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Photo: Dennis AB from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Matthias Bauer, Senior Economist beim European Centre for International Political Economy (ECIPE), Brüssel. Dr. Bauer ist auch verantwortlich für die sehr ausführliche Analyse „Manufacturing Discontent – The Rise to Power of Anti-TTIP-Groups„.

Ein Wesensmerkmal von totalitären Regierungen ist es, dass sie das Denken von Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen. Erfolgreich sind sie am ehesten, wenn nicht nur möglichst viele Menschen anfangen, an die Positionen und Ziele dieser Regierungen zu glauben, sondern sich tiefgreifend und auf Dauer mit ihnen identifizieren. Donald Trump ist sicher kein mustergültiger Autokrat. Der Wahlkampf und die ersten Regierungstage des jüngst vereidigten US-Präsidenten zeigen indessen unübersehbare Züge eines Kommunikationsverhaltens, das man am ehesten bei autokratischen Machthabern und Klientelpolitkern vermuten würde, die in aller Regel nicht das Gemeinwohl im Blickfeld haben.

Man muss kein Experte für politische Kommunikation sein, um in der Arte und Weise, wie Trump mit Fakten und der Vereinfachung von komplexen Sachverhalten umgeht, Ähnlichkeiten zur (deutschen) Anti-TTIP-Bewegung zu erkennen. Mit anmaßender Zweifellosigkeit, katastrophischen Gedanken, Gruppendenken (WIR!), der bewussten Unterschlagung von Fakten und dem Heraufbeschwören von Misstrauen und Neid gegenüber ausgemachten Feinden der Gesellschaft kämpfen beide effektiv für dieselben Ziele: Wirtschaftliche Abschottung und die Rückbesinnung auf das Nationale.

Würde die Freiheitsstatue fühlen können, es würde ihr die Tränen in die Augen treiben. Würde sie sprechen können, hätte sie sich angesichts der Missachtung ordnungspolitischer Prinzipien durch die Politik vergangener Jahrzehnte – denn daraus ziehen diese und andere nationalistische Bewegungen ihren Erfolg – mahnend zu Wort gemeldet.

Über jeden Zweifel erhaben: Gehasst wird stets ungenau

In ihrem Buch „Gegen den Hass“ fragt die Autorin Carolin Emcke, ob sie hassende Menschen beneiden sollte. Schließlich sei Hass ein Phänomen, das absoluter Gewissheit bedürfe, ein Gefühl, das ohne genaues Hinsehen auskomme. In diesem Lichte betrachtet erscheinen die griffigen Kampagnen-Slogans der Anti-TTIP-Bewegung als Ausdruck eines tiefsitzenden Hasses, der sich gegen die Gesellschaft, so wie sie ist, als Ganzes richtet und der über jeden Zweifel erhaben scheint. Ob die Kampagnenmanager von attac, BUND, Campact, Greenpeace und auch den ihnen verbundenen Parteien diejenigen sind, bei denen der Hass am tiefsten sitzt, lässt sich nicht ohne weiteres attestieren. Nicht zuletzt seit Machiavelli weiß man allerdings, dass man mit der Heraufbeschwörung von Hass gute Geschäfte machen und politische Wahlen beeinflussen kann. Vor allem die an den TTIP-Protesten maßgeblich beteiligten Nichtregierungsorganisationen haben finanziell von der Verbreitung und Heraufbeschwörung griffiger Hass-Metaphern wie „Kapitalismus geht über Leichen“, „TTIP ist böse“, „TTIP ist unfairhandelbar“ und „Stopp TTIP“ profitiert.

Damit richteten sich die pfiffigen Kampagnenmanager vor allem an diejenigen Menschen, die gegenüber Politik, Staat, Gesellschaft – und Amerika – gemeinhin skeptisch bis ablehnend eingestellt und zugleich zugänglich für einfache Wahrheiten sind. Wie in einer Kurzreportage des ARD-Magazins Plusminus vom 14. Dezember 2016 in erschreckender Weise deutlich wird, zielten die von den Kampagnen-NGOs entwickelten Banner und Schlagzeilen ganz bewusst nicht darauf ab, Bürger ausgewogen und evidenzbasiert zu informieren. Richtig aufklären, das wollten sie nie. Und dies eint sie mit der politischen Rechten. Ihre Zwecke, in der Regel Organisationsinteressen (Spenden) oder die Aussicht auf politisches Mandate, scheinen dabei alle Mittel zu heiligen.

Und was macht Donald Trump? Auch in der Rhetorik Donald Trumps und seiner Anhänger wird das Wunderbare, nämlich die sozialen und materiellen Errungenschaften eines international möglichst freien Handels, zum Wundersamen und Ablehnungswürdigen herabgesetzt. Trump fordert nicht nur genau das, was sich linke Parteien und die Kampagnen-NGOs in den Protesten gegen TTIP so groß auf die Fahnen geschrieben haben; mit der Aufkündigung von Handelsabkommen und der Einführung von Zöllen und Strafsteuern für Importeure will er es für die USA nun auch politisch umsetzen. Sozial und national soll es sein. Oder auch umgekehrt.

Die Tatsache, dass sich Trump auf eine politisch dann doch eher diskriminierende Einwanderungspolitik eingeschossen hat, müsste den Spin-Doktoren der Anti-TTIP-Kampagnen-NGOs, noch vielmehr allerdings den leichtgläubigen Unterstützern der Anti-TTIP-Bewegung, zu denken geben. In Trumps „America First“-Vision wird, genauso wie in den Protest-Aktionen gegen TTIP, vieles vermischt. Mit Hasspredigen gegen TTIP und die USA und dem bewussten Diffamieren und Dämonisieren der politischen Gegner (neudeutsch: bullying) haben sie dem Trumpismus auf beiden Seiten des Atlantiks einen fruchtbaren Boden bereitet.

Verbreitung katastrophischer Gedanken und bewusstes Unterschlagen von Fakten

Attac schreibt: „Freihandelsfalle TTIP“. Greenpeace schreibt, es handele sich bei Investitions-Schiedsgerichten per se um eine „Paralleljustiz für Konzerne“. Und die Katholische Arbeiterbewegung sagt in Anlehnung an Papst Franziskus, und ganz im Sinne befreiungstheologischer Rhetorik, „Nein zu einer Wirtschaft die tötet – Nein zum transatlantischen Freihandelsabkommen!“ Kaum jemand in Deutschland hat mittlerweile nicht mitbekommen, dass TTIP einen Angriff auf unsere Demokratie darstellt und US-Konzerne zukünftig unsere Gesetze nicht nur schreiben, sondern diese auch gegen den Willen der Bürger durchsetzen werden. Dies sind die Narrative, die den Bundesbürgern von den Kampagnenorganisationen und deren federführenden Protagonisten seit 2013 mit Kalkül in den Mund gelegt wurden.

Dabei erlebten die Kampagnenmacher nicht nur in den sozialen Online-Medien Facebook und Twitter, wo sich ihre Positionen viral verbreiteten, etliche Sternstunden; sie schafften es auch, deutsche Vereinssäle und Gemeinderäume zu füllen. Etwa 60 Prozent aller zwischen Februar 2015 und Februar 2016 stattfindenden TTIP-Veranstaltungen in Deutschland wurden von erklärten Anti-TTIP-Bündnisorganisationen veranstaltet. Knapp 50 Prozent aller selbsternannten Experten wurden von den Bündnisorganisationen entsendet. Die mit Abstand am häufigsten auftretenden TTIP-Gegner haben indessen so gut wie keinen Bezug zu Unternehmen, geschweige denn Importeuren und Exporteuren. Sie wurden beruflich ausnahmslos in politischen Parteien, staatlichen Institutionen, Gewerkschaften oder sog. Nichtregierungsorganisationen sozialisiert. Gleichwohl sind sie ganz besonders gewiefte Geschäftemacher: Sie leben gut vom Protest gegen das System. Dabei vereinfachen sie, unterschlagen Fakten und gängeln diejenigen, die nicht ihren Meinungen folgen mit dem Ziel ein Meinungsmonopol zu schaffen.

Die Tatsache, dass Donald Trump Menschen aus der Wirtschaft in hohe politische Ämter gehoben hat, gibt Anlass zur Hoffnung, dass mit ihnen ein gemäßigterer Ton in die politischen Debatten der USA eingekehrt. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auch Donald Trump im Rahmen seiner Wahlkampfreden und -tiraden die amerikanische Gesellschaft bewusst tief gespalten hat. Auch er hat mit griffigen Metaphern komplexe wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge berechnend vereinfacht. Auch er hat berechnend polarisiert, diffamiert und die Sorgen, Nöte und Vorbehalte vieler Bürger in festsitzende Ressentiments im Sinne neidisch-feindseligen Denkens gekehrt.

Die Antworten einer gemäßigten, gemeinwohlorientierten Politik sind die Antworten des Ordoliberalismus 

Auch wenn Donald Trump und die Strippenzieher hinter den Anti-TTIP-Protesten zur Wirklichkeitsillusion neigen, trafen sie innerhalb breiter Teile der Bevölkerungen doch einen Nerv. Den Grundstein für den Erfolg beider Bewegungen – zu denen man auch die Pro-Brexit-Kampagnenbewegung ins Verhältnis setzen kann – haben in der Vergangenheit jedoch andere gelegt, nämlich diejenigen Politiker, die sich naiv von ordnungspolitischen Prinzipien abgewendet und somit das Vertrauen vieler Bürger in Staat und Politik leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben.

Die Kampagnen gegen TTIP (oder für den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union) waren nur deshalb so erfolgreich, weil durch die Europapolitik der vergangenen Jahre gewaltige Umverteilungsmechanismen in Gang gesetzt und zugleich Regelbindung und Rechtsstaatlichkeit nach wie vor systematisch missachtet werden. Auch in den USA scheint der schon lange schwelende Konflikt zwischen staatlich verordneter Solidarität und Eigenverantwortung – aus europäischer Perspektive zugegebenermaßen einigermaßen schwer nachzuvollziehen – eine treibende Kraft gewesen zu sein.

Für Europa lassen sich die Umverteilungs- und Rechtsstaatsprobleme exemplarisch an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, der Nichtbeachtung der immer wieder aufgeweichten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie gegenwärtigen politischen Bestrebungen, eine europäische Arbeitslosenversicherung oder eine europäische Einlagensicherung zu schaffen, festmachen. Auch wenn jedes dieser Problemfelder gesondert betrachtet werden muss: Individualpsychologisch geht damit die Wahrnehmung einher, man verliere die Kontrolle über das eigene Leben, sein Eigentum und würde von den „Elitären“ geschröpft, reglementiert und systematisch über den Tisch gezogen.

Um es mit den Worten Goethes zu sagen: Solange es die Politik versäumt, Gesetze zu verabschieden, in denen Eigenverantwortung, Subsidiarität und die Durchsetzung von Regeln Vorrang gegenüber ausufernden und faktisch unkontrollierbaren Umverteilungsmechanismen haben, werden die ideologischen Skizzisten, die immer nur entwerfen ohne etwas fertig zu machen, und die Punktierer, die das Große und Ganze aus den Augen verlieren, auch zukünftig in breiten Teilen der Bevölkerung (unvernünftige) Leidenschaften heraufbeschwören können. Den politischen Neblern, die das Ahnungsvolle bevorzugen, muss prinzipiengeleitet entgegengetreten werden, um die Säulen, auf denen unsere freiheitliche und pluralistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aufbaut, vor Erosion zu bewahren. Die dauerhafte Orientierung an ordoliberalen Prinzipien würde der Gefährlichkeit politisch linker und rechter Ideen dauerhaft die Gefahr nehmen.

Photo: Daniel Oines from Flickr (CC BY 2.0)

Sorge treibt in diesen Tagen die deutsche Automobilindustrie um über die wirtschaftliche Entwicklung auf der Welt. Ihr Präsident Matthias Wissmann hat sich jetzt in einem bemerkenswerten Interview in der FAZ „tief besorgt wegen der protektionistischen Tendenzen“ nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Großbritannien gezeigt. Es ist gut, wenn die heimische Industrie und ihre Verbandsvertreter für Freihandel in der Welt eintreten. Nicht nur, weil sie davon profitieren, sondern auch, weil es guter Wirtschaftspolitik entspricht, wenn der Handel nicht nur im Inland möglichst ungehindert stattfinden kann, sondern auch grenzüberschreitend. Der Kunde soll entscheiden, ob er sich lieber einen Toyota, einen Mercedes, einen Chevrolet oder einen Fiat kaufen will. Wenn ein Land diese Entscheidung durch Einfuhrzölle beeinflusst, dann ist das nicht nur für den Kunden schlecht, der plötzlich mehr für dieses Auto bezahlen muss, sondern es nimmt auch der heimischen Industrie den fortwährenden Anpassungsdruck und macht sie träge und satt.

Schon heute ist es unverständlich, dass Autoimporte aus Amerika in der Europäischen Union mit einem zehnprozentigen Einfuhrzoll belegt werden. Begründet wird das damit, dass auch europäische Hersteller in den USA Einfuhrzölle bezahlen müssen (freilich einen niedrigeren!). Doch das ist eine falsche Sichtweise. Einfuhrzölle der EU schaden direkt den Bürgern in der EU. Sie schaden den Bürgern in den USA nur mittelbar, wenn sie bei dem dortigen Unternehmen arbeiten oder Aktien halten. Doch in der EU sind alle Bürger betroffen. Ihr Angebot am Markt ist unmittelbar verzerrt. Auf bestimmte Waren wird faktisch eine Sondersteuer erhoben, um sie unattraktiver gegenüber anderen zu machen. Das beschränkt und beeinflusst das Angebot für alle Bürger.

Letztlich kassiert die EU von den Bürgern ohne sachlichen Grund ab. Das ist nicht unerheblich. Sämtliche Zolleinnahmen gehen als sogenannte „Eigenmittel“ in den Haushalt der EU. Allein aus dem Warenverkehr mit den USA kassiert die EU so 3 Milliarden Euro von amerikanischen Unternehmen bzw. den europäischen Verbrauchern.

Was Wissmann der Trump-Administration vorwirft, formuliert er in der exakt selben protektionistischen Stimmlage in Richtung London. Einen unbeschränkten Zugang von Unternehmen aus Großbritannien in die Europäische Union will er den Briten nicht zugestehen. Sein Bekenntnis zum Freihandel ist daher so glaubwürdig wie das von Donald Trump. So wie Donald Trump seine neu gewonnene Macht gegenüber kleineren Staaten wie Mexiko, Japan und Deutschland ausspielt, so will Wissmann die Macht der EU gegenüber dem kleineren Großbritannien durchsetzen. „Die Autohersteller hätten „auch eine europapolitische und staatspolitische Verantwortung“ lässt er sich zitieren. Und noch deutlicher: „Ein freier Handel mit Großbritannien ist für uns sehr wichtig. Aber noch wichtiger ist für uns Europa als Ganzes, und dass der EU-Binnenmarkt nicht beschädigt wird.“ In Trump-Sprech würde das heißen: „America First!“ Mehr „Verkumpelung“ mit der Politik geht nicht.

Die Automobilindustrie macht einen fundamentalen Fehler. Sie macht sich zum Büttel der Politik. Sie verteidigt ein System, das sie bei anderen kritisiert. Selbst wenn man sich in die Niederungen der Exportbilanz deutscher Unternehmen begibt, kann ein Lobbyverband eigentlich kein Interesse daran haben, für Abschottung zu plädieren. Der Anteil deutschen Exporte in Schwellenländer hat sich in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt und auch in die übrigen Industrieländer außerhalb der EU signifikant erhöht. Und wenn nur der gemeinsame Währungsraum betrachtet wird, dann findet seit der Euro-Einführung 1999 ein ständiger Niedergang der Exportrate in die übrigen 17 Euro-Staaten statt. Aus Eigeninteresse müsste die Automobilindustrie eigentlich für den Abbau von Handelshemmnissen der EU sein.

Nur wer glaubhaft die Idee der Marktwirtschaft vorlebt, kann andere davon überzeugen. Vielleicht sollte sich der ehemalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann am ersten Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard ein Beispiel nehmen. Erhard wäre am kommenden Samstag 120 Jahre alt geworden. An die Adresse des ersten BDI-Präsidenten und heftigen Gegenspieler Erhards, Fritz Berg, Anfang der 1950er Jahre sagte der Wirtschaftsminister: „Es gibt keinen freien Markt ohne freie Preise und freien Wettbewerb. Der Marktpreis ist der einzig faire. Er lässt sich nicht errechnen, weder von Vertretern des Staates noch der Industrie.“

Photo: kees torn from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Viele, die den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl anders vorhergesagt haben, bemühten sich nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten um Relativierung. So schlimm werde es sicherlich nicht kommen, Senat und Repräsentantenhaus würden Trump schon einhegen. Im Wahlkampf würde viel gefordert und erzählt, nachher sei man bestimmt realistischer. Die wenigen Tage Trumps im Amt lassen ganz anderes vermuten. Er macht, was er sagt. Das ist in der Politik schon einmal viel wert. Man erinnert sich noch vage an den Bundestagswahlkampf 2005, als Kanzlerkandidatin Angela Merkel eine Mehrwertsteuererhöhung von maximal zwei Prozentpunkten ankündigte und sie anschließend drei Prozent mit dem Koalitionspartner SPD, der eigentlich gar keine Erhöhung wollte, beschloss.

Vieles wird hierzulande auch übertrieben dargestellt. So ist sein Bekenntnis zu „America first“ kein Paradigmenwechsel. Im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 verschärfte die Obama-Administration 2009 die bereits bestehende „Buy American“-Klausel für das öffentliche Beschaffungswesen. Solange das Angebot des amerikanischen Anbieters nicht 25 Prozent teurer als ein vergleichbares Wettbewerbsangebot ist, muss der amerikanische Anbieter den Zuschlag erhalten. Dieses industriepolitische Vorgehen für die heimische Industrie ist auch nicht auf Amerika beschränkt. Frankreich verband seine Hilfe für die Automobilindustrie in dieser Zeit mit der Forderung, dass keine Werke in Frankreich geschlossen werden dürften.

Doch nur, weil man im Wahlkampf die Wahrheit gesagt hat, heißt das noch lange nicht, dass das, was gesagt wurde, zu begrüßen ist. Es zeigt nur, dass Geschichte sich zuweilen auch wiederholen kann. In der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und -30er Jahren veranlasste die amerikanische Politik, ähnlich zu reagieren wie heute. Nach einem Konjunktureinbruch 1924 ermöglichte die amerikanische Notenbank eine massive Kreditausweitung der Banken, die zu einer Blase an den Finanzmärkten führte, die dann 1929 im Börsencrash ihren Höhepunkt fand. Anschließend senkte die Fed die Notenbankzinsen auf ein historisch niedriges Niveau von zuletzt zwei Prozent und kaufte massiv US-Staatsanleihen auf. Innerhalb eines Jahres stieg deren Bilanz um 350 Prozent. Die Regierung Hoover und das Parlament reagierten mit dem Schutz der heimischen Industrie vor ausländischen Wettbewerbern. Es war das Ende des Freihandels auf der Welt. Der Smoot-Hawley Tariff Act im Juni 1930 führt für über 20 000 Artikel Schutzzölle ein, auf die die betroffenen Staaten mit Gegenmaßnahmen reagierten. Das bereits wiedereinsetzende Wachstum brach jäh zusammen. Der Welthandel schrumpfte. 1938 lag dessen Volumen um 60 Prozent unter dem Wert von 1929.

So weit sind wir noch nicht. Aber die Gefahr besteht wieder. Nach dem letzten Börsencrash 2008 liegt der US-Notenbankzins unter ein Prozent. Die Fed-Bilanz hat sich seitdem um 350 Prozent erhöht und Donald Trump präferiert „Amerika first“. Er will als Macher dastehen wie Herbert Hoover und noch mehr Franklin D. Roosevelt. Bald täglich verkündet er, dass dieses oder jenes Unternehmen seine Standortverlagerung ins Ausland zurückgenommen hat und in den USA investieren will. Für alle anderen droht er mit Schutzzöllen. Er suggeriert damit, er könne Strukturprobleme durch politischen Druck auf die Unternehmen beseitigen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Angenommen, er würde so jeden Tag ein anderes Unternehmen dazu zu bringen, dass tausend Jobs im eigenen Land erhalten bleiben, dann wären es im Jahr dennoch weniger als 400 000. Bei einer arbeitsfähigen Bevölkerung von fast 250 Millionen wären dies 0,16 Prozent und damit nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wie sollte man auf diese Politik als deutsche Regierung reagieren? Sollte man, wie 1930 weltweit geschehen, ebenfalls mit Schutzzöllen für amerikanische Waren antworten? Nein, es würde wahrscheinlich ebenso enden wie im letzten Jahrhundert. Der Handelskrieg damals trug auch zum handfesten Krieg wenige Jahre später bei. Auf Schutzzölle darf nicht mit Schutzzöllen reagiert werden, sondern mit deren einseitigem Abbau im eigenen Land. Wer für das eigene Land auf die internationale Arbeitsteilung verzichtet, schädigt sich selbst, weil er sich abkapselt. Wir sollten auf einen drohenden Handelskrieg deshalb mit einem Handelspazifismus antworten, denn Freihandel schafft nicht nur Wohlstand, sondern ist friedensstiftend.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 28. Januar 2017.

Photo: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag from Flickr (CC BY 2.0)

Nicht erst seit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die im Zuge der Krim-Annexion durch den Westen verhängt wurden, ist das Thema Protektionismus, Abschottung oder gar Handelskriege wieder aktuell. Die Sanktionen waren schon damals falsch, weil sie Putin eine billige Entschuldigung für die desolate ökonomische Lage in Russland geboten und ihn damit eher gestärkt haben. Außerdem wurde die Landwirtschaft in Deutschland und der EU vom wichtigen Russland-Markt abgeschnitten. Der Tiefstpreis für Milch in Deutschland ist zum großen Teil dieser Maßnahme geschuldet. Die Landwirte hierzulande mussten das bezahlen.

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten leitet jedoch eine völlig neue Stufe ein. Schon vor seiner Vereidigung am 20. Januar hat Trump per Twitter Toyota aufgefordert, das geplante Werk für die Produktion des Corolla nicht in Mexico, sondern in den USA zu bauen. Andernfalls drohte er den Japanern mit Strafzöllen. Gleiches hat er Fiat-Chrysler, Ford und General Motors ins Stammbuch geschrieben. Die klare Botschaft an alle in der Welt: nur wer in den USA produziert, geht ungeschoren davon. Wer „nur“ seine Waren in Amerika verkaufen will und anderswo „billig“ produziert, muss mit Strafzöllen rechnen. Was heute Toyota ist, kann morgen sehr schnell BWM, Siemens oder SAP sein.

Diese Wirtschaftspolitik bringt eine neue Qualität in die Handelsbeziehungen weltweit, die zugleich auch alt ist und in Realität und Theorie hundertfach widerlegt wurde. Im 16. bis zum 18. Jahrhundert nannte man diese Wirtschaftsform Merkantilismus. Die „eigene“ Wirtschaft sollte gegenüber der ausländischen Wirtschaft bevorteilt werden, um den Reichtum des Staates insgesamt zu mehren. Wirtschaft verstand man als Nullsummenspiel. Erst als die Idee des Freihandels langsam im 19. Jahrhundert Fuß fasste, begann eine Zeit des großen weltweiten Aufschwungs. Plötzlich sah man, dass die Wirtschaft kein Nullsummenspiel des einen zulasten des anderen ist, sondern eine win-win-Situation. Beide profitierten.

Sie profitierten nicht immer gleichzeitig und in gleichem Maße, aber beide profitieren. Der eine kann die Waren preiswerter kaufen als sonst und der andere findet neue Absatzmärkte, die er vorher nicht hatte und umgekehrt. Die Erfolge in der Bekämpfung der Armut in China und Südostasien in jüngster Zeit hätte es ohne den Freihandel nicht gegeben. Ohne den Freihandel hätte es den Aufstieg der osteuropäischen Länder nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht geben. Und ohne Freihandel wären deutsche Unternehmen auf einen kleinen Markt mit 82 Millionen Menschen beschränkt. Ein Blick auf Venezuela kann verdeutlichen, wohin das führt. Millionen, wahrscheinlich Milliarden Menschen weltweit wurden und werden so aus bitterster Armut befreit.

Schon sind die Linken in diesem Land bemüht, ihre Fremdscham für ihren neuen Verbündeten schönzureden. Deren schlagkräftigste Truppe, „Campact“, ist schon peinlich berührt, dass sie jetzt im selben Boot sitzt wie Donald Trump. Nicht sie haben mit ihren Unterschriften und Protesten TTIP und CETA verhindert, sondern die Wahl von Trump verändert nun alles. Auf dem falschen Fuß erwischt, versuchen sie jetzt, kosmetische Unterschiede herauszuarbeiten. Sie seien, anders als Trump, für einen „fairen“ Handel. Dabei ist doch exakt das auch das Argument des neuen US-Präsidenten. Er glaubt, dass Unternehmen in China, Japan und anderswo ihre billigen Produkte lediglich durch eine manipulierte Währung auf den großen US-Markt werfen können. Das sei „unfair“, beklagte Trump bereits im Wahlkampf. Nein, Trump und „Campact“ sitzen im selben Boot.

Und nicht nur das. Auch in Deutschland ist es so, dass die Verbündeten beim Kampf gegen den Freihandel von links und rechts kommen. Sowohl Campact als auch Pegida lehnen TTIP und andere Freihandelsabkommen ab. 2015 traten stramme Pegida-Anhänger auf einer DGB-Demo vor dem Brandenburger Tor mit einem Galgen und einer Guillotine auf, an dem Sigmar Gabriel aufgehängt werden oder einen Kopf kürzer gemacht werden sollte. Abschottung führt zu Ressentiments und letztlich zu Hass. Auch bei den Parteien sitzen linke Parteien mit rechten im Boot. Es ist die gleiche Sauce. Morgens essen sie noch ihre Cornflakes zum Frühstück, mobilisieren anschließend über ihr I-Phone oder I-Pad die nächste Demo gegen den Freihandel und abends schlürfen sie dann den guten Rotwein aus Übersee.

Das erste Freihandelsabkommen wurde 1860 auf Anregung von Richard Cobden zwischen England und Frankreich formuliert. Es schaffte nicht alle Zölle und Handelsbeschränkungen auf einen Schlag ab, sondern reduzierte diese sukzessive. In dieser Tradition hat Ludwig Erhard 1959 das erste Freihandelsabkommen unterzeichnet – damals mit Pakistan. Er war wohl zu optimistisch, als er in seinem Buch „Wohlstand für alle“ formulierte: „Ich glaube, dass es der Denkkategorie einer hoffentlich überwundenen Vergangenheit angehört, die Handelspolitik als eine Dienerin der Außenpolitik oder gar als ein Instrument staatlicher Machtpolitik aufzufassen.“

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Lane Pearman from Flickr (CC BY 2.0)

Bei der Wahl in den USA wurde nicht nur eine schillernde und offenbar für viele auch faszinierende Person gewählt. Es war auch eine Abstimmung gegen die Globalisierung, die die Zeit seit dem Ende des Sowjet-Imperiums wesentlich geprägt hat. Sie ist in akuter Gefahr.

„It’s the economy, stupid“

Die Nachwahlbefragungen der New York Times sind sehr aufschlussreich. Der in progressiveren Kreisen oft geäußerte Vorwurf des Rassismus scheint bei den Betroffenen nicht zu verfangen: Bei allen nicht-weißen Wählergruppen hat Trump gegenüber dem republikanischen Kandidaten von 2012, Mitt Romney, hinzugewonnen, gerade auch unter Hispanics. Ein anderer Faktor scheint wesentlich stärker gewirkt zu haben. Er konnte offenbar weit in die traditionelle Unterstützergruppe der eher sozialdemokratischen Demokraten hinein Stimmen gewinnen. Unter den Wählern mit geringeren Bildungsabschlüssen schnitt er im Vergleich zur letzten Wahl deutlich besser ab. Massive Zugewinne gab es bei denen, die weniger als 30.000 $ im Jahr verdienen und immer noch erhebliche bei denen, die weniger als 50.000 $ verdienen.

Dass für viele Wähler das Thema Immigration eine große Rolle gespielt hat, muss nicht unbedingt ein Hinweis auf Rassismus sein, sondern hängt gewiss auch wesentlich mit dem hart umkämpften Arbeitsmarkt, gerade im Niedriglohnsektor zusammen. 78 % der Wähler, die ihre finanzielle Situation als verschlechtert empfinden, haben für Trump gestimmt. Die Wähler, die glauben, dass der Handel mit anderen Ländern amerikanische jobs vernichten, haben zu 65 % für Trump gestimmt. Der amerikanische Ökonom Donald Boudreaux hat auf seinem Blog darauf hingewiesen, dass ein ausschlaggebender Faktor für die Wahl Trumps die, gerade auch von Linken oft bediente, Erzählung ist, dass es für den Mittelstand seit den 70er Jahren kein Wachstum mehr gegeben habe. (Vielleicht ist der Dauer-Vorwurf des Rassismus auch dem unbewussten Schuldgefühl mancher Progressiver und Linker entsprungen, durch ihren Alarmismus dieses Ergebnis mitverursacht zu haben.)

„Wir glauben an das Gute, das Regierungen tun können.“

Ein ähnliches Phänomen konnten wir bereits bei der Abstimmung zum Brexit gewärtigen. In den dortigen Nachwahlbefragungen wurde unter anderem nachgefragt, wie die Wähler zu bestimmten Themen stehen. Obwohl das Leave-Lager von den traditionell marktwirtschaftlicher ausgerichteten Tories dominiert wurde, haben 69 % derjenigen, die die Globalisierung für eine gefährliche Entwicklung halten, für den Brexit gestimmt. Einen deutlichen Widerhall fand diese Tendenz in der Rede der neuen britischen Premierministerin Theresa May beim Parteitag der Konservativen. Diese Rede war ein fast schon flammender Appell für das Primat der Politik und das, was Angelsachsen als „big government“ bezeichnen. Ihre Botschaft gleicht der von Trump bis in die Formulierungen:

„Wenn wir Ungerechtigkeit korrigieren und die Regierung in den Dienst der einfachen Arbeiter stellen, können wir ein neues gemeinschaftliches Großbritannien aufbauen. … Unser Programm sieht die Regierung in der Pflicht, eine Wirtschaft aufzubauen, die für jeden arbeitet. Eine Wirtschaft, die einen öffentlichen Dienst unterstützt, auf den wir uns alle verlassen können, und die in Dinge investiert, die uns allen lieb und teuer sind. Wie etwa den NHS: eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. … Lasst uns die Gelegenheit ergreifen, um zu beweisen, dass wir – die Konservative Partei – wahrhaft die Partei der Arbeiter, der Beamten und des NHS sind. Denn wir glauben an den öffentlichen Dienst. Wir glauben daran, in Institutionen zu investieren, die unser Land großmachen. Wir glauben an das Gute, das Regierungen tun können.“

Alte Modelle aus der Mottenkiste

Innerhalb kürzester Zeit sind in Großbritannien und den USA, also zwei Leuchttürmen liberaler Gesellschaften und freier Märkte, die liberalen Kräfte in sich zusammengefallen. Politiker wie David Cameron und George Osborne, wie Paul Ryan, Marco Rubio und leider auch Rand Paul, wurden entweder abserviert oder sind massiv in der Defensive. Stattdessen werden alte Modelle wieder aus der Mottenkiste geholt: Theresa May inszeniert sich als Wiedergängerin ihres Vorgängers Clement Attlee, der nach dem 2. Weltkrieg den NHS einführte und Teile der Industrie verstaatlichte – nicht wie Margaret Thatcher, die das alles wieder aufräumen musste. Und das allererste Versprechen, das Donald Trump nach seiner Wahl machte, lautete: „Wir werden unsere Innenstädte, Highways, Brücken, Tunnel, Flughäfen, Schulen und Krankenhäuser wiederaufbauen. Wir werden die Infrastruktur erneuern … Und wir werden dadurch für Millionen Menschen Arbeitsplätze schaffen.“ – Das ist Franklin D. Roosevelts „New Deal“ neuaufgelegt. Dafür spricht auch sein Zugeständnis, Obamacare nun doch nicht abzuschaffen.

Natürlich war Immigration beim Brexit und den US-Wahlen ein Thema. Natürlich sind viele von Trumps Sprüchen rassistisch und einige der von der neuen britischen Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen offen fremdenfeindlich wie etwa, dass Unternehmen angeben müssen sollen, wie viele ausländische Angestellte sie beschäftigen. Doch bloße Empörung über Rechtspopulismus führt höchstens zu einer noch stärkeren Verhärtung der Fronten. Die Offene Gesellschaft ist in Gefahr, weil sie das Ergebnis der Globalisierung ist. Rassismus ist oft nur eine Ausdrucksform der zugrundeliegenden Ängste vor den Herausforderungen einer freien Marktwirtschaft. Wer etwas gegen diese Formen des Rechtspopulismus tun will, sollte nicht die Interventionsspirale gegenseitiger Vorwürfe (political correctness vs. Rassismus, Homophobie etc.) bedienen, sondern – wie einst der große britische Freihandels-Kämpfer Richard Cobden – die Vorzüge der Globalisierung verdeutlichen.

Steht die Republikanische Partei vor einem fundamentalen Wandel?

Die 180-Grad-Wende der Tories werden wahrscheinlich auch die Republikaner erfahren. Denn die Wahl Trumps war – wie der Brexit – auch ein deutliches Signal gegen Globalisierung. Republikanische Politiker haben erfahren müssen, dass sich mit Protektionismus und ökonomischem Interventionismus, wie sie Trump offen ins Schaufenster gestellt hat, Wahlen gewinnen lassen. Von einigen wenigen Überzeugungstätern abgesehen, wird das die meisten entscheidend in ihren Politikentscheidungen beeinflussen. Trumps Wahl könnte sich als letzter Todesstoß für den marktfreundlichen Teil der Tea Party Bewegung herausstellen. Stephen Davies, einer der führenden Köpfe beim Institute of Economic Affairs in London liefert einen interessanten Ausblick:

„Die langfristigen und strukturellen Veränderungen, die mit Trumps Sieg einhergehen werden, sind schlimm. …Er wird die Republikanische Partei in eine Partei des Nationalismus, des wirtschaftlichen Dirigismus, der Anti-Globalisierung und der Identitäts-Politik verwandeln. Es wird bizarr sein, zu beobachten, wie viele republikanische Politiker plötzlich entdecken, dass die Prinzipien, die sie viele Jahre lang unterstützt haben, jetzt Schnee von gestern sind … Viele Republikaner werden plötzlich einen Gesinnungswandel durchleben. Andere werden ersetzt werden und manche werden gehen oder ausscheiden.“ Schließlich zitiert er die Reaktion von Pat Buchanan, seit Jahrzehnten die prominenteste Stimme des reaktionären Flügels der Republikaner, auf die Wahl Trumps: „Die Globalisierung ist am Ende. Die Zukunft gehört dem Ethno-Nationalismus und dem wirtschaftlichen Nationalismus.“

Linke Vorarbeit für rechte Politiker

Attac, Campact, Occupy, Thomas Piketty, Bernie Sanders, Jeremy Corbyn und Sarah Wagenknecht haben mit ihren dauernden Tiraden gegen die Globalisierung und der Panikmache beim Thema Ungleichheit einen (hier passt das Modewort ausnahmsweise einmal sehr gut:) postfaktischen Diskursstil gesät und wir ernten nun Politiker wie Trump. Die heutige Situation erinnert an die große Krise des Liberalismus und der Globalisierung ab dem Ersten Weltkrieg. Überall gerät er in die Defensive: mal von ganz offen rechten Kräften wie Kaczynski, Orban oder Le Pen, mal von solchen, die in staatsmännischem Gewande daherkommen wie Theresa May oder Donald Trump. Flankiert wird diese Bewegung von autoritären Kräften wie Erdogan, Duterte oder Putin. Die Handelskriege, die aus dem wachsenden Protektionismus zu erwachsen drohen, können die Weltwirtschaft in eine noch viel dramatischere Lage bringen als der Lehman Crash. Die Folge wird der weitere Aufstieg von Anti-Globalisierungs-Bewegungen sein, weil die Folgen dieses Protektionismus der Globalisierung zugeschrieben werden – dank der intensiven Pflege dieses Narrativs durch Linke in den letzten Jahrzehnten.

Es wird gewaltiger Kraftanstrengungen und vieler Jahre, wenn nicht Jahrzehnte bedürfen, um die gerade einsetzende Trendwende wieder umzukehren und die Globalisierung mit all ihren positiven Auswirkungen wieder aufs Gleis zu stellen. Aber so mühsam diese Perspektive erscheint, so gibt es doch Hoffnung. Den libertären Präsidentschaftskandidaten Gary Johnson, der seinen Stimmenanteil im Vergleich zur letzten Wahl auf mehr als 4 Millionen Stimmen vervierfacht hat, haben 6 % der Wähler zwischen 18 und 24, 4 % der Wähler zwischen 25 und 29 sowie 5 % der Wähler zwischen 30 und 39 gewählt. Das korrespondiert mit der Zustimmung, die das libertäre Urgestein Ron Paul bei der Wahl 2012 im Vorwahlkampf vor allem unter jungen Wählern genoss.

Hoffnungsschimmer am Horizont

Es gibt inzwischen auf der ganzen Welt eine breite, wenn auch noch kleine, so doch schon sehr schlagkräftige Bewegung, die sich der Globalisierung und der damit einhergehenden Offenen Gesellschaft verschrieben hat. Der Frontalangriff auf die Globalisierung trifft ihre Verteidiger mithin nicht völlig unvorbereitet, auch wenn es die nächste Zeit noch sehr ungemütlich werden kann. Es mögen sich noch ganz neue ungewöhnliche Allianzen auftun. Wenn etwa die Tories in Großbritannien und die Republikaner in den USA sich tatsächlich auf den Weg zur interventionistischen und protektionistischen Knechtschaft machen, mag manch ein schmerzhafter Abschied bevorstehen.

Doch für den, der bereit ist umzudenken, tun sich auch ganz neue Möglichkeiten auf. Gerade in der jungen Generation sind viele sehr kosmopolitisch aufgewachsen – und in Zeiten weltweiter Kommunikation ist dieser Kosmopolitismus auch nicht mehr nur ein „Privileg“ der besser gebildeten und Reichen. Vielleicht gelingt, was Stephen Davies hoffnungsvoll als mögliche Perspektive beschreibt, wenn er sich eine Partei vorstellt, die „im breiten Sinne liberal ist, sich vehement für Freihandel einsetzt, internationalistisch und kosmopolitisch ist, um Gleichheit besorgt und doch wesentlich weniger begeistert von staatlicher Gewalt und dem Versuch, Ungleichheit durch Interventionen zu beseitigen.“

Eine Mahnung aus dem Jahr 1949

Es gibt Organisationen wie die Students for Liberty, es gibt Politiker-Nachwuchs wie Daniel Hannan in Großbritannien oder Justin Amash und Thomas Massie in den USA und es gibt weltweit, quer durch die Lager und Parteien hindurch, Menschen, denen an Freihandel, Marktwirtschaft und einer Offenen Gesellschaft gelegen ist. All diese Leute müssen jetzt ihren Mut und ihre Geduld zusammennehmen und dem Rat Friedrich August von Hayeks folgen, der 1949, in einer ähnlich düsteren Zeit, schrieb:

„Wir müssen ein neues liberales Programm anbieten, das sich an die Vorstellungskraft wendet. Wir müssen den Aufbau einer freien Gesellschaft wieder zu einem intellektuellen Abenteuer machen, zu einem Akt des Mutes. Was uns fehlt, ist eine liberale Utopie, ein Programm, das weder eine bloße Verteidigung bestehender Verhältnisse ist noch ein verwässerter Sozialismus, sondern ein wirklich liberaler Radikalismus, der die Mächtigen nicht schont, der nicht allzu pragmatisch ist, und der sich nicht auf das beschränkt, was heute politisch durchsetzbar erscheint. Wir brauchen intellektuelle Führungspersönlichkeiten, die bereit sind, sich für ein Ideal einzusetzen, mögen die Aussichten auf ihre baldige Umsetzung auch noch so gering sein. Es müssen Menschen sein, die bereit sind, an ihren Prinzipien festzuhalten und für deren volle Verwirklichung zu kämpfen, mag der Weg auch noch so lang erscheinen.

Die Aussichten für die Freiheit sind in der Tat dunkel, wenn es uns nicht gelingt, die philosophischen Begründungen einer freien Gesellschaft wieder in den intellektuellen Diskurs einzubringen; wenn es uns nicht gelingt, die Einrichtung einer freien Gesellschaft zu einer Aufgabe zu machen, die die Genialität und Vorstellungskraft unserer fähigsten Köpfe herausfordert. Wenn es uns aber gelingt, jenen Glauben an die Kraft der Ideen wiederzuerlangen, der das Kennzeichen des Liberalismus zu seinen Glanzzeiten war, dann ist der Kampf nicht verloren.“

Erstmals erschienen bei „Peace Love Liberty – Das Studentenmagazin“.