Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit in der Sendung „Maybrit Illner“ meine Position zur Euro-Schuldenkrise darzulegen. Es ging viel um die Entbehrungen, die sozialen Probleme und das daraus resultierende Pulverfass in Griechenland. Meine Botschaft war, dass der Preis für die ganze Euro-Retterei die Enteignung von Sparvermögen des deutschen Sparers sei. Darin läge der Sprengsatz für unsere Gesellschaft.

Jetzt liegt erstmalig eine Studie dazu vor. Sie lautet „Zins- und Wohlfahrtseffekte extremer Niedrigzinspolitik für die Sparer in Deutschland“, über die die Frankfurter Börsenzeitung in dieser Woche berichtete. Die Autoren Gerhard Rösl und Karl-Heinz Tödter, die im Ökonomen-Netzwerk ROME zusammengeschlossen sind, beziffern die Zinsverluste für die deutschen Sparer in einer Größenordnung von 70 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Verluste würden auch nicht durch die Vorteile der niedrigen Schuldzinsen kompensiert. Unterm Strich blieben immer noch 39 Milliarden Euro pro Jahr übrig. Seit 2010 seien somit gesellschaftliche Wohlfahrtsverluste von knapp 200 Milliarden Euro in Deutschland entstanden. Die Summe sei schon heute höher, als durch den Einbruch der Wirtschaftsleistung im Zuge der Finanzkrise 2009, als die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 5 Prozent einbrach.

Doch „Wohlfahrtseffekt“ ist ein abstrakter Begriff. Konkreter wird er, wenn wir schauen, wer in erster Linie betroffen ist. Es sind all diejenigen, die ihr Geld in Lebensversicherungsprodukte aller Art angelegt haben. Darunter fallen klassische Lebensversicherungen, klassische Rentenversicherungen, klassische Riester-Verträge, klassische Rürup-Renten, die verschiedenen Formen der betrieblichen Altersvorsorge und berufsständische Versorgungswerke. Alle die haben künftig mehr und mehr ein Problem. Wenn EZB-Chef Mario Draghi den Zins im Euro-Raum immer weiter drückt und irgendwann ganz vernichtet, dann können diejenigen, die in Schuldpapiere investieren, auch keine Zinserträge erwirtschaften. So einfach ist das!

Die rund 100 Lebensversicherungen in Deutschland verwalten über 800 Milliarden Euro an Kapitalanlagen, die in 80 Millionen Altersvorsorgeverträgen eingesammelt werden. Rund 89 Prozent davon werden in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Seit dem 1. Januar garantieren die Lebensversicherungen für neue Verträge nur noch einen Garantiezins von 1,25 Prozent. Aber das Gros der Verträge stammt aus einer Zeit (1994-2000), als sie noch 4 Prozent garantiert haben. Und da fängt das Problem an. Im Durchschnitt über alle Verträge sind es nämlich immer noch über 3 Prozent.

Vor einigen Tagen sagte mir ein Kämmerer, er habe einen auf zwei Monate laufenden Kassenkredit mit einem Zinssatz von 0,05 Prozent abgeschlossen. Finanzminister Wolfgang Schäuble konnte vor kurzem eine Bundesanleihe platzieren mit einer Laufzeit von 5 Jahren und einem garantierten Zinskupon von „Null“, und er fand dafür sogar ausreichend Anleger. Die 30jährige-Bundesanleihe rentiert derzeit mit 0,94 Prozent. Fassen wir das zusammen: Wer 0,94 Prozent Rendite für eine Staatsanleihe erwirtschaftet oder Zinsen von „Null“ erhält, kann auf Dauer seinen Kunden keine 3 Prozent garantieren. Aus diesem Dilemma kommen die Lebensversicherer nicht heraus, sollte die Vernichtung des Zinses durch Mario Draghi weiter anhalten.

Japan kennt die Phase der Niedrigzinspolitik schon länger. Sie hat dort zu einem massiven Anwachsen der öffentlichen Verschuldung geführt. Inzwischen beträgt sie 1.200 Billionen Yen (8,9 Billionen Euro), was einer Verschuldung zur Wirtschaftsleistung von 243 Prozent (zum Vergleich Griechenland: 175 %) entspricht. Diese Verschuldung halten überwiegend die Japaner selbst über ihre Lebensversicherungen. Im Jahr 2000 sind 5 Lebensversicherungen deshalb in Notlage geraten, weil sie ihre vertraglich zugesicherten Garantiezinsen nicht mehr erfüllen konnten. Der Staat musste eingreifen und reduzierte rückwirkend per Gesetz die garantierte Verzinsung bestehender Verträge. Doch die „Reduzierung“ ist ein Euphemismus. Aber zu beschönigen gibt es nichts! Es ist ein per Gesetz legalisierter Diebstahl. Dieser droht uns auch.

Doch wenn diejenigen, die vorsorgen, etwas zur Seite legen und glauben, sie hätten am Ende ihres Berufslebens mehr in der Tasche als diejenigen, die zeitlebens in den Tag gelebt haben, feststellen, dass sie getäuscht, betrogen und verkauft wurden, dann wird dies zum Sprengsatz für unsere Gesellschaft. Dann ist nicht nur die griechische Demokratie in Gefahr, sondern bald auch unsere.

Photo: Rupert Ganzer from Flickr

1 Antwort
  1. Gunter Grigo
    Gunter Grigo sagte:

    Tja, irgendwie müssen sich die Staaten ja entschulden. Blöd nur, dass das nicht ohne Nebeneffekte geht, außer man erinnert vieleicht doch die Banken und Investoren daran, dass sie sich verspekuliert haben und gibt ihnen die Schulden bzw. fordert das Geld wieder zurück.

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