Photo: Tim Samoff from Flickr. (CC BY-ND 2.0)
Man hört in Deutschland zuweilen den Vorwurf, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, da sie nur noch eine formale Hülle sei. Die öffentlich-rechtlichen Medien würden die veröffentlichte Meinung beherrschen. Selbst zwischen den großen Medienhäusern gebe es ein faktisches Agreement, was politisch korrekt sei und damit veröffentlich werden dürfe. Als Beispiele werden angeführt die zu einseitig verurteilte Rolle Russlands in der Ukrainekrise oder jüngst auch der Umgang mit dem Autor Akif Pirinçci nach seiner Pegida-Rede in Dresden.
Er hat weiter ein Forum
Beides trifft nicht zu. Schon alleine das Internet und die sozialen Medien sichern die Pluralität der Meinungen. Selbst Putin hat mit dem Sender RT in Deutschland inzwischen ein Sprachrohr, das die offizielle russische Sicht der Dinge in die sozialen Medien und die deutsche Öffentlichkeit feuert. Das unterscheidet Deutschland und den Westen von Russland, wo Pressevielfalt und Medienfreiheit in den letzten Jahren immer stärker bedrängt werden.
Bei Pirinçci werden die Reaktionen seines Verlages, der seine Bücher nicht mehr verlegen will, und von Amazon kritisiert, der die Bücher aus seinem Onlineshop nehmen wollte. Diejenigen, die dies monieren, tun dies häufig mit Bezug auf das berühmte Zitat, das eigentlich Voltaire zugeschrieben wird, aber von der englischen Schriftstellerin Evelyn Beatrice Hall stammt: „Ich missbillige, was du sagst, aber ich werde bis zum Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“
Pirinçcis Rede bei Pegida war nicht nur vulgär und geschmacklos. Sie war auch rassistisch und fremdenfeindlich, vom Anfang bis zum Ende. Punkt! Manche meinen, jetzt mit Relativismus und Pseudotoleranz darauf reagieren zu müssen. Die Zeitschrift „eigentümlich frei“, für die ich bislang geschrieben habe, kündigt sogar prominent an, seine Bücher verkaufen zu wollen. Nicht aus der Überzeugung heraus, dass Pirinçci recht hat, sondern aus einer Haltung des grundsätzlichen Widerstands gegen „die Herrschenden“ heraus. Nach dem Motto: seine Feinde sind auch unsere Feinde. Dafür möchte ich mich nicht weiter hergeben.
Falsch verstandene Toleranz
Was die Verteidiger Pirinçcis nicht erkennen: es ist eine falsch verstandene Toleranz, die Feinde der Toleranz zu tolerieren. Ludwig von Mises stellte schon 1927 in seinem Buch „Liberalismus“ fest: „Der Liberalismus aber muss unduldsam sein gegen jegliche Art von Unduldsamkeit. … Weil er Duldung aller Meinungen … verlangt, muss er alle in ihre Schranken zurückweisen, wenn sie mit Intoleranz hervortreten.“ Im Kern übernehmen diejenigen, die nun für Pirinçci in die Bresche springen, die Methodik der Linksextremen in den 1970er Jahren: Es ist der Kampf gegen das System, bei dem auch Allianzen gebildet werden, die nur der gemeinsame Hass gegen den Staat und seine Institutionen zusammenhält. Das führt zu Radikalisierung und Sektierertum, Marginalisierung und Isolierung. In dieser Isolation merkt man dann oft nicht mehr, dass man doch nur eine kleine Minderheit ist. Gegenseitige Bestätigung und eine Haltung der Abschottung führen dann mithin zu einer noch stärkeren Radikalisierung.
In diesem Prozess ist die Gefahr groß, dass man die eigenen Grundsätze ignoriert, die man an anderer Stelle hochhält. Wo sind denn in der Causa Pirinçci die Haftung und die Übernahme von Verantwortung für eigenes Handeln? Beim Staat und bei Banken, bei Politikern und beim Establishment ist man schnell bereit, das einzufordern. Aber die Reaktion auf Akif Pirinçci wird als Angriff auf die Meinungsfreiheit gebrandmarkt. Nichts ist abwegiger: Pirinçci hat seine Rede nicht nur vorab angekündigt und vor einem großen Publikum vorgetragen, sondern durfte sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre auch absolut sicher sein, dass sie in den sozialen Netzwerken breit diskutiert und kommentiert würde.
Auch Akif Pirinçci ist für sein eigenes Handeln verantwortlich. Verantwortung zu übernehmen, fängt nicht erst bei überschuldeten Banken und den Ländern Südeuropas an, sondern vor der eigenen Haustür. Wenn sich Verlage und Buchhändler nicht mittelbar für die Äußerungen Pirinçcis in Haftung nehmen lassen wollen, dann ist das ihr gutes Recht. Denn es ist ihr Eigentum, das sie durch die Auslistung und die Kündigung der Verträge schützen wollen. Es ist auch kein gutes Argument, zu sagen, es beträfe auch die völlig unpolitischen Bücher von ihm – so schade es um die Katzen sein mag. Wer sich selber als Person so inszeniert, darf sich nicht wundern, wenn er als Person auch zur Rechenschaft gezogen wird.
Moderne Medien gewährleisten Meinungsfreiheit
Niemand wir daran gehindert, seine Bücher selber zu verlegen und selber zu verkaufen. Es gibt auch sicherlich Verlage im In- und Ausland, die Bücher eines Rassisten veröffentlichen. Das Internet und die sozialen Netzwerke erleichtern deren Veröffentlichung und Verbreitung sogar enorm. Die Meinungsfreiheit ist heute viel besser gewährleistet als dies in der Vor-Internetzeit überhaupt denkbar war. Klar ist aber auch: die Zugangswege zu den potentiellen Kunden sind ohne Amazon und Co. sicherlich nicht so breit und vielfältig. Doch was heißt das für die Toleranten der Intoleranz? Wollen sie hier die Chancengleichheit einfordern, die sie sonst als „Wieselwort“ bezeichnen. Sollte der Staat umverteilen, damit Chancengleichheit realisiert wird, vielleicht sogar eine neue Demokratieabgabe als Chancengleichheits-GEZ einführen? Nein, das kann die Antwort nicht sein. Die Gleichheit vor dem Recht ist das Entscheidende und für deren Durchsetzung sollten deshalb Liberale streiten.
Wenn sich nach Pirinçcis Auftritt in Dresden nun viele Journalisten und Verlage, aber auch viele Individuen – wie ich – von ihm distanzieren, dann ist das in den meisten Fällen kein Opportunismus und kein Kuschen vor der öffentlichen Meinung. Dann ist das Ausdruck der Überzeugung, dass Meinungsfreiheit nicht gleichbedeutend ist mit Indifferenz. Diese Formen des Protestes gegen Äußerungen wie die Pirinçcis, erfüllen genau das, was Mises schrieb: „Den Kampf gegen das Dumme, das Unsinnige, das Irrige, das Böse führt der Liberale mit den Waffen des Geistes und nicht mit roher Gewalt und Unterdrückung.“
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick.
Berichtigung
Unter https://prometheusinstitut.de/
Alles falsch,original lesen!!!!! Medien Anwalt von akif er streitet Abmahnungen im Stapel, die Rede war beschissen,aber inhaltlich korrekt
Ja, wenn Herr Schäffler sagt, dass seine Rede „auch rassistisch und fremdenfeindlich [war], vom Anfang bis zum Ende. Punkt! „, dann muss ich das wohl so glauben. Dabei muss ich dann aber den massiven Verdacht unterdrücken, ohne jedes Argument wird hier ein unbequemer Kritiker diffamiert und mundtot gemacht. Das nennt man nicht Toleranz, sondern Rufmord. Schade, diese Art der Auseinandersetzung. Von Herrn Schäffler war ich bisher Klügeres gewohnt.
Lieber von mir sehr geschätzter Herr Schäffler:
In der Tat, den Kampf gegen das Dumme … führt der Liberale mit den Waffen des Geistes, aber genau das passiert bei Pirincci gerade nicht. Der Boykott und die „Distanzierung“ sind keine geistigen Waffen, sondern primitivster Druck, der für autoritäre Strukturen typisch ist. Der Gegner soll eben gerade nicht argumentativ widerlegt (oder meinetwegen auch schlicht ignoriert), sondern er soll persönlich drangsaliert (in seinem Umfeld in Bonn) und wirtschaftlich beschädigt (in seinen faktischen Möglichkeiten zur effizienten, großflächigen Verbreitung seiner Bücher) werden.So gut wie alle „Verteidiger Pirinccis“, wie Sie sie nennen, leiten mit den Feststellungen ein, die von Pirincci verlautbarten Inhalte seien ihnen fremd und die Form der Darbietung jenseits von Sitte und Anstand. Auf eigentümlich frei tut dies. Daran sehen Sie, dass es Verteidiger Pirinccis fast überhaupt nicht gibt, wohl aber Verteidiger eines Diskurskonzepts, in dem nur Argumente zählen und der Ruf nach Ausschluß, Isolierung und sozialer Vernichtung von Diskursteilnehmern keinen Platz hat. Nicht Pirincci wird hier verteidt, sondern der totalitäre Ungeist des „XYZ raus!“-Gegröles (und nichts anderes ist der konzertierte Verlagsboykott in de Sache) wird zutreffend als solcher benannt und zu Recht entschieden abgelehnt. Vor allem eigentümlich frei haben Sie m.E. mißverstanden. Dort obwaltet kein (diffuses) Gefühl der Totalopposition gegen „die Herrschenden“, sondern ein feines Gespür für Mechanismen wie diejenigen, die in der causa Pirincci zum wiederholten Male offenbar geworden sind und bei denen jedem Angst und Bange werden sollte. Wehret den Anfängen! Wenn der neue Faschismus kommt, wird er nicht sagen „ich bin der Faschismus“, sondern „ich bin der Antifaschismus“. Davon sind wir noch ein Stückchen entfernt, aber wir waren schon mal noch weiter entfernt davon und das war mir lieber.
So isses: http://ef-magazin.de/2015/12/03/8035-fall-pirinci-totalitarismus-des-wohlmeinens
Lieber Herr Schäffler,
wie Sie wissen, schätze ich Sie und Ihre politische Linie außerordentlich und ziehe mit Ihnen im „Liberalen Aufbruch“ und dem gemeinsam gerade ins Leben gerufenen „Liberalen Club Waren“ mit Freuden und Überzeugung am selben Strang. Ihre Reaktion gegenüber „Eigentümlich frei“ und Ihre dafür abgegebene Begründung kann ich aber weder im Ergebnis noch in der Begründung nachvollziehen.
Position und „Denke“ von ef haben Sie, da teile ich die Einschätzung von Ralf Wittkowski, wohl mißverstanden. Sie hatten mich Anfang des Jahres von einem Austritt aus der FDP mit dem klugen Argument abgebracht, daß wir wenigen Liberalen uns auf den doch erfreulich hohen gemeinsamen Nenner besinnen und uns in der liberalen Sache nicht wegen eher untergeordneteren Meinungsunterschieden auseinanderdividieren lassen sollten. Der wichtigste gemeinsame Nenner für uns und ef ist aber doch, daß für uns die Auseinandersetzung mit Meinungen – und gegebenenfalls selbst deren Ausgrenzung – zum freiheitlichen Diskurs gehört, auch wenn dabei Indifferenz weder vernünftig noch zielführend ist.
Das Ausgrenzen von Menschen wegen ihrer Meinung ist der freiheitlich liberalen Sache jedoch nach meiner festen Überzeugung fremd und wird doch, wie ich von Ihnen weiß, auch von Ihnen abgelehnt. Nichts anderes versucht, so verstehe ich ef sicherlich richtig, ef als Grundlinie zu verfolgen, indem sie Pirinccies Bücher im Angebot hält. Man kann sich mit Menschen nur auseinandersetzen, wenn man sie zunächst als Person akzeptiert. Sonst geht es nicht mehr ums Überzeugen oder Ringen um das Richtige, sonst geht es um die Vernichtung des Gegners. Das – die Vernichtung des Gegners – wollen Sie, ich, ef und Liberale gerade nicht.
Ich wünschte mir, daß Sie Ihre Empörung über Pirinccis Stil und Ihre Einstellung zu ef nochmals zu einem „Gespräch unter liberalen Freunden “ mit Herrn Lichtschlag nutzten. Es wäre jammerschade, wenn ef-Leser Ihre wertvollen Beiträge in Zukunft dort nicht mehr zu Gesicht bekämen und Sie – möglicherweise von Ihnen ungewollt – faktisch die vielen überzeugten liberalen ef-Leser mit Ihrem angekündigten Schritt als indiskutable Anhänger „roher Gewalt und Unterdrückung“ gleich mit abqualifizieren würden.
Lieber Herr Schäffler,
nach den vielen Kommentaren zu Ihrem Artikel vor allem auch bei Tichy, die – zumeist vor Ihnen freundlicher Grundhaltung – ihr Unverständnis zum Ausdrück gebracht haben: Kommt in dieser Sache von Ihnen noch eine Erläuterung, die uns Ihre Haltung verständlicher macht als Ihnen das im Artikel selbst möglich war?
http://ef-magazin.de/2015/12/03/8035-fall-pirinci-totalitarismus-des-wohlmeinens