Wenn in der Politik über bessere Bildung gesprochen wird, dann gehen viele Politiker den Weg des Zentralismus: Einheitliche Schulen, damit die vermeintlich Starken den Schwächeren helfen; eine bessere Ausstattung, damit die Schüler das Computerzeitalter nicht verpassen und gleiche Bildungsstandards von Oberammergau bis Flensburg gelten. So wäre das Bildungsniveau besser messbar, die Ergebnisse vergleichbar und beim Umzug kämen nicht zu große Anpassungsprobleme für die Schüler zustande.

Schuleinzugsbezirke in Kommunen sollen den sozialen Ausgleich sichern, Ganztagsschulen eine gesunde Ernährung ermöglichen und Lehrer sollen die fehlende Erziehung ihrer Schützlinge übernehmen. Bildung darf nicht erst in der Grundschule beginnen, sondern muss natürlich schon im Kindergartenalter ansetzen. Die Bildung von Kindern soll möglichst bereits unter drei Jahren beginnen, denn die gerade den Pampers Entwachsenen könnten im Leben ja etwas verpassen. Die Erzieher im Kindergarten sollten demnächst einen Fachhochschulabschluss vorweisen – und überhaupt sind alle zu schlecht bezahlt.

Der allgemeine Konsens lautet: Alles einheitlich, alles zentristisch und vor allem mit mehr Geld. Denn zu wenig Geld in den Bildungsetats von Bund, Ländern und Gemeinden sind das Haupthindernis eines besseren Bildungserfolges Deutschlands im internationalen Wettbewerb, so meinen es zumindest viele Bildungspolitiker. Wilhelm von Humboldt, der große Freiheitsdenker, war skeptisch gegenüber diesem Einheitsbrei. Er richtete den Blick nicht auf die Masse, sondern auf den Einzelnen. Seine Idee war „je mehr der Mensch für sich wirkt, desto mehr bildet er sich. In einer großen Vereinigung wird er zu leicht Werkzeug“. Sein Ansatz war ein individualistischer.

Wer selbst Kinder hat, erkennt sehr schnell, dass jedes andere Talente, Neigungen und Interessen hat. Der eine ist musisch begabt und die andere eher naturwissenschaftlich oder mag lieber Sprachen oder Geschichte. Kann eine zentralistische Bildungsplanung überhaupt diesen Talenten, Neigungen und Interessen individuell gerecht werden? Wohl nicht! Früher differenzierten sich Gymnasien: das eine war naturwissenschaftlich ausgerichtet, das andere musisch und ein weiteres konzentrierte sich auf Sprachen. Die Einheitsschule, der Einheitslehrplan, das Einheitsabitur verhindern diesen Wettbewerb der unterschiedlichen Möglichkeiten. Und die reine Orientierung an der Abiturnote macht die Gymnasien zu reinen Lernfabriken, um die beste Note. Der Trend zum Einserabitur ist seit Jahren stark ansteigend. Schulen bilden nicht für das Leben aus, sondern für den Numerus clausus.

Die Antwort einer freien Gesellschaft ist anders: Sie setzt auf Vielfalt, auf Auswahl und auf Individualität. Nicht die Einheitsschule, nicht das Einheitsabitur und auch nicht der zentrale Bildungsplan sind das Ziel, sondern ganze viele unterschiedliche Bildungsformen, von der Halbtagsschule über die Ganztagsschule, von der handwerklich-praxisorientierten Hauptschule bis zum musisch orientierten Gymnasium, von privat organisierten Bildungsformen bis zum Internat. Die Aufgabe des Staates kann hier allenfalls sein, den Bildungsfortschritt zu kontrollieren. Welche Kinder auf das Gymnasium oder andere Bildungseinrichtungen gehen, entscheidet die aufnehmende Schule im Wettbewerb. Wer auf welche Hochschule geht, entscheidet die Hochschule in einem Aufnahmeverfahren ihrer Wahl. Natürlich gibt es auch in einem solchen Bildungssystem Fehlentwicklungen, Schlechtleistungen und Mittelverschwendung.

Der Unterschied zur real existierenden zentralistischen Bildungsplanwirtschaft ist, dass Fehler im Kleinen verantwortet werden. Eine falsche zentralistische Bildungspolitik in einem Bundesland oder vielleicht bald bundesweit müssen jedoch alle Eltern und Schüler ausbaden, sie können nicht auswählen oder ausweichen. Sie sind gefangen im System und können nur hoffen, dass sich irgendwann sich politische Mehrheiten wieder ändern. Wer die Erziehung und Bildung seiner Kinder in die Hände der Regierung oder von Bildungspolitiker gibt, hat Wilhelm von Humboldt nicht verstanden: „Der wahren Moral erstes Gesetz ist, bilde dich selbst, und nur ihr zweites: wirke auf andere durch das, was du bist.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung am 28. März 2015 und im Blog von Roland Tichy.

Photo: Tim Samoff from Flickr

9 Kommentare
      • Gunter Grigo
        Gunter Grigo sagte:

        Musst nicht traurig sein, ich habe sogar bei privaten Institionen referiert.
        Schulen habe ich nur staatliche besucht – wie will man die nun privatisieren? Wie soll das dann konkret aussehen?
        Aber bitte nicht gleich wieder herablassend sein, sondern einfach nur antworten.

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          • Gunter Grigo
            Gunter Grigo sagte:

            Das läuft aber (eben) nicht auf eine Allgemeinbildung hinaus, sondern auf Diversität von ideoligisch verbrämten Bidlungsangeboten. Das würde die Gesellschaft zerstückeln. Dennoch Danke für den Link, er hat mich in meiner ablehnenden Haltung bestätigt, denn durch das Interview sind mir die Nachteile erst richtig bewusst geworden.

          • Tintin
            Tintin sagte:

            Die Mehrheit der Schulen würde wohl auch auf einem freien Bildungsmarkt wohl kaum ideologisch verbrämt sein, da sich die meisten an den Bedürfnissen der Eltern und Kinder orientieren würden. Und das würde in erster Linie eine praxisnahe Ausbildung bedeuten.

          • Gunter Grigo
            Gunter Grigo sagte:

            Bildung nach Gusto der Eltern und Kinder? Und die wissen schon in der Schule was die Kinder mal werden? Wir brauchen in den Schulen Allgemeinbildung. Orientierung und spezielle Praxisnähe kommen später. Das kann der Staat ebenso leisten, tut er ja bereits – und er sorgt für ein relativ einheitliches Bildungsniveau – das wäre mit Privatschulen nicht garantiert.

    • Lee Winmouth
      Lee Winmouth sagte:

      Hallo Gunter, schau dir mal den Trailer zu dieser Doku an, da hat man
      auch mehrere Beispiele wie es funktionieren kann. Würde alles noch viel
      besser werden, wenn man Chancengleichheit hätte, sprich das Geld das
      momentan zentral und über viele Umwege in der Bildung landet einfach den
      Eltern gelassen wird, dann entstehen automatisch die
      Bildngseinrichtungen die gebraucht werden und du kannst für deine Kinder
      die wählen die du am besten findest.

      http://schoolsoftrust.com

      Antworten
      • Gunter Grigo
        Gunter Grigo sagte:

        Danke für den Link, ist interessant – geht wohl in Richtung Waldorfschule. Ich bin mir nicht sicher ob wir im Schulbereich, wo es doch um Grund- und Allgemeinbildung geht wirklich so unterschiedliche einrichtungs- formen benötigen, oder ob man uns das nur einreden will. Denn Zusammenhalt, Wahlfächer, Schülermitbestimmung, Lust am Lernen zu fördern, Interessen zu wecken etc. – all das bieten uns unsere staatliche Schulen doch auch – mit Verbesserungspotenzial. Hier kommen eben auch problematische und unproblematische Linder zusammen, oder welche die nicht zusammen passen – sie müssen lernen sich damit zu arrangieren.

        Die hier angebotene Schulform ist zwar demokratisch, dennoch hat sich der Einzelne dem Gesamtwillen der Schule unter zu ordnen. Die Kinder lernen und leben hier eine relativ harmonische und weniger konfliktbehaftete Schulzeit, da sie mit denen, die nicht in eine solche Schule „passen“ würden, garnicht konfrontiert werden. Das hat was elitäres oder – anders herum – was ghettomässiges. Vor allem wenn man die unterschiedlichen Nationalitäten bedenkt.

        Letztlich blieben dann die sozial schwachen unter sich und die sozial starken auch, oder die Nationalitäten. Da haben wir dann innerhalb der Schulen den Einheitsbrei, den die Kinder aber in der Gesellschaft später so nicht vorfinden.

        Wir haben doch Privatschulen und Internate. Wer diesen Weg gehen möchte kann das also bereits jetzt tun. Aber die staatlichen Schulen ab zu schaffen bzw. durch priivate zu ersetzen halte ich gesellschaftlich für völlig falsch. Denn die Privatschulen würden ihren Schülern immer erzählen sie seien die Besseren. Sie würden das egoistische und elitäre Denken und Handeln in unserer Gesellschaft weiter verstärken.

        Antworten

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