Um amerikanische Politik zu verstehen, muss man etwas von Religion verstehen. Das ist schnell gesagt – und ebenso schnell enden Verständnisversuche an der Oberfläche. Bücher wie Annika Brockschmidts Amerikas Gotteskrieger wollen dem deutschen Publikum den amerikanischen Evangelikalismus erklären. Doch Büchern dieser Art ist oft gemein, dass sie wenig Verständnis für die Ernsthaftigkeit dieser Form von Religiosität mitzubringen scheinen. Ganz anders der Podcast „Das Wort und das Fleisch“ von Thorsten Dietz und Martin Christian Hünerhoff. Beide kennen die evangelikale Szene aus eigener Erfahrung und bringen eine theologisch fundierte, politisch – linksliberal – informierte Perspektive mit. Mit großer Differenzierung und spürbarem Wohlwollen entwerfen sie eine Art Weltkarte des Christentums seit 1945. Besonders hilfreich ist das, wenn es um die religiöse Landschaft der USA geht. In einigen der jüngsten Folgen zeigen sie, wie vielschichtig der Evangelikalismus dort ist. Auch wenn ihre eigene Haltung hörbar bleibt, gelingt ihnen meist eine klare Trennung zwischen Analyse und Wertung. So öffnen sie den Blick für ein Christentum, das aufrichtige Frömmigkeit ebenso kennt wie strategische Doppelmoral.

 

Viele Ideen sind nicht neu, sondern nur anders. Seit vielen Jahren versuchen Libertäre neue Gesellschaftsmodelle auf künstlichen oder natürlichen Insel zu realisieren. Vor 10 Jahren wurde die „Freie Republik Liberland“ auf einer Flussinsel im Niemandsland zwischen Kroatien und Serbien ausgerufen. Patri Friedman, der Enkel von Milton Frieman, verfolgt seit vielen Jahren Seasteading-Projekte in den USA. Jüngst haben Peter Thiel und Titus Gebel mit Próspera auf der Insel Roatán in Honduras ein weiteres Projekt gestartet.

Für alle diejenigen, die selbst einmal auf einer eigenen Insel oder einfach einen schönen Filmabend sehen wollen, sei der anrührende Spielfilm „Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel“ empfohlen, der derzeit auf Netflix läuft. Er erzählt die wahre Geschichte des Tüftlers und Ingenieurs Giorgio Rosa, der 1968 sechs Seemeilen vor der Küste von Rimini eine 400 qm große Ausflugsplattform schuf und diese als unabhängigen Staat deklarierte. Mit eigener Sprache (Esperanto), Briefmarken, Flagge und Nationalhyme versuchte er die Unabhängigkeit bis vor die UNO und den Europarat und gegen den italienischen Staat durchzusetzen. Am Ende sprengte die italienische Marine die Plattform in die Luft und die Freiheit war zu Ende. Trotz des unschönen Ausgangs, ein sehenswerter Film.

Kurz vor Beginn der Fastenzeit begann Amazon Prime mit der Veröffentlichung von Episoden der Serie „House of David“; zwei Wochen vor Ostern erschien die letzte Episode der ersten Staffel. Auch daran merkte man, dass es sich bei der Produktion um ein religiös motiviertes Unterfangen handelt. Dass die Geschichte des zweiten und die gesamte Geschichte seines Reiches überstrahlenden israelitischen Königs David von Amazon ins Programm genommen und sehr aufwendig produziert wurde, zeigt generell, dass religiöse Themen auch kulturell wieder präsenter werden. Auch für nicht-religiöses Publikum ist die Serie freilich ein spannendes Sehvergnügen mit einer zwischen „Herr der Ringe“ und „Star Wars“ operierenden Erzählkunst und Ästhetik. Wobei diese sich natürlich ihrerseits intensiv an der Bibel orientiert hatten …

Es gelingt den Machern, die Geschichte des (in der ersten Staffel noch jungen) Königs und seines Umfelds mir Respekt vor der Vorlage zu erzählen. Aber sie gehen über die mitunter holzschnittartigen Berichte der Bibel hinaus und geben den Figuren Raum zur Entwicklung und Vertiefung. Samuel als ganz von seiner Mission ergriffener Prophet überzeugt ebenso wie die machttechnokratischen Philisterkönige. Der alte König Saul hat genug Gelegenheiten, seinen Wandel zwischen den Welten mitfühlbar zu machen: zwischen Gut und Böse, Gottesfurcht und Eitelkeit, Zorn und Liebenswürdigkeit, Berechnung und Wahnsinn. Sehr sehenswert ist die Serie nicht nur, weil sie technisch und schauspielerisch überzeugt: Sie zeigt auch, wie stark Welt- und Menschenbild der europäisch-westlichen Welt geprägt sind von den paar kleinen Wüstenstämmen, die im ersten Jahrtausend vor Christus zwischen den Großreichen ihrer Zeit in den Berggebieten oberhalb des östlichen Mittelmeers zusammenfanden.

Nachdem in den letzten Wochen meine Kollegen immer wieder Medienempfehlungen zum Thema Geschichte gemacht haben, bleibt mir nun nichts anderes übrig als mich in ihre Reihen zu begeben und all ihre Empfehlungen mit dem ultimativen Geschichtspodcast zu toppen. Das „ultimativ“ steckt schon im Namen, denn der Podcast des selbsternannten „Soziallibertären“ Dan Carlin heißt „Hardcore History“. Das Beste: Er hält tatsächlich, was er verspricht. Carlin widmet sich in vier- bis sechsstündigen Episoden manchmal einzelnen Themen, oft aber auch Themenabschnitten, sodass eine Reihe von Episoden ein Thema abdeckt. In den teilweise über 20 Stunden langen Serien bleibt damit Platz für wichtige Details und Berichte von Zeitzeugen, auf die man sonst nur durch lange Recherche stoßen würde. Die Tiefen und Höhen der Menschheit werden hier so eingängig mit der Lebensrealität und dem Einfühlungsvermögen des Zuhörers verknüpft, dass man nicht nur über Geschichte lernt, sondern in sie eintaucht. Carlin selbst ist für seinen staccato-artigen Erzählstil bekannt, der den Zuhörer auch dann noch gefesselt hält, wenn er etwas vom Thema abschweift, um relevante Kontexte zu erläutern. Es werden zwar nur etwa zwei neue Folgen pro Jahr veröffentlicht, doch auf der Website zum Podcast finden sich über 70 Folgen, die zu einem sehr kleinen Preis gekauft werden können. Mein Favorit ist „Supernova in the East“, eine Reihe zum Pazifikkrieg, die man aktuell noch kostenlos überall, wo es Podcasts gibt, anhören kann.

Der Philosoph Julian F. Müller von der Universität Graz hat in der Sendung „Punkt eins“ des österreichischen Rundfunks ein rund einstündiges Interview zu der neuen Generation politisch prägender Persönlichkeiten in den USA gegeben. Er ordnet Gestalten wie Elon Musk und Peter Thiel ideengeschichtlich ein und zeigt, inwiefern der Libertarismus eine Rolle spielt bei Problemwahrnehmungen und Lösungsvorschlägen, und wo er auch nur noch eine äußere Hülle für inzwischen ganz anders gelagerte Überzeugungen ist. Eine außerordentlich hörenswerte Sendung, auch wenn der Stil des Gastgebers Philipp Blom das Hörvergnügen etwas schmälert.