Photo: Cha già José from flickr (CC BY-SA 2.0)
Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.
Sprachhürden und niedrige oder auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht gefragte Qualifikationen stellen für die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge ein grundsätzliches und politisch nur bedingt lösbares Problem dar. Doch darüber hinaus stehen der Politik zahlreiche Optionen zur Verfügung, die das Potenzial haben, die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zur Erfolgsgeschichte zu machen.
Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen: Eine Erfolgsgeschichte?
Seit 2015 wurden in Deutschland knapp 1,46 Millionen Asyl-Neuanträge gestellt. Zwar sind die Neuantragszahlen seit 2015 und 2016 deutlich gesunken, doch die Nachwirkungen der Asylmigration stellen die deutsche Gesellschaft vor Herausforderungen. Zu den größten Herausforderungen gehört die Integration der relativ jungen und geringqualifizierten Migranten in den Arbeitsmarkt.
Aktuelle Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit zeigen: Über 300.000 Flüchtlinge befanden sich im Juni mittlerweile in einem Beschäftigungsverhältnis – eine vermeintliche Erfolgsmeldung, die basierend auf den Daten für Mai breit rezipiert wurde. Setzt man die Beschäftigtenzahl ins Verhältnis zur Gesamtzahl der in Deutschland lebenden arbeitsfähigen Flüchtlinge, wird allerdings deutlich, dass die Beschäftigungsquote im Juni nur 27,8 Prozent betrug. Damit die Integration der Flüchtlinge zu einer echten Erfolgsgeschichte wird, sollte sich die Politik auf den Abbau von Eintrittsbarrieren zum Arbeitsmarkt konzentrieren.
Absolute Beschäftigtenzahl nicht aussagekräftig
Seit August 2014 weist die Bundesagentur für Arbeit monatlich den Beschäftigungsstand von in Deutschland lebenden Menschen aus den acht maßgeblichen Herkunftsländern von Flüchtlingen Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia aus. Nicht alle Menschen aus diesen Ländern sind Flüchtlinge und nicht alle Flüchtlinge kommen aus diesen Ländern, doch in Ermangelung genauerer Erhebungen bildet diese Gruppe die beste Approximation der gesamten Flüchtlingspopulation in Deutschland. Wie vielerorts berichtet wurde, weisen die Zahlen für den Mai 2018 rund 307.000 beschäftigte Flüchtlinge aus – 100.000 mehr als ein Jahr zuvor.
Isoliert betrachtet sind diese Zahlen jedoch wenig aussagekräftig. Um besser bewerten zu können, ob über 300.000 beschäftigte Flüchtlinge eine Erfolgsmeldung ist, können die Zahlen ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller arbeitsfähiger Flüchtlinge in Deutschland gesetzt werden. Die resultierende Kennziffer, die Beschäftigungsquote, erlaubt den Vergleich über die Zeit und mit anderen Bevölkerungsgruppen, etwa Ausländern allgemein und der Gesamtbevölkerung. Um den Erfolg der Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik zu bewerten, sind solche relativen Angaben hilfreicher als absolute Zahlen.
Beschäftigungsquote wächst, aber langsam
Wird die Anzahl beschäftigter Flüchtlinge in Relation zu allen in Deutschland lebenden Flüchtlingen im Alter zwischen 15 und 64 gesetzt, fällt das Ergebnis recht ernüchternd aus. Nur 27,8 Prozent der Flüchtlinge waren im Juni 2018 beschäftigt. Dagegen waren im Juni 49,4 Prozent aller in Deutschland lebenden Ausländer und 66,9 Prozent der Gesamtarbeitsbevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 beschäftigt.
Die Fluchtmigration nach Deutschland nahm Mitte 2015 deutlich zu und erreichte gegen Ende des Jahres ihren Höhepunkt. Angesichts der hohen monatlichen Zuzugszahlen überrascht es nicht, dass die Beschäftigungsquote zunächst stark zurückging. Im April 2016 erreichte sie mit 14,5 Prozent ihren Tiefpunkt. Seitdem stieg sie kontinuierlich und lag im Mai nahe dem Niveau von Ende 2014 (rund 30 Prozent).
Sozialhilfequote auf hohem Niveau
Spiegelbildlich zur geringen Beschäftigungsquote verhält sich die Arbeitslosenquote, die hier als Anteil der Arbeitslosen an der Summe aus Arbeitslosen und Arbeitenden (also ohne Nicht-Arbeitssuchende) gebildet wird. Für Flüchtlinge lag sie im Juni bei 38,1 Prozent und damit auf vergleichbarem Niveau wie schon 2014. Die Arbeitslosenquote fiel unter den in Deutschland lebenden Ausländern mit 12,6 Prozent und unter der Gesamtbevölkerung mit 5,9 Prozent deutlich geringer aus.
Ein großer Teil der arbeitslosen Flüchtlinge erhält nach Anerkennung des Asylantrags bzw. Duldungsbescheid Sozialhilfeleistungen nach SGB II. Auch Kinder, nicht erwerbsfähige Personen sowie Personen mit geringem Arbeitseinkommen („Aufstocker“) können Anrecht auf solche Leistungen haben. Die SGB-II-Quote misst den Anteil der SGB II-Leistungsempfänger an der Bevölkerung unter 65 Jahren. Im Mai 2018 lag diese unter Flüchtlingen bei 64,7 Prozent. Im gleichen Monat betrug sie für in Deutschland lebende Ausländer 21 Prozent und für die Gesamtbevölkerung etwa 9,2 Prozent.
Zwar spiegelt die seit 2016 deutlich gestiegene SGB-II-Quote unter Flüchtlingen vor allem den allmählichen Übergang von Asylleistungen zu SGB-II-Leistungen wider und signalisiert nicht zwingend Mehrbelastungen für die Steuerzahler. Doch fiel die SGB-II-Quote im Mai dieses Jahres weitaus höher aus als noch Ende 2014 (rund 45 Prozent) und stagniert seit Mitte 2017 – ein weiterer Hinweis darauf, dass sich unter den seit 2015 eingewanderten Flüchtlingen überproportional viele Personen befinden, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt bisher nicht Fuß fassen konnten bzw. noch nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten.
Erfolgsmeldung?
Rechtfertigt die Annäherung der Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote an den Status quo ante eine Erfolgsmeldung? Der Vergleich zwischen den 2018 und den 2014 beobachteten Werten ist schwierig, da sich die zugrundeliegenden Populationen wahrscheinlich hinsichtlich der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in Deutschland unterscheiden – und damit auch hinsichtlich der Arbeitsmarktchancen.
Angesichts der hohen Zuzugszahlen 2015 und 2016 liegt die Vermutung nahe, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Flüchtlings heute geringer ist als 2014. Eine im Aggregat ähnlich hohe Arbeitsmarktbeteiligung wie vor Anstieg der Flüchtlingszahlen spricht daher für eine relativ erfolgreiche Integration der neueren Zuzugskohorten.
Angesichts der heute deutlich günstigeren Konjunktur und des Abbaus mancher Arbeitsmarkthürden wäre zwei Jahre nach dem Höhepunkt der Asylmigration hingegen eine höhere Beschäftigungsquote zu erwarten gewesen, zumal diese in den letzten zwei Jahren auch unter Ausländern allgemein sowie in der Gesamtarbeitsbevölkerung gestiegen ist. Das spricht für eine relativ misslungene Arbeitsmarktintegration der neu zugezogenen Flüchtlinge. Das legen auch Untersuchungen aus 2017 im Rahmen der IAB-SOEP-Migrationsstichprobe nahe, die zeigen, dass sich die seit 2013 eingewanderten Flüchtlinge langsamer in den Arbeitsmarkt integrieren als vor 2013 eingewanderte Flüchtlinge oder sonstige Zuwanderer.
Arbeitsmarktreformen dringend nötig
Der Vergleich von Beschäftigungsquoten über die Zeit ist aussagekräftiger als der Vergleich absoluter Beschäftigtenzahlen, doch er erlaubt ebenso wenig ein abschließendes Urteil über die Arbeitsmarktintegration der neu hinzugezogenen Flüchtlinge. Unabhängig von der Frage des Arbeitsmarkterfolgs jüngerer Zuzugskohorten relativ zu den vor 2014 zugezogenen Flüchtlingen sollte eine Beschäftigungsquote von 27,8 Prozent jedoch keinen Anlass zur Entwarnung geben. Vielmehr verdeutlicht die niedrige Quote, dass Arbeitsmarktintegration der aktuellen Flüchtlingskohorten weiterhin viel zu wünschen übrig lässt. Sollte der derzeitige Arbeitsmarktboom abebben, droht vielen Flüchtlingen dauerhafte Arbeits- und Perspektivenlosigkeit.
Sprachhürden und niedrige oder auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht gefragte Qualifikationen stellen für die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge ein grundsätzliches und politisch nur bedingt lösbares Problem dar. Doch darüber hinaus stehen der Politik zahlreiche Optionen zur Verfügung, die das Potenzial haben, die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zur Erfolgsgeschichte zu machen. Dafür muss es jedoch möglich sein, dem häufig niedrigen Qualifikationsniveau der Flüchtlinge entsprechend Jobs mit niedriger monetärer oder nicht-monetärer Entlohnung entstehen zu lassen. So bieten sich etwa die selektive Aussetzung von Mindestlohn und Kündigungsschutz für Flüchtlinge sowie die Kürzung des ALG-II-Satzes bei großzügigeren Hinzuverdienstregeln an.