Photo:_salguod from Flickr (CC BY-SA 2.0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues

Technologischer Fortschritt macht uns wohlhabender. Er wirkt sich jedoch auf verschiedene Güter unterschiedlich aus. Einige Produkte werden durch technologischen Fortschritt deutlich günstiger und einander ähnlicher. Smartphones beispielsweise sind heute für Durchschnittsverdiener erschwinglich und das „beste Smartphone“ unterscheidet sich nur unwesentlich von einem durchschnittlichen Modell.

Auf andere Güter trifft das nicht oder kaum zu. Wohnungen im beliebtesten Stadtviertel zum Beispiel sind für Durchschnittsverdiener nur selten erschwinglich und Unterschiede zwischen der durchschnittlichen und der „besten Wohnung“ sind gravierend.

Technologischer Fortschritt führt also zu mehr Gleichheit im Konsum von Gütern, die in großer Zahl produziert werden können, während er die Ungleichheit im Konsum von Gütern wie einer Wohnung im beliebtesten Viertel kaum senken kann. Dadurch wird die verbleibende Ungleichheit im Konsum umso sichtbarer und möglicherweise schmerzhafter.

Fortschritt: Höhere Produktivität, mehr Wohlstand

Technologischer Fortschritt macht uns produktiver und somit reicher. Mit dem gleichen Arbeitseinsatz können wir mehr Güter und Dienstleitungen entstehen lassen. Wir profitieren täglich vom in der Vergangenheit erlangten technologischen Fortschritt. Pro Arbeitsstunde rettet die Ärztin heute mehr Leben, erntet der Landwirt mehr Gemüse, baut die Ingenieurin mehr Brücken, produziert die Fertigungsfachkraft mehr Fahrzeuge und setzt die Mechanikerin mehr Smartphones zusammen.

Technologischer Fortschritt: Mehr Gleichheit im Konsum

Der technologische Fortschritt und die mit ihm einhergehenden Wohlfahrtsgewinne haben in vielen maßgeblichen Bereichen die Ungleichheit im Konsum reduziert. Waren zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit ein eigenes Auto, die Flugreise in den Urlaub, ein Laptop oder Mobiltelefone noch Güter, die sich nur Großverdiener leisten konnten, sind sie heute für Durchschnittsverdiener und — in den meisten Fällen — auch für Personen mit unterdurchschnittlichem Einkommen erschwinglich.

Qualitätsunterschiede bei Laptops sind für gewöhnliche Nutzer kaum noch auszumachen. Hingegen sind qualitative Unterschiede einiger Autos auch für den Laien offensichtlich. Aber in Bezug auf beide Produktgruppen gilt, dass der technologische Fortschritt zu deutlich mehr Gleichheit im Konsum geführt hat.

In den 1920er Jahren hatte nur ein Bruchteil der Bevölkerung überhaupt Zugang zu motorisierten Fahrzeugen und der damit verbundenen unabhängigen Mobilität. Heute kommt ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland in diesen Genuss. In den 1980er Jahren hatten nur wenige Personen einen PC, geschweige denn einen Laptop. Heute können sich die meisten Menschen einen Laptop leisten oder bevorzugen sogar ein Tablet, Oder sie nutzen ein Smartphone, welches deutlich leistungsfähiger ist als die Laptops der 1980er Jahre. Auch die Urlaubsreise per Flugzeug — in den 1950er Jahren noch den Reichen vorbehalten — ist heute gewöhnlich. Dabei fliegen nur einige Business Class, aber der Unterschied zwischen Economy und Business Class ist marginal im Vergleich zum Unterschied zwischen Fliegen und Nicht-Fliegen.

Die genannten Güter taugen deshalb heute nur noch sehr wenig oder, wie Telefone und Laptops, so gut wie gar nicht mehr als Statusgüter.

Konsumungleichheit bei verbleibenden Positionsgütern

Andere Güter können allerdings durch technologischen Fortschritt schlicht nicht jedermann zugänglich gemacht werden, weil sie per Definition nur im begrenzten Umfang bereitstehen. Von offensichtlich möglichen unterschiedlichen Präferenzen abgesehen, kann es nur ein bestes Hotel der Stadt, ein schönstes Viertel der Stadt oder ein bestes Restaurant am Platz geben.

Güter wie die Übernachtung im besten Hotel, die Wohnung im schönsten Viertel und das Essen im besten Restaurant sind in reichen Gesellschaften prädestiniert für die Rolle als Statusgüter, von Ökonomen auch Positionsgüter genannt.

Positionsgüter schätzen Konsumenten nicht nur wegen der ihnen innewohnenden Eigenschaften, sondern auch weil nur relativ wenige andere Personen sie ebenfalls konsumieren können. Das Apartment direkt am Central Park ist also möglicherweise nicht nur attraktiv, weil es gegenüber dem Central Park liegt, sondern auch weil relativ wenige Personen direkt am Central Park wohnen können.

Werden wir wohlhabender und werden die meisten Güter für eine große Mehrheit der Bevölkerung zugänglich, gibt es folglich einige Güter, die der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung verwehrt bleiben, obwohl es sich bei ihnen nicht um neueste technologische Errungenschaften handelt. Die Konsumungleichheit bezüglich dieser Güter kann nicht abgebaut werden und wird angesichts der zunehmenden Gleichheit bei anderen Gütern umso spürbarer. Je intensiver der Wettbewerb um diese zwangsläufig besonders raren Güter ist, desto stärker steigt ihr Preis relativ zu den Preisen anderer Güter. Einer an wachsenden Wohlstand und zunehmender Gleichheit im Konsum gewöhnten Bevölkerung können sie dadurch zunehmend ein Dorn im Auge sein.

Abiturientenquote und Wohlstand: Starker Anstieg

Ein Blick auf die Entwicklung der Abiturientenquote in Deutschland eignet sich zur Illustration. Mit dem über die letzten Jahrzehnte deutlich gestiegenen Wohlstand ging ein ebenfalls deutlicher Anstieg des Anteils der Absolventen eines Jahrgangs mit Allgemeiner Hochschulreife einher.

 

 

Verließen 1970 deutschlandweit nur wenig mehr als 10 % der Absolventen die Schule mit dem Abitur in der Tasche, waren es 2015 knapp unter 35 %. Dabei reichte die Spanne auf Ebene der Bundesländer in 2015 von Bayern mit 28 % bis Hamburg mit 55 %.

Zur Orientierung: 1970 überstieg die Anzahl der Haushalte noch deutlich die Anzahl der Pkw und der Anteil der in den Urlaub fahrenden Bevölkerung lag mit ca. 40 % etwa 35 Prozentpunkte niedriger als heute. Ein paar Jahre zuvor, 1962/63, hatten nur 14 % der Haushalte ein Telefon, 34 % eine Waschmaschine und etwa ein Drittel aller Haushalte einen Fernseher. Heute trifft das auf nahezu 100 % der Haushalte zu. Die Ungleichheit im Konsum war 1970 bezüglich vieler Güter des alltäglichen Gebrauchs deutlich stärker ausgeprägt als heute.

Enttäuschte Abiturienten

Zurück zu den Abiturienten: Die 10 % der Absolventen mit dem höchstmöglichen Schulabschluss konnten 1970 noch auf viele Güter für Statuskonsum zurückgreifen. Heute stehen den Absolventen der höchsten Schulform relativ wenige Alltagsgüter zur Statusbekundung zur Verfügung. Zudem ist die Abiturientenquote seit 1970 deutlich gestiegen. Daraus folgt zweierlei.

Zum einen ist der Wettbewerb um die verbleibenden wirkungsvollen Positionsgüter — beispielsweise Wohnungen und Häuser in ausgewählten Lagen — heute intensiver. Diese Entwicklung hat gewiss ihren Anteil an steigenden Wohnungsmieten und Kaufpreisen für Immobilien in den beliebtesten Lagen der Städte.

Zum anderen mag diese Entwicklung zur Enttäuschung eines großen Teils der Bevölkerung beitragen. Sie haben in den meisten Fällen zwar Zugang zu ganz ähnlichen Gütern wie die wohlhabendsten 10 %. Sie müssen sich aber mit einer Wohnung in einer deutlich weniger attraktiven Gegend zufriedengeben, können ihren Winterurlaub nicht im beliebtesten Skigebiet der Schweiz verbringen und ihre Kinder nicht auf die Privatschule mit dem besten Ruf schicken. Das gilt für viele Menschen; mit und ohne Abitur.

Der Anstieg der Abiturientenquote führt lediglich besonders anschaulich vor Augen, dass mehr Gleichheit im Konsum vieler Güter — auch im Konsum von Bildung — zu einer stärkeren Wahrnehmung der weiterhin fortbestehenden Ungleichheit bezüglich weniger verbleibende Positionsgüter beiträgt. Viele Abiturienten werden in Zukunft enttäuscht sein, dass sie trotz Abitur und Studium nicht in Vierteln wohnen können, in denen Menschen leben, die ihnen sonst sehr ähnlich sind. Es mutet paradox an. Aber ein höherer Wohlstand und mehr Gleichheit im Konsum auf breiter Front können die verbleibende Konsumungleichheit umso unerfreulicher machen. Wir werden uns damit arrangieren müssen.

Die Alternative, Wohlstandsgewinne durch technologischen Fortschritt zu unterbinden, ist deutlich weniger attraktiv. Ungleichheit im Konsum würde sich weniger schnell auf einige ausgewählter Güter konzentrieren, aber nicht verschwinden und das allgemeine Wohlstandniveau würde langsamer zunehmen.

Erstmals erschienen bei IREF.

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