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Auf Focus Online sprach Frank Schäffler am 24. Februar über die Schwierigkeiten, denen man als Parlamentarier mit einer abweichenden Meinung begegen kann. „Der Deutsche Bundestag“, so Schäffler, „verkommt immer mehr zu einer großen Fraktionsversammlung: Es wird nur noch vorgetragen, was in den Fraktionen bereits abgestimmt wurde. Die Debatte wird aus dem Bundestag heraus verlagert.“

Anlässlich der Ankündigung des CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, aufgrund der Euro-Rettungspolitik über einen Mandatsverzicht nachzudenken, schilderte Schäffler die gravierenden Widerstände, mit denen ein Abgeordneter zu rechnen hat, der sich nicht an die Fraktionsdisziplin hält. So beschreibt er die bedrückendsten Erfahrungen aus seiner Zeit als Abgeordneter: „Das kollektive Klopfen. In einer Fraktionssitzung signalisiert man seine Zustimmung zum Gesagten, indem man auf den Tisch klopft. Und wenn der Vorsitzende sich über mich ausgelassen hat, dann haben danach alle geklopft. Wenn ich etwas entgegnet habe, hat keiner geklopft. Das war wirklich hart, sowas steckt man nicht einfach weg.“

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Es erinnerte an den berühmten Showdown im Western „Zwölf Uhr mittags“, als Marshal Kane alias Gary Cooper am Ende des Filmklassikers alleine gegen die übermächtige Miller Bande kämpfte. Ein bisschen so präsentierte sich am vergangenen Freitag auch der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis beim Finanzministertreffen der Eurogruppe in Brüssel. Die Miller Bande in Brüssel glaubte an ihre Überlegenheit und ihre größere Schusskraft. Doch wer hat das Duell der ungleichen Kräfte gewonnen, wer hat es verloren? Der Gary Cooper vom vergangenen Freitag ging wie im Schwarzweißstreifen von 1952 letztlich als Sieger vom Platz!

Er hat drei wesentliche Ziele erreicht:

Erstens: Die griechische Regierung wollte Zeit gewinnen. Das ist ihr gelungen. Mindestens vier Monate werden sie von der Staatengemeinschaft weiterfinanziert. Das bislang vereinbarte Programm und deren Maßnahmen ist Makulatur. Griechenland muss bis Montag eigene Vorschläge und Maßnahmen vorlegen. Das wird Gary Cooper leicht fallen. Denn deren Umsetzung wird sich erst nach der Zustimmung des Euro-Clubs zeigen müssen. Die vergangenen fünf Jahre belegen, dass Papier geduldig ist. Die Miller Bande vom Freitag wird bei der Vorlage der griechischen Vorschläge am Montag bluffen, sich wehren und zurückschießen was das Zeug hält. Am Ende haben sie aber nur Platzpatronen. Gerade noch haben sie das Ende des Duells als ihren Sieg verkauft, die Aktienmärkte boomen wieder, die Zinsen gehen wieder runter und alle wenden sich wieder den eigenen innenpolitischen Themen zu. Da will man nicht in den alten Trott zurückfallen.

Zweitens: Griechenland muss nicht mehr einen Primärüberschuss im Haushalt von 3 Prozent in diesem Jahr und 4,5 Prozent im nächsten Jahr erreichen. Also, die Einnahmen müssen nicht in dieser Höhe größer sein als die Ausgaben, unter Ausklammerung der Zinsverpflichtungen. Das bedeutet letztlich, dass eine erneute Lücke klaffen wird. Denn die Kreditlaufzeiten des Euro-Clubs sind auf die Primärüberschüsse abgestimmt. Sind die Überschüsse im Haushalt geringer, klafft eine Lücke, die dazu führt, dass entweder der Schuldenstand in den Folgejahren höher sein wird oder die Laufzeiten verlängert oder die Zinsen reduziert werden müssen.

Damit kommt Varoufakis seinem dritten Ziel ein gutes Stück näher: Einem Schuldenerlaß. Dadurch, dass er die Höhe der Haushaltsüberschüsse relativiert hat, bekommt er plötzlich für dieses Ziel einen Fuss in die Tür. Denn eine Laufzeitverlängerung und/oder eine weitere Zinsreduktion kommt einem Schuldenschnitt gleich. Es wäre dann der dritte: Der erste im Frühjahr 2011 über rund 100 Mrd. Euro war die erste Umschuldung. Im Herbst 2012 wurden bereits die Zinsen auf unter 1 Prozent und die Laufzeit auf über 30 Jahre verlängert. Letzteres entsprach einem Schuldenerlass von 40 Prozent. Kürzlich hat Varoufakis eine Umschuldung in Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit gefordert. Seit Freitag ist dies wahrscheinlicher geworden.

In „Zwölf Uhr mittags“ schmeißt Gary Cooper am Ende des Films den Bürgern der Stadt den Marshalstern vor die Füße und geht. Damit wird Varoufakis nicht offen drohen, aber er wird immer damit kokettieren, dass Griechenland den Bettel hinschmeißen und alles wieder in Frage stellen könnte. Denn er weiß, für die Miller Bande und die Bürger im Euroclub wird es von Tag zu Tag, von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr schwieriger, den Vertrag mit Griechenland zu kündigen. Da kann Wolfgang Schäuble noch so spotten und süffisant in Richtung Varoufakis betonen, Regieren sei ein „Rendevous mit der Realität“. Gary Cooper alias Yanis Varoufakis wedelt schon im fernen Athen mit dem Marshalstern in der Hand.

Am 20. Februar diskutierte Frank Schäffler mit Ursula Weidenfeld, Bernd Riexinger und Georgios Pappas auf Deutschlandradio Kultur zu „Endspiel um Griechenland: Bleiben die Hellenen im Euro?“ Schäffler stellte zu Beginn der hitzigen Diksussion fest: „Ich halte die Rettungspolitik für gescheitert: Es werden die radikalen Parteien in Europa gestärkt und wir werden immer mehr in den Schulden-Sumpf hineingezogen.“ Das Verhalten der griechischen Regierungen sei unsolidarisch und widerspreche auch der europäischen Idee: „In der Slowakei ist das durchschnittliche Einkommen viel, viel niedriger als in Griechenland. Und die müssen die mangelnde Reformbereitschaft in Griechenland faktisch finanzieren.“

Die Krise befindet sich jetzt im fünften Jahr und, so Schäffler, bisher sein von den Regierungen nur gelogen worden: Die deutsche Regierung habe Griechenland attestiert, auf einem guten Weg zu sein. Und die griechische Regierung habe versprochen, die Reformen durchzusetzen. Beides traf aber nie zu. Die Situation habe sich nun verändert durch den Wahlausgang, weil die neue Regierung die ursprünglichen, mit den Hilfszusagen verbundenen Versprechen nicht mehr einhalten wolle. Anstatt das Problem der Steuermoral in ihrem Land anzupacken, hat die griechische Regierung soeben einen Steuererlass verkündet. Und so schloß Schäffler die Diskussion mit einer provokanten Frage an den Vorsitzenden der Schwesterpartei von Syriza: „Herr Riexinger, halten Sie es für eine adäquate Lösung des Problems, wenn die neue Regierung auf 67 Milliarden Steuerforderungen verzichtet?“

Hören Sie die gesamte Diskussion auf Deutschlandradio Kultur.

Oder: Wie der Juncker-Plan Europa rettet soll.

Er ist ein Mann der Tat: Jean-Claude Juncker! Der neue EU-Kommissionspräsident ist eigentlich zu Höherem berufen. Doch er will nicht nur einer Kommission vorstehen, denn das klingt eher wie einer der hinterm Tresen eines Kolonialwarenladens steht, sondern er will Präsident aller Europäer sein.

Und so ein Mann darf nicht kleckern, sondern muss klotzen. Deshalb hat er zu Beginn seiner Amtszeit erklärt: „Wir brauchen intelligentere Investitionen, mehr Zielgerichtetheit, weniger Regulierung und mehr Flexibilität bei der Nutzung der [auf Unionsebene verfügbaren] öffentlichen Mittel.“ Der Juncker-Plan war geboren. Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro sollen angeregt werden. Alle sollen mithelfen, die EU-Kommission, die Europäische Investitionsbank (EIB), die Mitgliedsstaaten und auch die Privatwirtschaft. Die schlechte Stimmung im Club Med soll endlich durch einen großen Plan überwunden werden. Projekte wurden zuhauf von den Mitgliedsstaaten gemeldet. Und hier wird es fidel. Auf dem Treppchen meiner Lieblingsprojekte landen:

Auf Platz eins: 425 Mio. € für neue Parkplätze in Brüssel.
Auf Platz zwei: 200 Mio. € für neue Gefängnisse in Griechenland.
Und auf Platz drei: 66 Mio. € für die digitale Ausstattung von Kindergärten in Griechenland.

Jedes dieser Projekte hat oberste Priorität, sonst wäre es ja nicht gemeldet worden. Die immer mächtigere Kommission, die sich aufmacht, eine echte Regierung zu werden, braucht mehr Mitarbeiter – ergo auch mehr Parkplätze am „Regierungssitz“. Und für die wachsenden Spannungen in Griechenland bauen die links- und rechtsextremen Parteien in der neuen Regierung buchstäblich schon einmal vor. Klar ist auch, dass in einem Land, wo die Suppenküche wieder zum Alltag gehört, die allerwichtigste Priorität natürlich – wie sollte es auch anders sein –  die digitale Ausstattung von Kindergärten ist. Was denn sonst, kommt es einem sofort in den Sinn. Doch leider schafft dies alles keine Arbeitsplätze oder macht die Wirtschaft wettbewerbsfähig. Es ist nur sinnlose Geldverschwendung.

Aber vielleicht sollte man dieses Mal dankbar sein. Denn die Mitgliedsstaaten halten nichts vom famosen Juncker-Plan, zumindest wollen sie kein eigenes Geld dazu geben. Bislang hat kein Mitgliedsstaat die 16 Mrd. € der EU und die 5 Mrd. € der EIB aufgestockt. Das begrenzt zumindest die Verschwendung von Steuergeldern.

Wer meint, der Staat könne Investitionen am Reißbrett planen, damit anschließend Arbeitsplätze entstehen, Steuereinnahmen generiert werden und die öffentliche Verschuldung abgebaut wird, hat den Schuss nicht gehört. Er meint vielleicht, dass schon wieder Weihnachten ist. Es könnte aber auch das Motto des Winterschlussverkaufs sein: Alles muss raus!

Photo: Jennifer C. from Flickr

Am 18. Februar war Frank Schäffler bei der n-tv-Sendung „Das Duell“ zu Gast. Mit Prof. Rudolf Hickel diskutierte er zum Thema „Die Euro-Zocker – wie teuer wird der Griechen-Poker?„. Er forderte ein Umdenken in der Euro-Rettungspolitik, weil die derzeitgen Maßnahmen offensichtlich gescheitert sind.

Ein Ausscheiden aus dem Euro, so Schäffler, sei für Griechenland immer noch die beste und fairste Lösung. Es gehe nicht darum, Griechenland alleine zu lassen: „Im Übergang, da helfen wir. Wir helfen, weil wir Teile der Schulden dann übernehmen – durch den Schuldenschnitt, der dann zwangsläufig sein wird. Und wir helfen dann beim Aufbau.“ Derzeit gefährdet die Situation Griechenlands allerdings den gesamten Euro-Raum und führt in der Konsequenz zu einer verantwortungslosen Geldpolitik. Den Preis dafür zahlt Europa, zahlen Europas Bürger.

Voraussetzung für eine positive Zukunft Griechenlands sind eben nicht immer neue Finanzhilfen und die indirekte Staatsfinanzierung durch die EZB, sondern ein echts Umdenken: „Wenn man Eigentum erwerben will, muss das rechtssicher geschehen. Die brauchen eine weniger korrupte Verwaltung. Man muss Arbeiter leicht einstellen können. Man muss leicht investieren können. Man muss auf eine Genehmigung nicht ein halbes oder ein Jahr warten müssen. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass Arbeitsplätze entstehen und nicht irgendwelches öffentliches Geld, das über das Land verteilt wird.“

Die ganze Sendung könne Sie hier abrufen.