Photo: Berit Watkin from Flickr (CC BY 2.0)

Von  Prof. Dr. Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Business and Information Technology School (BiTS) in Berlin.

Nach dem Brexit-Votum und der harten Haltung von Theresa May auf dem Tory-Parteitag sinnt mancher in Brüssel darauf, an den Briten ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Nichts wäre falscher. Nötig ist ein maximal kooperativer Geist, der den Briten Brücken für eine spätere Rückkehr baut.

Der politische Handlungsdruck ist hoch. Ohne rasche Klarheit über die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU drohen wirtschaftliche Vorteile auf beiden Seiten einem politisch bedingten Attentismus zum Opfer zu fallen. Die Neuordnung des Verhältnisses ist ein komplexes und in den Details zeitraubendes Unterfangen. Umso wichtiger ist eine rasche Entscheidung in den Grundsatzfragen.

Es wäre viel gewonnen, wenn diese Entscheidung zugunsten einer maximal kooperativen Haltung der EU gegenüber dem Vereinigten Königreich ausfiele. Ein solches Signal würde noch weit vor dem Abschluss der Verhandlungen bereits einen Großteil der Unsicherheit aus der Welt schaffen. Nicht nur die Sorgen um konjunkturelle Effekte sprechen für eine solche Strategie. Diese käme auch der EU-Stabilität zugute, die sich langfristig nur aus ihren genuinen Club-Vorteilen speisen kann, nicht aber aus den Drohgebärden einer Großmachtpolitik. Nicht zuletzt sollten auch deshalb möglichst viele ökonomische Brücken über den Kanal erhalten bleiben, damit auf ihnen die nächste Generation der Briten vielleicht den Weg zurück in die EU finden kann.

EU-Stabilität durch Subsidiarität, nicht durch Abschreckung

Am Vereinigten Königreich wegen des EU-Austritts ein abschreckendes Exempel zu statuieren wäre ein Armutszeugnis für die Europäische Union. Ein Club ist attraktiv, wenn er den Mitgliedern Möglichkeiten eröffnet, die ihrer Natur nach nur gemeinschaftlich erreichbar sind, nicht aber dadurch, dass bei einem Austritt harte Sanktionen drohen. Je konsequenter sich die EU auf echte unionsweite Kollektivgüter konzentriert, desto klarer treten die Vorteile einer Mitgliedschaft hervor. Dem dient unmittelbar das Subsidiaritätsprinzip als Grundpfeiler der EU-Architektur (Artikel 5 Absatz 3 EU-Vertrag). Es stabilisiert die Gemeinschaft, weil so dem andernfalls zutreffenden Eindruck vorgebeugt wird, in Brüssel würden Dinge entschieden, die sich ebenso gut oder besser auf nationaler Ebene behandeln ließen. Es ist daher an der Zeit, nicht länger diejenigen, die auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips dringen, als „europafeindlich“ zu schmähen. Dieses Prinzip ist keine Bremse der „EU-Skeptiker“, sondern ein seit langem bewährtes Verfahren zur Stabilisierung vertikal strukturierter Gemeinwesen.

Schiefe Bilder, schiefes Denken: Merkantilismus ist ein schlechter Ratgeber

Die Absicht der britischen Regierung, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger zu beschränken, ohne den Zugang zum Binnenmarkt für Güter und Kapital aufzugeben, wird gemeinhin als „Rosinenpickerei“ kritisiert. Dieses Bild ist populär, aber schief. Kommunikativ erweist es dem Integrationsgedanken einen Bärendienst: Wer freien Güter- und Kapitalverkehr als „Rosinen“ und die Arbeitnehmerfreizügigkeit als die dafür zu schluckende Kröte verkauft, darf sich nicht wundern, wenn sich Ressentiments gegenüber Wirtschaftsmigranten verstärken. Ökonomisch besteht ohnehin kein zwingender Nexus zwischen freiem Arbeitsmarktzugang und dem übrigen Binnenmarkt.

Auch die Vorstellung, Freihandel sei eine Rosine, lässt tief blicken in eine Haltung, die immer noch von merkantilistischen Irrtümern durchsetzt ist. Freihandel ist kein Zugeständnis, sondern liegt im allseitigen Gemeinwohlinteresse. Daran ändert sich auch nichts, nur weil die EU als Handelspartner für Großbritannien relativ bedeutsamer ist als umgekehrt. Ebenso wenig taugt indes das Argument, die EU-27 solle wegen des Exportüberschusses gegenüber dem Vereinigten Königreich schonend mit den Briten umgehen. Auch darin äußert sich merkantilistisches Denken, das ebenso zwangsläufig wie überflüssigerweise zwischenstaatliche Konflikte schürt. An Exportüberschüssen lässt sich die Vorteilhaftigkeit des Handels nicht messen, weil Handelsströme in beiden Richtungen für alle Beteiligten nützlich sind. Freier Kapitalverkehr ermöglicht zudem, dass sie auch zeitlich auseinanderfallen können, was einen weiteren Vorteil – wiederum für alle Beteiligten – bewirkt.

Über die Innensicht des Binnenmarktes hinausdenken

So wichtig der Abbau von Handelshemmnissen innerhalb des EU-Binnenmarktes auch ist, die Vorteile des freien Güteraustauschs hören nicht an der EU-Außengrenze auf. Die Binnensicht sollte nicht blind machen für das, was die übrige Welt zu bieten hat. Leider ist es mit dieser emanzipierten Weltoffenheit in der EU nicht allzu weit her. Während Freihandel im Binnenverhältnis mittlerweile weitgehend unstrittig ist, gilt Freihandel mit der übrigen Welt vielen immer noch als suspekt. Das öffnet protektionistischen Partikularinteressen Tür und Tor.

Sichtbar wird dies in der EU-Agrarpolitik und den Akzeptanzproblemen bei neuen Freihandelsabkommen. Auch würde sonst nicht nur zu Recht die Industriepolitik einzelner Mitgliedsländer zugunsten „nationaler Champions“ unterbunden, sondern auch „europäischen Champions“ nicht das Wort geredet. Wettbewerbsdruck durch Marktöffnung statt Flankenschutz durch Industriepolitik wäre die generell richtige Devise – auch auf EU-Ebene. Insgesamt steht man sich somit in den Außenbeziehungen allzu oft mit merkantilistischem Denken selbst im Weg, und genau das droht den Beteiligten jetzt im Brexit-Prozess auf die Füße zu fallen.

Freien Marktzugang als Privileg zu betrachten, um es in dominanter Weise als Druckmittel auszuspielen, wäre primitives Großmachtgehabe und schadete allen. Freier Zugang zum Binnenmarkt für Güter und Kapital bedingt natürlich auch im Sinne von Nicht-Diskriminierung die Akzeptanz der Regeln, die dort für alle Akteure unabhängig von ihrer Nationalität gelten. Über diese Regeln mitentscheiden zu können ist ein genuiner Club-Vorteil, den die EU-Mitgliedschaft bietet. Allein deshalb nimmt Großbritannien mit dem Austritt bereits einen hohen Preis in Kauf, der sich von selbst einstellt. Mit jedem Anschein von zusätzlichen Sanktionen würde sich die EU selbst klein machen, indem sie den Wert ihrer Club-Güter ohne Not geringschätzt.

Gemeinsame Handelspolitik stärken, nicht schwächen

Der kurz nach dem Brexit-Votum erfolgte Schwenk der EU-Kommission, den Ceta-Freihandelsvertrag mit Kanada als gemischtes Abkommen einzustufen, schmälert den Wert der Club-Mitgliedschaft zusätzlich. Da nun eine Beteiligung sämtlicher nationaler und sogar einiger regionaler Parlamente erforderlich wird, dürften nicht nur die Erfolgsaussichten für Ceta merklich sinken, sondern die EU fortan auch als Verhandlungspartner für andere Weltregionen unattraktiver sein. Damit verliert sie in einer wohlbegründeten Gemeinschaftskompetenz an Gewicht, das andernfalls für die internationale Marktöffnung hätte eingesetzt werden können. Die wohl zur Besänftigung EU-kritischer Strömungen gedachte Ceta-Entscheidung verwässert ebenfalls das Subsidiaritätsprinzip, nun aber in umgekehrter Richtung, weil sie die gemeinsame Außenhandelspolitik als Kernaufgabe einer Wirtschaftsunion durchlöchert und so allgemeine Handelsregeln wieder dem Einfluss national-protektionistischer Interessen aussetzt.

Freihandel: Grenzüberwinder mit eingebauter Kooperationsprämie

Wer die EU für schwach hält, solange sie „nur“ den wirtschaftlichen Austausch fördert, verkennt die überragende Rolle, die wirtschaftliche Beziehungen für die friedliche Entwicklung spielen. Es war kein Zufall, die innere Befriedung des freien, westlichen Teils des europäischen Kontinents nach 1945 über die wirtschaftliche Schiene zu suchen (in den Vorläufern der EU wie auch in der Efta). Die Gründe, die dafür damals richtig waren, sind es auch heute noch. Durch ökonomische Interaktion – also Tauschprozesse in allen Varianten – erfahren Menschen in ihrem jeweiligen Kontraktpartner einen Förderer des eigenen Wohlergehens. Tausch ist immer freiwillig, weil er nur zustande kommt, wenn beide Seiten einen Vorteil darin sehen. Kaum eine andere menschliche Interaktionsform hat die Belohnungsprämie für kooperatives Verhalten so sichtbar eingebaut wie die Tauschhandlung; nicht umsonst spricht man von Tauschpartnern und nicht von Tauschgegnern. Aus demselben Grund bedanken sich nach einem Geschäftsabschluss stets beide Parteien gegenseitig.

Damit liefert der Freihandel eine zutiefst befriedende Basis für das Zusammenleben der Menschen über Ländergrenzen hinweg. Letztlich entstehen so friedliche Gesellschaften als Netzwerke massenhafter individueller Beziehungen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt lässt sich nicht verordnen, sondern kann sich nur evolutionär einstellen. Freier wirtschaftlicher Austausch ist die beste Grundlage dafür, weil die gemeinsamen Vorteile die Menschen zueinander führen und auf Dauer verbinden. Auf der Basis der sich dann herausbildenden Konsense können – als Abkürzung zur weiteren Verringerung von Transaktionskosten – formale Institutionen entstehen. Diese Institutionen müssen aber dem Konsens folgen, nicht umgekehrt.

Konfliktreiche Nachwirkungen des Protektionismus

Wird freier wirtschaftlicher Austausch indes für längere Zeit blockiert, so richten sich die Preis- und Produktionsstrukturen an diesen Gegebenheiten aus. Hierzu zählen nicht zuletzt die Arbeitsmärkte und Lohnstrukturen. Trotz des Wohlfahrtsverlusts im Allgemeinen gedeihen im Schatten von Zoll- und Migrationsbarrieren auch Renten von Protektionismusgewinnern. Für diese wirkt ein schlagartiger Übergang zu freien Formen des Wirtschaftens disruptiv, weil ihre protegierten Markt- und Einkommenspositionen nahezu über Nacht erodieren. Diese Form von Ad-hoc-Liberalisierung kann daher neben neuen grenzüberschreitenden Kooperationsformen auf Jahre hinaus auch massive innerstaatliche Konflikte schüren. Ursächlich dafür ist indes nicht der freie Markt, sondern es sind die vorausgegangenen Hemmnisse.

Wie eine Staumauer haben sie den ansonsten graduell ablaufenden Anpassungsprozess über lange Zeit aufgehalten. Wenn diese Mauer nun bricht, bleibt für die Betroffenen typischerweise zu wenig Zeit, um sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Massive Verteilungskämpfe zwischen Gewinnern und Verlierern bleiben dann nicht aus – sie sind so etwas wie das letzte soziale Gift, das der Protektionismus aus seiner modernden Gruft noch eine Zeitlang verströmt. Beim Übergang zu einem freien gemeinsamen Markt kann daher auch die Geschwindigkeit eine Rolle für die breite Akzeptanz in der Bevölkerung spielen.

Multiple Geschwindigkeiten als Chance für den Integrationsprozess

Mit der EU haben sich die Mitgliedsländer eine Instanz geschaffen, mit der sie ihre gemeinsamen wohlverstandenen Gemeinschaftsinteressen wahren können. In den vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes kommen wichtige Gemeinwohlinteressen zum Ausdruck. Dies gilt auch für die Personenfreizügigkeit. Es ist für jeden Bürger eines Mitgliedslandes abstrakt vorteilhaft, die ökonomische Wirkungsstätte innerhalb der EU frei wählen zu können – und nur solche abstrakten Vorteile können überhaupt ein Gemeinwohlinteresse begründen. Die konkrete Ausübung dieser Wahlfreiheit ändert zwangsläufig Knappheitsrelationen, andernfalls lägen gar keine Vorteile durch größere Wahlmöglichkeiten vor. Dies bedeutet aber zugleich, dass es trotz des anonymen Nettovorteils zu Gewinnern und Verlierern kommen kann. Trägt der Grundkonsens in einem Mitgliedsland nicht so weit, dass diese Effekte akzeptiert oder durch Kompensationszahlungen gemildert werden, so entstehen die erwähnten post-protektionistischen Spannungen im politischen Raum.

Im Falle Großbritanniens haben daher wohl vor allem jene für den EU-Austritt gestimmt, die sich – zutreffend oder nicht – als Verlierer der Arbeitnehmerfreizügigkeit betrachten, sei es durch höhere Wohnungspreise oder niedrigere Löhne. Dieses Votum spricht dagegen, die freie Arbeitsmigration auf Biegen und Brechen herbeiverhandeln zu wollen – es würde nur dazu führen, hinter sonst mögliche Kooperationsergebnisse zurückzufallen. Wenn man hingegen konstruktiv alles miteinander vereinbart, was diesseits und jenseits des Kanals konsensfähig ist, wird eine Menge dabei herauskommen. Folgt man behelfsmäßig dem Prinzip der Reziprozität, dann werden sich mit der Zeit auch im Vereinigten Königreich diejenigen durchsetzen, die den Wiedereinstieg in die Arbeitnehmerfreizügigkeit anstreben. Denn diese liegt im wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse auch der britischen Bürger. Wenn dies eine Mehrheit der Wähler in einem Mitgliedsland vorübergehend anders sieht, dann braucht dieser Teil des Integrationsprozesses offensichtlich mehr Zeit.

Das wäre nicht der Untergang der EU, auch nicht, wenn einige Mitgliedsländer als Reaktion auf ein maximal kooperatives Brexit-Abkommen ihrerseits die Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränken würden. Politisch wird manches gemacht, was Ökonomen für falsch halten. Dagegen hilft nur Einsicht durch überzeugende Argumente, aber kein Druck und schon gar kein Alles-oder-nichts-Ultimatum. Multiple Geschwindigkeiten sind ein probates Mittel, um Integrationsprozesse in Gang zu bringen. Die Langsameren können von den Schnelleren allmählich lernen, wie sich abstrakte Gemeinwohlinteressen konkret in eine bessere ökonomische Entwicklung übersetzen. Solche Einsichten entstehen nicht über Nacht. Aber sobald sie sich einstellen, wird der Integrationsdrang unwiderstehlich. Und genau das macht einen erfolgreichen Club aus: Unwiderstehlichkeit durch Einsicht in den gegenseitigen Vorteil.

Geringfügig geänderte Fassung eines Gastkommentars, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 19. September 2016 in der Rubrik „Der Volkswirt“ erschienen ist, online erstmals erschienen beim Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Photo: ILRI from Flickr (CC BY 2.0)

Von Diego Zuluaga, International Research Fellow am Institute of Economic Affairs und Deputy Director von EPICENTER, einem pan-europäischen Think-Tank-Netzwerk.

Ökonomische Debatten werden oft dargestellt als Wettbewerb zwischen zwei entgegengesetzten Interessensgruppen. Der Sozialismus nach Marx brachte Kapital und Arbeit gegeneinander in Stellung. Manch eine Variation zu dieser Auseinandersetzung ist nach wie vor sehr populär unter Linken in Europa und Nordamerika: reich gegen arm, die ein Prozent gegen die 99 Prozent, die entwickelten Staaten gegen die Entwicklungsländer. Die Protektionisten – 19.Jahrhundert-Merkantilisten oder die jüngere Variante Trump – setzen die Trennlinien zwischen Einheimischen und Ausländern, heimische Produkte und Importen, Handelsüberschüsse und Handelsdefizite.

Beide Erzählungen begreifen Wirtschaft zum Teil oder ganz als Nullsummenspiel. Liberale und Libertäre halten dem entgegen, dass eine solche Analyse grundsätzlich falsch ist. Das Pro-Kopf-Einkommen in Westeuropa, den USA und anderen industrialisierten Staaten hat sich seit 1800 um das 20- bis 30fache gesteigert. Auf anderen Kontinenten dauerte die Entwicklung länger. Dafür ging es in den vergangenen Jahren mit sehr eindrucksvollen Sprüngen nach vorne: In Lateinamerika ist das Einkommen heute vier Mal höher als 1930, in Asien acht Mal höher als 1951. Und dabei muss man bedenken, dass der Durchschnitt gesenkt wird durch humanitäre Katastrophen wie in Nordkorea, im Kambodscha der 70er Jahre und zuletzt in Venezuela.

1

Die geschichtliche Entwicklung widerlegt die Vorstellung von Wirtschaft als einem Prozess, in dem der Gewinn des einen der Verlust des anderen sein muss – ob innerhalb einzelner Länder oder zwischen den Ländern. Die oft wiederholte Behauptung, dass die letzten drei Jahrzehnte der Globalisierung den ärmeren Ländern zwar genutzt hätten, dass dies aber auf Kosten der arbeitenden Mittelschicht in den entwickelten Ländern geschehen sei, ist sehr fraglich. Ein Bericht der „Resolution Foundation“ hat sich dieser Frage jüngst angenommen. Häufig wird die Behauptung aufgestellt im Zusammenhang mit der „Elephant Curve“, die von den Weltbank-Ökonomen Christoph Lakner und Branko Milanovic konzipiert wurde. Diese Kurve zeigt, dass von 1988 bis 2008 das Einkommen stagniert für die obersten 80 bis 90 Prozent bei der weltweiten Einkommensverteilung. In der Aufarbeitung der Studie von Lakner und Milanovic haben viele diese Schicht als die Verlierer der Globalisierung ausgemacht: Jene untere Mittelschicht in Europa und Nordamerika, die nun dem Freihandel den Rücken zukehren und Populisten wählen.

2

Die Wissenschaftler bei der „Resolution Foundation“ haben festgestellt, dass die Elefantenkurve verschwindet, sobald man die Daten anpasst an das Bevölkerungswachstum in ärmeren Ländern und den demographischen Wandel in reicheren, und wenn man Japan, die postkommunistischen Staaten Osteuropas und das boomende China außen vorlässt. Dann haben wir plötzlich eine bemerkenswert gleichmäßige Verteilung der Einkommensgewinne über das gesamte verbliebene Spektrum hinweg.

3

Das Argument der Kluft zwischen Arm und Reich – auf der Ebene der einzelnen Länder ebenso wie global – verliert an Schlagkraft. Einige bemerken nun, dass die tatsächliche Trennung nicht horizontal, sondern vertikal verlaufe. Und zwar zwischen denjenigen, die politischen Einfluss haben, und denjenigen, die ihn nicht haben. Es kann sein, dass diese Trennung mit Einkommensunterschieden korreliert – insbesondere auf lange Sicht, weil diejenigen mit mehr politischem Einfluss diesen benutzen, um Ressourcen umzuverteilen. Vielleicht korrelieren sie aber auch nicht. Es ist keine Trennung entlang der Linien Wohlstand, Kaufkraft oder Eigentum, sondern in Bezug auf Zugang zu rechtlichen Privilegien, Steuergeldern und anderen Erträgen politischer Prozesse.

So haben etwa viele entwickelte Länder Subventionsmechanismen für die Landwirtschaft. Diese werden in der Regel aus Steuergeldern bezahlt. Die Grundlage dieser Umverteilung ist nicht ein Einkommensunterschied zwischen Landwirten und der anderen Bevölkerung. Vielmehr ist sie das Ergebnis vom starken und gut organisierten Einfluss der Landwirtschaft, die sich gegen die diffusen Interessen und geringen Anreize zur Gegenwehr auf Seiten der breiten Bevölkerung durchsetzt. Auf einer ähnlichen Grundlage können sich kartellierte Branchen wie die Taxi- und Pharma-Industrie durchsetzen und ganz grundsätzlich strenge Lizenzvergaben und hohe Mindestlöhne in vielen Bereichen.

Ökonomische Theorien und Wirtschaftsgeschichte zeigen, dass der freie Austausch zu Ergebnissen führt, die für alle Beteiligten von Vorteil sind. Im Gegensatz dazu profitieren durch rechtlich gesicherte Privilegien einzelne Gruppen auf Kosten von anderen. Gezielte Subventionen werden von allen Steuerzahlern getragen, die Gewinne von Monopolisten werden von den Verbrauchern bezahlt und die Kosten von Lizenzierung werden von denen getragen, die deshalb keinen Zugang zum Gewerbe bekommen. Wenn staatliche Privilegien im Spiel sind, fließt kein Freibier.

Über die meiste Zeit im 19. und 20. Jahrhundert trieben staatlich geförderte Privilegien einen Keil zwischen die Privilegierten und die Anderen anhand von speziellen Kriterien wie Beruf, Nationalität, Qualifikation oder familiärer Herkunft: gelernte gegen ungelernte Arbeiter, Bauern gegen Industriearbeiter, organisierte Arbeiterschaft gegen unorganisierte, Einheimische gegen Zuwanderer, heimische Firmen gegen Importeure und so weiter. Inzwischen freilich wird im gesamten Westen die Teilung am deutlichsten entlang der Generationen. Insbesondere die Älteren haben sich eine Reihe an staatlichen Privilegien gesichert – auf Kosten der Jüngeren.

Diese Ungleichheit zwischen den Generationen kommt in vielerlei Gewändern daher. So haben zum Beispiel strenge Bauvorschriften in Großbritannien dazu geführt, dass die Median-Hauspreise inzwischen fünf Mal höher sind als die Median-Einkommen (in London sogar neun Mal höher). Das ist erheblich höher als der Standard in den meisten entwickelten Staaten, wo der Median-Hauspreis bei dem zwei- bis dreifachen liegt. Von den Preissteigerungen profitieren vor allem die Über-50järigen, die bereits gut untergekommen sind. Ihr eigener Wohlstand ist rasch gewachsen, aber sie haben die Mieten enorm steigen lassen, so dass für die Unter-40jährigen wohnen immer teurer wird.

4

In der gesamten EU gibt es sehr große Unterschiede in der Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosigkeit. Die Raten von bis zu 50 Prozent in Spanien und Griechenland schaffen es bisweilen in die Schlagzeilen. Doch auch in Frankreich, Polen, Tschechien und Belgien ist die Arbeitslosenquote der Unter-25jährigen drei Mal höher als die allgemeine Quote, in Schweden, Großbritannien und Italien vier Mal höher. Manche Unterschiede mag man durch das langsame Wachstum nach der Krise erklären können – ein großer Teil hat aber strukturelle Ursachen. Es liegt an einem Arbeitsrecht, das Neueinstellungen teuer macht und Entlassungen sehr schwierig. Und es liegt an Mindestlöhnen, die häufig höher sind als die mögliche Produktivität ungelernter Arbeiter. All diese Eigenschaften des europäischen Arbeitsmarktes sprechen gegen die Jungen.

5

Schließlich sind da noch die gigantischen Rentenversprechen, die europäische Regierungen gemacht haben. Und das angesichts schrumpfender Bevölkerungszahlen und steigender Lebenserwartung. Eine Untersuchung, die Jagadeesh Gokhale für das Institute of Economic Affairs durchgeführt hat, hat gezeigt, dass diese Verpflichtungen in einigen EU-Staaten das Drei- bis Vierfache des nationalen Einkommens. Wollte man diese Versprechen erfüllen ohne das Renten- und Krankenversicherungssystem radikal umzustrukturieren, so müsste man das Steueraufkommen in den meisten Ländern mehr als verdoppeln oder die öffentlichen Ausgaben drastisch reduzieren.

6

Diejenigen von uns, die im Internet-Zeitalter aufwuchsen, müssen für vieles dankbar sein. Der durchschnittliche junge Mensch heute ist wohlhabender, sicherer, gesünder und besser ausgebildet als je zuvor in der Geschichte. Sowohl in den entwickelten Ländern als auch in den meisten Entwicklungsländern. Doch ein Fluch des wachsenden Wohlstands ist das gleichzeitige Wachstum von staatlich gewährten Privilegien, wobei die Bürger mittleren und höheren Alters die größten Nutznießer sind, während die Jüngeren – bisweilen sogar die noch gar nicht Geborenen – die Rechnung präsentiert bekommen. Dieser Trend ist nicht nachhaltig – selbst unter den optimistischsten Prognosen im Blick auf Wirtschaftswachstum und demographische Entwicklung.

Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat Ungleichheit als „die entscheidende Herausforderung unserer Zeit“ bezeichnet. Es kann gut sein, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin das Ende der Globalisierung zum entscheidenden Merkmal seiner oder ihrer Politik machen wird. Dennoch – oder gerade deswegen: während Behauptungen über wachsende Ungleichheit und den Freihandel widerlegt werden, täten Politiker gut daran, ihre Aufmerksamkeit der wachsenden Kluft zwischen Alt und Jung zuzuwenden. Darin liegt wohl die grundlegende unbeantwortete Herausforderung unserer Zeit.

Erstmals veröffentlicht auf dem Blog von Epicenter.

Photo: herr.g from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Frederic C. Roeder, Unternehmer, Vice President Finance & Operations der Students for Liberty

Wer hat sich als Kind nicht auf die Traubenzucker und das neuste Malbuch beim Apothekenbesuch gefreut? Die deutsche Apotheke ist eine gesellschaftliche Institution. Viel weniger ist allerdings bekannt, dass der Erfolg dieser Einrichtung auf mittelalterlichen Gildenstrukturen beruht und auf Kosten der Allgemeinheit realisiert wird.

Die verkrustete Regulierung des Apothekenmarktes schadet Millionen Geldbeuteln, verhindert Innovation, und bringt nur einer kleinen gut organisierten Interessengruppe wirkliche Vorteile.

In Deutschland gibt es circa 20.000 Apotheken. Also auf jede Apotheke kommen ungefähr 4.000 Einwohner – das ist europäisches Mittelfeld. Ein durchschnittlicher Apotheker (dabei sind besonders erfolgreiche Apotheken bereits herausgerechnet) erzielte in 2014 einen Gewinn von fast 130.000 Euro pro Apotheke. Das ist schon abzüglich Personalkosten, die oft das Gehalt des Ehepartners beinhalten

Golfurlaub nach Mallorca – der Versicherte zahlt

Eine Vielzahl von Vorschriften schützt die Apothekenbranche zum einen vor ungewollten Wettbewerb und sichert den bestehenden Anbietern zudem prächtige Gewinne.

Das Mehrbesitzverbot regelt, dass ein Apotheker maximal eine Apotheke mit zusätzlich drei Filialen besitzen darf. Größer kann man nur als Apothekerehepaar werden – dann ist die unternehmerische Expansion auf maximal acht Apotheken erlaubt.

Das Fremdbesitzverbot hindert jeden, der kein Apotheker ist, daran Anteile an einer deutschen Apotheke zu besitzen. Im Erbfall dürfen Hinterbliebene, die keine approbierten Apotheker sind, die Apotheke lediglich für weitere zwölf Monate besitzen, bevor sie diese veräußern müssen.

Der sogenannte Apothekenzuschlag bringt dem Apotheker beim Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten eine garantierte Mindestmarge von 8,35 EUR und einen Aufschlag von 3 Prozent des Herstellerabgabepreises selbst wenn das verschriebene Medikament nur Cent-Beträge kostet. Dies gilt auch für Generika bei denen der Patentschutz bereits abgelaufen ist. Der Versicherte zahlt.

Dieser Apothekenzuschlag sorgt für eine sehr ähnliche Marge bei deutlich unterschiedlichen Packungsgrößen des gleichen Medikaments. Es ist also im Interesse von Apothekern Anreize für Ärzte zu schaffen, kleine Packungsgrößen häufiger zu verschreiben.

Da Apotheker oft auch in Personalunion der Vermieter des Ärztehauses sind, können die Praxismieter bei dienlichem Verschreibungsverhalten regelmäßig zum Golfurlaub nach Mallorca eingeladen werden.

Unterversorgung, unpersönlicher Service und Qualitätsprobleme – alles Panikmache

Der Onlinehandel boomt in den meisten Branchen doch der Betrieb von Versandapotheken ist nach wie vor ein schwieriges Unterfangen. Versandapotheken dürfen rezeptpflichtige Medikamente lediglich bei Vorlage des Originalrezepts abgeben. Kunden müssen also erst ihr Rezept per Post einsenden um dann in den Genuss des Onlineversands zu kommen.

Digitale Rezepte, die in Ländern wie der ehemaligen Sowjetrepublik Estland bereits Alltag sind, gibt es in Deutschland nicht. Eine regulative Erleichterung des Medikamentenversands würde besonders Patienten im ländlichen Raum zu Gute kommen. Ferner könnten Skaleneffekte realisiert werden.

Während man in unseren Nachbarländern Dänemark und den Niederlanden Paracetamol im Supermarkt kaufen kann dürfen in Deutschland rezeptfreie Medikamente lediglich von Apotheken vertrieben werden. Der Kunde zahlt die deutlich höhere Kostenstruktur der Apotheke mit.

Dieses Sammelsurium an Reglementierungen garantiert einer durchschnittlichen Apotheke einen Gewinn von 130.000 Euro pro Jahr. Zulassungsbeschränkungen und Preiskontrollen sichern diesen Betrag vor Wettbewerb und Kosteneinsparungen, die an Konsumenten weitergegeben werden könnten.

Gegner eines liberalisierten Apothekenmarktes führen Versorgungsengpässe im ländlichen Raum und die Apothekendichte an sich als Argumente für eine Beibehaltung des gildenähnlichen Staus quo an.

Der Blick nach Schweden, Litauen oder der Slowakei zeigt aber ein eindeutig anderes Bild: Die Apothekendichte nahm nach der Liberalisierung des Marktes zu. In der Slowakei wuchs die Anzahl der Apotheken im ländlichen Raum nach dem Erlauben von Fremdbesitz sogar überproportional.

Schreckensszenarien wie Unterversorgung, unpersönlichem Service, und Qualitätsproblemen, wie sie gerne vom gut finanzierten Apothekenverband ABDA gezeichnet werden, trafen in keinem der Länder die auf mehr Wettbewerb gesetzt haben ein. Selbst gesundheitspolitisch stark sozial-demokratische Länder wie Kanada und Großbritannien vertrauen auf einen liberalisierten und effizienteren Apothekenmarkt.

Ein unkomplizierter Zugang zu Medikamenten in späten Abendstunden oder am Wochenende ist in diesen Ländern meist auch kein Problem, da die Öffnungszeiten von Apotheken in Ländern mit mehr Wettbewerb deutlich ausgedehnter sind als hierzulande.

Mittelalterliche Gilden- und Feudalsysteme gehören genau in jene Epoche

Ironischerweise sitzt mit Celesio eine der größten europäischen Apothekenketten in Stuttgart – operiert auf dem Apothekenmarkt aufgrund der erläuterten Gesetzeslage allerdings vorwiegend im Ausland.

Deutschland gibt ein Achtel seines Inlandsprodukts für Gesundheit aus. Durch das Aufheben von Privilegien und mehr Wettbewerb könnte es weniger sein. Die potenziellen Einsparmöglichkeiten durch eine Liberalisierung des Apothekenmarkts wären eine Stellschraube mit der man dies erreichen könnte.

Es sollte nicht die Aufgabe der Allgemeinheit sein, Apothekern ein Mindesteinkommen und Wettbewerbsschutz zu garantieren. Mittelalterliche Gilden- und Feudalsysteme gehören genau in jene Epoche und haben im 21. Jahrhundert wenig zu suchen.

Erstmals erschienen in der Huffington Post.

 Photo: Eden, Janine and Jim from Flickr (CC BY 2.0)

Von Hendrik Hilpert, Student von Economics and Finance an der Syracuse University, New York.

Der Wunsch nach Veränderung ist in den USA so spürbar wie seit Ronald Reagan nicht mehr. Das bringt die USA jedoch in eine Situation, vor der Friedrich August von Hayek bereits 1944 gewarnt hatte. Der Wahlkampf zur Präsidentschaft in den USA ist eine Suche nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Besonders der klassisch liberale Beobachter sollte dabei mit Unbehagen auf den Wahltag am 8. November blicken. Weder Donald Trump noch Hillary Clinton bieten dem Wähler einen Weg zu mehr individueller Freiheit und Liberalität. Zwar duellieren sich die beiden heftig auf persönlicher Ebene, inhaltlich ist man sich aber näher, als man zugeben möchte. Ob Trump oder Clinton – lediglich die Facette, welche der autoritäre Staat und die damit einhergehende Misere annähme, würde sich unterscheiden.

Donald Trump stellt für seine Unterstützer eher ein Ventil für Wut und Enttäuschung als eine ersthafte programmatische Alternative dar. Ihn einer traditionellen Denkschule zuzuordnen ist unmöglich und wird von seinen Unterstützern auch nicht gefordert. Die Abneigung gegenüber der Politik vergangener Jahrzehnte ist stark genug, um eine ausreichende Basis für einen politischen Erdrutsch zu bilden.

Die politische Einordung von Hillary Clinton fällt leichter. Ihr Wahlprogramm sowie jüngste Aussagen machen deutlich, dass sie Teil der sogenannten progressiven Bewegung ist. Das ausgesprochene Ziel des Progressivismus ist die Modernisierung der Gesellschaft. Dabei verlässt man sich zunehmend auf die Macht des Staates. Die Freiheit des Individuums spielt eine zunehmend immer untergeordnetere Rolle.

Sowohl Trump als auch Clinton stimmen darüber hinaus in einer grundsätzlichen Ablehnung der Prinzipien liberaler Wirtschaftspolitik überein. Während Hillary Clinton beispielsweise den Bankrott der einheimischen Kohleindustrie aktiv fördern möchte, hat Donald Trump angedeutet, einzelne Jobs durch verschiedenste Subventionen erhalten zu wollen. Beide Kandidaten reagieren zudem auf den öffentlichen Protest gegen die Idee des Freihandels mit einer Art merkantilistischer America First Politik. Während Donald Trump Zölle auf die Einfuhr ausländischer Produkte erlassen möchte, um den einheimischen Produktionssektor zu schützen, will Clinton der nationalen Industrie mit enormen Steuervorteilen einen massiven Wettbewerbsvorsprung geben.

Als Friedrich August von Hayek sein Werk Der Weg zur Knechtschaft im Jahr 1944 zum ersten Mal veröffentlichte, warnte er vor politischen Bewegungen, die durch Ziele wie totale Gleichheit oder grenzenlose Sicherheit um jeden Preis auch in westlichen Ländern attraktiv werden könnten. Das, wovor Hayek einst gewarnt hatte, ist in den USA heute jedoch politische und gesellschaftliche Realität geworden. Der Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften hätte sowohl in Trump als auch in Clinton potentielle Navigatoren zur Knechtschaft – also zur Machtverlagerung vom Einzelnen hin zum Staat – gesehen.

Viele US-Amerikaner sind aufgrund ihrer wahrgenommenen Perspektivlosigkeit verzweifelt und haben das Gefühl, an dieser Situation selbst nichts ändern zu können. Hayek stellte früh die These auf, dass man „geistige Unabhängigkeit und Charakterstärke selten bei Menschen findet, die nicht damit rechnen können, aus eigener Kraft ihr Glück zu machen.“ In dieser Situation scheint der radikale Regimewechsel oft der letzte Ausweg zu sein. Donald Trump erweckt durch seinen unternehmerischen Erfolg den Eindruck, dass er auch als Präsident in Washington die Vereinigten Staaten wieder in die „Siegerspur“ bringen kann. Wie er das erreichen möchte bleibt unklar.

Hayek hat vor der Unterdrückung der Demokratie im frühen 20. Jahrhundert ein Stadium erkannt, welches „von dem allgemeinen Verlangen nach schnellem und entschlossenen Handeln der Regierung und von der Unzufriedenheit mit dem langsamen und schwerfälligen demokratischen Geschäftsgang“ gekennzeichnet sei. Das führe dazu, dass ein Handeln unter allen Umständen gefordert würde. „In einem solchen Augenblicke übt der Mann oder die Partei, welche stark und entschieden genug zu sein scheinen, um »durchzugreifen«, die größte Anziehungskraft aus. (…) Was sie suchen, ist eine Persönlichkeit, hinter der genug steht, damit man ihr die Durchführung jeder Aufgabe zutraut.“

So attraktiv ein politischer Paukenschlag auch sein mag, so wenig nachhaltig wird der von Trump jedoch sein. Anders als damals bei Ronald Reagan in den 1980er Jahren wird man ihn im Falle eines Wahlsieges nämlich nicht mit einem detaillierten ökonomischen Reformpaket vergleichen können, welches er vor der Wahl angeboten hatte. Gewinnt Trump die Wahl, hat er die notwendige Macht gewonnen, um seine Beliebigkeit in welcher Form auch immer politische Realität werden zu lassen.

Für Liberale ist die Entscheidung pro Individuum deswegen immer die bessere Alternative. Genau diese Feststellung widerstrebt aber auch den Idealen des Progressivismus und damit der Politik von Hillary Clinton. Man sieht den Staat als Heilsbringer, der die Menschen erziehen und ihr Leben durch zentrale Planung zu einem „besseren“ Leben machen kann. Hayek dazu: „Zur Rechtfertigung eines bestimmten Planes bedarf es aber nicht vernünftiger Überlegung, sondern des Bekenntnisses zu einem Glauben. Und tatsächlich erkannten all die Sozialisten sehr bald, dass die Aufgabe, die sie sich gestellt hatten, die allgemeine Annahme einer gemeinsamen Weltanschauung, eines bestimmten Systems von Werten erfordert.“ Progressive US Eliten versuchen deshalb, bis tief in die Gesellschaft hineinzudrängen.

Hayek wusste, dass wir eine solche allumfassende Werteskala nicht besitzen: „Es überstiege Menschenkraft, die unendliche Mannigfaltigkeit der verschiedenen Bedürfnisse der verschiedenen Menschen zu erfassen und jedem die ihm zukommende Bedeutung zuzuweisen.“ Hillary Clinton erweckt aber den Eindruck, genau zu wissen, wie ein Farmer in Texas leben sollte, um ein gutes Leben zu haben. Darüber hinaus steht sie nicht nur für autoritäre Planung im Inneren der Vereinigten Staaten, sondern auch für eine Fortsetzung der US Außenpolitik als Weltpolizei und Heilsbringer für Menschen in fremden Kulturkreisen.

Bei aufmerksamer Beobachtung des politischen Geschehens in den USA wird deutlich, dass nur noch diskutiert wird, wer von Trump und Clinton denn das kleinere Übel sein könnte. Ronald Reagan und Abraham Lincoln wären von dieser Entwicklung enttäuscht. Letzterer war der erste amtierende Präsident der damals neu gegründeten Republikanischen Partei. Danach folgte mit der schrittweisen Abschaffung der Sklaverei eine echte Revolution. Wenn die US Bürger fundamentalen Wandel möchten, sollte sie nach einer echten programmatischen und ideologischen Alternative suchen, die vielleicht nicht von Seiten der etablierten Parteien kommt. 2016 könnte ein großer Schritt zu dem werden, was Hayek als Knechtschaft bezeichnet hat. 2016 könnte aber auch das Jahr einer dritten Partei werden, die das politische Washington fundamental verändert.

Dieser Text basiert auf einem Vortrag beim Hayek Club Fulda am 30. Juni 2016.

Photo: Michael Muecke from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Sebastian Körber, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Architekt.

Es ist der Traum vieler Menschen, in den eigenen vier Wänden ein individuelles Heim zu schaffen und sich selbstbestimmt zu verwirklichen: Mit der Traumküche, einem geräumigen Tageslicht-Bad oder der Aussicht ins Grüne vom Balkon in der Lieblingsgegend. Deutschland belegt innerhalb der Eigentumsquote ohnehin nur den vorletzten Platz in Europa mit ca. 46%. Gleichzeitig entscheiden sich auch immer mehr Personen, ihre eigene Altersvorsorge auf Immobilien aufzubauen und erwerben etwa eine Eigentumswohnung, um diese dann zu vermieten. Kapitalgedeckt und vollkommen transparent.

Als Liberaler freue ich mich darüber sehr, wenn eigenverantwortlich Altersvorsorge betrieben und gleichzeitig dem Risiko von Altersarmut durch eine selbstgenutzte Immobilie entgegengetreten wird, nimmt der Wohnkostenanteil im Alter doch teilweise von ca. 25% auf bis zu 40% zu. Der Staat und die öffentliche Hand können sich also darüber freuen, dass ihre Bürger fleißig in Immobilien investieren, schließlich sind unsere Immobilienmärkte weder überhitzt noch sind Immobilien in Deutschland riskant finanziert. Dennoch wird es immer schwieriger, eine Immobilie zu kaufen, das Bauen selbst immer teurer und damit steigen übrigens auch die Mieten immer stärker.

Aber was machen die regierenden Politiker? Bedauerlicherweise wird lediglich mit nachweislich unwirksamer Symbolpolitik wie etwa mit der sogenannten „Mietpreisbremse“ versucht, an den Symptomen herumzudoktern. Die Ursachen hingegen werden nicht wirksam bekämpft. Aber bleiben wir bei den Immobilieneigentümern und solchen die es werden wollen: Mit der Energieeinsparverordnung werden diese gezwungen, auch bei schönen alten Fassaden, die noch nicht unter Denkmalschutz stehen, teure Dämmung aufzubringen, die – im Falle von Styropor – einmal Sondermüll wird und sich über die Laufzeit über tatsächlich eingesparte Energie kaum amortisiert. Schlimmer ist aber noch die Einschränkung beim Lüften, steht doch bauphysikalisch das Öffnen der Fenster dann der Einsparung im Weg. Also muss teure Lüftungstechnik angeschafft werden, man lebt jetzt schließlich in einer dichten Hülle, quasi unter einer Plastiktüte.

Die Baukosten und der Eigentumserwerb werden damit kräftig verteuert und erschwert, das Weltklima retten wir dadurch gar nicht. Denken wir primärenergetisch, ist Styropor wohl sogar noch klimaschädlicher. Mehrkosten ca. 5-10%! Also weder ökologisch noch sozialpolitisch sinnvoll, denn wer zahlt’s? Der Mieter! Und wenn man eine Immobilie kauft, fallen alleine bei Notar und Grundbuch knapp 2% an. Für den Grunderwerb nochmal 3,5% in Bayern – ein Schnäppchen, zahlt man in anderen Bundesländern doch bereits teilweise 6,5%! Bei einem Reihenhaus in Schleswig-Holstein für 350.000 € also weitere knapp 30.000 €! Auch die Kommunen erhöhen gerne mal die Grundsteuer, die dann jährlich anfällt oder wenden die sogenannte Straßenausbaubeitragssatzung an, dann zahlt man als Haus- oder Wohnungseigentümer auch noch für die Straßen- und Kanalsanierung. Im Laufe eines Immobilienlebens übrigens mehrfach möglich, wenn es die Kommune klug anstellt.

Aber noch besser ist die still und heimlich verabschiedete EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die seit 2. Quartal 2016 nun Gesetz in Deutschland ist. Die Bank müssen nun insgesamt über mehrere dutzend Seiten Text dokumentieren, dass sich der Kreditnehmer, bei Betrachtung seiner Lebenserhaltungskosten, einen Kredit lebenslang leisten kann. Was macht aber das Rentnerehepaar, welches noch barrierefrei umbauen möchte? Oder die junge Familie, die noch keine großen Sicherheiten vorzuweisen hat und wo gerade nur einer von beiden arbeitet? Bürokratie und nächster Knüppel zwischen die Beine!

Und wenn man dann sein Heim umsetzen möchte, wird man in seiner Kreativität auch noch teilweise unnötig eingeschränkt, etwa beim vorgeschriebenen Sockel des Gartenzauns, der Dachform und im Blick auf die Tiere, die sich in einem Baum eingenistet haben, weshlab der erst im Oktober gefällt werden darf – so schreibt es die Bundesgesetzgebung im Umweltschutzbereich vor. Im Bauausschuss einer Gemeinde diskutieren dann auch Stadt- und Gemeinderäte, selbsternannte Ästhetikkenner und Baufachleute, wie das überhaupt nur genehmigt werden kann. Diese Liste wäre beliebig fortzuführen…

Wir benötigen dringend ein Umdenken, denn es geht um ein Stück Freiheit, Sicherheit und Selbstverwirklichung! Wir brauchen mehr Freiheit für Immobilieneigentümer, denn Eigentum schafft Freiheit und diese Freiheit muss unterstützt werden! Deshalb fünf klare Forderungen:

1. Abschaffung der Grunderwerbsteuer bei Wohnimmobilien

2. Mehr Freiheiten und Flexibilität in Bebauungsplänen

3. Reduktion der Werte der Energieeinsparverordnung

4. Aussetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

5. Weg mit der Straßenausbaubeitragssatzung