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Junge Menschen seien „regelrechte Staats-Fans“, triumphiert der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (DBB). Was den Funktionär frohlocken lässt, könnte für eine freiheitliche Gesellschaft zunehmend zu einem erheblichen Problem werden.

„In einer globalisierten Gesellschaft braucht man einen starken Staat“

Forsa hat gerade zum elften Mal im Auftrag des DBB eine Umfrage zum Bild des Öffentlichen Dienstes durchgeführt. Die Ergebnisse liegen leider in einem Trend, den man schon länger ausmachen kann. Die Studien zu Berufswünschen, die EY 2014 und 2016 durchführte, zeigen, dass immer mehr junge Menschen beim öffentlichen Dienst arbeiten wollen. Terrorismus, Finanzkrise und öffentlich sehr präsente Themen wie Ungleichheit und Klimawandel suggerieren den Bürgern, dass der Staat eine höhere Lösungskompetenz habe als sie. Der Ansicht „in einer globalisierten Gesellschaft braucht man einen starken Staat, der die Bürger vor ausufernden Entwicklungen schützen kann“ stimmen 75 Prozent der Befragten zu, 9 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Dagegen glauben nur 13 Prozent (vor zehn Jahren waren es noch 17), man brauche „immer weniger Staat, der Markt wird alles richten“.

Besonders interessiert sich der DBB natürlich für die Wahrnehmung der Staatsdiener durch die Bürger. Während ihnen vor zehn Jahren 59 Prozent der Bevölkerung attestierten, kompetent zu sein, sind es inzwischen 71 Prozent. Für überflüssig gehalten wurden sie 2007 von 24 Prozent, heute nur noch von 16 Prozent. Bezeichnend ist auch die Frage, welche Berufsgruppen ein hohes Ansehen genießen: Gestiegen ist es bei Beamten von 27 auf 38 Prozent, bei Steuerbeamten von 28 auf 33 und bei Gewerkschaftsfunktionären von 23 auf 29. In der Zeit ist das Ansehen von Managern von 37 auf 26 gesunken und das von Unternehmern von 61 auf 55. Die Frage, ob der öffentliche Dienst den Steuerzahler zu viel Geld koste, bejahten vor zehn Jahren noch 58 Prozent der Befragten – heute sind es nur noch 33. DBB-Chef Dauderstädt hat also allen Anlass dazu, die Sektknorken knallen zu lassen.

82 Prozent der jungen Menschen wollen den starken Staat

Viele politische Akteure vermitteln Wählern und Bürgern den Eindruck, ihr Leben werde gefährlicher und komplexer, und darum bedürfe es der lenkenden Hand des starken Staates. Vom Verbraucherschutz bis zur Terrorbekämpfung, von der Zuwanderung bis zu steigenden Mieten – und natürlich in einer globalisierten Welt, die Unüberschaubarkeit und Unberechenbarkeit geradezu idealtypisch repräsentiert. In uns Menschen steckt eine tiefe Sehnsucht nach jemandem, der für uns sorgt und unser Leben organisiert. Erinnerungen an selige Kindheitstage spielen da mit hinein. Und möglicherweise auch vererbte Instinkte unserer Vorfahren, die sich gegen die Unbill der Welt nur durch strenge hierarchische Strukturen schützen konnten. Verantwortung abzugeben wird natürlich umso einfacher, je mehr man denjenigen vertraut, denen man sie übergibt. Und selbst wer die Bürokratie eher für überflüssig hält und glaubt „der Markt wird alles richten“ (wie es so schön differenziert in der Umfrage heißt), muss wohl zugeben, dass die deutsche Bürokratie in Fragen wie Unbestechlichkeit und oft sogar Freundlichkeit nicht schlecht abschneidet.

Wird also ein Albtraum wahr? Wird ein immer effizienterer Staat mit einem attraktiven und reichhaltigen Angebot graduell die Bereitschaft und den Drang zurückdrängen, als Unternehmer tätig zu werden und neue, unbekannte Wege zu beschreiten? Geben wir die emanzipatorischen Bemühungen der vergangenen paar hundert Jahre langsam wieder auf, weil die neue Form der Herrschaft in der Regel uns die fürsorgliche Hand entgegenstreckt statt des Schwertes? Legt man die Umfrage von Forsa neben die EY Studie, den Freiheitsindex und Untersuchungen von Instituten wie Allensbach ist Sorge durchaus angebracht. Der Trend ist ziemlich übereinstimmend. Beängstigend sind vor allem die Ergebnisse der jüngsten Befragten. Keine Altersgruppe steht so deutlich hinter der Bürokratie wie die der 14- bis 29-Jährigen: Zwar finden 48 Prozent, dass es zu viel Bürokratie gebe, aber 43 sind der Ansicht es sei gerade richtig und 7 Prozent wollen gar mehr davon. 75 Prozent von ihnen finden nicht, dass der öffentliche Dienst den Steuerzahler zu viel Geld koste. Und 82 Prozent sind der Ansicht, man brauche einen starken Staat. (Der einzige Hoffnungsschimmer ist in dem Kontext, dass wenigstens 14 Prozent immer weniger Staat haben wollen.) Rebellengeist, Aufbruchsstimmung, Abwerfen der Fesseln und des Miefs von tausend Jahren? Offenbar derzeit nicht mehrheitsfähig …

Die Grenzen der Wirksamkeit des Staates

Dass gerade junge Menschen ein sehr hohes Vertrauen in staatliche Einrichtungen haben und „regelrechte Staats-Fans“ sind, liegt sicherlich auch daran, dass sie in der Regel noch keine Steuern bezahlen müssen und selten mit bürokratischen Hürden konfrontiert sind. An Schulen und Universitäten erleben sie einen Teil der Bürokratie, der mitunter als sehr positiv und hilfreich empfunden wird. Andererseits wird gerade in diesen Institutionen oft ein kritikloses Bild staatlicher Einrichtungen gezeichnet. Wer würde auch die Hand beißen, die einen füttert? So süß diese Nachricht in Herrn Dauderstädts Ohren auch klingelt – man könnte sie auch ganz anders formulieren: Vier von fünf jungen Menschen wünschen sich eine Institution, die sie für den Konsum von Cannabis bestraft; die ihnen Geld abknöpft, sobald sie mehr als 450 Euro im Monat verdienen; und die zumindest die Männer unter ihnen bis vor sechs Jahren noch gezwungen hat, zwischen 9 und 20 Monaten ihres jungen Lebens diesem Staat zu widmen. Nicht gerade das, was man von Leuten erwarten würde, die sich gerade durch irgendeine Phase ihrer Pubertät durchkämpfen, um am Ende die Fähigkeit zur Selbstbestimmung zu erlangen.

Wilhelm von Humboldt, einer der bedeutendsten liberalen Theoretiker unseres Landes, der vor 250 Jahren geboren wurde, verfasste mit 25 Jahren seine immer noch sehr lesenswerte Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“. Darin warnte er: „Anordnungen des Staates führen immer, mehr oder minder, Zwang mit sich, und selbst wenn dies der Fall nicht ist, so gewöhnen sie den Menschen zu sehr, mehr fremde Belehrung, fremde Leistung, fremde Hülfe zu erwarten, als selbst Auswege zu denken.“ Mit anderen Worten: Junge Menschen zu Staats-Fans zu erziehen, führt dazu, dass sie die Fähigkeit verlieren, selber für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen. Und was fast noch schlimmer ist: sie verlieren oft sogar die Sehnsucht danach. Nein, junge Menschen sollten keine Fans des Staates sein! Sie sollten Fans ihrer eigenen Möglichkeiten, Hoffnungen, Begabungen und Erwartungen sein!

1 Antwort
  1. Hans-Joachim Radisch
    Hans-Joachim Radisch sagte:

    Mit Ihrer Analyse und der Überzeugung, daß man sich weniger Staat wünschen muß, liegen sie sicher richtig.

    Die in der Umfrage erhobene Mehrheit für einen „starken Staat“ scheint mir indes für sich kein Beleg dafür, daß die Befragten sich mehr – oder auch nur gleichviel – Staat wünschen wie bisher.

    Man kann sehr wohl – wie es auch Humboldt vertrat – einen Staat wünschen, der stark reduziert im Umfang seiner Zuständigkeiten nur noch in Kernfeldern tätig wird und gleichwohl fordern, daß er „stark“ ist: Nämlich gerade in seinen dann verbliebenen reduzierten Zuständigkeiten.

    Als Garant der Rechtsordnung, und der inneren wie der äußeren Sicherheit, kann der Staat seine Aufgaben ja nur dann erfüllen, wenn er in diesen Bereich stark ist und dort alle sein Machtmonopol in Frage stellenden Aktivitäten unterbindet. Insofern sollte man die Humboldtsche Erkenntnis teilen: Ein optimaler Staat sollte sehr schlank, aber stark sein.

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