Photo: Lukas Schlagenhauf from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Christian Zulliger, Präsident des Hayek-Clubs in der Schweiz.

Die Schweizerische Volkspartei mit einem Plus von 2,8%, die FDP 1,3% – ein Rechtsrutsch nach den National- und Ständeratswahlen in der Schweiz? Folgt man insbesondere den ausländischen Kommentaren zum Wahlausgang, so müsste man annehmen, die Schweiz sei von „Rechtspopulisten“ überrollt worden. War es dennoch ein guter Wahlausgang für die liberalen Kräfte in der Schweiz?

Schon im Vorfeld der Wahlen warnten die allermeisten Medien vor einem Erdrutschsieg der rechts-bürgerlichen Parteien in der Schweiz. Dass die Mitteparteien BDP, CVP und GLP Federn lassen werden, war den meisten klar. Verloren haben schlussendlich vor allem die Grünen, Fukushima liegt zu lange zurück, die Realität hat sie eingeholt. Die SVP und die FDP gingen schließlich als die Gewinner hervor, nahezu in allen Kantonen konnten sie ihre Wähleranteile stärken. Auf dem Papier hat die SVP zusammen mit der FDP, Lega und MCR eine hauchdünne Mehrheit in der Großen Kammer. Ein Rechtsrutsch? Und: Was heißt das nun für die aktuellen politischen Dossiers?

Ein Rechtsrütschli

Um es vorweg zu nehmen: Der Wahlausgang stellt in etwa den Stand von 2007 wieder her. Dass sich dennoch etwas verändert hat, wird erst auf den zweiten Blick klar. Über die gesamte Parteienlandschaft ist es historisch gesehen kein Rechtsrutsch, sondern bestenfalls ein „Rechtsrütschli“, wie der Schweizer sagen würde. Und das obschon zum ersten Mal seit 90 Jahren wieder die SVP und FDP die Mehrheit stellen. Die Flüchtlingsfragen fütterten den überaus engagierten Wahlkampf der SVP, die wirtschaftlichen Herausforderungen nach dem Fall der Anbindung des Franken an den Euro dürfte insbesondere der mit geschärften Profil aufgetretenen FDP geholfen haben. Themen, die die Bevölkerung beschäftigen. Themen, für welche beide Parteien keine liberalen Antworten bereithielten.

Der Ausgang der Wahlen ist vor dem Hintergrund der aktuellen Dossiers für die liberalen Kräfte in der Schweiz dennoch ein Erfolg. Die Liberalen sind hierzulande keinesfalls nur in der FDP zu finden, die liberale Idee von Eigenverantwortung, schlankem Staat und Föderalismus ist (zwar abhängig vom Thema) in einigen Parteien zu finden. Schaut man so auf die Ebene der gewählten Kandidaten, lässt sich Erfreuliches berichten: Insbesondere in der SVP hat mit den Wahlen der liberale Flügel deutlich zugelegt, auf Kosten der nationalkonservativen Bauernvertreter. Unternehmer statt Bauern. Ein Riss, der sich möglicherweise schon bald durch die Partei ziehen wird. Welche Rolle der mit neuem Rekordergebnis gewählte Weltwoche-Verleger Roger Köppel dabei spielen wird, bleibt abzuwarten. In der FDP hat sich mit den Wahlen personell wenig verändert, einzig nennenswerte Neubesetzung ist der Digitec-Gründer Marcel Dobler aus St. Gallen. Möglicherweise gilt aber auch hier schon bald: Unternehmertum statt Apparatschiks. Die erfolglose Ständeratskandidatur der linksfreisinnigen Claudine Esseiva, einer Lobbyistin aus Bern, ist dabei mehr als bezeichnend. Sehr interessant ist die Veränderung bei der CVP, welche in der Vergangenheit bei vielen Sachgeschäften stets das Zünglein an der Waage war und auch in der neuen Legislatur eine sehr wichtige Rolle einnehmen wird. Analysiert man hier die gewählten Kandidaten, merkt man schnell: Der linke Flügel der Christdemokraten wurde deutlich geschwächt, der Wirtschaftsflügel um Ordnungspolitiker Gerhard Pfister klar gestärkt. Es ist anzunehmen, dass jene Kräfte für bürgerliche Mehrheitsentscheide gebraucht werden, schweifen doch viele FDP-Ratsmitglieder in einigen Fragen teilweise weit nach links ab.

Die Karten werden neu verteilt

Hinsichtlich dem Verhältnis zur EU, der Energiewende und der Diskussion der Altersvorsorge werden die Karten neu gemischt werden – in einem Spiel, in welchem die aktuellen Verlierer noch die Spielregeln verankerten. Die FDP wird zeigen müssen, wie ihre Europapolitik aussehen soll. Die Bilateralen Verträge – eine heilige Kuh in der politischen Schweiz – stehen mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative auf dem Spiel. Bleibt die FDP stur bei der Verteidigung der Bilateralen und auf der Seite des von ihrem Bundesrats ausgearbeiteten Rahmenabkommens, bricht der Block mit der SVP – sehr zur Freude der restlichen Parteien. Wollen sie das Vertrauen der SVP gewinnen und gemeinsam Mehrheiten machen, werden sie nicht darum herumkommen, wenigstens die „Bilateralen“ in ihre Einzelverträge zu zerlegen und zu entscheiden, welche Verträge der Schweiz etwas bringen und welche ersatzlos gestrichen werden können. Eine Diskussion, welche den Schweizer Freisinn in zwei Flügel teilen wird.

Energiepolitisch dürfte die SVP zurückstecken müssen. Das erste Massnahmepaket der Energiestrategie wird trotz geänderter Mehrheitsverhältnisse nicht zu kippen sein. Die Subventionierung erneuerbarer Energien und der Plan der Senkung des Energieverbrauchs bleiben damit gesetzt. Die Diskussion wird sich einzig um die Lenkungsabgaben drehen, und diese könnten mit einer geschwächten GLP möglicherweise verhindert werden. Aus liberaler Sicht ebenfalls relevant sind die Auswirkungen auf die aktuelle Diskussion der Altersvorsorgesysteme. In der ersten Runde im Ständerat machte die CVP mit den Sozialdemokraten gemeinsame Sache, mit dem Ziel, höhere Renten durchzubringen. Im neuen Nationalrat wird dieses Vorhaben aber vermutlich scheitern, da die dazu nötige Umverteilung sehr umstritten sein wird und sich die Kräfte in der CVP aus liberaler Sicht zum Guten verändert haben.

Viel ändern wird sich mit der neuen Mehrheit vermutlich also nicht. Entscheidend wird sein, wie geschlossen die FDP auftritt und wie die SVP mit dem sich abzeichnenden Riss umgehen wird. Die Sozialisten in allen Parteien haben am vergangenen Wahlsonntag verloren, zugunsten von vorwiegend wirtschaftsliberalen Flügeln in den bürgerlichen Parteien. Da die Eckpfeiler in den wichtigsten Dossiers jedoch schon in der letzten Legislatur gelegt wurden, bleibt der bürgerlichen Mehrheit bestenfalls die Verteidigung des Status Quo. Ein Abbau von staatlicher Intervention, Zentralismus und die Verhinderung der institutionellen Annäherung an die EU dürfte auch im neuen Parlament nur schwer zu erreichen sein.

1 Antwort
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    ich war selbst vor vielen Jahren öfters in der Schweiz im Urlaub, so dass mich dieses Thema vergleichsweise stark interessiert.

    habe beim blog-Thema „Simbabwe wäre Exportweltmeister“ zum Thema „Schweiz“ einen ergänzenden Kommentar geschrieben.
    https://prometheusinstitut.de/simbabwe-waere-exportweltmeister/

    Wie nicht anders zu erwarten:
    Schweizer Exporte schrumpfen um 5,2 Prozent
    http://www.blick.ch/news/wirtschaft/erneuter-einbruch-im-dritten-quartal-schweizer-exporte-schrumpfen-um-5-2-prozent-id4275829.html

    Weniger Schweizer Exporte
    http://www.nzz.ch/wirtschaft/schwaechere-schweizer-exporte-1.18528198

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