Jetzt hat es auch der Internationale Währungsfonds (IWF) kapiert. Der IWF sieht existentielle Probleme für mittelgroße Lebensversicherer in Europa und speziell in Deutschland. Wenn es alle Spatzen von den Dächern pfeifen, dann stimmt irgendwann auch der fluguntaugliche Dinosaurier in das Lied mit ein. Man will später nicht zu denjenigen gehören, die vor den Folgen nicht gewarnt haben. Die heiße Luft, die aus dem Rachen des IWF dringt, klingt wie die Melodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Seit vielen Jahren ist klar, dass die Lebensversicherungen in existentielle Probleme geraten, sollte Mario Draghi seine Niedrigstzinspolitik fortsetzen. Und er tut dies in noch verschärfterer Form durch sein Anleihenaufkaufprogramm von derzeit noch 1,15 Billionen Euro. Das alles ist wahrlich nichts Neues.
Die Eingriffe Draghis in den Maschinenraum der Marktwirtschaft sind jedoch umfassender. Er wird nicht nur die Lebensversicherungen in existentielle Gefahr bringen. Er zerstört auch die Lebensgrundlage der Sparkassen, Volksbanken und Bausparkassen. Und er bürdet den Unternehmen Milliarden an zusätzlichen Pensionslasten auf, die sich in den nächsten Jahren zu einem systemischen Risiko für die Volkswirtschaft aufbauen werden.
Das Geschäftsmodell der Sparkassen und Volksbanken und ihre Verankerung in der Fläche beruhte lange Zeit auf einem einfachen Prinzip: Giroguthaben, Sparbücher, Festgelder und Kredite sorgten für einen Zinsüberschuss und Bausparverträge sowie Lebensversicherungen für satte Provisionseinnahmen. Beide Säulen brechen weg. Sparbücher und Festgelder werden nicht mehr verzinst, weil die Sparkassen und Volksbanken selbst keine Zinsen mehr für die Anlage bekommen. Und die Kreditmargen schrumpfen ebenfalls in einem Umfeld, wo Städte und Gemeinden für ihre Kassenkredite keine Zinsen mehr bezahlen müssen. Gleichzeitig bricht das Neugeschäft für Lebensversicherungen und Bausparkassen im Niedrigstzinsumfeld weg.
Doch die Kostenstruktur durch teure Geschäftsstellen in der Fläche ist nach wie vor hoch. Und als ob das noch nicht genug an Problemen wäre, kommt die Regierung mit immer neuen Regulierungen und Bürokratie auf die Institute zu. Die Folge wird sein, dass in den nächsten Monaten und Jahren eine Fusionswelle im Sparkassen- und Genossenschaftswesen eintreten wird.
Für die Bausparkassen sieht es nicht wesentlich rosiger aus. Seit 2009 bewegt sich der Euroraum im Niedrigzinsumfeld. Eine Änderung ist nicht in Sicht. Doch gerade mit diesem Änderungsrisiko argumentieren die Bausparkassen gegenüber ihren Kunden. Bleibt es bei den Niedrigstzinsen im Euroraum, und davon ist auszugehen, dann verschwindet das wesentliche Verkaufsargument für die Bausparfüchse. Das so notwendige Neugeschäft bricht weg. Die privaten Bausparkassen verzeichneten bereits im vergangenen Jahr einen Einbruch um 27 Prozent.
Und für die Unternehmen wird das Niedrigstzinsumfeld ebenfalls zum Pulverfass. Sie müssen ihre Pensionsverpflichtungen mit einem marktnahen Rechnungszins abzinsen. Je niedriger dieser ist, desto höher sind die notwendigen Rückstellungen, die bilanziell gebildet werden müssen. Von 6 Prozent im Jahr 2009 wird dieser ebenfalls in den nächsten Jahren auf 2 Prozent und weniger sinken. Der Rückstellungsbedarf steigt gegenüber 2009 so um 66 Prozent und mehr. Nicht alle Unternehmen werden dies stemmen können.
Wenn Mario Draghi in den Maschinenraum der Marktwirtschaft geht, fummelt er nicht nur an der Maschinenhaube oder an der Abdeckung herum, sondern er geht ganz tief in das Räderwerk hinein und versucht mit seinem Schraubendreher die Maschine zu reparieren. Doch der Schraubendreher bleibt im Zahnrad der Maschine stecken, sie läuft heiß und schlimmstenfalls droht ein Totalschaden. Anders als Draghi erträumt, ist die Marktwirtschaft eben doch keine Maschine und er auch kein Maschinenführer.
Alternativvorschlag: Wir geben den Banken die Schulden zurück und lassen es den liberalen Markt regeln. Was glauben Sie was dann passieren würde?