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Der viel zu früh verstorbene Außenminister Guido Westerwelle hat einmal in einer Auseinandersetzung, an der ich nicht ganz unbeteiligt war, über Europa gesagt: „Europa hat seinen Preis. Aber es hat auch einen Wert.“ Damit wollte er in der Auseinandersetzung um die Griechenlandhilfen und den Mitgliederentscheid in der eigenen Partei deutlich machen, dass man das europäische Projekt nicht nur auf das Fiskalische reduzieren könne. Damals empfand ich es als etwas unfair, mir eine solche Reduzierung zu unterstellen. Dennoch ist an diesem Satz etwas dran. Er drückt aus, dass für viele, mich eingeschlossen, die europäische Einigung mehr ist als die Umverteilung von Norden nach Süden oder Subventionen für die Landwirtschaft. Sie ist tatsächlich ein Friedensprojekt. Ein Friedensprojekt, das durch Kooperation entsteht. Doch dieses Friedensprojekt ist derzeit akut in Gefahr, weil es an Ideen fehlt, wie es weitergehen soll.

Insbesondere in unserem Land kümmert man sich nicht um die weitere Entwicklung der Europäischen Union. Die deutsche Regierung ist Getriebene in der Euro-Schuldenkrise, in der Flüchtlings- und Migrationskrise, muss der Brexit-Diskussion hilflos zusehen und hat kein Konzept gegen den schleichenden Zentralisierungsprozess in der EU. Auch in den Parteien und in anderen gesellschaftlichen Gruppen findet eine Debatte nicht oder nur unzureichend statt. Das ist nicht nur bedauerlich, es ist auch gefährlich, weil ein Rückfall in die Nationalstaatlichkeit nicht die Antwort auf das Versagen der Europäischen Union in der Euro-Schuldenkrise und der Flüchtlings- und Migrationskrise sein darf.

Wie könnte die Zukunft Europas aussehen, wo könnte es hingehen? Zunächst sollte sich die Europäische Union nicht anmaßen, für ganz Europa zu sprechen. Die Mitgliedsstaaten der EU sind lediglich ein Teil Europas. Aber die Schweiz, Norwegen und andere gehören ebenfalls dazu. Sie sind auch Teil der europäischen Kultur. Gerade die Schweiz ist sogar ein Leuchtturm an Freiheit, Wohlstand und Demokratie in Europa. Zweitens: Der Binnenmarkt ist das verbindende Element der europäischen Idee. Die europäischen Grundfreiheiten, dass Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital ohne Schranken Grenzen überwinden können, ist eine unschätzbare Errungenschaft. Sie zu erhalten, muss oberste Priorität für alle EU-Mitglieder sein.

Und natürlich gibt es – drittens – auch Aufgaben, die die Europäische Union viel besser erledigen kann als ein Nationalstaat. Wenn es um den Abbau von Handelsschranken gegenüber anderen Staaten und Wirtschaftsräumen geht, dann kann dies die EU prinzipiell besser als ein kleines Land wie Österreich oder Luxemburg. Die EU müsste Grenzen für Waren und Dienstleistungen auch von außerhalb der EU öffnen, möglichst ohne Vorbedingungen. Viertens müssen die EU-Institutionen auf Konsens beruhen. Ein Konsens kann nicht durch die Mehrheit oder durch das Schaffen von Fakten erzwungen werden. Die Euro- und Migrationskrise sind dafür negative Beispiele, wo Lösungsversuche auch deshalb nicht akzeptiert werden, weil sie erzwungen wurden.

Fünftens: Nur als atmende Organisation hat die EU eine Zukunft. Nicht der Einheitsbrei ist die Antwort auf die Probleme, sondern die freiwillige vertiefte Zusammenarbeit, die Differenzierung statt der Zentralisierung, das Rückholrecht statt eines Dogmas der „ever closer union“. Sechstens: Das Wettbewerbsprinzip muss auf die Währungen, die Sozialsysteme und auch auf das Recht ausgeweitet werden. Warum kann ein griechisches Unternehmen in Athen nicht einfach das Arbeitsrecht Großbritanniens oder Deutschlands anwenden? So entstünde ein Systemwettbewerb, der den Einzelnen aus der Abhängigkeit seiner staatlichen Bürokratie und deren Unvermögen vor Ort befreien kann.

Siebtens: Die Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsordnung in der EU. Dazu passen weder ein Juncker-Plan, noch ein EU-Finanzminister oder andere Spielarten der Planification. Achtens: In der Europäischen Union muss das Primat von Recht und Freiheit statt eines Primats der Politik gelten. Nicht der Einzelfall sollte geregelt werden. Vielmehr ist es die Aufgabe der Parlamente, allgemeine, abstrakte und für alle gleiche Regeln zu schaffen. Neuntens: Haftung und Verantwortung müssen in der Europäischen Union wieder zusammengeführt werden. Wer als Staat, Unternehmen oder Bürger über seine Verhältnisse lebt, muss selbst die Verantwortung dafür übernehmen. Wenn ein Mitgliedsstaat den Sozialstaat unverhältnismäßig ausbaut, die Verschuldung hochtreibt und alle Wachstumspfade kappt, muss dieser die Folgen selbst tragen und darf sie nicht auf andere Mitgliedsstaaten auslagern oder über die Zentalbank sozialisieren. Wer mitmacht, muss im Zweifel selbst haften. Daraus folgt zehntens: Die Europäische Union muss als Konföderation organisiert werden, statt den EU-Zentralstaat zu erzwingen.

Der Deutsch-Brite Ralf Dahrendorf sah bereits in den 1970er Jahren die Europäische Einigung auf dem falschen Weg. Er sagte damals: „Europa (er meinte die EU) muss Rechtsstaat und Demokratie (ich würde sagen: individuelle Freiheit) verkörpern, pflegen und garantieren: sonst ist es der Mühe nicht wert.“

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

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Mit Angst wird Politik gemacht. Nicht erst seit gestern, sondern heute umso mehr. Als die Eisenbahn als Fortbewegungsmittel die Postkutschen ersetzte, empfanden viele dies als Bedrohung. Wohin sollte diese Schnelllebigkeit denn führen? Ist es denn gut und richtig, dass Reisen jetzt für jedermann erschwinglich werden? Können die einfachen Bürger denn mit dieser Freiheit überhaupt umgehen? Als die kabellose Welt des Internets durch WLan und Hotspots aufkam, sahen viele die Gefahr der Strahlenbelastung und des Elektrosmogs aufkommen. Viele meinten damals, diese Entwicklung könne nicht gut sein. Wer weiß, welche gesundheitlichen Schäden dadurch alles verursacht würden? Nicht ohne Grund gibt es in Deutschland bei der Anwendung der Gentechnik eine breite Front der Gegnerschaft. Diese darf so lange nicht breit eingeführt werden, bis deren noch nicht bekannten Nachteile nicht gründlich auf ihre langfristigen Folgen untersucht wurden.

Die Neigung, erst die Risiken zu sehen und die Chancen zu vernachlässigen, ist gerade in unserem Land besonders ausgeprägt. Intelligente Kampagnen setzen auf diese Ängste. Sie sind vorherrschend in der aktuellen Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP. Hier werden Antiamerikanismus und vermeintlicher Verbraucherschutz in eine dicke Suppe gerührt. Die jüngsten Pseudoenthüllungen von Greenpeace und einiger Medien sind ein Beispiel dafür. Da werden Verhandlungsziele beider Seiten skandalisiert und dies von zwangsbeitragsfinanzierten Medien publiziert, als wären es Ergebnisse eines umfangreichen Enthüllungsjournalismus. Der Kern dieser Enthüllungen ist, dass die Amerikaner in ihrer Verhandlungsstrategie besonders ihre Nahrungsmittelexporte in die EU erhöhen und die EU die Automobilexporte für den amerikanischen Markt verbessern wollen. Wer hätte das gedacht? Plötzlich werden gefühlt Millionen von Chlorhühnern über Deutschland geschüttet und Abermillionen manipulierte VWs verpesten Arizona. Das kann nicht gut sein, sagen uns die öffentlich-rechtlichen Angestellten vom NDR und WDR im Enthüllerhemd und die Kampagnenprofis von Greenpeace positionieren sich vor dem Brandenburger Tor und zeigen nebenan auf die Politiker im Büßerhemd.

Drei Dinge sollten uns allen Sorge machen:

Erstens: Freihandel hat keine Lobby. Die Gegner des weltweiten ungebremsten Austauschs von Waren und Dienstleistungen sind auf dem Vormarsch. Sie alle glauben, dass sie althergebrachte Privilegien verlieren. Sie sind gesellschaftspolitisch nicht einer bestimmten Schicht oder politischen Richtung zuzuordnen, sondern überall vertreten.

Zweitens: die Medien unterstützen in einer großen Mehrheit diesen Skeptizismus. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien von ARD und ZDF spielen eine unrühmliche Rolle. Aber nicht nur, auch die Tageszeitungen schreiben ungeprüft und unreflektiert ab. Sie müssen sich nicht über pauschale Urteile wundern.

Drittens: der Ton macht die Musik. Die Tonalität wird schärfer, verletzender und erbitterter. Eine Verstumpfung und Verflachung macht sich breit im Land eines Goethe und Schillers.

Wohin das führt, ist nicht absehbar. Doch für eine freie Gesellschaft sind das Entwicklungen, die uns herausfordern sollten. Was hilft gegen mediale Panikmache? Was hilft gegen Verlustängste von gesellschaftlichen Gruppen? Was hilft gegen die Verrohung der Sitten? Gesetze, staatliche Ordnungsmacht oder Zwang werden es sicherlich nicht sein. Wahrscheinlich hilft nur Aufklärung. Das ist die schwierigste, aber zugleich wirkungsvollste Herangehensweise. Doch die Geschichte sollte uns Mut machen.

Die Hexenverbrennung hörte in der frühen Neuzeit nicht deshalb auf, weil die Gesellschaft der Auffassung war, man habe nunmehr alle Hexen verbrannt oder ersäuft. Es lag wahrscheinlich daran, dass irgendwann die Erkenntnisse der Menschen so weit entwickelt waren, dass der Irrtum als solcher erkannt wurde, willkürlich einzelne Menschen für Katastrophen oder Naturereignisse verantwortlich zu machen. Daraus folgt: Alles wird gut! Wahrscheinlich hilft nur Aufklärung. Das ist die schwierigste, aber zugleich wirkungsvollste Herangehensweise. Doch die Geschichte sollte uns Mut machen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

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Jetzt steht es fest: Der 500er wird abgeschafft. Ende 2018 will die Europäische Zentralbank den größten Euro-Geldschein aus dem Verkehr ziehen. Die EZB begründet dies mit der Verbrechensbekämpfung. Damit habe der EZB-Rat Bedenken Rechnung getragen, dass diese Banknote illegalen Aktivitäten Vorschub leisten könnte, so die Begründung der Notenbanker.

Sicher ist der 500er nicht der Geldschein, mit dem Otto Normalverbraucher tagtäglich bezahlt, dennoch ist dessen Abschaffung Teil einer Entwicklung, die allen Sorge bereiten sollte. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 und erst Recht mit der Euro-Schuldenkrise 2010 erleben wir eine finanzielle Repression, die immer stärker in die Vertragsfreiheit, in das Eigentum Einzelner und die zu immer mehr staatlichem Einfluss und der Einschränkung persönlichen Freiheiten führt.

Erst vor wenigen Tagen hat sich Mario Draghi, der EZB-Chef, in einem Interview über die Kritik aus Deutschland an seiner Geldpolitik beklagt und stattdessen Anlagetipps gegeben. Die Sparer müssten ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch anlegen, sondern hätten auch andere Möglichkeiten, so der Italiener. Im Übrigen müsse auf die Realverzinsung geachtet werden und diese sei auch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts negativ gewesen. Damals führte die hohe Inflationsrate zu einem realen Verlust von Sparvermögen.

Draghi unterschlägt hier jedoch, dass es damals Lebensversicherern und Versorgungseinrichtungen noch einfach möglich war, ihre gesetzliche Garantieverzinsung zu erfüllen. Das wird heute zum Damoklesschwert für diese Unternehmen und damit für deren Sparer. Und ganz entscheidend: Der langfristige Zins war nicht negativ, doch gerade dies strebt heute die EZB mit ihrer Geldpolitik an. Sie will nicht nur den Zins am kurzen Ende beeinflussen, sondern auch am langen Ende. Deshalb kauft die EZB Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen auf und drückt damit die Rendite dieser Anleihen und den langfristigen Zins. Denn ohne diese Maßnahmen müssten die Staaten, Banken und Unternehmen in Südeuropa, aber auch in Deutschland, wesentlich höhere Zinsen für ihre Verschuldung bezahlen. Dann würden dort die Haushaltszahlen noch schlechter aussehen und ohne Reformen die Verschuldung noch schneller steigen.

Draghis Politik ist daher fatal, weil sie die unsichtbare Hand in einer Marktwirtschaft mit dem Fallbeil abhackt. Diese unsichtbare Hand ist der Zins, der sich am Markt bildet. Der Zins ist ein entscheidender Faktor, ein Indikator und ein Lenkungsinstrument, den man erfinden müsste, wenn es ihn nicht schon immer gegeben hätte. Der Zins ist der Preis dafür, das jemand auf den heutigen Konsum oder auf Investitionen verzichtet und sein Geld anderen, die heute konsumieren oder investieren wollen, zur Verfügung stellt. Diesen Verzicht lässt sich derjenige mit einem Zins vergüten. Er verschiebt damit seinen persönlichen Konsum in die Zukunft und erhält dafür eine Vergütung. In diese Überlegung fließen dann weitere Aspekte hinein. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Verleiher sein Geld zurückbekommt, wie hoch ist die Nachfrage und wie hoch das Angebot an Geld. All das beeinflusst den Zins in einer Marktwirtschaft. Doch jetzt kommt die EZB und greift in diesen komplexen Vorgang ein, schafft den Zins faktisch ab und macht aus der unsichtbaren Hand eine sichtbare. Jetzt glaubt Mario Draghi zu wissen, wie heute konsumiert und investiert werden muss, wer verzichten soll und wer nicht. Er macht sich zum „Gottspieler“, der weiß wie die Welt geordnet werden muss.

Mario Draghi verfolgt das Ziel, das der Ökonom Roland Baader sehr treffend beschrieben hat: „An anderer Leute Geld kommt man am schnellsten und umfassendsten, wenn man es selber drucken kann.“ Genau diesen fatalen Weg geht die EZB heute, und die eigene Bundesregierung leistet dagegen keinen Widerstand.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 07. Mai 2016.

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„Helikoptergeld“ ist das neue Zauberwort. Es spukt seit geraumer Zeit durch die Finanzwelt. Gemeint ist damit, dass die Zentralbank an den Banken vorbei Kredite und damit neues Geld an die Wirtschaft oder die Bürger ausreicht, um damit Investitionen oder den Konsum anzuregen. Im übertragenen Sinne wirft also der Zentralbankchef aus dem Hubschrauber frische Geldscheine auf die Erdenbürger und schafft dadurch Wohlstand. Eine faszinierende Vorstellung. Deshalb ist sie bei Leuten, die dem Staat eine dominierende Rolle bei der Steuerung der Wirtschaft beimessen, besonders beliebt.

Jüngst hat Oskar Lafontaine diesen Vorschlag aufgegriffen. Seine Argumentation klingt auf den ersten Blick bestechend. Die Banken kommen ihrer Pflicht nicht nach, genügend Kredite an die Wirtschaft auszureichen und deshalb müsse die Notenbank diese Rolle notgedrungen übernehmen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. Das klingt ein wenig so, wie wenn ein Stromausfall durch einen Kurzschluss eintritt und der Elektriker sich daran macht, die Ursache zu suchen. Da wir dieses Kabel mal abgeklemmt, jenes mal angeschlossen und dann schaut man, was passiert. Ist die Ursache des Kurzschlusses festgestellt, wird das Kabel neu verlegt, die Fassung erneuert und das Problem ist gelöst.

Doch Wirtschaft ist kein Stromkreis und mangelndes Wachstum kein Kurzschluss. Mit Elektrotechnik kommt man hier nicht weiter. Wachstum setzt eine Menge mehr voraus, als frisches Geld, das einfach gedruckt wird. Denn wenn es so einfach wäre, könnte sich Mario Draghi vor die Opel-Werkstore in Rüsselsheim stellen und jedem Arbeiter beim Schichtwechsel einen 500-Euro-Schein in die Hand drücken, um die Konjunktur anzukurbeln. Das wäre absurd, aber in der Schuldenkrise kann selbst Absurdes bald Wirklichkeit werden.

Gelddrucken, um die Wirtschaft anzukurbeln, verkennt einen wesentlichen Zusammenhang, nämlich, dass der Konsumverzicht die Voraussetzung für Investitionen und diese wiederum die Voraussetzung für Wachstum sind. Ein Beispiel: Man stelle sich Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel vor. Mit einer Angel muss er jeden Tag Fische fangen, um zu überleben. Will er seine Situation verbessern und mehr Fische fangen, braucht er ein Netz. Kommt er auf die Idee, sich dieses Netz zu knüpfen, hat er keine Zeit mehr, mit der Angel Fische zu fangen. Er muss Fische sparen und dafür Konsumverzicht üben. Erst dann kann er seine Situation verbessern. Erst dann hat er Zeit, ein Netz zu knüpfen, das ihm anschließend erlaubt, mehr Fische in der gleichen Zeit zu fangen.

Was die Helikopter-Ökonomen und -Politiker wollen, ist ein Schlaraffenland, das Wohlstand ohne Anstrengung schafft. Doch dieses Schlaraffenland gibt es nicht. Es wäre so wie wenn Robinson Crusoe plötzlich ganz viele Fische angeschwemmt bekäme, von denen er sich wochenlang ernähren könnte. In der Zwischenzeit würde er dick und faul. Seine Fähigkeiten zu angeln, würde er peu á peu verlieren. Nach einigen Wochen wäre seine Situation schlechter als vorher.

Genau so ist es in der Euro-Schuldenkrise derzeit auch. Das billige Geld der Europäischen Zentralbank hat die Reformbereitschaft erlahmen lassen. Alle verlassen sich darauf, dass die EZB frisches Geld auf den Markt schmeißt. Noch kein Helikoptergeld, aber dennoch so viel billiges Geld, dass die Staatsausgaben mit Nullzinsen viel einfacher finanziert werden können. Deshalb ist es auch einfacher neue Schulden zu machen. Der neue Musterknabe in Europa, Spanien, ist ein gutes Beispiel. Seine Neuverschuldung lag im vergangenen Jahr mit 5,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung weit über dem Maastricht-Kriterium von drei Prozent. Wenn die so weitermachen, wird Mario Draghi bald den Helikopter starten.

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Es sind schon skurrile Debatten, die derzeit rund um das Geld geführt werden. Erst verlangt die EZB die Abschaffung des 500-Euro-Scheins und dann kommt der Vorstoß der Bundesregierung, Barzahlungen auf 5.000 Euro zu begrenzen. All dies wird mit der Verbrechensbekämpfung begründet. Das ist so zutreffend wie „nachts ist es kälter als draußen.“

Letztlich ist die Maßnahme Teil der Interventionsspirale der EZB. Sie muss immer unkonventionellere, andere würden sagen verrücktere, Maßnahmen einleiten, damit die Niedrigzinspolitik gerechtfertigt werden kann. Doch jede Intervention zieht Reaktionen des Marktes nach sich. Verrückte Angriffe der Notenbankklempner auf den Markt werden mit verrückten Verteidigungsmaßnahmen des Marktes beantwortet.

Die Sparkassen überlegen jetzt, ob sie Bargeld horten, anstatt es zu Negativzinsen bei der EZB einzulagern. Es sei billiger dieses Bargeld zu versichern, anstatt es zu 0,3 Prozent Strafzins der EZB zu geben. Inklusiv Versicherungssteuer würde dies nur 0,1785 Euro kosten. Also ein gutes Geschäft. Doch wenn das Schule machen würde, hätte dies ungeahnte Folgen.

Denn die Sparkassen rücken damit etwas in den Blick, was vielen nicht klar ist. Viele wissen gar nicht, was in unserer heutigen Zeit Geld ist, oder besser: was das gesetzliche Zahlungsmittel ist. Hier hilft ein Blick ins Gesetz. In Paragraph 14 Bundesbankgesetz heißt es in Satz 2: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“

Unbeschränkt gesetzliches Zahlungsmittel ist also nicht das Buchgeld, das auf den Konten herumliegt, sondern nur die Euro-Banknote, das Bargeld. An der gesamten Euro-Geldmenge macht das Bargeld weniger als 10 Prozent aus. Wollte man die gesamte Geldmenge zu Bargeld machen, müsste die EZB 9 Billionen Euro drucken.

Vielleicht wird sie nicht 9 Billionen Euro drucken müssen, doch wenn der Plan der Sparkassen Nachahmer findet, dann steigt sehr schnell der Bargeldanteil an der gesamten Geldmenge. Denn wenn Sparkassen das Horten von Geldbeständen in den eigenen Tresoren als Geschäftsmodell erkennen, werden Commerzbank, Deutsche Bank und Volksbanken sehr schnell diesem Modell folgen. Und wenn die Banken insgesamt hohe Geldbestände auf ihren Konten ebenfalls mit Strafzinsen belasten, werden auch Unternehmen, Versicherungen, staatliche Institutionen wie die Renten- und Arbeitslosenversicherung, aber auch Bürger auf die Idee kommen, ihr Geld lieber im Schließfach, Tresor oder unter dem Kopfkissen aufzubewahren. Auch dies würde die Bargeldmenge massiv erhöhen. Die EZB und die Regierung haben daran kein Interesse. Je höher der Bargeldumlauf ist, desto weniger kann ein Negativzins allen Marktteilnehmern aufgedrückt werden. Gerade deshalb findet ja die derzeitige Einschränkung des Bargeldverkehres statt.

Natürlich könnte der Gesetzgeber dazu übergehen, das „gesetzliche Zahlungsmittel“ auch auf das Buchgeld auszuweiten. Doch so einfach ist es nicht. Heute ist das Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel auch deshalb, weil die EZB bzw. die Bundesbank ihre Menge exakt festlegen kann. Dies ist beim Buchgeld nicht möglich. Hier versucht sie über ihre Geldpolitik die Menge zu steuern, was ihr offensichtlich nicht gelingen mag.

Deshalb werden Regierung, Bundesbank und EZB einen anderen Weg gehen: den Weg der Intervention. Auf die Intervention und die Reaktion des Marktes folgt die nächste Intervention, die von einer neuen Reaktion des Marktes begleitet wird. Die Spirale dreht sich immer schneller. Das zeigt: die EZB-Politik des billigen Geldes ist gescheitert. Mario Draghi ist gescheitert. Immer mehr billiges Geld führt nicht zu einer größeren Kreditvergabe an die lahmende Wirtschaft in Südeuropa, sondern die Banken horten dieses Geld. Sie wollen in ein fallendes Beil nicht die Hand halten. Wohin führen die Interventionen von Mario Draghi mittelfristig? Wahrscheinlich zu einer Verstaatlichung des Kredits. Denn, die EZB geht davon aus, zu wissen wo Geld und Kredit fehlt. Das eigentliche Problem sind in diesem Verständnis die Banken, die den Vorgaben der EZB partout nicht folgen wollen. Deshalb werden sie entweder gezwungen, Kredite an die Wirtschaft auszureichen oder aber die EZB vergibt Kredite selbst an die Wirtschaft.

Letztlich zielt diese Art der Politik auf eine Globalsteuerung der Wirtschaft ab. Es geht um die Frage „Markt oder Befehl?“. Mario Draghi hat sich bereits seit langem gegen den „Markt“ und für „Befehl“ entschieden. Damit folgt er einer Vorstellung, die der Ökonom Ludwig von Mises schon vor über 75 Jahren als „altes Vorurteil“ bezeichnete: „Man hält den Zins für ein Hindernis menschlicher Wohlfahrt, man glaubt, dass es Pflicht der Obrigkeit sei, auf Senkung der Zinshöhe hinzuarbeiten.“