedergangs beschrieben. Es stimmt: die Wirtschaftskraft Griechenlands ist seit 2007 um 26,5 Prozent eingebrochen, die Hälfte der Griechen bezahlt keine Einkommensteuer, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Aber um das zu ändern, müsste jede Regierung dieser Welt eine Prioritätensetzung vornehmen. Wird das wenige Geld in die Zukunft investiert oder in die Vergangenheit? An dieser Frage kommt auch eine sozialistische Regierung nicht vorbei: Militärausgaben oder Bildung? Effizientes Steuersystem oder Korruption? Privatisierung und neue wirtschaftliche Dynamik oder Vetternwirtschaft?

Die Griechen selbst trauen dem Braten und ihrer Regierung nicht und ziehen trotz Kapitalverkehrskontrollen immer mehr Geld von den Banken ab. Seit dem Hoch 2009 sind es fast 50 Prozent. Selbst die Tourismusbranche schwächelt, obwohl wieder vermehrt Urlaub in Europa gemacht wird. Im letzten Jahr sind die Einnahmen dort um fast 7 Prozent zurückgegangen.

Wann ziehen die Euro-Staaten, die EU und der IWF endlich die Konsequenzen? Griechenland muss raus aus der Unmündigkeit, muss den Euro verlassen und anschließend mit seinen Gläubigern über einen Schuldenschnitt verhandeln. Die EU muss diesen Prozess begleiten und auch finanziell unterstützen. Aus dem Dreiklang „Austritt, Schuldenschnitt, Hilfe“ erwächst eine neue Perspektive für Griechenland und die übrigen Euro-Mitglieder. Der Euro muss zu einer atmenden Währung werden, die so flexibel ist, dass sie Ländern, die nicht im Euro bleiben wollen oder können, einen Weg heraus ermöglicht und gleichzeitig eine Perspektive innerhalb der Europäischen Union aufrechterhält.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: TUBS from Wikimedia Commons (CC 0)

Seit nunmehr sieben Jahren hat die Europäische Zentralbank in Frankfurt ihren Leitzins erst auf ein Prozent und seit drei Jahren auf null Prozent gesenkt. Bis Ende 2017 wird der EZB-Präsident Mario Draghi für 2200 Milliarden Euro Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen aufgekauft haben. Um das bezahlen zu können, geht er nicht zur Bank um sein Erspartes abzuheben oder einen Kredit aufzunehmen, sondern in seinen Keller im EZB-Tower in Frankfurt. Dort ist genug. Es ist unbegrenzt vorhanden. Er kann es aus dem Nichts schaffen, indem er auf die Enter-Taste seines Computers drückt.

Durch seine Zinspolitik und seine Schuldenaufkaufprogramme schafft er die Basis für eine größere Geldmenge. Die Folge dieses größeren Geldvolumens ist die Erhöhung der Preise. Bei welchen Preisen die Erhöhung ihre Wirkung zeigt, ist nicht vorhersehbar. Wahrscheinlich ist, dass Unternehmenswerte und Immobilien diese erhöhte Liquidität aufnehmen. Zumindest die hohen Immobilienpreise in den Ballungszentren und die boomenden Aktienkurse an den wichtigsten Börsen drücken das aus. Doch auch bei den Konsumgütern ist die Erhöhung der Geldmenge inzwischen zu spüren. Im Januar lag die Inflationsrate offiziell bei 1,9 Prozent und damit ganz nah an der Zielmarke Mario Draghis von 2 Prozent.

Die Kollateralschäden dieser Politik werden immer deutlicher. Billige Zinsen helfen zwar dem Finanzminister, dem Kämmerer und dem privaten Häuslebauer, sie führen aber auf der anderen Seite zu erheblichen Nebenwirkungen. Bei den Sparern, die in diesem Szenario 2 Prozent pro Jahr verlieren, wenn sie ihr Geld zur Bank bringen, führt dies über zehn Jahre gerechnet, zu einem Verlust eines Fünftels ihres Vermögens. Für eine alternde Gesellschaft keine gute Nachricht.

Das ist nicht mehr nur ein Phänomen der Privatbanken. Selbst Sparkassen und Volksbanken gehen inzwischen dazu über, Negativzinsen für Einlagen zu erheben. Die Hamburger Sparkasse, die größte im Lande, hat damit angefangen. Die Volksbank in Stendal und die Raiffeisen-Bank in Gmund am Tegernsee geht ähnliche Wege. Beide Bankengruppen stehen vor erheblichen Veränderungen. Ihr Geschäftsmodell funktioniert im Niedrigzinsumfeld so nicht mehr. Sie verdienen im Einlagengeschäft nichts mehr und die Margen im Kreditgeschäft brechen ebenfalls weg.

Sie müssen daher schnell Kosten sparen, um die mangelnden Erlöse ausgleichen zu können. In meiner ostwestfälischen Heimat hat jetzt eine große Sparkasse angekündigt, die Hälfte ihrer Filialen zu schließen. In ländlichen Regionen stellt sich sehr schnell die Frage der Versorgung mit Bargeld und anderen Bankdienstleistungen, gerade auch für ältere Menschen.

Das ist kein neuer Trend. Das Internet verändert auch die Bankenwelt. Die Mehrheit der Kunden wickelt die Bankgeschäfte inzwischen bequem von Zuhause oder dem Arbeitsplatz ab. Aber die Geldpolitik der EZB beschleunigt diesen Trend zusätzlich. Während in den 1970er Jahren noch 800 selbstständige Sparkassen existierten, sind es jetzt noch gerade 400. Im Genossenschaftssektor sieht es ähnlich aus. Der Konsolidierungsdruck ist nur höher. Zwar haben die Volks- und Raiffeisenbanken inzwischen mit der DZ-Bank nur noch ein Zentralinstitut, aber es gibt immer noch rund 1000 selbstständige Genossenschaftsbanken vor Ort.

Hinzu kommt der zunehmende Regulierungsdruck gerade auf die Sparkassen und Volksbanken. Je kleiner ein Institut ist, desto schwieriger ist es, für dieses, den bürokratischen Aufwand abbilden zu können. Kleine Banken werden so in die Fusion getrieben. Ob größere Banken zwingend solider sind als kleinere, lässt sich seit der Finanzkrise erst recht bezweifeln. Gerade die großen Institute haben zu Beginn und im Verlauf der Finanzkrise die Regierungen und Steuerzahler erpresst. Die Commerzbank, viele Landesbanken und die Hypo Real Estate wollten in der Premierleague mitspielen. Dort winkten hohe Siegprämien. Deren Abstieg in die Regionalliga musste am Ende aber der Steuerzahler bezahlen. Die Lehre aus dieser Entwicklung ist, dass Regulierung stärker zwischen großen und kleinen Instituten differenzieren und Mario Draghi zu einer Geldpolitik zurückkehren muss, die den Wert des Geldes nicht weiter vernichtet.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 11. Februar 2017.