Geschichte muss nicht langweilig sein. Im Gegenteil. Es gibt Menschen, die sie zum Leben erwecken, mit Enthusiasmus und Fachwissen, mit Einfallsreichtum und Humor. Zwei dieser Menschen sind Tom Holland und Dominic Sandbrook. In ihrem Podcast „The Rest Is History“ befragen sie die Vergangenheit, um die Gegenwart zu entwirren. Sie sind zugleich brillante Historiker und charismatische Geschichtenerzähler und nehmen den Zuhörer mit auf eine faszinierend-unterhaltsame Reise durch die Vergangenheit: Von Alexander dem Großen bis Tolkien, von den Rosenkriegen bis Watergate befassen sie sich mit den Kuriosa der Geschichte in bereits über 700 Episoden. Statt trockener Vorträge erwartet den Zuhörer eine lebendige und oft humorvolle Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen, Personen und Zusammenhängen. Ihre Diskussionen sind dabei tiefgründig recherchiert und mit Anekdoten gespickt, die Geschichte von der Antike bis in die Moderne greifbar machen.

Photo: National Portrait Gallery from Wikimedia Commons (CC 0)

Neulich war ich mal wieder in London. Was bei einem Besuch in dieser grandiosen Stadt für mich nie fehlen darf, ist ein Besuch in der National Portrait Gallery. Sie ist eine Art besonders gut aussehendes Geschichtsmuseum, weil sie Bilder von allen möglichen bedeutenden Gestalten britischer Geschichte vereint. Man blickt diesen Leuten direkt ins Auge und kann so Geschichte für einen selbst lebendig werden. Natürlich finden sich dort die Monarchen und ihre Familien, Premierminister und Generäle, aber auch prägende Persönlichkeiten aus anderen Bereichen wie

Kunst und Wissenschaft. Für mich ist es immer auch ein Wiedersehen mit einigen meiner größten Vorbilder und besonderen Freunde wie etwa mit den Philosophen Adam Smith und David Hume, dem Abolitionisten William Wilberforce, der Anti-Slavery Society Convention, den Schriftstellerinnen Mary Wollstonecraft und Harriet Martineau, dem Freihandelsaktivisten Richard Cobden und dem Politiker William Ewart Gladstone.

Wohl keine menschliche Erfindung verdeutlicht die Kluft zwischen Mächtigen und Beherrschten so stark wie der Krieg. Das zeigt der grausame Überfall des russischen Despoten Wladimir Putin auf die Ukraine. Dies ist nicht der Krieg der Hunderttausenden russischen Soldaten, die sinnlos in den Tod geschickt werden, sondern der eines wahnhaften Autokraten, der vom sowjetischen Imperialismus träumt.

Wie sehr Kriege vom Willen Einzelner abhängen, zeigt auch der Dreißigjährige Krieg. Was als lokale Auseinandersetzung begann, eskalierte durch Machtstreben, religiöse Gegensätze und dynastische Ambitionen zu einem verheerenden Konflikt. Der Podcast „Plus Ultra – Der Weg in den Dreißigjährigen Krieg“ beleuchtet das Ringen zwischen Kaiser Ferdinand II. und seinem Gegenspieler, dem Pfalzgrafen und bei Rhein und „Winterkönig“ Friedrich V., sowie dessen höher geborener Frau Elisabeth Stuart. Dieser Podcast ist gerade deshalb faszinierend, weil er sich nicht nur an den zahllosen Schlachten entlang hangelt, sondern persönliche Motive zugänglich macht.

In turbulenten Zeiten wie diesen würde man sich von dem Autor Joseph Roth, einem stilistisch und erzählerisch absolut brillanten Zeitbeobachter der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, vermutlich das Werk „Radetzkymarsch“ aus dem Regal ziehen, um sich in der Verfallsgeschichte des Habsburgerreiches zu spiegeln. Meine Empfehlung ist jedoch ein anderes Buch das Autors: „Hiob. Roman eines einfachen Mannes“. (Eine der Schullektüren, die mir am meisten bedeutet haben.) Die Erzählung des Schicksals einer ostjüdischen Familie zwischen der Jahrhundertwende und dem Ende des Ersten Weltkriegs hat auch vielerlei bedrückende Wendungen. Sie spielt zunächst in einer fiktiven Ortschaft in Galizien, der heutigen Westukraine, und danach in den Vereinigten Staaten, das von der Familie als Gelobtes Land angesteuert wird, aber zugleich den dauernden Makel in sich trägt, das exakte Gegenteil der Heimat zu sein. Zerrissen und getrieben eilen die Charaktere durch eine sich ändernde, sich zerstörende und sich erneuernde Welt.

Anders als im „Radetzkymarsch“ findet Roth in „Hiob“ ein hoffnungsvolleres Ende einer in weiten Teilen tieftraurigen Geschichte. Kein Wunder, dass das dem marxistischen Publizisten Herbert Marcuse nicht passte. Er schrieb zu der optimistischen End-Wendung: „Das Leben erweist sich als gnädiger Gott, der sich zuletzt versöhnlich zeigt – doch das ist nicht die Wahrheit der Geschichte.“ Gerade in Zeiten wie unseren ist es kontraproduktiv in den Fatalismus der marxistischen Geschichtslogik zu verfallen. Vielmehr müssen wir jetzt erst recht daran glauben, dass unsere Begabungen und unser Wille zur Verbesserung auch eine Wendung zum Guten ermöglichen können. Joseph Roth trank sich schrecklicherweise 1939 zu Tode. 50 Jahre später erhob sich seine Heimat in der jetzigen Ukraine gegen den Sowjetimperialismus. Und heute, 85 Jahre später ist sie unter einem jüdischstämmigen Präsidenten an der vordersten Front der Verteidigung der Freiheit. Der Kampf der Ideen bleibt, aber die Front verschiebt sich langfristig zu Gunsten der Freiheit. Weil Menschen immer wieder die Kraft zur Hoffnung gefunden haben.

Das oben erwähnte Wall Street Journal tut sich in dieser Zeit übrigens als eine erfrischend glaubwürdige Quelle gut durchdachter Einschätzungen hervor. Es lobt, wo es etwas zu loben gibt (siehe oben), legt gleichzeitig jedoch kritikwürdiges offen und kommentiert schonungslos. Besonders hervorzuheben ist hierbei der regelmäßig auf Spotify erscheinende Podcast „The Journal“, der stets faszinierende Hintergrundberichte aus der US-Politik und Wirtschaft liefert. So etwa in einer dreiteiligen Serie über das kaum beachtete Verschwinden des chinesischen Außenministers Qin Gang. Hier kommen zahlreiche Wegbegleiter und Insider zu Wort und zeichnen ein wahrlich beängstigendes Bild der Diktatur auf dem chinesischen Festland.