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Photo: mararie from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Es ist viel darüber geschrieben, berichtet und verkündet worden, dass alle Beteiligten die notwendigen Lehren aus der Euro-Schuldenkrise in Europa gezogen hätten. Selbst gutmeinende Beobachter müssen jedoch konstatieren, dass sich nach zehn Jahren in der Praxis nicht viel geändert hat. Zwar sind neue Zuständigkeiten, neue Behörden, neue Regelungen geschaffen worden, doch dies alles scheint nur in der Theorie zu funktionieren. Am ersten Praxistest scheitert dies alles. Jüngst kann man das an der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi verfolgen.

Die Bank mit Sitz im schönen Siena gilt als älteste Bank der Welt. Sie hat durch Misswirtschaft inzwischen Verluste von fast 15 Milliarden Euro angehäuft. Fast die Hälfte ihres Kreditportfolios ist notleidend und wird nicht mehr von den Kreditnehmern regelmäßig bedient. Normal wären zwei bis drei Prozent. Die Bank ist pleite. Ohne fremde Hilfe droht seit Längerem die Insolvenz. Fremde Hilfe, außer vom italienischen Staat, ist nicht in Sicht. In diesem Fall greift inzwischen ein neues Abwicklungsregime auf europäischer Ebene, das erst die Beteiligung der Anteilseigner und der Gläubiger vorsieht, bevor der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Dieser sogenannte Bail-In ist die Lehre aus der permanenten Erpressung in Schieflage geratener Banken gegenüber den Regierungen im Zuge der Finanzkrise seit 2007/2008. Der Grundgedanke dahinter ist, dass nur dann mit Risiken verantwortungsvoll umgegangen wird, wenn nicht nur in guten Zeiten die Gewinne, Boni und üppigen Gehälter vereinnahmt werden, sondern im Zweifel die Beteiligten auch haften, wenn es schiefgeht. Dieser Grundsatz der Marktwirtschaft muss auch wieder im Finanzsektor gelten.

Am Beispiel der Monte dei Paschi zeigt sich auch, dass es falsch war, die europäische Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank anzudocken. Die Interessen einer Notenbank, die auf Geldwertstabilität verpflichtet ist, und einer Bankenaufsicht, die im Zweifel auch die Abwicklung oder Schließung einer Bank anordnen muss, sind im Krisenfall zu unterschiedlich, als dass dies von einer Behörde bewältigt werden kann. Da helfen auch keine „chinesischen Mauern“ innerhalb der EZB, die verhindern sollen, dass die eine Seite im Haus sich mit der anderen Seite abstimmt. Beim ersten Praxistest der vielgelobten Bankenunion scheitert das neue Regime. Erst hat die EZB der Bank die Solvenz bescheinigt, anschließend hat der italienische Staat die staatliche Beihilfe beschlossen und bei der EU-Kommission beantragt und jetzt hat die Kommission diese genehmigt. Es ist zum Haareraufen! Und die Konsequenz aus der Brüsseler Entscheidung ist so weitreichend, dass einem angst und bange werden kann. Denn dieser Präzedenzfall wird als Blaupause für alle künftigen Rettungsmaßnahmen herhalten. Das ist jetzt schon so sicher wie das Amen in der Kirche. Mit der Banca Popolare di Vicenza steht nämlich bereits das nächste Finanzinstitut auf der Matte.

Die Summe der notleidenden Kredite italienischer Banken liegt inzwischen bei über 200 Milliarden Euro. Es ist der höchste Wert in der italienischen Nachkriegsgeschichte. 12,6 Prozent der ausgereichten Kredite sind inzwischen notleidend. Das ist auch der Grund, weshalb die italienische Wirtschaft nicht auf die Füße kommt. Die hohe Zahl notleidender Kredite lässt die Banken vorsichtig werden, neue Kreditengagements zu vergeben. Während in den ersten zehn Jahren des Euro das Kreditvolumen pro Jahr um 8,2 Prozent stieg, sinkt es aktuell. Italiens Wirtschaftskraft liegt daher immer noch über sieben Prozent unter dem Höchstwert 2008. Es ist ein dahinsiechender Korrekturprozess der Übertreibung der ersten zehn Jahre des Euro. Diese Korrektur ist aber notwendig. Je eher und je schneller sie stattfindet, desto weniger schmerzhaft ist sie.

An dieser Entwicklung sieht man, dass die Politik der EZB, durch Anleihenkäufe und Nullzinspolitik die Erholung der Wirtschaft zu befördern, gescheitert ist. Sie war die Ursache für die heutige Überschuldung des italienischen Staates, seiner Banken und Wirtschaft. Es war süßes Gift, das die Abhängigkeit aller Marktteilnehmer vom billigen Geld nur noch größer gemacht hat. Diese Laxheit ist das Problem und die Änderung dieses Verhaltens die Lösung.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 3. Juni 2017.

Photo: Andrew Mason from Flickr ( CC BY 2.0).

Wenn derzeit in Brüssel, Berlin und Paris über einen Europäischen Währungsfonds, einen Euro-Finanzminister oder einen eigenen Euro-Haushalt diskutiert wird, dann geht es in erster Linie um eine Frage: Wer bekommt mehr Macht? Die EU-Kommission oder Wolfgang Schäuble? Denn hinter jedem Vorschlag stecken unterschiedliche Interessen. Die Kommission will die andauernde Schuldenkrise nutzen, um mehr Kompetenzen zu erlangen. Sie will einen Fuß in die Tür bekommen, um ihre Macht zu erweitern. Wolfgang Schäuble ist dies ein Dorn im Auge. Er will die EU-Kommission umgehen, weil er ihr nicht traut. Daher will er den Europäischen Stabilitätsmechanismus aus- und umbauen. Es ist ein langgehegter Plan von ihm. Bereits zu Beginn der Eurokrise 2010 schlug er einen Europäischen Währungsfonds vor, der mit Krediten in Schieflage geratenen Euro-Staaten helfen soll. Heraus kam der Europäische Stabilitätsmechanismus. Der ESM sollte die Beteiligung des IWF überflüssig machen. Schäuble wandte sich bereits zu Beginn der Euro-Schuldenkrise 2010 gegen den Zugriff des IWF auf die europäische Politik, weil er den mittelbaren Einfluss der USA fürchtete. Heute ist die Beteiligung des IWF an den Griechenland-Programmen lediglich ein Druckmittel, das ihm hilft, die eigenen Reihen in Berlin zu schließen und gleichzeitig der sozialistischen Regierung in Griechenland mit einem Stopp der nächsten Kreditrate zu drohen.

Für Schäuble besteht der wesentliche Vorteil des ESM darin, dass er nicht auf EU-Recht beruht, sondern auf einem intergouvernementalen Vertragswerk der Euro-Staaten untereinander. Hinzu kommt, dass Deutschland innerhalb des ESM ein faktisches Veto-Recht hat. Das EU-Parlament und die EU-Kommission sind in die Entscheidungen der ESM-Gremien nicht eingebunden. Schäuble mißtraut der Kommission. Nicht zu unrecht. Bei der Durchsetzung des verschärften Stabilitätspaktes versagt die Kommission auf ganzer Linie. Die Kommission läßt die Sünder laufen. Eigentlich ist die EU-Kommission nach den EU-Verträgen die Hüterin des Rechts. Doch tatsächlich biegt sie das Recht bis zur Unkenntlichkeit.

Dabei sollten mit automatischen Sanktionen gegen Defizitsünder die Lehren aus der Euro-Schuldenkrise 2010 gezogen werden. Eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild sollte jedes Land in seine Verfassung schreiben. Heute liegt der Schuldenstand in der Eurozone über 90 Prozent der Wirtschaftskraft und damit weit oberhalb des Maastricht-Kriteriums von 60 Prozent.

Doch trotz des berechtigten Misstrauens Schäubles gegen die Machtphantasien der Juncker-Kommission ist der Weg eines weiteren Ausbaus des ESM der falsche Weg. Schäubles Weg führt zwar nicht zu einer schnellen Vergemeinschaftung der Schulden, aber zu einer schrittweisen. Zwar kann er sich damit brüsten, die Vergemeinschaftung der Schulden durch Euro-Bonds verhindert zu haben, doch der Preis dafür sind weitere Zentralisierungsschritte an anderer Stelle. Junckers Investitionsplan gehört dazu, auch die drohende Zentralisierung der Einlagensicherung der Sparer, und erst recht die steigende Machtfülle der EZB im Dauerkrisenmodus.

Die Folge: Wo persönliche Haftung notwendig ist, wird die kollektive Verantwortungslosigkeit befördert. Wo Strukturreformen vor Ort notwendig wären, werden diese durch billiges Geld der EZB hinausgezögert. Und wo private Investitionen notwendig sind, werden diese durch Subventionen aus dem fernen Brüssel ersetzt. Als ob es in Spanien, Portugal und Griechenland nicht schon genug Autobahnen gäbe, über die niemand fährt.

Der politische Konstruktivismus ist sowohl in den Köpfen der EU-Kommission falsch, als auch in den Köpfen der Bundesregierung. Beides führt zu Verschwendung, Ineffizienz und Bürokratie, ohne dass dies dauerhaft den Wohlstand in den jeweiligen Ländern fördert. Die Wachstumsschwäche heute ist die Korrektur der künstlich erzeugten Wachstumsstärke von gestern. Das Wachstum in Südeuropa wurde zu Beginn der Euroeinführung durch billige Zinsen auf Sand gebaut und durch öffentliche Investitionsprogramme zusätzlich verzerrt. Das konnte und kann nicht gutgehen. Diese Fehllenkung von Kapital hat private Investitionen verdrängt, Preise steigen lassen und Korruption befördert.

Eine Agenda für die Eurozone müßte das Haftungsprinzip bei Staaten, Banken und Unternehmen wieder hart durchsetzen. Es wäre eine Rückkehr zum Maastricht-Vertrag, der eine Haftung für die Schulden eines anderen Landes ausschließt. So würde auf einen Schlag die Schuldenaufkaufprogramme der EZB beendet und Zinsdifferenzen wieder innerhalb des Euroraums ermöglicht. Der Europäische Stabilitätsmechanismus wäre dadurch obsolet. Ihn stattdessen dauerhaft zu institutionalisieren, bedeutet letztlich, dass die Schuldenvergemeinschaftung in der Euro-Zone immer weitergeht. Die Haftungsbegrenzung Deutschlands auf 190 Milliarden Euro ist daher nicht auf Dauer, sondern wird durch andere Instrumente immer weiter ergänzt. Mit der Durchsetzung des Haftungsprinzips müßte die Austrittsmöglichkeit aus dem Euro vertraglich geregelt werden, um damit einen atmenden Währungsraum zu schaffen. Wer sich nicht an die gemeinsamen Regeln halten will oder kann muss auch die Möglichkeit haben auszutreten.

Vielleicht müsste man auch eine Regelung verankern, die den Ausschluss von Mitgliedsstaaten aus der Währungsunion ermöglicht. Wer dauerhaft die Regeln verletzt, alle anderen im Währungsraum damit gefährdet, kann nicht erwarten, dass der Rest diesem Treiben dauerhaft zuschaut. Wahrscheinlich wäre dies die effektivste Schuldenbremse für alle. Sie würde nämlich auch diejenigen disziplinieren, die sich vom billigen Geld und der Verantwortungslosigkeit infizieren lassen. Letztlich ist der Währungsraum wie ein Club, der gemeinsame Regeln kennt. Wie in einem Verein können die Mitglieder nicht akzeptieren, wenn ein Mitglied die Grundsätze des Vereins dauerhaft verletzt. Geht es nicht freiwillig, dann wird es nach festgelegten Regeln ausgeschlossen. Das ist nicht unsolidarisch, sondern ganz im Gegenteil: es dient dem dauerhaften Erhalt der gemeinsamen Ziele.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Hans Splinter from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Seit bald sechs Jahren ist der Italiener Mario Draghi Präsident der Europäischen Zentralbank. Seine Amtszeit läuft noch bis 2019. Doch schon jetzt wird eine Diskussion darüber geführt, wer seine Nachfolge antreten soll. Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann gilt als einer der Favoriten. Er wäre sicherlich eine sehr gute Wahl, weil er sich einen kritischen Blick auf die EZB-Geldpolitik bewahrt hat und den mangelnden Reformwillen der Südstaaten immer wieder kritisiert. Jüngst fiel er dadurch auf, dass er der EU-Kommission Prinzipienlosigkeit vorwarf. Diese Klarheit und der Durchblick sprechen für ihn. Er steht damit in einer guten Tradition. Auch sein Vorgänger Axel Weber war und ist ein Kritiker der EZB-Politik. Auch er galt als potentieller Nachfolger des damaligen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. Auch er vertrat im EZB-Rat eine Minderheitenmeinung. Und auch bei ihm hatte die Öffentlichkeit lange Zeit den Eindruck, die Bundesregierung und insbesondere Angela Merkel unterstützen ihn bei der Kandidatur. Letztlich ließ Angela Merkel ihren Kandidaten während der Euro-Krise 2011 fallen, was Weber zum Rücktritt als Bundesbankpräsidenten veranlasste.

Ob Weidmann bessere Karten hat als Weber ist fraglich. Zwar ist er näher an Angela Merkel dran als sein Vorgänger. Immerhin war Weidmann zuvor Abteilungsleiter im Kanzleramt und „Sherpa“ Merkels für G8- und G20-Treffen. Aber die Dominanz Merkels und Deutschlands in der Europapolitik ist vielen ein Dorn im Auge. Schon bringt die französische Seite ihren Notenbankgouverneur Francois Villeroy de Galhau ins Gespräch.

Letztlich geht es um die Entscheidung, ob eher ein Präsident gewählt wird, der die Politik des billigen Geldes fortsetzt, oder jemand, der die Abhängigkeit von der Nullzinspolitik und den Schuldenaufkaufprogrammen beendet. Es sind zwei völlig unterschiedliche Konzepte. Die Vertreter der einen „Philosophie“ sind die Tauben, die niedrige Zinsen befürworten, um Wirtschaftswachstum anzuregen und den hohen Schuldenstand von Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalten finanzieren zu können. Sie glauben, dass man so aus der Krise herauswachsen kann. Die anderen sind die Falken: sie wollen jetzt den Einstieg aus dem Ausstieg des billigen Geldes einleiten. Auch sie sehen die Gefahren, die durch die Insolvenzen von Staaten und Banken entstehen könnten. Sie glauben aber, dass die Gefahren der fortgesetzten Zinsmanipulation noch größer sind

Mario Draghi hatte sich 2011 vor seiner Kandidatur als Falke präsentiert. Damals lobte er in einem Interview in der FAZ die deutsche Stabilitätskultur, die die Deutsche Bundesbank über viele Jahrzehnte repräsentiert habe. Er hielt die Maastricht-Kriterien hoch und die Unabhängigkeit der Notenbank. Er wollte den Deutschen die Angst nehmen, dass ein EZB-Präsident aus Italien die Regeln schleifen und den Euro in eine mediterrane Tradition überführen würde. Heute müssen wir feststellen, dass er diese Rolle nur gespielt hat. Tatsächlich ist Mario Draghi eine Taube im Falkenkleid. Er hat dafür gesorgt, dass die EZB Schulden in noch nie dagewesener Dimension aufkauft. Am Ende ihres Anleihenaufkaufprogrammes wird die EZB dafür 2.300 Milliarden Euro aus dem Nichts geschaffen haben. Alles was nicht niet- und nagelfest ist, wird von der EZB gekauft, um mittelbar die Zinsen zu drücken. Die Märkte sind in vielen Bereichen inzwischen leergefegt. Wenn es so weitergeht, kauft die EZB bald auch alte Fahrräder und gibt dafür neues Papiergeld heraus.

Jens Weidmann war im EZB-Rat nicht der einzige, der dies von Anfang an kritisiert hat. Auch sein estnischer Kollege Ardo Hannson gehörte dazu. Man müsse die Frage stellen, ob die EZB eine verbotene Staatsfinanzierung betreibe, sagte er 2014 der Süddeutschen Zeitung. Der Harvard-Absolvent hat 2001 die Estnische Krone an die DM und 2002 dann an den Euro gekoppelt. Er hat gezeigt, dass er ein Falke ist. Er kommt aus einem Land mit vorbildlicher Fiskalpolitik und echtem Reformgeist. Hansson wäre ein guter Kandidat für die Draghi-Nachfolge. Je eher desto besser.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

 Photo: Martin Bravenboer from Flickr (CC BY 2.0)

Es soll Bankvorstände geben, die nicht wissen, wie Geld entsteht. Sie glauben, ihre Bank würde nur Kredite vergeben können, die sie zuvor als Einlagen von ihren Kunden erhalten haben. Sie müssten also mehr Einlagen einwerben, um im Kreditgeschäft wachsen zu können. Die Bank sei nur eine Art Vermittler zwischen Sparer und Kreditnehmer und lebe letztlich von den unterschiedlichen Zinsen für Guthaben und Kredite. Nichts ist abwegiger! Diesen Bankvorständen kann man als Lektüre den aktuellen Monatsbericht der Deutschen Bundesbank empfehlen. Denn Weiterbildung am Feierabend sollte auch für die leitenden Mitarbeiter einer Bank selbstverständlich sein. Auf 21 Seiten erklären die Bundesbanker „die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbanken im Geldschöpfungsprozess“. In diesem etwas trockenen Text erfahren sie dann, dass über 90 Prozent der in Umlauf befindlichen Geldmenge kein Bargeld ist, sondern Buchgeld, das überwiegend durch Kreditvergabe der Banken geschaffen wurde und auf den Konten der Marktteilnehmer herumliegt. Es ist Geld, das aus dem Nichts geschaffen wurde und das vorher nicht als Einlagen vorhanden war. Es ist neues Geld.

Eigentlich könnte in diesem System eine Bank unbegrenzt neues Geld „herstellen“, indem sie auf den Knopf drückt und neue Kredite vergibt. Was sie daran hindert, sind Bilanzregeln, Kreditvergaberegeln, Leitzinsen der Notenbanken und viele weitere Regulierungen und Anreize des Staates. Hinzu kommt die Aufsicht des Staates über den Finanzsektor. Zahlreiche Institutionen von der Deutschen Bundesbank über die BaFin bis hin zur Europäischen Zentralbank kümmern sich um die Einhaltung dieses Regelwerkes im Hinblick auf das jeweilige einzelne Institut, wie auch auf die Risiken für das Finanzsystem insgesamt. Wahrscheinlich gibt es keinen Wirtschaftszweig, der so stark reguliert und überwacht ist, wie der Bankensektor und dennoch ist er, wie kein anderer Sektor, so sehr verantwortlich für immer wiederkehrende Wirtschaftskrisen. Deshalb wird das Netz der Überwachung und Regulierung immer enger geflochten.

Das Kernproblem ist das Erkaufen von Wirtschaftswachstum durch immer mehr Kredit und damit Geld aus dem Nichts. In dieser Welt ist das Wachstum an Krediten der Indikator für das Wachstum der Wirtschaft. Doch beides verläuft nicht in gleichen Schritten. Es bedarf immer mehr Kredit und damit Geld, um Wachstum anzuregen. Zwischen der Einführung des Euros 1999 bis zum Ausbruch der Krise 2007 stieg die Geldmenge in der Eurozone um über 8 Prozent pro Jahr. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg in der gleichen Zeit um rund 2 Prozent. Heute steigt die Geldmenge im Euro-Raum zwar mit 5 Prozent etwas langsamer, dennoch ist es wesentlich höher, als das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone. Die Schwäche heute liegt jedoch an der Übertreibung von gestern. Die expansive Kreditausweitung vor 2007 erzeugte einen Boom, auf den alle aufsprangen. In der Spitze führte sie jedoch zu Zahlungsausfällen von Unternehmen, die ihre Projekte mangels Nachfrage nicht mehr zu Ende führen konnten. Mit den Zahlungsausfällen der Unternehmen folgten Insolvenzen von Banken und selbst Staaten in Südeuropa drohte dies, wenn nicht die EZB und der Euro-Club mit Milliardensummen eingegriffen hätten.

Die Ursache für das geringere Geldwachstum heute, liegt also an der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der Eurozone seit 2007/2008. Banken, insbesondere in Südeuropa vergeben seitdem nicht mehr so viele Kredite wie zuvor. Sie sind vorsichtig geworden, weil die Krise 2007/2008 nicht ausgestanden ist. Viele der ausgereichten Kredite sind heute notleidend und können von den Kreditnehmern nicht mehr bedient werden. In Italien, Griechenland, Zypern, Portugal ist es besonders schlimm.

Es ist wie in einem Fischteich. Die EZB kümmert sich als Fischer um den Teich. Sie füttert die Fische mal mehr und mal weniger. Muss der Fischbesatz wachsen, dann füttert sie mehr. Hilft das nicht schnell genug, wirft sie Anabolika und andere wachstumsfördernde Stoffe hinein. Irgendwann stellt sie fest, dass die Fische immer größer und fetter werden. Der Hunger der Fische wird immer größer. Sie fressen alles kurz und klein, was sonst noch im Teich kreucht und fleucht. Immer stärker muss der EZB-Fischer eingreifen, um das ins Wanken geratene Ökosystem des Tümpels aufrecht zu erhalten.

Zur Regulierung dieses Fischteichs schlägt die Bundesbank in ihrem aktuellen Bericht vor, dass der Fischteich noch stärker und besser überwacht werden muss. Es sollen Ober- und Unterfischer eingestellt werden. Die Fischereiaufsicht soll aufgestockt und neue Kompetenzen bekommen. Alle Teichbesitzer in Europa und in der Welt sollen sich besser über die Fütterungspläne austauschen. Sie nennt das makroprudentielle Aufsicht. Und sie schlägt vor, dass die einzelnen Fische sich gesünder ernähren müssen. Mindestens ein Veggie-Day pro Monat soll helfen, die Fettsucht der Fische zu verhindern. Nicht mehr so viel Anabolika zum Muskelaufbau, sondern eine Mindestquote gesunder Ernährung müsse schon sein. Also nicht mehr 3 oder 4 Prozent, sondern vielleicht 10 Prozent Ökobratlinge und Fleischersatz sind notwendig um das Überleben der Fische zu sichern. Ob das hilft?

Etwas schnell, verwirft die Deutsche Bundesbank mögliche Alternativen. Die Einführung von Vollgeld, also die alleinige Geldschöpfung in die Hand der Notenbanken zu legen, verwirft sie mit dem Argument, dass damit die Schaffung von Liquidität durch die Banken eingeschränkt würde. Doch genau darum geht es ja. Andere Alternativen diskutiert die Bundesbank erst gar nicht. Man muss ja nicht beim Vollgeld hängen bleiben, das durch seine staatliche Inthronisation bereits eine Urschwäche in sich birgt. Denn ein solches System könnte jederzeit wieder durch einen staatlichen Akt zurückgedreht werden. Die eigentliche Schwäche ist das Monopol, das die Bundesbank gemeinsam mit der EZB ausübt. Dieses Geldmonopol produziert immer wiederkehrende und immer größere Probleme durch die Kreditausweitung aus dem Nichts. Der Staat maßt sich hier ein Wissen über die Geldversorgung und die wirtschaftliche Entwicklung an, das er nicht hat und nicht haben kann. In einer Marktwirtschaft sorgt deshalb der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren dafür, dass einzelne Marktteilnehmer durch Versuch und Irrtum im Kleinen sich den Anforderungen des Marktes annähern. In einem solchen System würde Geldwettbewerb herrschen. Dort würden auch Insolvenzen von Staaten und Banken eintreten, sie würden aber nicht ein ganzes Finanzsystem in den Abgrund stürzen. Oder um es mit dem Bild des Fischteiches zu sagen: der gesamte Fischteich könnte nicht umkippen.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

 

 Photo: Vicky Hill from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die weltweite Schuldenlast steigt und steigt. Das Institute of International Finance, ein Zusammenschluss internationaler Großbanken, hat für 2016 einen weltweiten Schuldenberg von 215 Billionen Dollar errechnet. Vor der jüngsten Finanzkrise 2006 betrug die Schuldenlast noch 144 Billionen Dollar. Weitere zehn Jahre zuvor lediglich 63 Billionen Dollar. Innerhalb von 20 Jahren haben sich die Schulden von Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalten um 152 Billionen Dollar erhöht. Eine gigantische Steigerung. Die Welt ist mit 325 Prozent zur Wirtschaftsleistung verschuldet. Betrachtet man nur die Staatsverschuldung, so liegen die Länder mit 89 Prozent zur Wirtschaftsleistung weit oberhalb des Maastricht-Kriteriums von 60 Prozent, das sich die EU-Staaten selbst auferlegt haben, aber natürlich auch nicht einhalten. Spitzenreiter unter den Industriestaaten ist Japan, das eine Staatsverschuldung von 227 Prozent vor sich herschleppt. Da ist Deutschland mit 68 Prozent fast schon ein Musterknabe.

Die Weltwirtschaft wächst zwar seit vielen Jahren über drei Prozent pro Jahr. Dennoch kann das Wirtschaftswachstum mit dem Wachstum der Schulden nicht mithalten. Immer mehr Kredite und damit Schulden müssen eingesetzt werden, um Wachstum zu generieren.

Um die steigende Schuldenlast finanzieren zu können, sind niedrige Zinsen zwingend notwendig. Würden die Zinsen wieder auf ein Niveau steigen, das nur zwei oder drei Prozentpunkte höher als derzeit läge, wären Insolvenzen von Unternehmen, Banken und auch Staaten die zwingende Folge. Sie könnten die Zinsbelastung der hohen Schuldenlast nicht mehr tragen. Daher werden alle wichtigen Notenbanken auf der Welt den Kreditfluss weiter lockern, indem sie die Zinssätze nach unten manipulieren. Den kurzfristigen Zins beeinflussen die Notenbanken über ihren Leitzins, zu dem Banken bei der Notenbank Kredit erhalten. Den langfristigen Zins beeinflussen die Notenbanken durch den Ankauf von Wertpapieren.

Die US-Notenbank und die EZB machen dies durch den Ankauf von Schuldpapieren, wie Staatsanleihen und Pfandbriefen. Die Japanische Notenbank geht diesen Weg schon länger und ist inzwischen sogar dazu übergegangen auch Aktien zu kaufen, um die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen zu verbessern.

Daher wird die vielbeschworene Zinswende in Amerika erst mal ausfallen. Sicher wird die US-Notenbank Fed ihren Leitzins etwas anheben, aber niemals in einem Umfang, den wir vor der Finanzkrise 2007/2008 kannten, als der Leitzins bei über fünf Prozent lag. Wir sitzen also alle in einem Boot, das erst ein kleines Loch hatte, das aber inzwischen zu einem beachtlichen Leck wurde. Immer mehr Wasser dringt in das Boot und alle Insassen versuchen mit ihren Händen das Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Doch das Wasser im Boot steigt und steigt.

Solange das Vertrauen in die jeweilige Währung nicht erschüttert ist, kann der Schuldenberg auch noch eine gewisse Zeit weiter wachsen. Denn nicht alle finden die Entwicklung schlecht. Finanzminister Schäuble freut sich, weil er durch die Scheinkonjunktur historisch hohe Steuereinnahmen hat, seine Zinslast sich marginalisiert und er dennoch Wohltaten verteilen kann. Auch der Häuslebauer freut sich über die niedrigen Hypothekenzinsen. Und auch der Unternehmer, der kreditfinanziert investieren will, profitiert. Doch die andere Seite der Medaille ist, dass die Vernichtung des Zinses zu steigenden Vermögenspreisen für Aktien und Immobilien führt. Deren Eigentümer, also eher die Vermögenden, haben den Nutzen. Die Mieter oder auch diejenigen, die nicht in Vermögensgüter investieren können und wollen, sind die Verlierer. Sie bezahlen dies mit höheren Mieten und einer niedrigeren Verzinsung ihrer Lebensversicherungen.

Die Manipulation des Zinses durch die Notenbank, die letztlich eine staatliche Erfindung und Einrichtung ist, führt also zu wachsender Vermögensungleichheit. Sie ist also nicht eine Entwicklung der Marktwirtschaft, sondern der Staatswirtschaft. Das wäre an sich schon schlimm genug. Doch die Inflation der Vermögenspreise macht nicht dort halt. Auf absehbarer Zeit wird sie über die Mieten und die Lohnsteigerungen auch die Konsumgüterpreise erreichen. Dann ist die Inflation auf breiter Front da und Otto Normalbürger muss die Zeche auch hier bezahlen. Das ist das Szenario, das EZB-Präsident Mario Draghi unverblümt anstrebt, um den Schuldenberg über die Inflation zu reduzieren. Darauf sollten man sich einstellen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 8. April 2017.