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Die OECD hat mit einem internationalen Vergleich der Steuer- und Abgabenbelastung aufhorchen lassen. Deutschland nimmt hinter Belgien einen Spitzenplatz im negativen Sinne ein. Ein alleinverdienender Durchschnittsverdiener musste 2016 eine Abgabenbelastung von 49,4 Prozentpunkten stemmen. Richtigerweise bezieht die OECD die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherungen in ihre Berechnungen mit ein. Sie sind letztlich dem Arbeitnehmer zuzurechnen und sind auch Lohnbestandteil. Die OECD-Studie wird hoffentlich eine überfällige Diskussion über die Entlastung der Bürger in Deutschland befördern.

An erster Stelle ist die Lohnabhängigkeit der Sozialversicherungensbeiträgen zu nennen. Bleibt man im System der Lohngebundenheit der Sozialversicherungsbeiträge, dann müssen die Potentiale in den Sozialversicherungssystemen selbst stärker genutzt werden. Dies geschieht leider nicht. Trotz Sonderkonjunktur durch die Niedrigzinspolitik der EZB betragen die Gesamtbeitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherungen (Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) 39,75 Prozentpunkte – das ist der höchsten Wert seit 2013. Rechnet man die gesetzliche Unfallversicherung hinzu, liegen die Sozialversicherungsbeiträge inzwischen bei deutlich mehr als 40 Prozentpunkte des Arbeitslohnes.

Dies alles vor dem Hintergrund, dass inzwischen fast 40 Millionen Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind – der höchste Wert seit der Deutschen Einheit. Die Einnahmen sprudeln wie noch nie und dennoch steigen die Beitragssätze. Hinzu kommt, dass die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt auch im nächsten Jahr wahrscheinlich so weitergehen wird. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen 2018 mit einem weiteren Absinken der Arbeitslosenquote auf nur noch 5,4 Prozentpunkte. 2005 lag sie fast doppelt so hoch.

Inzwischen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) über 11 Milliarden Euro Überschüsse in ihrer Kasse gehortet und dennoch wird der Beitragssatz von 3 Prozentpunkten nicht reduziert. Dabei wäre das Potential groß. Die Beschäftigtenzahl der BA beträgt fast 100.000 Vollzeitstellen und ist im Vergleich zur Hochzeit 2005 nur marginal gesunken. Jetzt will Andrea Nahles die BA noch stärker für den Weiterbildungsmarkt öffnen, damit zumindest das Beschäftigungsniveau der BA gehalten werden kann. Bezahlen müssen dies alle Arbeitnehmer im Lande. Auch für die Aufblähung der Rentenversicherung durch Mütterrenten und Rente mit 63 müssen alle Arbeitnehmer aufkommen.

In den anderen Sozialversicherungssystemen sieht es nicht viel besser aus. In der gesetzlichen Krankenversicherung gelingt es nicht, den Beitragssatz zu reduzieren, stattdessen steigen vielfach die Zusatzbeiträge. Der Grund ist im Wesentlichen die überbordende Planwirtschaft im Gesundheitswesen mit ihren Ineffizienzen. Selbst die gesetzliche Pflegeversicherung, die eigentlich als Teilkaskoversicherung ausgelegt war, wird zunehmend zu einem Vollkaskosystem ausgebaut. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass der Beitragssatz inzwischen auf 2,35 Prozentpunkte angestiegen ist. Im deutschen Sozialversicherungssystem geht es immer nur um mehr Geld und mehr Leistungen im und für das System, das wie ein Schwarzes Loch alles ansaugt. Es gibt gar keine Diskussion darüber, ob bei Leistungsausweitungen auf der einen Seite auch Leistungseinschränkungen auf der anderen Seite notwendig sind.

Es wäre eigentlich höchste Zeit, eine Diskussion darüber zu führen, ob die Lohnabhängigkeit der gesetzlichen Sozialversicherungen nicht durch ein echtes Versicherungsprinzip abgelöst werden könnte. Warum soll die gesetzliche Unfallversicherung nicht durch ein privatwirtschaftliches Angebot sukzessive ersetzt werden? Warum soll die Private Krankenversicherung und die Private Pflegepflichtversicherung nicht für alle Arbeitnehmer geöffnet werden, statt nur für Selbstständige, Beamte und Gutverdiener? Warum kann der gesetzliche Rentenversicherungsbeitrag nicht um die derzeitigen Überschüsse reduziert und anschließend der Beitragssatz eingefroren werden? Verbunden mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags und einer Steuerreform, die ihren Namen verdient, hätten die Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. Eine solche Steuerreform müsste Sparvorgänge für die Altersvorsorge, die Kinderausbildung und die eigengenutzte Immobilie viel flexibler und in viel größerem Umfang als bisher fördern, indem diese Sparvorgänge nachgelagert besteuern werden. Sie können also aus dem Brutto bespart werden und unterliegen erst im Entnahmezeitpunkt der Besteuerung.

Der Wohlstand eines Landes ist nicht in Stein gemeißelt, sondern die Basis für morgen wird heute gelegt. Wir können von den ersten wichtigen Reformen 2005 und ihrem durchschlagenden Erfolg lernen. Gerade in der jetzigen Situation können neue Wege eingeschlagen werden, ohne dass sie zu schmerzhaft werden. Echte, mutige und nachhaltige Reformen würden nicht nur jetzt zur Entlastung der Arbeitnehmer beitragen, sondern auch der Grund legen dafür, dass es den Arbeitnehmern hierzulande morgen und übermorgen besser geht.

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Am Arbeitsmarkt läuft es rund: 43,4 Millionen Erwerbstätige gab es im vergangenen Jahr. So viele wie seit vielen Jahren nicht mehr. Davon waren alleine 39,1 Millionen Arbeitnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Die von der BA ausgewiesene Arbeitslosenzahl beträgt nur noch 2,5 Millionen Menschen – 2005 waren es noch 4,9 Millionen. Die offizielle Arbeitslosenzahl ist daher um fast 50 Prozent zurückgegangen. Daher steigen auch die Überschüsse, die die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg vorweisen kann: Sie betragen stolze 4,9 Milliarden Euro. Die Reserven steigen damit auf 11 Milliarden Euro. Der Beitragssatz beträgt 3 Prozentpunkt und ist seit 2011 konstant auf diesem Niveau. Soweit die Fakten.

Was völlig aus dem Blick gerät, ist der Umfang, in dem hierzulande durch den Staat Arbeitsvermittlung und Qualifizierung betrieben wird. Allein im letzten veröffentlichen Geschäftsbericht 2015 der BA sind 96.300 Vollzeitstellen ausgewiesen. Das sind 700 mehr als im Vorjahr. Wahrscheinlich arbeiten weit mehr als 100.000 Menschen für die Arbeitsagentur. An ihrem Personalbestand hat sich in den letzten 20 Jahren nicht viel getan, im Zweifel ging es nur nach oben, obwohl ihre Kernaufgabe, Arbeitslose in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen, summarisch eine immer kleinere Rolle spielt.

Es ist eigentlich ein Grundgesetz der Bürokratie, dass einmal geschaffenen Strukturen des Staates, bei einem Wegfall oder einer Abnahme der Aufgabe, nicht aufgegeben oder angepasst werden. Bürokratie sucht sich neue Aufgaben. Ganz wie es Ralf Dahrendorf einmal formuliert hat: „Wir brauchen Bürokratie, um unsere Probleme zu lösen. Aber wenn wir sie erst haben, hindert sie uns, das zu tun, wofür wir sie brauchen.“

So ist es jetzt auch wieder. Die Arbeitsministerin Nahles schlägt nun vor, dass die örtlichen Arbeitsagenturen sogenannte Weiterbildungsagenturen aufbauen sollen, um das lebenslange Lernen kontinuierlich durch die Arbeitsagentur begleiten zu lassen. Es soll so eine Art Lebensberatung durch den Staat werden, was sich die Regierung hier vorstellt. Das passt zum Bild des Nanny State, das die Regierung auch sonst beispielsweise in Verbraucherfragen pflegt. Von der Kinderkrippe über die Schule und Hochschule und nun auch in der Arbeitswelt bis zum Pflegeheim wird der Einzelne gehegt und gepflegt.

Nahles steckt jedoch in einem Dilemma. Der Weiterbildungssektor ist fest in der Hand des Tarifkartells aus Gewerkschaften und Arbeitgebern. Will sie verstärkt in diesen Markt eindringen, gerät sie mit dem Tarifkartell aus DGB-Gewerkschaften und der BDA in Konflikt. Bisher waren sich diese im Hintergrund immer einig, wenn es darauf ankam.

Die gute Arbeitsmarktsituation müsste jetzt eigentlich zum Anlass genommen werden, die BA zu verschlanken. Der Staat und seine Regierung haben keine natürlichen Anreize, zu sparen. Denn die Einnahmen steigen meist. Eine Krise wird schon heraufbeschworen, wenn die Einnahmen mal in einem Jahr stagnieren. Jetzt sprudeln sie und keiner denkt an das Sparen. Doch in vermeintlich guten Zeiten muss die Grundlage gelegt werden für schwierige Jahre. Auch diese werden auf dem Arbeitsmarkt wiederkommen. Dann braucht es eine schlanke Arbeitsagentur, und die Möglichkeit, dass  Aufgaben, die Dritte gleich gut oder besser machen können, von diesen erledigt werden. Das erfordert, dass der Personalbestand ab- und nicht weiter aufgebaut wird – im Zweifel mit dem Rasenmäher.

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Von Dr. Titus Gebel, Unternehmer, Mitgründer der Deutschen Rohstoff AG, Gründer der Initiative „Free Private Cities„.

Die Bürger in Deutschland sollen Elektroautos kaufen, nicht mehr rauchen, weniger Fleisch essen, sich Zuwanderern anpassen, die richtigen Parteien wählen, Heterosexualität als soziales Konstrukt begreifen, sie sollen Angst vor Klima, Atom und Fracking haben, keinesfalls aber vor Islamisierung und Masseneinwanderung, gegen Rassismus und Sexismus sein, ausgenommen dieser richtet sich gegen alte weiße Männer. Sie sollen sich pünktlich bei der örtlichen Einwohnerbehörde melden, keine Waffen besitzen, ihre Kinder zu kapitalismuskritischen, ökologisch korrekten Genderwesen erziehen lassen, energieeffizient bauen, fein säuberlich den Müll trennen und, zu guter Letzt, abweichende Meinungen ordnungsgemäß denunzieren.

Im Gegenzug erklären Regierungsmitglieder, es gäbe kein Grundrecht auf Sicherheit und man müsse das Zusammenleben täglich neu aushandeln. Orientalische Großclans beherrschen die kriminelle Szene in vielen Großstädten, selbst Intensivtäter werden nicht abgeschoben. Die Beeinflussung und Bedrohung von Zeugen, Polizisten, sogar von Richtern ist nichts Ungewöhnliches mehr. Einbruch, Diebstahl, Straßenraub, Körperverletzung, sexuelle Nötigung werden oft gar nicht mehr verfolgt bzw. die Ermittlungen gleich eingestellt oder mit Kleinstrafen auf Bewährung belegt. Der Gebrauch der Meinungsfreiheit wird als „Volksverhetzung“ dagegen immer öfter mit Haftstrafen über einem Jahr und ohne Bewährung geahndet. Selbst für das Nichtzahlen von Fernsehgebühren sollen Menschen eingesperrt werden. Und wehe, einer begleicht seine Steuern nicht.

Weitreichende Entscheidungen, wie der Ausstieg aus der Kernenergie, die Haftung für Schulden anderer EU-Staaten, die bedingungslose Öffnung der Grenzen für Zuwanderer, werden ohne Beteiligung des Parlaments und entgegen der bestehenden Rechtslage von der Regierung einfach verfügt. Dem Fiskus nachteilige Gerichtsurteile werden per „Nichtanwendungserlass“ ausgehebelt. Die vormoderne, absolutistische Lehre des Islam soll jetzt zu Deutschland gehören, daher gelten gesetzliche Verbote von Vielehen, von Kinderehen, von Körperverletzung (Beschneidung Minderjähriger) oder von Tierquälerei (betäubungsloses Schächten) faktisch nicht für die Anhänger dieser Lehre.

Dafür ist Deutschland heute weltweit in der Spitzengruppe der höchsten Steuer – und Abgabenquoten und der höchsten Stromkosten. Es hat eine Verschuldung von 2000 Milliarden Euro, aber das geringste private Haushaltsvermögen aller Euro-Länder, einen der prozentual geringsten Rentenansprüche innerhalb der EU und ist derzeit Schauplatz einer bewusst herbeigeführten Masseneinwanderung in die Sozialsysteme, deren Kosten sich nach Regierungsangaben auf 100 Milliarden EUR allein für die nächsten fünf Jahre belaufen werden.

Wie konnte es soweit kommen? Wenn wir diese Frage ernsthaft beantworten und Lösungsansätze finden möchten, müssen wir bereit sein, auch langjährige Überzeugungen infrage zu stellen. Denn ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen westlichen Staaten zu beobachten. Bereits das spricht dagegen, dass es hier lediglich um personenbezogene Probleme geht, die mit Abwahl und Austausch der Regierung gelöst werden können.

Meine diesbezüglichen Erkenntnisse werden Ihnen vermutlich nicht gefallen. Sie könnten sogar mentale Schmerzen bereiten. Die gute Nachricht: auch wenn sie die ersten fünf Schlussfolgerungen ablehnen und nur den sechsten Schmerz annehmen, reicht das für eine Lösung.

Erster Schmerz: Es gibt kein objektives Gemeinwohl

Nun sind allenthalben im Westen politische Gegenbewegungen entstanden, die zumindest einige der genannten Fehlentwicklungen rückgängig machen wollen. Aber selbst, wenn dies tatsächlich geschieht und ein echter Politikwechsel herbeigeführt wird, stellt sich doch die Frage, ob dadurch nicht nur ein Bevormundungssystem durch das nächste ersetzt wird. Dazu ein eher banales, aber anschauliches Beispiel: vom Parteitag der AfD wurde berichtet, dass die Vorsitzende Petry sich damit durchsetzen konnte, Subventionen für die von ihr geschätzten städtischen Orchester ins Programm aufzunehmen, da diese ein bedeutendes Kulturgut darstellten. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass 95 % der Menschen, die nie solche Konzerte besuchen, den anderen 5 % ihr Kulturvergnügen finanzieren müssen. Und zwar, weil Frau Petry das gut findet.

Damit kommen wir einem Grundproblem auf die Schliche, das auch dadurch nicht gelöst wird, dass demokratisch entschieden wird. Es beginnt mit scheinbar harmlosen Dingen wie den Kultursubventionen und endet damit, dass vorgeschrieben wird, was der Einzelne zu essen hat, welche Meinung er haben darf und wie er seine Kinder erziehen lassen muss.

Begründet wird das eine wie das andere mit Gerechtigkeits- und Gemeinwohlgedanken. Diese Begriffe suggerieren objektive Werte, die es aber so nicht gibt.

Denn die Menschen sind verschieden, haben verschiedene Wertvorstellungen und auch verschiedene Lebenssituationen. Was ist mit einem Rockmusiker, der mit seinen Kompositionen die zeitgenössische Musikkultur voran gebracht, aber den Zenit seiner Popularität überschritten hat? Warum sollten seine Konzerte nicht ebenso staatlich bezuschusst werden?

Oder: Ein staatlich verordneter Mindestlohn soll dem Wohl der Geringverdiener dienen, verursacht unter diesen aber eine höhere Arbeitslosigkeit. Entspricht dann nicht der Verzicht auf Mindestlöhne eher dem Gemeinwohl?

Oder: Die Kernenergie ist eine saubere und preiswerte Energieform. Entspricht es mithin nicht dem Gemeinwohl, die Kernenergie zuzulassen, anstelle diese aufgrund der Angst vor Unfällen zu verbieten?

Die Antwort hängt wie so oft vom Standpunkt des Betrachters ab. Allerdings ist das der Fall in sämtlichen Bereichen, in denen das sogenannte Gemeinwohl bemüht wird.

Erste schmerzhafte Erkenntnis: Ein objektivierbares Gemeinwohl oder objektive Gerechtigkeit gibt es nicht, wenn wir akzeptieren, dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben und damit unterschiedliche Moralvorstellungen und Werte zulässig sind.

Zweiter Schmerz: Der Sozialstaat ist ein Irrweg

Der Sozialstaat gilt vielen als unverzichtbare Errungenschaft moderner Staaten. Er soll Lebensrisiken wie Hunger, Krankheit und Armut absichern und jedem ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Diese Ziele sind ehrenhaft und nicht zu beanstanden. Der Sozialstaat ist aber kein geeignetes Vehikel dazu. Er führt in den Ruin, entmündigt und verursacht unsoziales Verhalten. Im Ergebnis verschlimmert er die Zustände, die er bekämpfen will. Denn der Sozialstaat weist mehrere Konstruktionsfehler auf. Die wesentliche funktionelle Unzulänglichkeit ist dabei die systematische Setzung von Fehlanreizen. Sowohl die Politik, als auch die Verwaltung, als auch die Leistungsempfänger sehen sich massiven Anreizen ausgesetzt, das System zum eigenen Vorteil auszunutzen. Der Sozialstaat unterliegt damit ebenfalls der Tragik der Allmende.

Die im Sozialstaat allgegenwärtige Forderung gesellschaftlicher Gruppen nach Umverteilung steht darüber hinaus der Aufforderung zu einer Straftat gleich. Denn Umverteilung ist nur möglich, indem man Menschen die Früchte ihrer Arbeit wegnimmt. Die Folge sind nie endende Verteilungskämpfe, sozialer Unfriede und Missgunst. Es gibt keinen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, der zwei Menschen erlaubt, einen Dritten zu enteignen. Auch persönliches Pech oder Unvermögen begründen nicht das Privileg, andere auszubeuten.

Verteidiger des Sozialstaats werden einwenden, dass „Solidarität“ und „soziale Gerechtigkeit“ anders nicht hergestellt werden könnten. Aber unter Androhung von Gewalt erzwungene Solidarität ist keine. „Soziale Gerechtigkeit“ ist ein undefinierbarer Kampfbegriff und hängt stets vom Standpunkt des Betrachters ab, siehe Erster Schmerz. Was qualifiziert einen Menschen, auf Kosten eines anderen zu leben und wer ist der Richter, der darüber befindet?

Zweite schmerzhafte Erkenntnis: Der Sozialstaat ist ein Irrweg. Es gibt kein Recht, auf Kosten Anderer zu leben. Ein wie auch immer legitimiertes System, welches per Gesetz Enteignungen zugunsten Dritter vorsieht, kann auf Dauer weder ein friedliches, noch ein berechenbares Miteinander schaffen.

Dritter Schmerz: Demokratie ist nicht das Ende der Geschichte

Demokratie gilt den meisten als nicht hinterfragbare, erstrebenswerte politische Ordnung. Aber bereits Aristoteles erkannte, dass Demokratien im Laufe der Zeit stets zu Despotien degenerieren. Wenn wir uns weiter entwickeln wollen, müssen wir also auch die Demokratie kritisch prüfen.

Das Grundproblem der Demokratie ist die Entkoppelung von Macht und Verantwortung. Das gilt für die parlamentarische wie die direkte Demokratie. Wer als demokratisch gewählter Amtsträger keinerlei Nachteil erleidet, wenn er verheerende Entscheidungen trifft, außer dass er – unter Beibehaltung aller Pensionsansprüche – abgewählt wird, hat keinen Anreiz, langfristig vernünftige Entscheidungen zu treffen. Er hat aber allen Anreiz, Wählerstimmen auf Kosten des Steuerzahlers zu kaufen.

Und jeder einzelne kann -ohne jegliche Haftung- per Volksabstimmung für eine dumme Idee votieren, die andere Milliarden kostet, auch die Menschen, die dagegen gestimmt haben.

Die negativen Auswirkungen dieser Entkoppelung von Macht und Verantwortung sind auch der Hauptgrund, warum es keine demokratisch geführten Unternehmen gibt. Es würde immer im Ruin enden. Warum?

Die Konditionierung des Menschen nach dem Minimalprinzip, das heißt dem Bestreben, möglichst viel zu erhalten für möglichst geringen Einsatz, ist einerseits evolutionär vernünftig. Sie hat dafür gesorgt, dass wir stets nach Hilfsmitteln und Methoden Ausschau gehalten haben, um mit weniger Anstrengung mehr Ertrag zu erhalten. Trifft diese Disposition nun auf politische Macht, ergibt sich in der Demokratie ein Problem: Die Politik kann aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols den Wählern Zuwendungen versprechen, welche diese scheinbar nichts kosten. Aus deren Sicht stellt sich dies vorteilhaft dar: keine Anstrengung, trotzdem Ertrag = gutes Geschäft. Darunter fallen nicht nur offensichtliche Wählerbestechungen wie die Gewährung von Kindergeld oder freier Heilfürsorge, demnächst das bedingungslose Grundeinkommen, sondern auch gesetzliche Regelungen, die eine Interessengruppe wünscht, z.B. das Verbot der Kündigung des Arbeitsplatzes.

Alle kurzfristigen Vorteile, Zeitgeistmoden, gegenleistungslose Versprechen und dergleichen „Gratis“- Angebote der Politik werden von der Mehrheit nachgefragt. Natürlich muss am Ende irgendjemand dafür bezahlen, aber eine der wichtigsten „Leistungen“ von Politik besteht gerade darin, solche Zusammenhänge zu verschleiern. In der Theorie kann man dieses Problem mittels Einsatzes der Vernunft und Überzeugungsarbeit bewältigen, in der Praxis ist das Minimalprinzip stärker. Politiker, die Leistungskürzungen befürworten, werden über kurz oder lang abgewählt.

Nach und nach finden immer mehr gesellschaftliche Gruppen heraus, wie man die Macht des Staates für eigene Zwecke einsetzt. Der Staat – nicht wirtschaftliche Aktivität- wird die Hauptquelle zur Erhöhung des Lebensstandards. Immer weniger Menschen sind im produktiven Sektor tätig. Verteilungskämpfe werden intensiver. Dem Staat geht schließlich das Geld aus. Die daraus resultierende Krise führt zu Radikalreformen oder gar Systemwechseln. Das Spiel beginnt von vorn.

In Deutschland sind es derzeit von 82 Millionen Einwohnern noch etwa 15 Millionen, welche echte Wertschöpfung betreiben, also nicht direkt oder indirekt vom Staat finanziert werden. Bei circa 60 Millionen Wahlberechtigten wird klar, dass diese Gruppe selbst dann, wenn sie geschlossen abstimmen würde, die Regierungsbildung nicht mehr entscheidend beeinflussen kann.

Dritte schmerzhafte Erkenntnis: Es kommt in der Demokratie immer zur Systemkrise, wenn der Staat sein Gewaltmonopol benutzt, um politische Ziele zu verfolgen, die über den Schutz von Leib, Leben und Eigentum seiner Bürger hinausgehen. Leider wird genau dieses Verhalten von der demokratischen Mehrheit nachgefragt.

Vierter Schmerz: Politik ist Teil des Problems

Das staatliche Gewaltmonopol schafft einen Ordnungsrahmen, innerhalb dessen der Mensch sozial interagieren und friedlich Leistungen und Güter tauschen kann. Das Bestehen von Sicherheit und festen Regeln macht es möglich, dass Menschen in großer Zahl mit- und nebeneinander leben können. Das funktioniert gut, soweit sich der Staat auf die Sicherung von Leib, Leben und Eigentum der Bürger beschränkt und sich im Übrigen heraushält.

Das ist keine neue Erkenntnis, sie findet sich bereits bei den Denkern John Locke, bei Wilhelm von Humboldt oder Ludwig von Mises. Oder auch bei Ludwig Erhardt, demzufolge die Probleme beginnen, wenn der Staat aufhört, Schiedsrichter zu sein und anfängt selber mitzuspielen. Freilich wird diese Erkenntnis regelmäßig missachtet, weil es so attraktiv ist, seine Probleme von der Politik lösen zu lassen.

Aber Politik bedeutet letztlich, seine Sicht der Welt allen anderen aufzuzwingen. Doch die Menschen sind verschieden. Was für den einen richtig ist kann für den anderen falsch sein. Subjektiv unterschiedliche Wertvorstellungen und objektiv andere Lebenssituationen bewirken, dass jede „politische Lösung“ von Sachverhalten Menschen zurücklässt, die gegen ihren Willen zu etwas gezwungen wurden. Politik zu treiben, heißt Partei zu ergreifen und die Wünsche einiger zum Maßstab für alle zu erheben, und zwar, das darf man nicht vergessen, notfalls mit Gewalt.

Das geht soweit, dass heutzutage Oppositionelle sogar gegen sie selbst gerichtete Propaganda in Medien, Schulen und Universitäten über Steuern und Zwangsabgaben mitfinanzieren müssen. Politik bedeutet immer, dass einige Bürger mit Hilfe des Staates Zwang auf andere Bürger ausüben. Wenn ein Staat aber anfängt, Politik zu machen, also Ziele zu verfolgen, die nicht von allen gebilligt werden, dann missbraucht er sein Gewaltmonopol, das ihm die Bürger eingeräumt haben, um in Frieden zu leben.

Vierte schmerzhafte Erkenntnis: Politik ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Es reicht nicht, das Personal auszutauschen. Die einzige Abhilfe ist, die Politik umfassend zu entmachten.

Fünfter Schmerz: Die Soziale Marktwirtschaft ist gescheitert

Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft gehen davon aus, dass der Staat im Grundsatz freie Märkte zulassen solle. Er solle aber in das Marktgeschehen eingreife, wann immer der Markt Ergebnisse hervorbringe, die „sozial unerwünscht“ seien. Was aber ist „sozial unerwünscht“? Das entscheidet natürlich die Regierung. Die Befürworter der Sozialen Marktwirtschaft geben also der Regierung einen Freifahrtschein, jegliche Ergebnisse des Marktes nach eigenem Gutdünken zu korrigieren. Denn wenn der Staat das Recht hat zu entscheiden, ob bestimmte wirtschaftliche Gegebenheiten einen Eingriff rechtfertigen oder nicht, dann ist über kurz oder lang kein Handlungsbereich mehr dem Marktgeschehen überlassen. Dann sind es nicht länger die Konsumenten, die bestimmen was produziert wird, in welcher Menge und welcher Qualität, von wem, wo und wie – sondern es ist der Staat. Nach einer gewissen Zeit unterscheidet sich eine „Soziale Marktwirtschaft“ kaum mehr von einer voll regulierten Planwirtschaft.

Bevor ein Produktionsbetrieb in Deutschland sich heute um die Kundenwünsche kümmern kann, muss er zunächst etwa 85.000 Einzelvorschriften in ca. 5.300 Gesetzes- und Verordnungstexten beachten. Nur was dem entspricht, darf produziert werden. Und auch wer und zu welchen Kriterien eingestellt werden darf, bestimmt zunehmend der Staat. Die Folgen sind dieselben wie in einer Planwirtschaft: Produkte werden teurer, schlechter und knapper. Denken Sie nur an das Gesundheitssystem, die Bildung oder die Strompreise.

Fünfte schmerzhafte Erkenntnis: Es gibt keinen dritten Weg zwischen Markt- und Planwirtschaft, auch nicht die Soziale Marktwirtschaft. Es gibt immer nur „Markt oder Befehl“ (Roland Baader).

Sechster Schmerz: Wir müssen Systeme zulassen, die uns nicht gefallen

Wenn es aber so unterschiedliche Wert- und Moralvorstellungen und unterschiedliche Lebenssituationen gibt, kann es dann ein für alle ideales Gemeinwesen überhaupt geben? Vermutlich nicht. Aber vielleicht ermöglichen politikfreie Gemeinwesen zumindest einer Vielzahl von Menschen, in Frieden und Freiheit nach ihren persönlichen Überzeugungen zu leben. Die anderen mögen autoritäre Systeme bevorzugen oder alles so lassen wie es ist.

Vernunft und Erfahrungswissen, wie die aufgeführten schmerzhaften Erkenntnisse, sind eine gute Basis für die Gestaltung eines Gemeinwesens. Aber am Ende zählen Versuch und Irrtum. Die Wirklichkeit ist zu komplex, um am Schreibtisch ein perfektes Produkt zu entwerfen. Doch die aktuellen Angebote sind unbefriedigend.

Was besser funktioniert können wir aber nur herausfinden, wenn wir Alternativen wie etwa Freie Privatstädte zulassen. Und zwar auf freiwilliger Basis. Denn auf eines sollten wir uns aufgrund der Erfahrungen mit den Menschenexperimenten der letzten 100 Jahre verständigen: Niemand soll in ein System gezwungen werden, das er nicht will. Aber was spricht dagegen, Versuche mit Freiwilligen zuzulassen, außer dass wir glauben, es besser zu wissen und andere bevormunden wollen?

Sechste schmerzhafte Erkenntnis: Es gibt vermutlich kein ideales Gemeinwesen, aber besser funktionierende Varianten können wir nur durch Versuch und Irrtum herausfinden. Dazu müssen wir freiwillige Alternativen zulassen, auch wenn diese dem widersprechen, was wir für gut und richtig halten.

Erstmals veröffentlicht beim Deutschen Arbeitgeber Verband.

Photo: futurestreet from Flickr (CC BY 2.0)

Von Gottfried Heller, Vermögensverwalter und Autor des Buches „Der einfache Weg zum Wohlstand„.

Angela Merkel ist sauer. Mal wieder. Hat es doch der DGB gewagt, so kurz vor der Bundestagswahl auf die Krise der Rentenversicherung aufmerksam zu machen. Das befördere, klagte die Kanzlerin, ohne Not die Angst vor Altersarmut. Und  das nutze der AfD. Mit diesem Totschlagargument kann sie aber nicht jedes Problem unter den Teppich kehren. Vor allem dann nicht, wenn es so himmelschreiend ist wie bei der Altersvorsorge.

Die Kanzlerin hätte nur ihre Sozialministerin Andrea Nahles fragen müssen. Die hatte Ende September alarmierende Ergebnisse vorgestellt: Wenn alles bleibt wie es ist, wird das gesetzliche Rentenniveau von 47,8%bis 2030 auf 44% und bis 2045 auf 41,6% fallen. 2001 waren es noch 52,6% des Durchschnittslohns. Trotzdem von drohender Altersarmut keine Spur, meint Merkel. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.

Dabei sind die neuen Zahlen von der Tendenz her längst bekannt. 2012 hatte die damalige Sozialministerin von der Leyen vorgerechnet, 2030 müssten Arbeitnehmer, die weniger als 2500 Euro verdienen, „mit dem Tag des Renteneintritts den Gang zum Sozialamt“ antreten. Dabei fangen die Probleme ab 2030 erst richtig an, weil dann die geburtenstärksten Jahrgänge in Rente gehen.

Aber statt überfällige Reformen –auch schmerzhafte – durchzuführen, die von Schwarz-Rot mit 80% Stimmenmehrheit leicht umsetzbar gewesen wären, hat Kanzlerin Merkel die Chance leichtfertig vertan und das Thema „Rente“ in der Schublade versenkt. Mit ihrem üblichen Aussitzen hat sie wertvolle Zeit vergeudet, Zeit, die eine Reform der Alterssicherung nicht hat. Stattdessen verteilte die „GroKo“ mit abschlagfreier Rente mit 63 und Mütterrente neue Wohltaten, die bis 2030 zusätzlich 130 Milliarden Euro kosten.

Falls Frau Nahles in ihrem für November angekündigten neuen Rentenkonzept die Forderung ihres Parteichefs Sigmar Gabriel und des DGB erfüllt, das Rentenniveau auf dem jetzigen Stand einzufrieren, wird alles noch viel teurer – 2030 entstünden Mehrkosten von jährlich 19 Milliarden Euro und 2045 von sage und schreibe 40 Milliarden Euro. Finanziert werden müsste das mit einem Sprung des Beitragssatzes von 18,7% auf 26,4%. Nahles hat die Schleusen schon geöffnet und erklärt, die Beiträge blieben „nicht bei den 22% stehen“, die als Höchstgrenze bis 2030 festgeschrieben sind.

Wie man es dreht und wendet, die Regierung hat nur drei Stellschrauben: die Rentenhöhe, den Beitragssatz und das Renteneintrittsalter. Mal ist die Lösung zu teuer, mal menschlich nicht zumutbar oder ideologisch nicht akzeptabel. Die Rechenakrobaten im Sozialministerium mühen sich vergeblich: Der frühere SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering hat es auf den Punkt gebracht: „Weniger Kinder, später in den Beruf, früher raus, länger leben, länger Rente beziehen: Wenn man das nebeneinander legt, muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Das kann nicht gehen!“ Recht hat er, der Sauerländer Müntefering. Er wollte bildhaft klarmachen, dass ein späterer Rentenbeginn und Abstriche bei der Rentenhöhe unvermeidbar sind. Nahles und Merkel hätten wohl Volksschule Sauerland nicht geschafft. Aber für die Bundesregierung hat es allemal gereicht.

Um wachsende Altersarmut zu vermeiden, muss schnellstens eine Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge erfolgen. Das hat die Koalition zwar vor – aber mit den Mitteln, die schon in der Vergangenheit versagt haben, nämlich solchen, die auf Lebensversicherungen basieren. Die setzen  fast nur auf Zinsanlagen und verzichten weitgehend auf Aktien. Ausgerechnet  die langfristig ertragreichste Anlageform wird mit 4 % Anteil sträflich vernachlässigt.

Die heftig gescholtene Riester-Rente, die betrieblichen Pensionskassen und neue Lebensversicherungsverträge werfen deswegen lächerliche Renditen ab. Mit deutscher Gründlichkeit, mit Regulierungswut, teuren Garantieversprechen, Risikoscheu und Aktienfeindlichkeit ist das System der Altersvorsorge deshalb zur Zeitbombe geworden.

Schon in biblischen Zeiten gab es eine Regel, wie das Vermögen am besten aufzuteilen sei: Ein Drittel im Beutel, ein Drittel in Häusern, ein Drittel in Geschäften. Übersetzt heißt das: Ein Drittel in Festgeld und Festverzinslichen, ein Drittel in Immobilien und ein Drittel in Aktien. Die Deutschen dagegen sind in Geschäften – also Aktien mit 8 % Anteil am Gesamtvermögen – total unterinvestiert. Wollten sie bibeltreu anlegen, müssten sie den Aktienanteil vervierfachen. Das würde sich lohnen.

Aktien sind langfristig die mit Abstand ertragreichste Anlageform. Einschließlich wieder angelegten Dividenden betrugen die durchschnittlichen jährlichen Renditen in den 45 Jahren bis 2015 an den wichtigsten Börsen 10 bis 11 Prozent. Davon können die von Albträumen geplagten Zinssparer nur träumen.

Für die private und betriebliche Altersvorsorge ist deshalb ein viel höherer Aktienanteil unverzichtbar. Anstatt aber das Rad neu zu erfinden, würde ein Blick ins Ausland helfen, um bewährte Lösungen zu finden und zu übernehmen.

In der Schweiz können Einzahlungen in die „gebundene Vorsorge“ bis zu bestimmten Höchstbeträgen vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden, und die Kapitalzuwächse bei Aktien, Anleihen, Fonds, etc. sind in der Ansparphase steuerfrei. Der Maximalbetrag beläuft sich 2016 bei Personen ohne betriebliche Vorsorge auf 20% des Nettoeinkommens, maximal umgerechnet rund

31 000 Euro, bei Personen mit beruflicher Vorsorge – die in der Schweiz üblich ist – auf gut 6200 Euro. Nach der Auszahlung werden die Erträge  zu vergünstigten Sätzen besteuert.

In Frankreich gibt es den Aktiensparplan PEA (Plan d Épargne en Actions), in den Jeder bis zu 150 000 Euro in Aktien, Fonds und Zinsanlagen investieren kann. Voraussetzung: 75 % der Aktien sind von Unternehmen aus der EU. Die Erträge sind steuerfrei, ab fünf Jahren  Haltedauer auch die Kursgewinne. 2014hat die Regierung zusätzlich einen PEA für kleine und mittlere Unternehmen eingerichtet, in den weitere 75 000 Euro angespart werden können. Ein Ehepaar kann zusammen also bis zu 450 000 Euro in renditestarken Aktien und Fonds investieren. Im Vergleich dazu sind die Riester-Höchstbeträge ein Witz.

Die USA sind ein Musterbeispiel betrieblicher und privater Altersvorsorge. Da dort die Beitragssätze zur Rentenversicherung mit 12,4 % um 6,3 Prozentpunkte niedriger sind als in Deutschland – und seit über 30 Jahren unverändert – haben Arbeitnehmer netto mehr von ihren Löhnen übrig, und Unternehmen müssen weniger einzahlen. Dieses „eingesparte“ Geld fließt seit 1978 vielfach in die betriebliche Vorsorge, die mit dem 401(k) Plan eine rentable und flexible Lösung bietet. Viele Arbeitgeber beteiligen sich mit 50 bis 100% an den Beiträgen. Die Arbeitnehmer können bis zu 18 000 Dollar (2016) jährlich einzahlen, über 60-jährige zusätzlich 6000 Dollar. Die Beiträge fließen überwiegend in Aktien- und gemischte Fonds, bei denen die Anlagestrategie auf das erwartete Rentenalter abgestimmt wird. Sie sind für Arbeitnehmer steuerfrei, der Arbeitgeber kann seinen Anteil als Betriebsausgaben absetzen. Zusätzlich gibt es den Roth-IRA, mit dem aus versteuertem Einkommen Vorsorgevermögen bis zu jährlich 5500 Dollar gebildet werden kann. Kapitalwachstum, Dividenden und Zinsen sind nach fünf Jahren steuerfrei.

Die unkomplizierte, flexible und renditestarke Art der Altersvorsorge bewirkt, dass US-Bürger kurz vor Renteneintritt im Durchschnitt 360 000 Dollar auf ihren Vorsorge-Konten angespart haben.  Die Amerikaner besitzen laut dem Allianz Global Wealth Report über 202 000 Euro Durchschnittsvermögen, die Deutschen mit 68 000 Euro nur ein Drittel davon. Deutschland ist in der Industrie Weltklasse, bei Vermögensbildung und Altersvorsorge Provinzklasse. Das lässt sich leicht ändern.

Das Rad in der Altersvorsorge ist andernorts schon erfunden und läuft rund. Unsere überforderten Gesetzesgeber könnten es einfach kostenlos und zollfrei importieren.

 

Photo: ILRI from Flickr (CC BY 2.0)

Von Diego Zuluaga, International Research Fellow am Institute of Economic Affairs und Deputy Director von EPICENTER, einem pan-europäischen Think-Tank-Netzwerk.

Ökonomische Debatten werden oft dargestellt als Wettbewerb zwischen zwei entgegengesetzten Interessensgruppen. Der Sozialismus nach Marx brachte Kapital und Arbeit gegeneinander in Stellung. Manch eine Variation zu dieser Auseinandersetzung ist nach wie vor sehr populär unter Linken in Europa und Nordamerika: reich gegen arm, die ein Prozent gegen die 99 Prozent, die entwickelten Staaten gegen die Entwicklungsländer. Die Protektionisten – 19.Jahrhundert-Merkantilisten oder die jüngere Variante Trump – setzen die Trennlinien zwischen Einheimischen und Ausländern, heimische Produkte und Importen, Handelsüberschüsse und Handelsdefizite.

Beide Erzählungen begreifen Wirtschaft zum Teil oder ganz als Nullsummenspiel. Liberale und Libertäre halten dem entgegen, dass eine solche Analyse grundsätzlich falsch ist. Das Pro-Kopf-Einkommen in Westeuropa, den USA und anderen industrialisierten Staaten hat sich seit 1800 um das 20- bis 30fache gesteigert. Auf anderen Kontinenten dauerte die Entwicklung länger. Dafür ging es in den vergangenen Jahren mit sehr eindrucksvollen Sprüngen nach vorne: In Lateinamerika ist das Einkommen heute vier Mal höher als 1930, in Asien acht Mal höher als 1951. Und dabei muss man bedenken, dass der Durchschnitt gesenkt wird durch humanitäre Katastrophen wie in Nordkorea, im Kambodscha der 70er Jahre und zuletzt in Venezuela.

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Die geschichtliche Entwicklung widerlegt die Vorstellung von Wirtschaft als einem Prozess, in dem der Gewinn des einen der Verlust des anderen sein muss – ob innerhalb einzelner Länder oder zwischen den Ländern. Die oft wiederholte Behauptung, dass die letzten drei Jahrzehnte der Globalisierung den ärmeren Ländern zwar genutzt hätten, dass dies aber auf Kosten der arbeitenden Mittelschicht in den entwickelten Ländern geschehen sei, ist sehr fraglich. Ein Bericht der „Resolution Foundation“ hat sich dieser Frage jüngst angenommen. Häufig wird die Behauptung aufgestellt im Zusammenhang mit der „Elephant Curve“, die von den Weltbank-Ökonomen Christoph Lakner und Branko Milanovic konzipiert wurde. Diese Kurve zeigt, dass von 1988 bis 2008 das Einkommen stagniert für die obersten 80 bis 90 Prozent bei der weltweiten Einkommensverteilung. In der Aufarbeitung der Studie von Lakner und Milanovic haben viele diese Schicht als die Verlierer der Globalisierung ausgemacht: Jene untere Mittelschicht in Europa und Nordamerika, die nun dem Freihandel den Rücken zukehren und Populisten wählen.

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Die Wissenschaftler bei der „Resolution Foundation“ haben festgestellt, dass die Elefantenkurve verschwindet, sobald man die Daten anpasst an das Bevölkerungswachstum in ärmeren Ländern und den demographischen Wandel in reicheren, und wenn man Japan, die postkommunistischen Staaten Osteuropas und das boomende China außen vorlässt. Dann haben wir plötzlich eine bemerkenswert gleichmäßige Verteilung der Einkommensgewinne über das gesamte verbliebene Spektrum hinweg.

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Das Argument der Kluft zwischen Arm und Reich – auf der Ebene der einzelnen Länder ebenso wie global – verliert an Schlagkraft. Einige bemerken nun, dass die tatsächliche Trennung nicht horizontal, sondern vertikal verlaufe. Und zwar zwischen denjenigen, die politischen Einfluss haben, und denjenigen, die ihn nicht haben. Es kann sein, dass diese Trennung mit Einkommensunterschieden korreliert – insbesondere auf lange Sicht, weil diejenigen mit mehr politischem Einfluss diesen benutzen, um Ressourcen umzuverteilen. Vielleicht korrelieren sie aber auch nicht. Es ist keine Trennung entlang der Linien Wohlstand, Kaufkraft oder Eigentum, sondern in Bezug auf Zugang zu rechtlichen Privilegien, Steuergeldern und anderen Erträgen politischer Prozesse.

So haben etwa viele entwickelte Länder Subventionsmechanismen für die Landwirtschaft. Diese werden in der Regel aus Steuergeldern bezahlt. Die Grundlage dieser Umverteilung ist nicht ein Einkommensunterschied zwischen Landwirten und der anderen Bevölkerung. Vielmehr ist sie das Ergebnis vom starken und gut organisierten Einfluss der Landwirtschaft, die sich gegen die diffusen Interessen und geringen Anreize zur Gegenwehr auf Seiten der breiten Bevölkerung durchsetzt. Auf einer ähnlichen Grundlage können sich kartellierte Branchen wie die Taxi- und Pharma-Industrie durchsetzen und ganz grundsätzlich strenge Lizenzvergaben und hohe Mindestlöhne in vielen Bereichen.

Ökonomische Theorien und Wirtschaftsgeschichte zeigen, dass der freie Austausch zu Ergebnissen führt, die für alle Beteiligten von Vorteil sind. Im Gegensatz dazu profitieren durch rechtlich gesicherte Privilegien einzelne Gruppen auf Kosten von anderen. Gezielte Subventionen werden von allen Steuerzahlern getragen, die Gewinne von Monopolisten werden von den Verbrauchern bezahlt und die Kosten von Lizenzierung werden von denen getragen, die deshalb keinen Zugang zum Gewerbe bekommen. Wenn staatliche Privilegien im Spiel sind, fließt kein Freibier.

Über die meiste Zeit im 19. und 20. Jahrhundert trieben staatlich geförderte Privilegien einen Keil zwischen die Privilegierten und die Anderen anhand von speziellen Kriterien wie Beruf, Nationalität, Qualifikation oder familiärer Herkunft: gelernte gegen ungelernte Arbeiter, Bauern gegen Industriearbeiter, organisierte Arbeiterschaft gegen unorganisierte, Einheimische gegen Zuwanderer, heimische Firmen gegen Importeure und so weiter. Inzwischen freilich wird im gesamten Westen die Teilung am deutlichsten entlang der Generationen. Insbesondere die Älteren haben sich eine Reihe an staatlichen Privilegien gesichert – auf Kosten der Jüngeren.

Diese Ungleichheit zwischen den Generationen kommt in vielerlei Gewändern daher. So haben zum Beispiel strenge Bauvorschriften in Großbritannien dazu geführt, dass die Median-Hauspreise inzwischen fünf Mal höher sind als die Median-Einkommen (in London sogar neun Mal höher). Das ist erheblich höher als der Standard in den meisten entwickelten Staaten, wo der Median-Hauspreis bei dem zwei- bis dreifachen liegt. Von den Preissteigerungen profitieren vor allem die Über-50järigen, die bereits gut untergekommen sind. Ihr eigener Wohlstand ist rasch gewachsen, aber sie haben die Mieten enorm steigen lassen, so dass für die Unter-40jährigen wohnen immer teurer wird.

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In der gesamten EU gibt es sehr große Unterschiede in der Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosigkeit. Die Raten von bis zu 50 Prozent in Spanien und Griechenland schaffen es bisweilen in die Schlagzeilen. Doch auch in Frankreich, Polen, Tschechien und Belgien ist die Arbeitslosenquote der Unter-25jährigen drei Mal höher als die allgemeine Quote, in Schweden, Großbritannien und Italien vier Mal höher. Manche Unterschiede mag man durch das langsame Wachstum nach der Krise erklären können – ein großer Teil hat aber strukturelle Ursachen. Es liegt an einem Arbeitsrecht, das Neueinstellungen teuer macht und Entlassungen sehr schwierig. Und es liegt an Mindestlöhnen, die häufig höher sind als die mögliche Produktivität ungelernter Arbeiter. All diese Eigenschaften des europäischen Arbeitsmarktes sprechen gegen die Jungen.

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Schließlich sind da noch die gigantischen Rentenversprechen, die europäische Regierungen gemacht haben. Und das angesichts schrumpfender Bevölkerungszahlen und steigender Lebenserwartung. Eine Untersuchung, die Jagadeesh Gokhale für das Institute of Economic Affairs durchgeführt hat, hat gezeigt, dass diese Verpflichtungen in einigen EU-Staaten das Drei- bis Vierfache des nationalen Einkommens. Wollte man diese Versprechen erfüllen ohne das Renten- und Krankenversicherungssystem radikal umzustrukturieren, so müsste man das Steueraufkommen in den meisten Ländern mehr als verdoppeln oder die öffentlichen Ausgaben drastisch reduzieren.

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Diejenigen von uns, die im Internet-Zeitalter aufwuchsen, müssen für vieles dankbar sein. Der durchschnittliche junge Mensch heute ist wohlhabender, sicherer, gesünder und besser ausgebildet als je zuvor in der Geschichte. Sowohl in den entwickelten Ländern als auch in den meisten Entwicklungsländern. Doch ein Fluch des wachsenden Wohlstands ist das gleichzeitige Wachstum von staatlich gewährten Privilegien, wobei die Bürger mittleren und höheren Alters die größten Nutznießer sind, während die Jüngeren – bisweilen sogar die noch gar nicht Geborenen – die Rechnung präsentiert bekommen. Dieser Trend ist nicht nachhaltig – selbst unter den optimistischsten Prognosen im Blick auf Wirtschaftswachstum und demographische Entwicklung.

Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat Ungleichheit als „die entscheidende Herausforderung unserer Zeit“ bezeichnet. Es kann gut sein, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin das Ende der Globalisierung zum entscheidenden Merkmal seiner oder ihrer Politik machen wird. Dennoch – oder gerade deswegen: während Behauptungen über wachsende Ungleichheit und den Freihandel widerlegt werden, täten Politiker gut daran, ihre Aufmerksamkeit der wachsenden Kluft zwischen Alt und Jung zuzuwenden. Darin liegt wohl die grundlegende unbeantwortete Herausforderung unserer Zeit.

Erstmals veröffentlicht auf dem Blog von Epicenter.