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Photo: Jesse Milan from Flickr (CC BY 2.0)

Eigentlich ist man sich von Regierung bis Opposition einig: Das Kindergeld für Ausländer, deren Kinder im Heimatland leben, muss nach den dortigen Lebenshaltungskosten indexiert werden, also möglichst reduziert werden. Denn es sei doch ungerecht, dass das Kindergeld in gleicher Höhe auch im Ausland ausgezahlt würde, obwohl dort die Lebenshaltungskosten erheblich niedriger seien. Das ist zwar in Stralsund im Vergleich zu München auch so, aber die Forderung ist populär, insbesondere wenn mögliche Betrugsfälle in Südosteuropa öffentlich werden. Letztere müssen natürlich geahndet und verfolgt werden, dennoch sollte man das Kindergeld nicht gleich mit dem Bade ausschütten. Denn die Zahlen sind sehr überschaubar. Im Juni dieses Jahres wurde für 15,29 Millionen Kinder Kindergeld ausgezahlt. Davon beziehen Eltern von 268.336 Kindern, die im europäischen Ausland leben, Kindergeld, also 1,8 Prozent.

Erwerbstätige im Inland, egal ob Ausländer oder Inländer, sind in der Regel unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und hier arbeiten. Übersteigt die Steuerersparnis aus dem Kinderfreibetrag das Kindergeld, wird dieses vom Finanzamt verrechnet. Ist der Steuervorteil geringer als das Kindergeld, dann kommt das Kindergeld voll zum Tragen. Das Kindergeld ist in seiner Wirkung also eigentlich eine negative Einkommensteuer. Es kann auch nicht beliebig eingeschränkt werden. Denn das Bundesverfassungsgericht hat lediglich den Teil des Kindergeldes als disponibel dargestellt, der das steuerliche Existenzminimum übersteigt. Alles andere ist verfassungsrechtlich geschützt.

Indexiert man das Kindergeld für Ausländer, deren Kinder im Ausland leben, an den dortigen Lebenshaltungskosten, dann diskriminiert man nicht nur diese steuerlich, sondern verkompliziert das Steuerrecht erheblich und kommt zusätzlich noch mit den Vorgaben des Verfassungsgerichts in Konflikt.

Diese negative Einkommensteuer ist auch nicht bedingungslos, sondern setzt an der Erwerbstätigkeit an. Diejenigen, die Sozialleistungen beziehen, müssen sich das Kindergeld anrechnen lassen.  Allein in 2017 waren dies 4,9 Milliarden Euro.

Der ehemalige britische Premier David Cameron hatte vor der Brexit-Entscheidung auf europäischer Ebene durchgesetzt, dass Sozialleistungen für EU-Ausländer eingeschränkt werden können. Das war sicherlich seine größte Leistung. Er wollte dies zwar erstmal nur den Briten bei einem Verbleib in der EU anbieten. Die übrigen EU-Staaten haben dann aber nach einem ersten Grummeln diese Regelung auch für sich angewandt. Personen, die kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem europäischen Freizügigkeitsgesetz besitzen, haben auch in Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Das Gesetz sieht vor, dass Ausländer erst nach fünf Jahren einen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende oder auf Sozialhilfe haben.

Unabhängig von der ungelösten Migrations- und Flüchtlingsfrage sind innerhalb der Europäischen Union damit die Anreize gemildert worden, die Sozialsysteme des anderen Landes durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa zu schröpfen. Wer die Hand an das Kindergeld legt, sollte das wissen. Statt derlei Schattengefechte auszukämpfen, sollten sich die Verantwortlichen besser darum bemühen, ein nachhaltiges und kluges Einwanderungsgesetz zu erarbeiten. Die Einsparungen, die sich durch ein indexiertes Kindergeld ergäben, sind Peanuts im Vergleich zu den Chancen, die eine Migrationspolitik bieten würde, die Arbeitgebern und Ausbildern bei ihrer händeringenden Suche nach Arbeitnehmern Verlässlichkeit und Flexibilität ermöglicht.

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Das bedinungslose Grundeinkommen – kurz BGE – ist aktuell ein groß diskutiertes Projekt in der Arbeits- und Sozialpolitik. Das Konzept beinhaltet die regelmäßige Auszahlung eines festen Betrags an jeden Bürger. Bisher ist die empirische Datenlage zu den Folgen sehr dünn. Studien aus den USA aber zeigen aber auf, dass der Trend in Richtung Reduzierung des Arbeitsangebots geht.

Das bedingungslose Grundeinkommen sorgt in letzter Zeit für hitzige Diskussionen. Über ideologische Grenzen hinweg finden sich Befürworter und Gegner. Die Auswirkungen einer Einführung sind umstritten. Kritiker befürchten, dass die Menschen den Umfang ihrer Erwerbsarbeit einschränken und so die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens gefährden würden. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wurde noch nie in einem größeren Maßstab in einem Land eingeführt. Experimentelle Ergebnisse, die Rückschlüsse darauf zulassen, wie Menschen auf ein bedingungsloses Grundeinkommen reagieren, sind deshalb leicht zu überschauen.

1.000 Euro für Alle

Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine regelmäßige Zahlung an alle Bürger, unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Es würde durch Steuereinnahmen finanziert werden. Im Gespräch sind beispielsweise um die 1.000 Euro pro Monat für jeden Bundesbürger. Bei rund 81 Millionen deutschen Staatsbürgern wird ersichtlich, dass die Finanzierung dieses Transfers eine Herausforderung wäre.

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das alle Transferzahlungen ersetzt, spricht unter anderem ein geringer bürokratischer Aufwand, da die Bedürftigkeit der Empfänger nicht geprüft werden müsste. Wie wahrscheinlich es ist, dass es zu einer Umsetzung ohne Ausnahmen von dieser Regel käme, die diesen Vorteil konterkarieren würden, betrachten wir hier nicht.

Schlechte Anreize konventioneller Sozialtransfers

Heutige Sozialtransfers sind dagegen bürokratisch aufwendig und haben in ihrer jetzigen Ausgestaltung einen weiteren gravierenden Nachteil. Nehmen die Empfänger mehr als nur eine Tätigkeit im Rahmen eines Minijobs auf, reduzieren sich die Zahlungen maßgeblich oder gar vollständig. Für die Empfänger wirkt die Reduktion der Transfers wie eine Steuer auf zusätzliches Einkommen – netto erhöhen sich ihre Einkommen nicht eins zu eins mit dem Zuverdienst. Die durch die Reduzierung der Transfers ausgelösten impliziten Steuern sind – auch durch die Beiträge zu den Sozialversicherungen – relativ hoch. Wer als Alleinstehender eine Arbeit aufnimmt statt ALG II zu beziehen und 1.500 Euro brutto verdient, ist einem impliziten Steuersatz von etwa 80 Prozent ausgesetzt. Der monetäre Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, ist in solch einer Situation recht gering.

Das bedingungslose Grundeinkommen würde diese hohen impliziten Steuersätze für Geringverdiener umgehen. Jeder Euro Einkommen würde nach einem Vorschlag des Hamburger Ökonom Thomas Straubhaar mit 50 Prozent besteuert werden. Wer eine Arbeit aufnimmt, bezöge weiterhin das bedingungslose Grundeinkommen und könnte zusätzlich über 50 Prozent des erzielten Einkommens verfügen.

Die negative Einkommensteuer

Die von Milton Friedmann im Jahr 1962 vorgeschlagene negative Einkommensteuer weist Ähnlichkeiten mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf. Auch sie mindert das Problem schwacher Anreize, bezahlter Beschäftigung nachzugehen. Fällt das Einkommen einer Person unter einen gewissen Betrag, zahlt sie keine Steuern mehr, sondern erhält Zahlungen. Bei einem konstanten Grenzsteuersatz, der unter einer gewissen Einkommenschwelle negativ ausfällt, erhöht sich das Einkommen nach Steuern um immer den gleichen Teil des zusätzlichen Einkommens.

Anders als bei einem bedingungslosen Grundeinkommen, hängen die Nettozahlungen oder -gutschriften im Rahmen einer negativen Einkommensteuer also vom erzielten Einkommen ab. Bezüglich der Wirkung auf das Einkommen von Erwerbspersonen gleichen sich bedingungsloses Grundeinkommen und negative Einkommensteuer jedoch.

Bedingungslose Transferszahlungen und Arbeitsverhalten: USA

Wir widmen uns hier nicht der Frage, ob der Empfang von Nettotransfers in Abwesenheit einer Bedürftigkeit gerechtfertigt ist, oder ob die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens tatsächlich mit der Abschaffung aller Transfers einhergehen würde, die auf Bedürftigkeitsprüfungen basieren. Wir wenden uns hier Studien zu, die Rückschlüsse darauf zulassen, wie sich bedingungslose Transferzahlungen auf das Arbeitsverhalten der Empfänger auswirken.

Das „New Jersey Graduated Work Incentive Experiment“ war eine randomisierte Kontrollstudie, die in den Jahren 1968 bis 1972 durchgeführt wurde. Zufällig ausgewählte Familien in städtischen Gebieten mit einem Einkommen unter 150 Prozent der Armutsgrenze erhielten Geldtransfers, deren Höhe vom von ihnen zusätzlich erzielten Einkommen abhing – wie im Rahmen einer negativen Einkommensteuer vorgesehen. Bei den Teilnehmern konnte nur ein geringer negativer Effekt auf das Arbeitsangebot festgestellt werden, der in der Regel unwesentlich von der Kontrollgruppe abwich, die keine Zahlung erhielt. Eine ergänzende Studie mit Fokus auf ländliche Regionen ergab, dass männliche Arbeitskräfte ihre Arbeitszeit im Vergleich zur Kontrollgruppe im Durchschnitt um 1 Prozent senkten und weibliche Teilnehmer ihre Arbeitszeit um 27 Prozent reduzierten. Allerdings konnte auch hier nicht ausgeschlossen werden, dass die Unterschiede nicht dem Zufall geschuldet sind. Hingegen ging die Beschäftigungsquote der teilnehmenden Frauen signifikant um 28 Prozent zurück.

Das „Seattle/Denver Income-Maintenance-Experiment“ war das bisher größte negative Einkommensteuerexperiment. Die Teilnehmer wurden in dreijährige und fünfjährige Auszahlungsperioden aufgeteilt. Menschen, die die Zahlung für drei Jahre erhielten reduzierten ihre Arbeitsstunden um bis zu 7,3 Prozent, während in der Fünf-Jahres-Gruppe Arbeitszeitreduzierungen von bis zu 13,5 Prozent festgestellt wurden. Die statistisch signifikanten Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verkürzung der Arbeitszeit umso höher ausfällt, je länger der Zeitraum ist, in dem eine negative Einkommensteuer zur Anwendung kommt.

Weitere Experimente bisher ohne Erkenntnisgewinn

Im Jahr 2017 startete Finnland ein Grundeinkommensexperiment mit 2.000 Arbeitslosen. Für zwei Jahre erhalten die Teilnehmer eine bedingungslose monatliche Zahlung von 560 Euro. Diese Summe ist nicht ausreichend um alle anderen Transferzahlungen einzustellen. Da das Experiment noch nicht abgeschlossen ist, liegen noch keine Ergebnisse vor.

In Deutschland gibt es eine private Initiative, die monatliche Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro für ein Jahr verlost. Leider können von diesem Experiment auf Grund des sehr kurzen Zeitraums keine neuen belastbaren Erkenntnisse über die Veränderung des Arbeitsangebots erwartet werden.

Experimente in Schwellen- und Entwicklungsländern

Im Gegensatz zu den Experimenten in industrialisierten Ländern findet eine Studie über ein indisches Grundeinkommensexperiment aus dem Jahr 2014 einen positiven Beschäftigungseffekt. Die Zahlung lag unter dem Einkommensniveau, dass für eine Befriedigung der Grundbedürfnisse ausreichend wäre.

Vor dem Hintergrund, dass das Experiment und damit die Auszahlung nur zwei Jahre dauerten, nutzten die Empfänger des bedingungslosen Grundeinkommens die zusätzlichen Einnahmen vornehmlich, um ihre Lebensbedingungen langfristig zu verbessern und investierten in ihren Kapitalstock. So wurden vor allem neue Nutztiere angeschafft und die effizientere Bewirtschaftung des Haushalts vorangetrieben. Einige Haushalte bauten eine eigene Wasserversorgung oder zusammen mit Nachbarn einen gemeinsamen Wasseranschluss. Dies entlastete vor allem Frauen, die zuvor an öffentlichen Brunnen das Wasser für die Familie holen mussten. So stellten die Forscher fest, dass vor allem Frauen mehr Zeit darauf aufwenden konnten, um zusätzliches Einkommen zu erzielen.

Insgesamt erhöhten gut 21 Prozent der Haushalte, die in dem Untersuchungszeitraum ein bedingungsloses Grundeinkommen erhielten, ihr Einkommen durch eine Ausweitung des Umfangs ihrer Erwerbsarbeit, während dies nur für 9 Prozent der Haushalte in der Kontrollgruppe zutraf.

Ein Experiment, das in Namibia ohne Kontrollgruppe durchgeführt wurde, weist ähnlich wie das indische Projekt darauf hin, dass die Menschen die zusätzlichen Mittel nutzten, um sich wirtschaftlich produktiver betätigen zu können. Die Autoren schreiben: „Dieser Befund widerspricht den Behauptungen der Kritiker, dass das bedingungslose Grundeinkommen zu Faulheit und Abhängigkeit führen würde.“

Die Studienteilnehmer in Namibia und Indien hatten gemein, dass sie in Gesellschaften leben, in denen die Arbeitsteilung weniger ausgeprägt ist als in industrialisierten Ländern. Sie waren zu einem Gutteil auf Subsistenzwirtschaft angewiesen. Die empirischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die zu einem Gutteil auf Subsistenzwirtschaft angewiesenen Haushalte die Transferzahlungen vor allem nutzten, um ihre Arbeit durch Investitionen in ihren Kapitalstock produktiver zu machen. Das mag helfen, die beobachteten Effekte zu erklären. Werden die Früchte der Arbeit reichhaltiger, wird es attraktiver, mehr zu arbeiten.

Finanzierung auf wackligen Füßen?

Individuen in hochgradig arbeitsteilig organisierten Gesellschaften haben leichten Zugang zu Krediten und würden Transferzahlungen vermutlich nicht zum Ausbau ihres Kapitalstocks nutzen, um sich produktiver in Erwerbsarbeit üben zu können. Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens in relativ reichen Gesellschaften schwebt derartiges zumeist auch nicht vor. Ganz im Gegenteil, Menschen sollen ja gerade frei davon werden, auf dem Markt Erwerbseinkommen erzielen zu müssen. Die Erfahrungen mit bedingungslosen Grundeinkommen in Entwicklungsländern sind auch aus diesen Gründen für entwickelte Länder nicht allzu aussagekräftig.

Die Erkenntnisse aus Nordamerika scheinen besser geeignet zu sein, um die potentiellen Arbeitsangebotseffekte eines bedingungslosen Grundeinkommens abzuschätzen. Diese Studien kommen zu dem Schluss, dass das Arbeitsangebot mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens eher abnimmt. Je länger die erwartete Auszahlungsperiode ist, desto stärker ist dieser Effekt.

Dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen ab einer gewissen Höhe das Arbeitsangebot reduziert, steht außer Frage. Wie viele Menschen würden noch arbeiten, wenn es monatlich 5.000 Euro betrüge? Angesichts der bisher noch spärlichen empirischen Literatur zu Effekten bedingungsloser Transferzahlungen sollten alle Aussagen bezüglich der Wirkung eines moderaten bedingungslosen Grundeinkommens auf das Arbeitsangebotsverhalten allerdings mit Vorsicht genossen werden.

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo by Daniel Tausis on Unsplash

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Inflationsbereinigt hat der Staat im Jahr 2016 so viele Steuern pro Kopf eingenommen wie noch nie. Trotzdem klagen viele Menschen über schlechte öffentliche Sicherheit, Altersarmut und eine marode Infrastruktur. Doch an der Einnahmenseite kann es kaum liegen. Das Problem sind öffentliche Verschwendung von Steuergeldern. Während private Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, können staatliche Institutionen prinzipiell unbegrenzt Geld verbrennen.

Der deutsche Staat nahm 2016 pro Kopf über 8.500 Euro Steuern ein. Damit liegen die Steuereinnahmen nach Berücksichtigung der Inflation höher als je zuvor. Während die realen Steuereinnahmen pro Person von 1989 bis 2010 leicht um den Wert von 7.000 Euro schwankten, stiegen sie über einen Zeitraum von nur sechs Jahren um über 20 % an. Passend dazu berichtet die FAZ via Spiegel jüngst von 14 Milliarden Euro „zu hoher“ Einnahmen des Bundes für 2017. Angesichts dieser Entwicklung liegt es nahe, den Grund für als unzureichend wahrgenommene staatliche Leistungen nicht bei zu niedrigen Steuereinnahmen und mit ihnen einhergehenden Ausgaben zu suchen, sondern bei der Verwendung staatlicher Mittel. Steuersenkungen könnten die für einen effektiveren Einsatz von Ressourcen notwendige Selbstbeschränkung der Vertreter des Staates sein.

Steuereinnahmen pro Person 2016: 8.500 Euro

Die Steuereinnahmen des Staates sprudelten in den vergangenen Jahren. Seit 2009 sammelte der deutsche Staat von Jahr zu Jahr real pro Person mehr Steuermittel ein.

Die Daten berücksichtigen Veränderungen des Preisniveaus und lassen sich somit über die Zeit vergleichen. Über den Zeitraum von 1960 bis 2016 verdreifachten sich nicht nur die Steuereinnahmen pro Person, sondern auch das Bruttoinlandsprodukt pro Person. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Steuerquote über diesen Zeitraum in etwa konstant blieb.

Der deutliche Anstieg der Steuereinnahmen pro Kopf seit 2009 rührt vor allem aus dem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes her, der durch progressive Steuern wie die Einkommensteuer auch einen Anstieg der Steuerquote nach sich zog.

Diese Betrachtung lässt Einnahmen aus den Beiträgen zu den Sozialversicherungen ebenso unberücksichtigt wie Einnahmen aus Abgaben an den Staat. Der Anstieg der Beiträge zu den Sozialversicherungen ist dafür verantwortlich, dass die alle Einnahmen des Staates umfassende Abgabenquote seit 1960 von 33,4 % auf über 39 % stieg.

Nicht die Höhe zählt, sondern die Verwendung

Dem Staat fehlt es gewiss nicht an Einnahmen. Das spiegelt sich auch im Ausgabeverhalten des Staates in den vergangenen Jahren wider. Denn mit den Steuereinnahmen legten auch die Ausgaben des Staates deutlich zu. Auch die Diskussion um die schwarze Null weist darauf hin, dass sich Staatseinnahmen und Staatsausgaben in den letzten Jahren in etwa im Gleichschritt miteinander bewegten. Dabei verringerte das niedrige Zinsniveaus seit der Finanzkrise die Last des Schuldendienstes des Staates und trug dazu bei, dass zusätzliche Mittel auf andere Aufgabenbereiche verwandt werden konnten.

Trotz der seit 2009 deutlich höheren Einnahmen und Ausgaben lassen die heutigen Leistungen des Staates in den Augen vieler Beobachter zu wünschen übrig. Kritik wird unter anderem an unzureichender öffentlicher Sicherheit, maroden Schulen, zerfallender Infrastruktur, einem überforderten Justizwesen, weit verbreiteter Kinderarmut und zunehmender Altersarmut geübt.

Eine scheinbare Lösung für ausgemachte Missstände ist schnell formuliert. Der Staat solle mehr Mittel für Sicherheit, Schulen, den Bau von Straßen, die Justiz, Familien und Rentner bereitstellen.

Wie soeben gesehen, nimmt der Staat heute allerdings mehr Mittel ein und gibt sie wieder aus als je zuvor. Es könnte zielführender sein, nicht die Höhe der vom Staat für gewisse Aufgaben aufgewandten Mittel auf den Prüfstand zu stellen, sondern die Verwendung der Mittel.

Kosten staatlicher Aktivität: Was hätte sein können

Wie andere Akteure auch, hat der Staat durch den Einsatz seiner finanziellen Mittel einen Einfluss auf die Verwendung realer Ressourcen. Der noch nicht für den Flugbetrieb bereite Flughafen Berlin Brandenburg soll hier als Beispiel dienen. Der Mitteleinsatz des Staates führte dazu, dass tausende Arbeitsstunden von Ingenieuren, Architekten, Bauarbeitern und Stadtplanern sowie tausende Tonnen Baumaterial wie Stahl und Zement in den Bau des Flughafens flossen. In Abwesenheit des BER-Bauprojektes wären diese Ressourcen allesamt auf andere Projekte verwandt worden. Die Kosten des BER belaufen sich auf die Nicht-Realisierung dieser unsichtbaren alternativen Projekte.

Die in den BER geflossenen Ressourcen hätten effektiver eingesetzt werden können, beispielsweise für den Bau eines betriebsbereiten Flughafens oder zusätzliche Wohngebäude in Berlin. Der Fall des BER illustriert einen vom Staat herbeigeführten fraglichen Einsatz von Ressourcen besonders anschaulich, wie auch die vom Bund der Steuerzahler alljährlich zusammengetragenen Fälle.

Staat: Kein Wettbewerb, keine Reallokationen von Ressourcen

In der Regel bleibt der ineffiziente Ressourceneinsatz durch den Staat der Öffentlichkeit und häufig auch politischen Entscheidungsträgern jedoch verborgen. Private Unternehmen werden auf Märkten vom ineffizienten Einsatz realer Ressourcen abgehalten, indem sie verschwinden. Air Berlin beispielsweise wird zukünftig keine Arbeitszeit, Flugzeuge, Sprit oder Landeslots mehr an sich binden. Die Ressourcen können anderswo effektiver eingesetz werden. Verantwortlich dafür sind auch die Entscheidungen der potentiellen Kunden von Air Berlin, die dazu beitrugen, dass die Einnahmen Air Berlins die Ausgaben nicht deckten.

In der politischen Sphäre wird der ineffiziente Einsatz von Ressourcen nicht durch das Verschwindenen misswirtschaftender Organisationen verhindert. Ineffiziente Schulen und Universitäten verschwinden nicht, zu teure Polizeidienststellen werden nicht aufgrund überlegener Wettbewerber geschlossen, erfolglose Verkehrsministerien enden nicht in der Insolvenz, verschwenderische Staatsanwaltschaften verlieren ihre Finanzierung nicht und ineffektive Jugendämter werden nicht abgewickelt. Ineffiziente staatliche Organisationen bestehen in der Regel fort und binden weiterhin reale Ressourcen an sich, die woanders eingesetzt werden könnten.

Niedrigere Steuern: Effizienzsteigernde Selbstbeschränkung

Gerade weil in der politischen Sphäre Akteure kein direktes Feedback durch erzielte Gewinne oder erlittene Verluste erhalten, sollte die Verwendung von Ressourcen dort stets explizit auf dem Prüfstand stehen. Genügt eine staatliche Leistung den Ansprüchen nicht, sollte nicht der Ruf nach dem Einsatz zusätzlicher Ressourcen folgen, sondern eine kritische Betrachtung des bereits erfolgenden Ressourceneinsatzes.

Allzu hoffnungsvoll sollte man diesbezüglich allerdings nicht sein. Niemand – Vertreter des Staates eingeschlossen – ist sonderlich geneigt, bei der Analyse der eigenen beruflichen Aktivitäten zum Schluss zu kommen, dass sie eingestellt werden sollten. Im Falle privater Unternehmen wiegen derartige Befindlichkeiten nicht sonderlich schwer. Findet sich niemand, der als Kunde oder Geldgeber freiwillig den Fortbestand eines Unternehmens sicherstellt, verschwindet es – es sei denn, der Staat springt ein. In der politischen Sphäre werden Organisationen jedoch nicht durch freiwillige Zahlungen finanziert, sondern vornehmlich durch Steuereinnahmen.

Den Steuerzahlern bleibt, sich für eine niedrigere Steuerlast und so niedrigere Steuereinnahmen einzusetzen, aus der sich für sie potentiell zwei positive Konsequenzen ergeben. Erstens, niedrigere Steuereinnahmen lassen den Steuerzahlern mehr direkte Kontrolle über die Verwendung realer Ressourcen, die sie aus den angeführten Gründen tendenziell wirkungsvoller einsetzen. Zweitens, nimmt der Staat keine zusätzlichen Schulden auf, zwingen niedrigere Steuereinnahmen ihn dazu, die Kontrolle über den Einsatz einiger Ressourcen aufzugeben. Dabei sollte es in einem von Korruption nicht allzu sehr geplagten Staat wie Deutschland gerade die nutzlosesten unter den staatlichen Aktivitäten treffen und so zu einem insgesamt effektiveren Einsatz von Ressourcen kommen.

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo by Gandalf’s Gallery from Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Baukindergeld, Breitbandausbau, Betreuungsgeld. Das Verteilen von Steuermitteln wird gerne mit hehren Zielen verknüpft. Unabhängig von den tatsächlichen Absichten der Akteure handelt es sich aber in vielen Fällen um ganz banale Privilegienwirtschaft.

Breitband für Oepfershausen, Quiddelbach und Kuchelmiß

Beispiel Breitbandausbau. Ein Thema, mit dem man eigentlich nur gewinnen kann, weil für jeden was dabei ist: von Digitalisierung bis Oberfranken, von Bildung bis Mittelstand, von Netflix bis Porno. Klingt nach einer guten Sache. Das dachten sich auch die Großkoalitionäre, und haben dann im Rahmen ihrer Koalitionsvereinbarung im Frühjahr den Etat dafür von den ursprünglich geplanten 4,4 Milliarden für die nächsten vier Jahre auf 10-12 Milliarden erhöht. Geld ist ja gerade reichlich vorhanden. Selbst wenn man jetzt mal die Frage beiseitelässt, ob derlei Großplanungen angesichts der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts wirklich klug sind (ob man nicht bald mit LTE und Funk adäquaten Ersatz geschaffen haben wird – Stichwort „Anmaßung von Wissen“), ist es angebracht, in einem solchen Fall nochmal nachzuhaken.

Ein Blick auf die Karte des Bundesverkehrsministeriums zur Verfügbarkeit von Breitband zeigt, dass in den allermeisten Städten in Deutschland mindestens 75 Prozent, häufig mehr als 95 Prozent der Haushalte Zugang haben. In ländlichen Gebieten sieht es mitunter (aber mitnichten flächendeckend!) tatsächlich etwas düsterer aus: in Oepfershausen etwa, in Quiddelbach und Kuchelmiß. Unter der Fahne des Konzepts der gleichwertigen Lebensverhältnisse sollen auch den dortigen Menschen die Segnungen des schnellen Internets zuteilwerden. Und nicht zu vergessen – immer ein gutes Argument –: den dortigen Unternehmen. Ja, sie werden bestimmt eine ganze Reihe Mittelständler finden, die dringend Breitband bräuchten. Aber …

Der Mythos vom benachteiligten Land

Aber es ist etwas zu kurz gedacht, wenn man nur den Faktor Breitbandverfügbarkeit isoliert betrachtet. Denn das Leben auf dem Lande hat ja auch noch positive Seiten – sonst würden die Quiddelbacher doch schleunigst nach Cochem, Koblenz oder Bonn ziehen, wo Breitband verfügbar ist. Abgesehen von der anmutigen Landschaft und der benachbarten Familie hat der Eifel-Ort noch mancherlei Vorteile zu bieten. Bis vor wenigen Jahren konnte man von dem nahegelegenen Nürburgring profitieren, als Vermieterin von Ferienwohnungen oder Imbissbuden-Besitzer. Die Lebenshaltungskosten sind gering verglichen mit Städten. Mit dem Auto ist man schneller am Flughafen Frankfurt-Hahn als aus Frankfurt. Die Arbeitslosenquote liegt im Landkreis mit derzeit 5,4 genau auf dem Bundesschnitt und 0,7 Prozent unter dem Landesschnitt. Wem es in dem Dörflein gefällt, der hat alles in allem eine sehr gute Perspektive. Auch ohne das schnellste Internet.

Geht es beim Breitbandausbau wirklich darum, die benachteiligte Landbevölkerung mit den Segnungen der Moderne auszustatten, um ihnen endlich eine Chance zu geben? Oder werden hier Erzählungen aus dem 19. Jahrhundert benutzt, um ein System der Privilegienwirtschaft zu etablieren? Es geht nicht unbedingt um den Ausgleich eines Nachteils, sondern es geht darum, einer weiteren Wählergruppe das Leben angenehmer zu machen. Oder wie könnte man sonst erklären, dass die Krankenschwester und der Elektromonteur, die mit ihren zwei Kindern in einer kleinen Wohnung in Frankfurt leben, mitbezahlen sollen für den Breitbandanschluss von Eigenheimbesitzern in Oepfershausen? Es geht nicht um eine Umverteilung zugunsten gleichwertiger Lebensverhältnisse, über deren Sinn oder Unsinn man auch noch diskutieren könnte. Es geht darum, einen Teil der Bevölkerung zu Lasten eines anderen zu bevorzugen.

Umverteilung von unten nach oben

Es ist immer wieder dasselbe Prinzip, wenn die Segnungen aus den Steuertöpfen über das Land verteilt werden. Verkündet wird mehr Gerechtigkeit, „ein Land, in dem wir gut und gerne leben“. Eigentlich aber geht es darum, bestimmten Klientelgruppen gute Gründe dafür zu liefern, dass sie einem wieder ihre Stimme geben. Dann finanziert der Lehrling über den „Rundfunkbeitrag“ dem Staatsanwalt die Olympischen Spiele. Dann fließt die Einkommensteuer der alleinerziehenden Grundschullehrerin aus Coburg in das Betreuungsgeld für die Zahnarzt-Gattin aus Starnberg. Dann sponsert der Brandenburger Rentner über die EEG-Umlage den benachbarten Großbauern. Gerade zeigte eine Studie des DIW: Das Baukindergeld hilft vor allem den Wohlhabenden. Und das Absurdeste an der Geschichte: Gerade die Parteien und politischen Gruppierungen, die sich den Benachteiligten verschrieben haben, sind oft an der vordersten Front, wenn es darum geht, diese Privilegien zu verteidigen.

Bedeutende Ökonomen wie James Buchanan, Gordon Tullock und Mancur Olson haben es zu ihrem Lebenswerk gemacht, dieses Phänomen zu erforschen – und vor allem, nach Möglichkeiten zu suchen, das Problem in den Griff zu bekommen. Der Löwenanteil an Umverteilung in unserem Land ist nicht dazu angetan, den tatsächlich Notleidenden zu helfen. Sie hilft vielmehr vor allem Politikern, die sich über Sonderbehandlungen Beliebtheit erkaufen. Um diese Unsitte einzudämmen, brauchen wir bessere Regeln und mehr institutionelle Kontrolle, wir brauchen mehr Evidenzbasierung sowie mehr Gesetze, Regulierungen und Förderungen, die mit einer sogenannten „sunset clause“ versehen sind, also ein Ablaufdatum haben. Vor allem aber brauchen wir eines: kritischere Bürger, die sich nicht abspeisen lassen mit Sonderbehandlungen.

Photo: Helena Lopes from Unsplash (CC 0)

Die sozialpolitische Diskussion in Deutschland verläuft etwas schief. Das zeigt die Diskussion um die Formulierung des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn, der in einem Interview gesagt hat: „Die Tafeln tragen dafür Sorge, dass Lebensmittel nicht weggeworfen werden. Damit erfüllen sie eine wichtige Aufgabe und helfen Menschen, die auf jeden Euro achten müssen. Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe. Wir haben eines der besten Sozialsysteme der Welt.“ Spahn hat durchaus recht damit. Zum einen ist es gut, dass Lebensmittel nicht weggeworfen werden, sondern Verwendung finden. Zum anderen ist es richtig, dass die Anzahl der Tafeln in Deutschland nichts über die Armut in Deutschland aussagt. Tatsächlich ist die soziale Grundsicherung, auch im Vergleich zu Nachbarstaaten, auf sehr hohem Niveau.

Doch befähigt unser Sozialsystem zur Selbsthilfe? Unser Sozialsystem erinnert ein Stück an die Geschichte von Sankt Martin, der seinen Mantel teilt, um ihn dem Bettler am Wegesrand zu schenken. Damit hat er erste Hilfe geleistet. Das ist wichtig und notwendig. Aber befähigt dies den Bettler ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Wohl nicht. Ein liberales Gesellschaftsbild würde hier eher einen Unternehmer sehen, der den Bettler erstversorgt und ihm anschließend seinen Fähigkeiten entsprechend eine Arbeitsstelle im Unternehmen anbietet, die ihm erlaubt, eine Wohnung zu mieten und seine Familie zu ernähren. Hilfe zur Selbsthilfe ist dabei das Stichwort. Diesen Ansatz verstehen staatliche Institutionen zu wenig. Besser geeignet ist dafür eine aufgeweckte Bürgergesellschaft. Vielleicht erfährt diese Bürgergesellschaft bald wieder eine Renaissance. Anlass für diese Renaissance könnte der 130. Todestag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen sein.

Die Not der Landbevölkerung veranlasste im 19. Jahrhundert Friedrich Wilhelm Raiffeisen zum Handeln. Als Bürgermeister von Weyerbusch (Westerwald) gründete er im Hungerwinter 1846/47 den „Verein für Selbstbeschaffung von Brod und Früchten“.

Mit Hilfe privater Spenden kaufte er u. a. Mehl. In einem selbsterrichteten Backhaus wurde Brot gebacken, das auf Vorschuss an die Bedürftigen verteilt wurde. Der „Brod-Verein“ und der „Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein von 1864“ waren die ersten vorgenossenschaftlichen Zusammenschlüsse und der Beginn der weltweit erfolgreichen genossenschaftlichen Bewegung.

Ein anderes Jubiläum steht in diesem Jahr ebenfalls an. Vor 150 Jahren, am 04.07.1868, wurde das Genossenschaftsgesetz im Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes veröffentlicht. Es war das Ergebnis eines langen politischen Kampfes, den der Liberale Hermann Schulze-Delitzsch leidenschaftlich führte. Weil Arbeiter und Gewerbetreibende keine Kredite bekamen, um Investitionen zu tätigen, gründete Schulze-Delitzsch „Vorschussvereine“. Es waren die Vorläuferorganisationen der heutigen Volksbanken. Sie waren lokal verankert und kümmerten sich um die originären Themen, die ihre Mitglieder betrafen.

Der Sachse Schulze-Delitzsch wollte den „Vereinigungen der kleinen Leute“ die gleichen Rechte wie den „Vereinigungen der Wohlhabenden“ ermöglichen und diese von der „Willkür der Verwaltungsbehörden“ befreien. Diese Unabhängigkeit vom Staat setzte für ihn zwei wesentliche Dinge voraus: Zum einen die solidarische Hilfe der Genossenschaftsmitglieder für den gemeinsamen Zweck, aber gleichzeitig auch die solidarische Haftung aller Mitglieder (Genossen). Viel mehr an Regulierung brauchte es nicht und braucht es wohl auch künftig nicht. Das Genossenschaftswesen ist eine echte liberale Alternative zu den oftmals ineffizienten, unpersönlichen Gießkannenaktionen, die wir aus dem Bereich des Wohlfahrtsstaates nur allzu gut kennen. Sie ist eine dezentrale Antwort auf große und vielfältige sozialpolitische Herausforderungen. Der großartige Genossenschaftsgedanke verbindet zivilgesellschaftliches Engagement mit ökonomischer Tatkraft, wahrhaftige Solidarität mit Unternehmergeist. Anders als in einem anonymen Sozialstaatskonstrukt sind die Armen und Schwachen nicht bloß Bittsteller und Almosenempfänger, sondern eigenständige Individuen, die freiwillig kooperieren, um ihre Notlagen gemeinschaftlich zu lösen.

Kritisch hinterfragen muss man nicht nur die Ineffizienz der gegenwärtig bestehenden sozialstaatlichen Strukturen, sondern auch deren moralische Integrität. Ist Wachstum im Sozialstaat per se schon eine segensreiche Komponente? Wird unsere Gesellschaft durch einen immer schneller wachsenden Sozialstaat schon „sozialer“? Führt die etatistische Mentalität hierzulande, die sich durch die wachsende Anspruchshaltung gegenüber staatlichen Leistungen manifestiert, nicht letztendlich zu einem zu tiefst undemokratischen Verteilungskampf um die vorhandenen Ressourcen? Kann sozialer Frieden dadurch langfristig gewährleistet werden? Oder bedarf es hier nicht zivilgesellschaftlichen Engagements, das Probleme persönlicher und ehrlicher löst, als es der Staat jemals könnte?

Es zeigt sich, dass viele gesellschaftliche Probleme unserer Zeit auch privatwirtschaftlich zu lösen sind und nicht immer über klebrige und ineffiziente staatliche Umwege geleitet werden müssen. Vom staatlichen Umweg profitieren nämlich nicht die Bedürftigen selbst, sondern in erster Linie das bürokratische System. Denn wirklich sozial ist nicht der Staat, sondern der Einzelne durch sein selbstbestimmtes Handeln.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.