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Die Griechen haben gewählt, und die neue Mehrheit im Parlament hat eine Regierung gebildet. Die linksextreme Syriza und die antisemitischen Rechtspopulisten der Partei Anel bilden eine gemeinsame Koalition. Letztere hat mit Panos Kammenos einen Vorsitzenden, der gleichzeitig neuer Verteidigungsminister ist. Er hat noch im Dezember behauptet, Juden würden in Griechenland steuerlich bevorzugt. Als im Jahr 2000 in Österreich die konservative ÖVP mit der rechtspopulistischen FPÖ eines Jörg Haiders koalierte, brach europaweit ein Sturm der Entrüstung aus, der am Ende Sanktionen und die diplomatische Isolierung der Alpenrepublik zur Folge hatte.

Und in der Parteizeitung des Syriza-Vorsitzenden und neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras wird aktuell Finanzminister Schäuble mit Wehrmachtsuniform karikiert. Dennoch kann die Vorsitzende der Syriza-Schwesterpartei „Die Linken“, Katja Kipping, mit dem Wahlsieg in Griechenland einen „europäischen Frühling“ ausrufen, und die europäischen Linken in ganz Europa klatschen Beifall. Was Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht heute wohl dazu sagen würden?

Das moralische Recht Griechenlands, weiter Mitglied im Euro-Raum zu sein, darf durchaus in Frage gestellt werden. Eigentlich müsste Griechenland aus dem Euro-Club ausgeschlossen werden. Es ist doch eine perverse Verdrehung des Solidaritätsgedankens, wenn ein Land sich mit nachweislich gefälschten Zahlen in den Euroraum mogelt, anschließend fortgesetzt und dauerhaft die gemeinsam geschaffenen Regeln verletzt und dann, wenn es nicht mehr weiter weiß, um Solidarität bei den anderen nachsucht. Und um es auf die Spitze zu treiben: Zu einem Zeitpunkt, wo der Euro-Club und die Europäische Zentralbank (EZB) rund 80 Prozent der 322 Milliarden Euro Schulden Griechenlands in ihre eigenen Bücher übernommen haben, werden die Helfer von der amtierenden Regierung des hilfesuchenden Landes erpresst. Geschlossene Vereinbarungen gelten nicht mehr, und neues Geld wird gefordert.

Um es nochmals zu verdeutlichen: In Griechenland ist kein Vulkan ausgebrochen, es waren auch keine Missernten oder Überschwemmungen, die die Überschuldung des Staates verursacht haben. Es waren von der Bevölkerung demokratisch gewählte Regierungen und Parlamente, die dies über viele Jahrzehnte durch Korruption und Misswirtschaft verursacht haben. Nichts anderes! Dabei haben die europäischen Geberstaaten große finanzielle Kraftanstrengungen geleistet. Bis zum Ausbruch der Krise erhielten die Nehmerstaaten in der EU Netto-Subventionen von über 430 Milliarden Euro. Allein Griechenland war mit 133 Milliarden Euro dabei, davon leistete Deutschland alleine 69 Milliarden. Dies entspricht nahezu dem Betrag, mit dem Griechenland seit Ausbruch der Krise 2010 bei Deutschland im Obligo steht.

Dieses Verhalten hat nicht nur Griechenland in die aktuelle Situation gebracht, sondern infiziert auch alle anderen im Euro-Club. Der Rechtsbruch europäischer Regelungen wird zum Frühsport und die Versprechen einer Besserung zu Sirenengesängen. An die Maastricht-Kriterien hat sich nach dem Präzedenzfall in Griechenland anschließend keiner mehr gehalten. Und auch die ach so verschärften Regeln, die mit der Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM 2012 eingeführt wurden, sind schon nach zwei Jahren längst wieder Makulatur. An den Fiskalpakt, der faktisch ein Neuverschuldungsverbot vorsieht, hält sich wieder fast niemand. Und Griechenland hat ihn als einziges Land bislang noch nicht einmal in die Verfassung oder ins Gesetz geschrieben.

Griechenland ist ein souveräner Staat. Es war und ist das gute Recht des griechischen Parlaments, Reeder von der Steuer per Verfassung zu befreien. Es ist auch deren gutes Recht, die Schlüsselindustrie zu verstaatlichen und weiter fleißig Beamte einzustellen. Und es ist auch die souveräne Entscheidung der Regierung Griechenlands, bei den übrigen Partnern in Europa Zweifel an der Westbindung Griechenlands zu nähren. Doch Griechenland und die übrigen 27 EU-Staaten müssen sich die Frage stellen, ob dies eine Basis für eine gemeinsame Zukunft in Europa ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung am 14. Februar 2015.

Photo: L’Altra Europa con Tsipras from Flickr

Ich kaufe gerne mal die Obdachlosenzeitung. Das erscheint mir prinzipiell ein sehr sinnvolles Projekt. Als ich die Dezember-Ausgabe des „strassenfeger“ aufschlug, fiel mir eine Überschrift ins Auge: „Freihandels-Nostalgie?! – Oder wie eine Idee des 19. Jahrhunderts unsere modernen europäischen Demokratien bedroht und warum wir das nicht wollen“. Leider geht es in dem Artikel selbst dann nur um das Investitionsschutzabkommen. Mich hätte vielmehr interessiert, wie die Autorin „Julia“ die „Freihandels-Nostalgie“ definiert. Im Zuge der Proteste gegen TTIP ist Freihandel zu einem Schreckenswort geworden. Als bekennender Freihandels-Nostalgiker finde ich das verstörend …

Demokratie und Freihandel: Geschwister im Kampf gegen die Mächtigen

Wie immer, wenn Politiker und Bürokraten ein Projekt angehen, ist Wachsamkeit gefordert. Sicherlich gibt es an Verfahren und Inhalt von TTIP manches zu hinterfragen. Gleichzeitig laufen aber auch viele der Kritikpunkte an dem Investitionsschutz ins Leere. Viele TTIP-Kritiker tappen allerdings leider in dieselbe Falle wie „Julia“: sie meinen Intransparenz und Demokratiedefizit, schießen aber auf den Freihandel. Das ist ein fataler Fehler, denn Freihandel und Demokratie teilen die gleichen Eltern: beide sind Ausdruck des Kampfes für die Freiheit gegenüber den Großen und Mächtigen.

Demokratie wurde als System der Machtkontrolle und -beschränkung entwickelt. Vor 2500 Jahren war es das Gegenkonzept zur Tyrannis. Heute sollen demokratische Prozesse diejenigen kontrollieren und beschränken, denen zeitweise bestimmte Vollmachten eingeräumt werden. Immer geht es darum, die Freiheit und Selbstbestimmung des einzelnen vor der Willkür der Herrschenden in Schutz zu nehmen. Das gilt natürlich auch dann, wenn eventuell Deals in die Freihandelsabkommen mit hinein kommen, die bestimmte Gruppen bevorzugen und vielleicht gar im Geheimen abgeschlossen werden (wenn das der Fall sein sollte).

Freihandel gegen Hungersnot

Zur Willkür der Herrschenden gehörte auch immer schon das Instrument der Handelskontrolle. Zölle wurden erhoben, um den Staatssäckel zu füllen. Aber Zölle wurden auch erhoben, um die eigene Industrie zu schützen. Und zwar meistens die Großen, die es geschafft haben, bei den Herrschenden für ihren Schutz zu werben. Heute nennt man solche Leute Lobbyisten. Zölle sind wesentlich auch Beschränkungen der Handels- und Vertragsfreiheiten der einzelnen Bürger. Im Endeffekt wirken die Preisaufschläge durch Zölle oft wie ein Kaufverbot. Das führt dazu, dass der einheimische Verbraucher eine geringere Auswahl haben oder höhere Kosten tragen muss.

Die „Idee des 19. Jahrhunderts“, vor deren Schrecken „Julia“ warnt, war genau gegen diese Handelsbeschränkungen gerichtet. Richard Cobden, ein Mann aus sehr einfachen Verhältnissen, wurde zu einem der ersten Begründer einer Graswurzelbewegung. – Also vom Prinzip her, wenn auch nicht von den Überzeugungen, ein Vorläufer von attac, Occupy und Campact. – Die Zölle, die es zu seiner Zeit in Großbritannien auf Getreide gab, schützten die Großgrundbesitzer vor dem Import von günstigerem Getreide aus Russland und den USA. Die Leidtragenden waren die Industriearbeiter, die zum Teil schwere Hungersnöte durchmachen mussten, weil die Nahrungsmittelpreise zu hoch waren. Cobdens Bewegung für den Freihandel hat die Abschaffung dieser Zölle durchgesetzt und so Millionen von Menschen aus Elend, Not und Hunger geholfen. Die Bewegung nannte man übrigens Manchester-Liberalismus

Fair Trade für uns und andere

Handel ist prinzipiell für alle Beteiligten gut: Der Anbieter kann Geld verdienen, indem er etwas verkauft. Und der Käufer kann etwas erwerben, das er braucht oder will. Beschränkungen des Handels sind somit für beide Seiten schlecht: Der eine wird am Geldverdienen gehindert, der andere am günstigen Erwerb von wertvollen oder vielleicht gar lebenswichtigen Gütern. Wer gegen Freihandel ist, sollte sich dessen bewusst sein.

In der Tat gibt es kaum ein besseres Mittel, um eine Situation des Fair Trade herzustellen als den Abbau von Handelsbeschränkungen. Denn plötzlich bekommen alle Zugang zu einem Markt, der bisher nur wenigen vorbehalten war. Und gleichzeitig können Großkonzerne ihre marktbeherrschende Stellung nicht mehr so gut schützen, wenn es keine Zölle mehr gibt. Nicht nur der Produzent im anderen Land kann endlich seine Ware loswerden, auch der Konsument im eigenen Land kann einkaufen ohne den Preisaufschlag bezahlen zu müssen, der durch Zölle entsteht. Gerade für die Menschen aus ärmeren Ländern ist Freihandel (und in der Folge am besten auch freie Migration) eine enorme Chance. Es liegt wesentlich an der mit Handelsliberalisierung verbundenen zunehmenden Globalisierung, dass der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, von 1990 bis 2010 um die Hälfte zurückgegangen ist.

Freihandel nicht als Nostalgie, sondern als Vision

Viele Gegner des Freihandels sind auch Idealisten. Sie verfolgen hehre Ziele wie zum Beispiel den Schutz der Umwelt, Wohlstand für alle oder weltweiten Frieden. Das ist gut und das ist ehrenwert. Aber auch der Manchesterliberale Richard Cobden hat für solche Ziele gekämpft. Er hat sich für mehr Bildungschancen eingesetzt. Und er war geradezu radikaler Pazifist, was ihm in der Hochzeit der Imperialismus im 19. Jahrhundert auch sehr viele Feinde eingebracht hat. Wäre es nicht wunderbar, wenn die Gegner von Freihandel erkennen könnten, dass sie gegen den falschen Feind anlaufen, wenn sie ihre Ziele erreichen wollen?

Freihandel sollte für uns alle eine Vision sein, auf die wir hinarbeiten. Das heißt nicht, dass wir die Probleme der aktuellen Abkommen kleinreden sollten. Auch dort gibt es sehr viele Entwicklungen, die dem eigentlichen Prinzip des Freihandels widersprechen. Es werden neue Schutzmaßnahmen eingerichtet, Sonderregeln eingeführt und TTIP droht natürlich auch, sich seinerseits gegenüber anderen Märkten abzuschotten. Aber diese Probleme dürfen nicht dazu führen, dass wir verkennen, welch ein Segen Freihandel weltweit schon ist – und ein wieviel größerer Segen er erst sein wird, wenn er sich weiter durchsetzt. Die Geschichte der EU zeigt durchaus eindrücklich, wie ein freier Markt zu Wohlstand und Frieden führt. Dafür lohnt es sich zu kämpfen – weltweit!

Photo: barockschloss from Flickr

Die beängstigenden Bilder der vermummten Attentäter von Paris sind uns noch ebenso präsent wie die Demonstrationen in Ferguson nach der Erschießung Michael Browns. Mit Grauen hören wir die Berichte über Gruppenvergewaltigungen in Indien, die Folterberichte aus den USA, die Hinrichtungszahlen in China oder die Schicksale der Kriegsopfer von der Ukraine bis Nigeria. In den USA ist die Zahl der Menschen, die durch Schusswaffen ums Leben kommen, inzwischen fast genauso hoch wie die Zahl der Verkehrstoten.

Wie kommt es dazu, dass Menschen einander solche Dinge antun?

Nicht Waffen töten, sondern Menschen

Vor allem wenn es um die Gewalt in den USA geht, taucht wie ein Mantra immer wieder das Argument auf, dass die dortige lockere Waffengesetzgebung eine der Hauptursachen dafür wäre. Diese Argumentation ist einfach, weil sie sofort einen Schuldigen ausmacht. Außerdem passt sie gut in das Bild, das viele Menschen hierzulande von den Vereinigten Staaten haben. Allerdings bröckelt diese Argumentation ganz schnell, wenn man sich ansieht, welche Länder ähnlich lockere Waffengesetzgebungen haben: die Schweiz und Kanada etwa sind nicht bekannt für übermäßigen Waffengebrauch.

Eine Waffe tötet nicht, solange keiner der Abzug drückt. Auf diesen Zusammenhang kann man gar nicht oft genug hinweisen in einer Zeit, in der Menschen immer mehr Verantwortung abgesprochen und abgenommen wird. Zigaretten verursachen keinen Lungenkrebs, wenn sie keiner raucht. Zucker macht nicht fett, wenn er maßvoll eingesetzt wird. Und am Alkoholismus ist nicht der Schnaps Schuld, sondern derjenige, der zu viel von ihm konsumiert. Darum werden Waffengesetze auch kaum eine signifikante Rolle spielen im Blick auf die Gewaltbereitschaft in einer Gesellschaft. Entscheidend ist zunächst das Verhalten des einzelnen Menschen. Und darüber hinaus gesellschaftliche Traditionen, Entwicklungen und Umstände.

Das Problem der Gewalt hängt zusammen mit dem Menschen, der sie ausübt. Und da zeigt der Blick in die Welt durchaus signifikante Unterschiede. Es gibt ganz offensichtlich Gegenden, die gewaltsamer sind als andere. Während Skandinavien oder Neuseeland am unteren Ende der Skala stehen, stechen der Nahe und Mittlere Osten, Afrika, die USA oder einige Länder Lateinamerikas besonders hervor. Sehen wir uns zwei besonders gewalttätige Regionen etwas näher an: die USA und den Nahen Osten.

USA: Gewalt als Mittel der Politik

In den USA treffen wir allenthalben auf Gewalt: ob in den Ghettos, bei Polizisten oder in den ordentlichen Vorstädten. Ein Grund für die niedrige Hemmschwelle ist sicher die Tradition der Einzelkämpfer, die wir unter dem Begriff „Wilder Westen“ zusammenfassen. Doch spielt auch die starke soziale Spaltung der Gesellschaft eine Rolle, die ganz wesentlich mit dem System der Rassentrennung zusammenhängt. Wenn man über Jahrhunderte Rassen gegeneinander in Stellung gebracht hat, braucht es sehr lange, um diese Wunden zu heilen. Auch die hohe Zahl an Amokläufen lässt sich wohl wesentlich darauf zurückführen, dass Gewalt als etwas Alltägliches angesehen wird. Die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt, wenn sie zum Alltag gehört.

Dass aber nicht nur vom Straßenkriminellen oder Mafiaboss Gewalt als Lösung angesehen wird, zeigen viele politische Entscheidungen in den USA. Seit Jahrzehnten wird ein sinnloser und aberwitziger „Krieg gegen die Drogen“ geführt. Die Polizei in den Vereinigten Staaten ist bis an die Zähne bewaffnet und hat im Jahr 2013 mehr als vierzehn Mal so viele Menschen getötet wie die deutsche Polizei. Länder wie Afghanistan oder der Irak sollten mit Gewalt zu Demokratien umgewandelt werden. Dass in den USA eine Kultur der Gewalt herrscht, liegt ganz wesentlich auch an politischen Entscheidungsträgern und deren Vordenkern in Medien und Wissenschaft.

Gewaltspiralen im Nahen Osten

Der Islam sei eine besonders gewaltanfällige Religion – so hört man häufig. Dabei werden allerdings selten Länder wie Marokko oder Indonesien, das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt, angeführt. Vielleicht liegt es doch weniger an der Religion selbst als am Kontext, in dem sie interpretiert und gelebt wird. Die meisten Länder des Nahen Ostens waren über Jahrhunderte hinweg durch das Osmanische Reich besetzt. Dieser Zentralstaat konnte sich nur mit Hilfe eines gewaltsamen Militärapparats und mit hohen Steuerlasten erhalten und seine Kriege führen. Gewalt und der Kampf um das Überleben prägten die Untertanen dieses Imperiums weit mehr als etwa die Bewohner der Niederlande, Polens oder – eben – Indonesiens in derselben Zeit.

Zudem ist in dieser Gegend, auch aufgrund der Jahrtausende alten Nomadentradition, nie ein breites sesshaftes Bürgertum entstanden, das Wohlstand im großen Maßstab hätte hervorbringen können. Eine solche Gesellschaftsstruktur kann eine enorm befriedigende Wirkung erzielen. In Abwandlung eines alten Sinnspruchs könnte man sagen: „Wenn Güter Grenzen überqueren, werden das keine Soldaten tun.“ Zaghafte Ansätze, ein solches Bürgertum zu entwickeln, fielen in den letzten Jahrzehnten immer wieder politischen Ränkespielen zum Opfer. Sie wurden zerstört von Hamas und Hisbollah, von den USA im Irak und von Assad in Syrien, sie werden gar nicht erst zugelassen von den Herrschern auf der Arabischen Halbinsel. Armut und Entbehrungen in dieser Gegend unserer Welt produzieren auch dort eine Kultur der Gewalt, die sich wie eine abwärts führende Spirale immer tiefer eingräbt. So werden immer wieder neue Generationen an Gewalttätern produziert.

Die gute Nachricht: Menschen lernen

Der amerikanische Psychologe Steven Pinker hat in einem umfassenden Forschungsprojekt herausgearbeitet, dass der Eindruck täuscht, Gewalt nehme weltweit zu. In seinem Buch „Gewalt: Eine neues Geschichte der Menschheit“ („The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined“) legt er ausführlich dar, dass genau das Gegenteil der Fall ist. In einer Zeit als es um die Verteilung des Mammuts ging, war Gewalt noch ein relativ leicht einsetzbares Mittel. In einer Zeit hingegen, die zunehmend von Handel, dem Entstehen von Städten und der fortschreitenden Globalisierung bestimmt ist, wird Gewaltbereitschaft immer mehr zu einem Nachteil. Friedfertigkeit und Verlässlichkeit machen das Leben in dieser Welt der Zivilisation einfacher.

Wir Menschen sind lernfähige Lebewesen, sonst hätten wir es nie so weit gebracht als Gattung. Und mit dem Fortschritt von Zivilisation verbessern wir nicht nur unsere Fähigkeit zu lernen, sondern auch die Möglichkeiten, das Gelernte aufzubewahren, damit nicht jede Generation aufs Neue lernen muss. Zu diesen Möglichkeiten zählen Gesetze, Verfassungen und überstaatliche Konventionen. Aber zuvorderst zählen dazu unsere Moralvorstellungen, die sich durchaus auch wandeln – und zwar hin zu mehr Friedfertigkeit.

An der Kultur des Friedens mitbauen

Dass Gewalt keine Lösung von Problemen ist und dass Frieden ein unschätzbar hohes Gut ist – das sind die Überzeugungen, die das Leben für Menschen besser macht. Es gilt, die Kultur der Gewalt zu durchbrechen und einer Kultur des friedlichen Miteinanders Raum zu geben. Das erreicht man nicht durch das Verbot von Waffen. Und das erreicht man auch nicht durch die Stigmatisierung einzelner Religionen oder Bevölkerungsgruppen. Das erreicht man durch den Abbau von Ressentiments, durch den Rückbau von staatlichen Interventionen (in der Außen- wie in der Innenpolitik) und das erreicht man, indem man Möglichkeit zum Wohlstand für alle schafft.

Und schließlich erreicht man das auch, indem man klare Signale sendet, dass Gewalt nicht hingenommen wird: Wer Menschen unterdrückt, foltert und tötet, das befiehlt oder zulässt, hat nicht das geringste Verständnis verdient, ob er nun islamischer Terrorist ist oder russischer, ägyptischer oder amerikanischer Präsident. Frieden entsteht da, wo eine Kultur des Friedens herrscht. Und dass diese Kultur herrscht, liegt vor allem an uns.

Einen aktuellen Artikel von Steven Pinker finden Sie hier.

Und das lesenswerte Buch „Peace, Love, & Liberty“ der Students for Liberty zu demselben Thema finden Sie hier.

Photo: Jayel Aheram from Flickr