Photo: kate m from Flickr (CC BY-SA 2.0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus

Derzeit ist das EU-Budget auf 1,23% des europäischen Bruttonationaleinkommens begrenzt. Doch sollten weitere Aufgaben in der Sozialpolitik, Verteidigung oder Flüchtlingspolitik auf die EU übertragen werden, ist eine Ausweitung des Budgets der EU wahrscheinlich. Das wäre Wasser auf die Mühlen prominenter Stimmen aus der europäischen Politik und Wissenschaft, die seit Jahren fordern, den derzeitigen EU-Finanzrahmen durch eine EU-Steuer zu ergänzen bzw. zu ersetzen. Von einer EU-Steuer versprechen sie sich aber nicht nur zusätzliche Einnahmen, sondern insbesondere Lenkungswirkungen, die durch nationale Steuern nicht erzielt werden könnten. Die nationalen Regierungen lehnen die Einrichtung einer Steuer, für die die EU die Ertragskompetenz und die Steuergesetzkompetenz hat, dagegen ab. Aus gutem Grund: Die Schaffung von EU-Steuern verspricht wenig Vorteile, birgt aber hohe Risiken.

Was ist eine EU-Steuer?

2015 machte der EU-Haushalt rund 1% des EU-BIP aus – absolut waren das 145,3 Milliarden Euro oder etwa 287€ pro Unionsbürger. Das derzeitige System der EU-Finanzierung basiert auf vier Einnahmequellen:

Beiträge der Mitgliedsstaaten entsprechend ihres Bruttoinlandprodukts (ca. 75% der Einnahmen), Zölle und Zuckerabgaben (ca. 13% der Einnahmen), eine Beteiligung an den Mehrwertsteuereinnahmen der Staaten (ca. 11% der Einnahmen) und sonstige Einnahmen, darunter Steuern und Abgaben auf die Gehälter von EU-Beamten (ca. 1% der Einnahmen).

Der EU-Haushalt wird also größtenteils durch Steuern der Bürger gespeist, die von den nationalen Regierungen an die Union überwiesen werden. Um EU-Steuern handelt es sich jedoch weder bei der Beteiligung an den nationalen Mehrwertsteuereinnahmen, noch bei den Beiträgen entsprechend der Wirtschaftskraft. Denn die EU hat nicht das Recht, Steuersatz und -basis unabhängig von den nationalen Regierungen zu verändern. Auch die Einführung neuer Steuern ist ihr nicht möglich.

Wird eine EU-Steuer gefordert, so ist damit also nicht nur die Ertragskompetenz (Steuereinnahmen fließen der EU zu) gemeint, sondern auch die Schaffung einer Steuergesetzgebungskompetenz auf EU-Ebene. Zur Durchsetzung ihrer Steueransprüche wäre die EU – wie in beinahe allen anderen Tätigkeitsfeldern auch – weiterhin auf die Kooperation der Mitgliedsstaaten angewiesen.

Die Einführung neuer Steuern kann niemals Selbstzweck sein. Sie ist dann sinnvoll, wenn die durch sie finanzierten Aktivitäten oder gewichtige politische Gründe dafür sprechen. Insbesondere letzteres vermuten die Befürworter von EU-Steuern. Sie versprechen sich durch die Ablösung des bisherigen Finanzierungssystems mehr Transparenz, die Eindämmung von als schädlich wahrgenommenem Steuerwettbewerb, eine supranational effektivere Besteuerung und mehr Autonomie für die EU.

Transparenzgewinne unwahrscheinlich

Auch wenn staatliche Budgets heute öffentlich einsehbar sind, bleibt die Finanzierung staatlicher Aktivitäten aus dem Blickwinkel des Individuums recht intransparent. Es ist leicht, den durchschnittlichen Steuerbeitrag pro Steuerzahler innerhalb eines Staates oder Staatenbundes zu errechnen. Doch aufgrund der Vielzahl verschiedener Steuern und staatlicher Einnahmequellen, kann kaum jemand korrekt einschätzen, wie hoch sein individueller Beitrag ist. Auch das EU-Budget bildet hier keine Ausnahme, denn individuelle Beiträge über die Zölle, den Mehrwertsteuerzuschlag und die BIP-abhängigen Transfers können nicht leicht abgeschätzt werden.

Charmant erscheint daher der Vorschlag, die EU-Finanzierung auf eine einzige Steuer zu reduzieren, sodass jeder Bürger zukünftig genau sehen kann, in welchem Ausmaß er zur Finanzierung der EU beiträgt. Doch nennenswerte Transparenzgewinne sind nur möglich, wenn eine solche Steuer relativ selten und in regelmäßigen Intervallen gezahlt wird – wie die Einkommensteuer, bei der ein jährlicher Betrag ausgewiesen wird. Ein Ausbau des EU-Mehrwertsteuerzuschlags, eine Finanztransaktionssteuer oder eine CO2-Emissionensteuer – wahrscheinlichere Szenarien als eine EU-Einkommensteuer – bringen hingegen keine Klarheit über den individuellen Beitrag zum EU-Budget.

Mittel gegen Steuerwettbewerb?

Als weiteres Argument für die EU-Steuer wird angeführt, dass die Verlagerung von Steuerkompetenzen auf EU-Ebene den Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten abschwächen und so unerwünschte Ausweichreaktionen mobiler Faktoren und Unternehmen vermeiden kann. So ist die Vorstellung verbreitet, dass große Unternehmen die europäischen Staaten im Standortwettbewerb gegeneinander ausspielen und damit die Körperschaftsteuern nach unten treiben – eine einheitliche Besteuerung soll hier Abhilfe schaffen.

Doch zum einen können die Bürger vom Steuerwettbewerb zwischen Staaten profitieren. Zum anderen zeigt unabhängig von der Wohlfahrtswirkung des Steuerwettbewerbs die derzeitige Praxis der EU, dass eine Zentralisierung der Steuerkompetenzen nicht nötig ist, um Steuerwettbewerb einzuschränken: Die EU greift bereits heute regulierend in die nationale Steuergesetzgebung ein, belässt die Ertragshoheit jedoch auf nationaler Ebene. So können die Nationalstaaten ihre Mehrwertsteuersätze nur in einem von der EU vorgegebenen Korridor anpassen.

EU-weite Externalitäten besteuern?

Gibt es Steuern, die auf supranationaler Ebene wirkungsvoller erhoben werden können? Ein Argument für eine EU-Steuerkompetenz lautet, dass gewisse negative Externalitäten vor Grenzen nicht Halt machen und ihre Besteuerung daher auch grenzübergreifend erfolgen sollte – man denke an CO2-Emissionen. Auch die Besteuerung multinationaler Konzerne und Teile der digitalen Wirtschaft, die sich nur schwerlich national zuordnen lassen, wird als EU-Aufgabe diskutiert.

Doch schon im Fall der CO2-Emissionen zeigt sich, dass eine EU-Steuer nicht nötig ist, um grenzüberschreitende Externalitäten zu internalisieren. Auf EU-Ebene gibt es längst einen Zertifikatehandel. Zwar wäre es vorstellbar, die Internalisierung stattdessen durch eine EU-weit einheitliche Steuer auf CO2-Emissionen handzuhaben. Doch die Erträge dieser Steuer müssten nicht der EU zufließen, sondern könnten an die Mitgliedsstaaten gehen. Auch im Falle der Besteuerung grenzübergreifend operierender Unternehmen gilt ähnliches: Hier wäre eine koordinierende Tätigkeit der EU denkbar – die Ertragshoheit muss nicht auf EU-Ebene liegen. Ein allgemeines Argument für eine EU-Steuer ergibt sich daher auf der Basis EU-weit wirkender Externalitäten nicht.

Mehr Autonomie für die EU?

Nicht nur Enthusiasten der europäischen Einigung beklagen, dass die EU nichts weiter als der „verlängerte Arm der Mitgliedstaaten“ sei. Eine EU-Steuer, so die Hoffnung, brächte mehr Autonomie gegenüber den nationalen Regierungen, sodass die EU ohne Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten besser auf die Wünsche der Bürger reagieren könnte. Die Bereitstellung öffentlicher (und öffentlich finanzierter privater) Güter auf EU-Ebene wäre dann nicht mehr durch die Zustimmung der Mitgliedsstaaten limitiert, die möglicherweise effiziente Verlagerungen auf die EU-Ebene verhindern, um ihr eigenes Budget nicht verringern zu müssen.

Doch es ist zweifelhaft, welchen Nutzen eine Ausweitung der Autonomie der EU für den Bürger hätte. Wesentliche durch die EU ermöglichte Vorteile – etwa durch die Binnenmarktintegration oder die Arbeitnehmerfreizügigkeit – wurden bereits realisiert. Abgesehen von der bisher nur unvollständig umgesetzten Dienstleistungsfreiheit erscheinen die meisten derzeit in der EU diskutierten Projekte risikoreicher und kontroverser.

Eine Ausweitung der Autonomie der EU durch eine eigene Steuererhebungskompetenz birgt daher Gefahren: Da sie ihr Budget unabhängig ausweiten könnte, könnte sie möglicherweise staatliche Aufgaben an sich reißen, die auf nationaler Ebene besser aufgehoben sind und gesellschaftlich unerwünschte Umverteilung an einflussreiche Interessengruppen vornehmen. Wie jede Bürokratie hätte auch die EU einen Anreiz, ihre Steuern langfristig zu erhöhen und zur Legitimation dieser Steuererhöhungen das Leistungsangebot auszubauen.

EU-Steuer birgt Missbrauchsrisiko

Es ist schwierig zu bewerten, ob der Grad fiskalischer Zentralisierung in der Europäischen Union derzeit zu hoch oder zu niedrig ist. Ist es ratsam, aufgrund des Verdachts ineffizient niedriger fiskalischer Zentralisierung eine EU-Steuer einzuführen und damit die Gefahr ineffizient hoher Zentralisierung zu erhöhen?

Vermutlich nicht. Denn selbst wenn angenommen wird, dass die heutigen EU-Entscheidungsträger verantwortungsvoll mit der Möglichkeit 400 Mio. Menschen zu besteuern umgehen – was angesichts hoher Agrarsubventionen und von Partikularinteressen getriebener Politik optimistisch erscheint – ist es nicht ratsam, davon auszugehen, dass dem auch in der Zukunft immer so sein wird.

Die durch eine EU-Steuer erwarteten Vorteile – mehr Transparenz, Unterbindung schädlichen Steuerwettbewerbs, supranational effektivere Besteuerung und die Ermöglichung effizienter Zentralisierung – sind gering und unsicher. Die Kosten eines missbräuchlichen Umgangs mit der „Macht zur Besteuerung“ sind dagegen immens, etwa in Form von massiven Steuererhöhungen, einer ungerechten Verteilung der Steuerlast und anschließender Umverteilung zugunsten von Partikularinteressen. Mit dem Grad fiskalischer Zentralisierung wächst die Trageweite des Kompetenzmissbrauchs. Ein solches Risiko sollte angesichts der geringen Vorteile einer EU-Steuerkompetenz nicht eingegangen werden.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: joiseyshowaa from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Vorsitzender des Verbandes “Die Jungen Unternehmer“, CEO der App-Arena GmbH.

Der Begriff Populismus schwirrt fast täglich durch die Medien. Gerade in Wahljahren könnte man meinen, jeder Politiker sei Populist. Dieses oder jenes sei „populistisch“, heißt es dann vom anderen Lager. Ein klarer Vorwurf. Ursprünglich beschreibt Populismus aber nichts anderes als „Volksnähe“. Das ist an sich nichts Schlechtes. Im Gegenteil, es ist ein elementarer Bestandteil unserer Demokratie. Populismus gibt auf schwierige Fragen einfache Antworten. Diese durchdringen das Thema selten, sie geben uns jedoch Hinweise. So können wir ableiten, in welche Richtung die Reise gehen soll und welche politische Idee unserer eigenen am nächsten kommt. Voraussetzung dafür ist, dass man kritisch hinterfragt und sich bemüht, negative Konsequenzen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Populismus heute

Durch permanente Reizüberflutung und Informationsüberschuss in der modernen Welt sind wir dankbar für einfache und appetitliche Häppchen seitens der Politik. Die Versuchung ist groß und so kommt das Nachdenken und Hinterfragen leider oft zu kurz. Das ist die eigentliche Gefahr des Populismus. Die Konsequenzen sind besorgniserregend. So setzen wir leichtsinnig mal eben die Grundwerte und größten Errungenschaften unserer Gesellschaft aufs Spiel: Freiheit und Wohlstand. Ich möchte hier einmal zwei vermeintliche Antworten beleuchten, die besonders im Trend liegen.

Aktuelle Beispiele

Anti-Freihandel: Der US-amerikanische Präsident Donald Trump, die Befürworter-Partei des Brexit UKIP und auch TTIP- und Freihandelsgegner stehen für eine national ausgerichtete Handelspolitik. Sie betreiben oder planen wirtschaftlichen Protektionismus, also handelspolitische Maßnahmen zum Schutz der inländischen Wirtschaft gegen ausländische Konkurrenz. Wenn man nur eine Sekunde darüber nachdenkt, könnte einem recht schnell klar sein, dass ein solcher Ansatz in einer globalisierten und vernetzten Welt nur zum Schlechten führen kann. Kurzfristig lohnt es sich vielleicht, doch schon auf mittlere Sicht fehlen Innovationen und auch der internationale Wettbewerb. Das Wachstum von Unternehmen ist durch den ausschließlich inländischen Handel streng limitiert. Auch andere Länder fangen an sich abzuschotten. So wird jeder Export durch hohe Transaktionskosten unattraktiv. Geschichte würde sich wiederholen. Schon die Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren zeigte auf, wozu Protektionismus führt. Die Weltwirtschaft schrumpfte um ein Drittel. Eine erst mal in Gang gesetzte Protektionismusspirale würde unseren Wohlstand in Armut umkehren und Fortschritt extrem bremsen. Die Leidtragenden wären die kommenden Generationen.

Die angeblich fehlende Gerechtigkeit: Die SPD geht dieses Jahr mit dem Thema soziale Gerechtigkeit auf Stimmenfang. Sie zeichnet öffentlich ein dunkles Bild des Allgemeinwohls, beispielsweise mit dem Armuts- und Reichtumsbericht. Man könnte denken, Deutschland sei ein Entwicklungsland. Hier werden systematisch die extremen Fälle – sehr arme oder superreiche Bürger – in den Fokus gestellt. So wird wirksam davon abgelenkt, dass der Großteil der Deutschen von ihrem Einkommen ordentlich leben können, ihre Miete bezahlen, ihre Kinder zur Uni schicken und regelmäßig in den Urlaub fahren. Belegt wird das durch steigende Reallöhne, die geringe Arbeitslosigkeit und Rentenerhöhungen. Die Gesellschaft wird durch gegenteilige Äußerungen weiter gespalten anstatt zusammengeführt. Wir leben in einem der wohlhabendsten Länder der Erde mit guten sozialen Absicherungen. Weitere enorme Umverteilungspläne würden zu Lasten der Jungen gehen und dabei weiterhin die „echten“ Armen – beispielsweise Alleinerziehende – außer Acht lassen.

Aufmerksamkeit mit allen Mitteln

Die ursprüngliche Definition von Populismus ist nichts Schlechtes, der moderne Gebrauch ist es jedoch schon. Themen mit Aufreger-Potenzial werden schamlos ausgenutzt, um im medialen Dschungel Stimmen und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es werden Scheinlösungen für Pseudoprobleme angeboten und das Schlimmste ist: Wir fallen darauf rein! Wir sollten wieder anfangen uns – auch wenn sie nicht so emotional scheinen – wichtigen Themen, wie dem demographischen Wandel, einer Neuausrichtung Europas, oder Bildungsreformen zu widmen. Die bleiben derweil auf der Strecke. Der Populismus-Trend muss aufgehalten werden. Wir brauchen dringen wieder einen nüchterneren Blick auf die Dinge und statt heißer Herzen wieder kühle Köpfe.


Dr. Hubertus Porschen ist ehrenamtlicher Bundesvorsitzender des Wirtschaftsverbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER, Gründer und Geschäftsführer der App-Arena GmbH in Köln sowie promovierter Volkswirt. Im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl initiiert der Verband die Kampagne „Germany´s next Bundeskanzler/in“. Hier soll die Stimme der jungen Generation gefunden werden, die die Interessen der Erst- und Zweitwähler am besten vertritt. Die Kampagne soll junge Wähler für Politik begeistern.

Photo: Pedro Ribeiro Simoes from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander FinkUniversität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Die gesetzlichen Sozialversicherungen weisen eine interessante Eigenart auf: Für Beamte und Abgeordnete sind sie entweder nicht verpflichtend oder Beamte und Abgeordnete können nicht Mitglied sein. Das ist bemerkenswert. Abhängig Beschäftigte sind grundsätzlich verpflichtet, Mitglieder der von der öffentlichen Hand angebotenen Sozialversicherungen zu sein. Die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betrauten Abgeordneten und Beamte hingegen können sich grundsätzlich gegen die Sozialversicherungsangebote der öffentlichen Hand entscheiden. Um die Interessen von Abgeordneten und Beamten besser in Einklang zu bringen mit denen der übrigen Bevölkerung, sollten die Regeln der Sozialversicherungen stets universell angewandt werden und somit auch für Abgeordnete und Beamte gelten.

Sozialversicherungen: Derzeit keine Pflicht für Abgeordnete und Beamte

Beiträge zu den drei großen gesetzlichen Sozialversicherungen sind für Abgeordnete, die für ihre Ausgestaltung verantwortlich sind, und die engsten Mitarbeiter des Staates ? verbeamtete Staatsdiener, Richter und Soldaten ? gerade nicht verpflichtend. Abgeordnete und Beamte können zwar freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, erhalten jedoch im Alter steuerfinanzierte Pensionen. Sie können Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung sein, aber gerade für Beamte sind die Anreize so ausgestaltet, dass private Krankenversicherungen wesentlich attraktiver sind. Es ist deshalb nicht überraschend, dass nur vereinzelt Beamte Beiträge an die gesetzliche Krankenversicherung überweisen. Abgeordnete und Beamte sind zudem nicht gesetzlich arbeitslosenversichert.

Einklang von Interessen wünschenswert

Die Interessen von Auftraggebern und Auftragnehmern fallen in vielen Lebenslagen häufig nicht zusammen. Die Interessen von Eigentümern und angestellten Managern eines Unternehmens sind nicht deckungsgleich, ebenso wenig die von angestellten Managern und ihnen unterstellten Mitarbeitern. Eigentümer und Manager versuchen deshalb Instrumente zu nutzen, die ihre eigenen Interessen und die Interessen der von ihnen Beauftragten besser in Einklang bringen. Manager werden von den Eigentümern beispielsweise mithilfe von Aktienoptionen am Erfolg des Unternehmens beteiligt und Mitarbeiter erhalten Boni, wenn sie vereinbarte Ziele erreichen.

Ähnlich könnten die Interessen der auftraggebenden Bevölkerung mit auftragnehmenden Abgeordneten und Beamten im Rahmen der Sozialversicherungen besser in Einklang gebracht werden, wenn alle von Abgeordneten verabschiedeten und von Beamten durchgesetzten Regeln auch auf sie Anwendung fänden.

Rentenversicherung

Abgeordnete und Beamte erhalten nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben steuerfinanzierte Pensionen, die von den Entwicklungen der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig sind. Pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung sind alle abhängig Beschäftigten ohne Beamtenstatus und Selbständige ausgewählter Berufsgruppen.

Die primäre Leistung einer Rentenversicherung besteht nicht in der Grundsicherung im Alter, sondern der Vorsorge für den Konsum in der Zeit nach dem Arbeitsleben. Es sollte jedem freistehen, eigens zu entscheiden, wie hoch diese Vorsorge im Vergleich zum Konsum während des Arbeitslebens ausfällt. Grundsätzlich ist deshalb staatlicher Zwang zur Altersvorsorge nicht wünschenswert. Es besteht jedoch die Gefahr, dass ohne Zwang einige gar nicht fürs Alter vorsorgen und darauf setzen, dass die übrigen Mitglieder der Gesellschaft sie im Alter dennoch unterstützen werden. Deshalb können Pflichtbeiträge während des Arbeitslebens angebracht sein, die eine Grundsicherung im Alter ermöglichen.

Unabhängig davon, ob die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über die zur Grundsicherung im Alter notwendigen Beiträge hinausgehen, sollten Abgeordnete und Beamte ebenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sein. Dann könnten Abgeordnete und Beamte überzeugend argumentieren, sie hätten das gleiche Interesse wie die übrigen Pflichtversicherten an einer Rentenpolitik, die die Vorteile für Rentenbezieher weise gegen die durch die Besteuerung von Arbeit entstehenden Nachteile abwägt.

Krankenversicherung

Nicht verbeamtete abhängig Beschäftigte, deren Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt, sind in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Abgeordnete und Beamte hingegen haben die Wahl zwischen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen. So können Abgeordnete des Bundestages entscheiden, ob sie Beihilfe nach beamtenrechtlichen Maßstäben erhalten oder der Bundestag ihnen einen Zuschuss in Höhe der Hälfte ihres Beitrags zu einer privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung zahlt. 2013 waren Schätzungen zufolge zwischen 42% und 66% aller Mitglieder des Bundestages privat krankenversichert. Bei den Beamten sind es gewiss deutlich mehr. Sie verspüren keinen Druck, sich mit dem Rest der Bevölkerung durch eine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse solidarisch zu zeigen. Zudem gilt, dass ein Beamter, der sich für eine gesetzliche Krankenversicherung entscheidet, anders als Abgeordnete des Bundestages keinerlei Zuschuss zu seinen Beitragszahlungen erhält. Ist ein Beamter jedoch privat krankenversichert, trägt der Dienstherr in der Regel mindestens 50% der Gesundheitskosten und der Beamte muss mittels seiner privaten Versicherung nur noch die verbleibenden Kosten abdecken.

Der Anreiz für Beamte, sich für eine private Krankenversicherung zu entscheiden, ist so stark, dass nur vereinzelt Beamte in gesetzlichen Krankenkassen versichert sind. Gesetzlich Pflichtversicherte hingegen können sich nicht für eine private Krankenkasse entscheiden. Ein Geschmäckle hat diese Konstellation, weil es für Ärzte, Krankenhäuser und andere Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen deutlich attraktiver ist, Privatpatienten zu behandeln. Für die gleiche Leistung stellen sie Privatpatienten in der Regel eine um den Faktor 2,3 höhere Gebühr in Rechnung. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Privatpatienten eine bessere Behandlung erfahren und beispielsweise weniger lange auf Untersuchungen warten als Kassenpatienten. Leider liegt es nicht nahe, dass es nur zufällig für Beamte finanziell deutlich attraktiver ist, sich privat zu versichern und die mit dem Status als Privatpatient einhergehenden Vorzüge gegenüber gesetzlich Krankenversicherten zu genießen.

Der Bevorzugung von Beamten, Abgeordneten und Gutverdienern könnte begegnet werden, indem allen freigestellt wird, sich für eine private Krankenversicherung zu entscheiden, solange sie bereit sind, die dafür möglicherweise zusätzlich anfallenden Kosten zu tragen.

Arbeitslosenversicherung

Abgeordnete und Beamte zahlen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Pflichtversichert sind jedoch alle Arbeitnehmer, die nicht Beamte, Richter oder Soldaten sind und mehr als nur geringfügig beschäftigt sind.

Beamte können nur aufgrund von eigenem Verschulden unfreiwillig arbeitslos werden und haben somit eine Beschäftigungsgarantie. Die Kosten für diese Garantie sind nicht offenbar, aber sie sind gewiss nicht gleich null. Da Beamte nicht in Abhängigkeit von kurzfristigen Schwankungen in Bezug auf ihren Dienstbedarf eingestellt und entlassen werden können, unterhalten Steuerzahler in Zeiten geringeren Bedarfs zu viele Beamte und leiden unter geringerer Servicequalität in Zeiten hohen Bedarfs.

Die Kosten der Beschäftigungsgarantie für Beamte ließen sich offenbaren, indem auch Beamtenarbeitsverhältnisse mit einem Beitrag zur Arbeitslosenversicherung belastet würden. Anders als derzeit sollte die Arbeitslosenversicherung allerdings darauf ausgereichtet sein, Menschen gegen Katastrophen zu schützen und nicht gegen die Folgen kurzfristiger Arbeitslosigkeit, die in den meisten Fällen nicht katastrophal sind. So könnten beispielsweise Auszahlungen von Arbeitslosengeld erst ab dem vierten Monat erfolgen, um Arbeitslosen einerseits einen stärkeren Anreiz zu geben, sich umgehend nach einer neuen Aufgabe umzusehen, und andererseits dafür zu sorgen, dass Arbeitssuchende nach mehreren Monaten nicht aus Verzweiflung Arbeitsverträge abschließen, obwohl der Match zwischen ihnen und dem Arbeitgeber nicht sonderlich gut ist.

Interessen in Einklang bringen, Vertrauen stärken

Derzeit befinden wir uns in der sonderlichen Situation, dass die von der öffentlichen Hand bereitgestellten verpflichtenden Sozialversicherungen gerade für die Volksvertreter in den Parlamenten und die engsten Mitarbeiter des Staates nicht verpflichtend sind. Um die Interessen aller Beteiligten in Einklang zu bringen und das Vertrauen in die staatlichen Organisationen zu stärken, wäre es wünschenswert, wenn für Abgeordnete, Beamte und ihre Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend wären. Im Rahmen der Krankenversicherung sollten alle Versicherten die Möglichkeit haben, sich für einen privaten Anbieter von Versicherungsleistungen zu entscheiden. Außerdem wäre es wünschenswert, die Kosten der Beschäftigungsgarantie für Beamte durch Beiträge zu einer auf Katastrophenschutz ausgerichteten Arbeitslosenversicherung offen zulegen.

Erstmals erschienen bei IREF. 

 Photo: MORO Modellbahn from Flickr (CC BY 2.0) 

Von Dr. Alexander FinkUniversität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Die Besteuerung von Einkommen mittels einer Flat Tax zeichnet sich durch einen konstanten Steuersatz auf zusätzliches Einkommen aus, möglicherweise nach Abzug von Freibeträgen. Die Flat Tax ist relativ unbeliebt, vermeintlich gerade weil Einkommen an der Grenze unabhängig von ihrer Höhe stets mit dem gleichen Steuersatz belegt werden. Man könnte deshalb erwarten, dass die Einnahmen des Staates vornehmlich aus Quellen mit progressiven Steuertarifen stammen. Die progressive Einkommensteuer gehört jedoch unter den vielen Einnahmequellen des deutschen Staates zu den Ausnahmen. Etwa 78% aller Staatseinnahmen stammten 2014 aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die sich gerade nicht durch einen progressiven Tarif auszeichnen. Der Schritt zu einer Flat Tax bei der Einkommensteuer ist aus Gründen der Einfachheit und Effizienz wünschenswert und würde das deutsche Steuersystem nicht revolutionieren, sondern es vielmehr vereinheitlichen.

Progressive Steuern nur auf Einkommen, Schenkungen und Erbschaften

Die Steuereinnahmen des deutschen Staates beliefen sich 2014 auf 1.091 Milliarden Euro. Inbegriffen sind hier die Einnahmen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherungen. Obwohl sie juristisch von Steuern abgegrenzt werden, gehören die Einnahmen der Sozialversicherungen mit in den Steuertopf. Sie wirken ökonomisch wie Steuern und auch das Bundesamt für Statistik bezeichnet sie als „steuerähnliche Abgaben“.

Die wichtigsten Einnahmequellen des Staates sind die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer, die Rentenversicherungsbeiträge und die Krankenversicherungsbeiträge. Diese vier Steuerarten zeichnen für 73% der gesamten Staatseinnahmen verantwortlich. Die Einkommensteuer ist die einzige dieser vier Einnahmequellen, deren Tarif einen progressiven Verlauf nimmt. Neben der Einkommensteuer weisen überhaupt nur noch die Erbschaft- und Schenkungsteuer und der Solidaritätszuschlag, dessen Bemessungsgrundlage die Einkommensteuerschuld ist, einen progressiven Verlauf auf, wobei die Progression des Solidaritätszuschlags sehr schwach ausgeprägt ist.

 

Steuern mit progressivem Tarif: Nur 22% der Staatseinnahmen

2014 verzeichnete der Staat 214 Milliarden Euro Einnahmen aus der Einkommensteuer. Aus der ebenfalls progressiven Erbschaft- und Schenkungsteuer kamen noch einmal 5,4 Milliarden und aus dem Solidaritätszuschlag 15 Milliarden hinzu. Der Anteil der drei mit progressivem Steuertarif ausgestatteten Steuern an den gesamten Einnahmen des Staates belief sich auf etwa 22%. Die Umsatzsteuereinnahmen machten 19%, die Rentenversicherungsbeiträge 17% und die Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls 17% aus.

Proportionale Umsatzsteuer und regressive Sozialabgaben

Der Umsatzsteuersatz hängt nicht von der von einem Gut konsumierten Menge ab. Unabhängig wie viele Quadratmeter Wohnfläche konsumiert werden, auf die Miete findet stets ein Umsatzsteuersatz von 0% Anwendung. Ebenso verhält es sich mit dem Konsum von Milch, auf den stets der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7% zu zahlen ist. Wer stets das neueste Smartphone sein Eigen nennen möchte, muss immer wieder 19% Umsatzsteuer zahlen. Die Umsatzsteuer mag in Bezug auf das Einkommen eine progressive Wirkung haben, wenn Menschen mit höheren Einkommen einen größeren Anteil ihres Einkommens auf Güter und Dienstleistungen verwenden, die mit dem vollen Umsatzsteuersatz besteuert werden. In Bezug auf ihre eigene Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer allerdings eine proportionale Steuer.

Für die Beitragssätze der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung gilt, dass sie konstant sind bis zu den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen und anschließend auf null fallen. In den alten Bundesländern und Berlin-West mussten 2014 vom über 71.400 Euro liegenden Arbeitnehmerbrutto keine Zahlungen an die Renten- und Arbeitslosenversicherung geleistet werden, in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin ab 60.000 Euro. Für die Kranken- und Pflegeversicherung lag die Beitragsbemessungsgrenze einheitlich bei 48.600€. Aufgrund der Beitragsbemessungsgrundlagen sind alle Sozialversicherungen durch einen regressiven Verlauf gekennzeichnet. Sobald das Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, sinkt der durchschnittliche Beitragssatz. Deshalb ist das Verhältnis von Nettolohn des Arbeitnehmers zu den Lohnkosten des Arbeitgebers ab einem Bruttolohn des Arbeitnehmers von etwa 5.500€ konstant.

Flat Tax auch bei der Einkommensteuer: Einfach und effizient

Flat Taxes und auch Steuern mit regressivem Tarifverlauf sind im deutschen Steuersystem weit verbreitet. Die Vorteile einer Flat Tax sollten auch bei der Einkommensteuer genutzt werden.

Zum einen ist sie leicht verständlich und mit wenig Aufwand zu administrieren. Von einer transparenteren Einkommensteuer in Form einer Flat Tax würden die Besteuerten profitieren. Die Entstehung der Steuerschuld wäre besser nachzuvollziehen, Privilegien in Form von Ausnahmeregelungen wären schwerer zu kaschieren und der Verwaltungsaufwand würde sinken. Nicht freuen über eine Reduzierung der Komplexität des Steuersystem würden sich Angehörige der Interessengruppen, die von einem verwickelten Steuersystem profitieren. So würde beispielsweise die Nachfrage nach Leistungen von Steuerberatern und Mitarbeitern der Finanzverwaltungen sinken.

Zum anderen führt eine Flat Tax zu weniger Ausweichreaktionen der Besteuerten, zu denen es derzeit ausschließlich aufgrund von Unterschieden hinsichtlich der Grenzsteuersätze kommt, die durch den progressiven Einkommensteuertarif verursacht werden. Sind die Grenzsteuersätze konstant, lohnt es sich nicht, Einkünfte von einer Periode in die andere zu verlagern oder von einer Person auf eine andere zu übertragen. Werden Gewinne von Kapitalgesellschaften mit dem gleichen Steuersatz belastet wie Einkommen natürlicher Personen und werden die ausgeschütteten oder einbehaltenen Gewinne auf Ebene der Eigentümer der Kapitalgesellschaften nicht noch einmal besteuert, gibt es keinen Anreiz, sich aus steuerlichen Gründen für eine bestimmte Rechtsform für ein Unternehmen zu entscheiden. Eine Flat Tax würde also dazu beitragen, dass wirtschaftliche Aktivitäten nicht verschoben, Verträge nicht im Namen an einer Transaktion unbeteiligter Familienmitglieder geschlossen oder Unternehmensrechtsformen als Steuersparmodelle gewählt werden. Finden diese Ausweichreaktionen nicht statt, werden Ressourcen effizienter eingesetzt.

Progression: Ungewöhnlich, aber auch mit Flat Tax möglich

Attraktiv ist eine Flat Tax auch für den, der sich wünscht, dass die Einkommensteuer weiterhin progressiv ist. Kommen bei der Flat Tax Freibeträge zum Einsatz, ist also der Grenzsteuersatz auf die ersten Einkommenseinheiten gleich 0, steigt der Durchschnittssteuersatz mit steigendem Einkommen und nähert sich dem konstanten Grenzsteuersatz an. Der Vorteil der Einfachheit einer Flat Tax wäre durch Freibeträge kaum beschnitten und auch das Ausmaß der hervorgerufenen Ausweichreaktionen könnte sich bei einer Flat Tax mit Freibeträgen im Vergleich zu heute reduzieren, weil Ausweichreaktionen nur lohnenswert wären, solange Freibeträge noch nicht ausgeschöpft sind.

Derzeit ist die Einkommensteuer allerdings gerade aufgrund ihres progressiven Tarifverlaufs eine besondere Spezies im deutschen Steuersystem. Sie ist die einzige gewichtige Steuer, deren Grenzsteuersatz ansteigt, wenn die Bemessungsgrundlage der Steuer zunimmt. Eine proportionale Einkommensteuer, also eine Flat Tax ohne Freibeträge, würde sich in die deutsche Steuerlandschaft unauffällig einfügen.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Dean Hochman from flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus.

Die Europäische Zentralbank hat das Ziel, in der Eurozone eine Inflationsrate von jährlich 2 % herbeizuführen. Obwohl sie dieses Ziel in den letzten Jahren deutlich nach unten verfehlte, überrascht es nicht, dass die nominellen Preise von Konsumgütern über die Zeit steigen. Allerdings misst die Inflationsrate den Preisanstieg eines repräsentativen Warenkorbs und die Preise der darin enthaltenen Güter und Dienstleistungen entwickelten sich über die vergangenen 25 Jahre sehr unterschiedlich.

So fiel beispielsweise der Preis der Nachrichtenübermittlung relativ zu den Preisen der übrigen Güter um etwa 60 %, während der relative Preis von Bildungsdienstleistungen um etwa 45 % stieg. Diese beiden Beispiele passen ins Muster. Tendenziell stiegen die relativen Preise in Branchen, die der Staat durch seine eigenständige Bereitstellung von Leistungen oder spezifische Regulierungen dominierte. Die relativen Preise fielen hingegen tendenziell in Branchen, in denen der Staat eher wenig Einfluss nahm oder seine Aktivitäten zurückbaute.

Ein Index, viele Preise und unterschiedliche Preisentwicklungen

Das Statistische Bundesamt berechnet regelmäßig, wie sich die Preise in Deutschland verändert haben. Der sogenannte Verbraucherpreisindex misst, wie sich die Preise für einen Warenkorb einer Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen, die ein repräsentativer Verbraucher konsumiert, entwickeln.

Von 1992 bis 2016 stiegen in Deutschland die Preise für den vom Statistischen Bundesamt als repräsentativ identifizierten Warenkorb um ca. 45 %. Das entspricht einer durchschnittlichen Inflationsrate von etwa 1,6 %.

Allerdings entwickelten sich die Preise der in den Warenkorb aufgenommen Güter und Dienstleistungen bisweilen sehr unterschiedlich. Das Statistische Bundesamt gliedert den Warenkorb in zwölf Abteilungen und stellt Preisdaten für jede dieser Warengruppen bereit.

Verbraucherpreisindex_Preisentwicklung_verschiedene Güter__relative preise

Hier dargestellt sind die Preise für die zwölf Warengruppen relativ zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex. Daraus wird ersichtlich, um wie viel teurer oder günstiger Warengruppen relativ zum gesamten Warenkorb über die Zeit wurden. So sind die Preise im Bildungswesen um etwa 45 % stärker gestiegen als die Preise im Durchschnitt über alle Warengruppen hinweg. Der relative Preis für alkoholische Getränke und Tabakwaren nahm um etwa 30 % zu.

Die Preise für die Nachrichtenübermittlung gingen hingegen relativ zum Preis für den repräsentativen Warenkorb um etwa 60 % zurück. Ebenfalls deutlich − um etwa 20 % − sank der relative Preis für „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind im Zeitverlauf ebenfalls etwas günstiger geworden – um etwa 5 %.

 Weniger Staat, niedrigere relative Preise

Es zeichnet sich ein Muster ab: Relativ günstiger sind vor allem die Güter und Dienstleistungen geworden, deren Anbieter miteinander in intensivem Wettbewerb um die Gunst von Kunden stehen. Wettbewerb sorgt für fallende Preise und Qualitätssteigerungen. Relativ teurer geworden sind dagegen vorwiegend jene Güter und Dienstleistungen, deren Märkte durch staatliche Eingriffe geprägt sind – durch wettbewerbshemmende Regulierung, hohe Besteuerung oder die Bereitstellung der Leistungen durch den Staat selbst.

Beispiel Kommunikation

Nach dem relativen Preisrückgang für Nachrichtenübermittlungen seit 1992 um ca. 60 % ist es heute sogar nominell günstiger als je zuvor, mit anderen Menschen zu kommunizieren − auch auf sehr weite Entfernungen. Im Mobilfunksektor gibt es seit Jahrzehnten einen starken Wettbewerb um Kunden und durch ihn induzierte fallende Preise. Bahnbrechende Innovationen und stetige Qualitätsverbesserungen haben die Kommunikation mit anderen Menschen zudem deutlich vereinfacht. Das gute alte Fax wurde von der E-Mail abgelöst. Grüße aus dem Auslandssemester werden nicht mehr von der Bundespost zugestellt. Via Internet kann heute ein jeder mit seinen Nächsten skypen.

Beispiel Bildung

Anders als in der Telekommunikation ist der Einfluss des Staates auf die Bereitstellung der relativ deutlich teurer gewordenen Bildungsdienstleistungen allgegenwärtig. Bildungsangebote werden in Deutschland entweder staatlich bereitgestellt oder im hohen Maße vom Staat reguliert.

Insbesondere der relative Preis für Leistungen im tertiären Bildungsbereich (Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien) stieg über die vergangenen 25 Jahre. Hier lag die Preissteigerung relativ zum Konsumentenpreisindex bei über 100%.

Politiker aller Parteien schreiben sich regelmäßig das Ziel besserer Bildung auf die Fahnen. Die Ausgaben für Bildung und Forschung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Staates sind in den letzten Jahren jedoch relativ konstant geblieben. Hauptproblem scheinen nicht fehlende Investitionen in Bildung zu sein, sondern eine niedrige Qualität der Leistungen relativ zu den Kosten der bereitgestellten Bildung.

Die vermehrte Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen durch private Anbieter könnte dazu beitragen, die relativen Preise von Bildungsleistungen zu senken und die Qualität zu steigern. Eine Möglichkeit, privaten Anbietern den Marktzutritt zu erleichtern und damit für Schüler, Eltern und Studenten mehr Wahlmöglichkeiten auf den verschiedenen Bildungsmärkten zu schaffen, wäre die Einführung von Bildungsgutscheinen. Sie würden die Finanzierung von der Bereitstellung von Bildungsleistungen trennen. Finanziert würde der Konsum von Bildungsleistungen weiterhin aus Steuermitteln, aber der Staat würde die Leistungen nicht mehr notwendigerweise bereitstellen.

Auch Steuern beeinflussen Preise für Endverbraucher

Mangelnder Wettbewerb ist nicht der einzige Grund für steigende Preise. Steuern und Abgaben verteuern Kraftstoffe, obwohl es Hinweise darauf gibt, dass es auf den Märkten für Öl und Benzin der Wettbewerb intensiv ist.  Vom Preis  jeder morgendlichen Tasse Kaffee gehen rund 28% direkt an den Fiskus. So trägt der schwarze Kaffee zur schwarzen Null bei. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Strompreis. Maßgeblicher Preistreiber sind die steigenden Abgaben für Ökoenergie.

Auch bei Alkohol und Tabakwaren, deren relativer Preis seit 1992 um ca. 30 % stieg, fällt auf, dass es sich um Produkte handelt, die nicht nur stark reguliert, sondern auch hoch besteuert werden.

Wettbewerb zwischen Unternehmen schützt Konsumenten

Die in den letzten 25 Jahren bei jährlich durchschnittlich 1,6 % liegende Inflationsrate ist moderat, doch sie verdeckt, dass die Preise für einige Güter und Dienstleistungen im gleichen Zeitraum weitaus stärker gestiegen sind. Es ist kein Zufall, dass es sich dabei um Wirtschaftsbereiche handelt, in denen staatliche Eingriffe besonders stark ausgeprägt sind. Geringer fielen die Preisanstiege dagegen tendenziell für jene Güter und Dienstleistungen aus, die seit langem durch private Unternehmen bereitgestellt werden können oder – wie im Fall der Kommunikationsdienstleistungen – in jüngster Zeit dereguliert und privatisiert wurden.

Wettbewerbshemmende Regulierungen, Staatsbeteiligungen und Steuern mögen ausgewählten Interessengruppen nützen und bei Zeiten politischen Zielen dienen. Doch gesamtgesellschaftlich sind sie kostspielig. Werden neue Anbieter vom Markteintritt abgehalten, werden Ressourcen vergeudet, weil überlegene Produktionsmethoden nicht zum Einsatz kommen und die Einführung neuer Produkte verhindert wird. „Wettbewerb belebt das Geschäft“ – ein Blick auf die Verbraucherpreisdaten zeigt, dass der Volksmund dieses Mal Recht behält.

Erstmals erschienen bei IREF.