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Photo: David Holt from Flickr (CC BY-SA 2.0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

In den vergangenen Jahren kamen viele Zuwanderer nach Deutschland, darunter allein 1,2 Millionen Asylsuchende in den Jahren 2015 und 2016. Eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt ist erstrebenswert – aufgrund des niedrigen Qualifikationsniveaus der meisten Zuwanderer ist das jedoch kein leichtes Unterfangen.

Die Bundesregierung gibt sich optimistisch und verweist auf jüngste Reformen. Doch neue Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lassen vermuten, dass die in den letzten Jahren zugewanderten Flüchtlinge trotz Reformen und außergewöhnlich günstiger Arbeitsmarktlage eine noch schleppendere Arbeitsmarktkarriere erleben werden als frühere Flüchtlinge. Rosige Aussichten sind das nicht: Frühere Flüchtlingskohorten erreichten erst nach 15 Jahren eine Beschäftigungsquote von 70%, was der Beschäftigungsquote regulärer Zuwanderer in Deutschland nach 5 Jahren entsprach.

Die Bundesregierung sollte die niedrigen Beschäftigungsquoten der in den letzten Jahren zugereisten Flüchtlinge als Warnsignal sehen. Gelingt es nicht, die Arbeitsmarktintegration deutlich zu beschleunigen, kommen hohe Kosten auf die Steuerzahler zu. Um die Erwerbsquote der Flüchtlinge zügig zu heben, bietet es sich an, den Kündigungsschutz und den Mindestlohn mindestens für Flüchtlinge auszusetzen, den Regelbedarf für ALG II beziehende Flüchtlinge um 30% zu kürzen und Freibeträge beim Bezug von ALG II für alle Empfänger auszuweiten.

Arbeitsmarktintegration verläuft gewohnt schleppend

Eine neue Studie des IAB zeigt: Die Arbeitsmarktintegration der in den letzten Jahren zugewanderten Menschen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern – Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria Pakistan, Somalia und Syrien – läuft nur schleppend an. Aufgeschlüsselt nach dem Einreisejahr konnte das IAB auf Basis einer repräsentativen Stichprobe die Erwerbstätigenquote – also den Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung an der erwerbsfähigen Bevölkerung (im Alter von 18 bis 64) -berechnen. Berücksichtigt werden sowohl geringfügige, Teil- und Vollzeit- als auch selbstständige Beschäftigung sowie betriebliche Praktika. Die Ergebnisse sind recht ernüchternd:

Die Erwerbstätigenquote unter den 2016 eingereisten Flüchtlingen lag Ende 2016 bei 6,2 %. 2015 eingereiste Flüchtlinge erreichten zum selben Zeitpunkt eine Quote von 9,9 %. Bei Flüchtlingen aus dem Jahre 2014 lag sie bei 22,2 % und von den erwerbsfähigen Flüchtlingen aus 2013 waren 30,8 % beschäftigt. Werden Praktika und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht berücksichtigt, sinkt die Erwerbstätigenquote für alle Kohorten deutlich. 2013 eingereiste Flüchtlinge kommen dann auf eine Quote von 20,8 %.

 

 

Die neu zugewanderten Flüchtlinge fassen damit noch langsamer Fuß auf dem Arbeitsmarkt als frühere Flüchtlingskohorten. Zogen früher zugezogene Flüchtlinge nach 15 Jahren mit schneller integrierten, regulär eingewanderten Migranten gleich und erreichten eine Erwerbstätigenquote von 70%, so steht zu erwarten, dass die in den letzten Jahren zugezogenen Flüchtlinge dafür noch länger brauchen werden.

Zum Vergleich: Die Erwerbstätigenquote aller in Deutschland lebenden Personen zwischen 20 und 64 Jahren liegt bei 78 %.

Ausland macht ähnliche Erfahrungen

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass es in mit Deutschland vergleichbaren Staaten ähnliche Probleme bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen gibt. Die Erwerbstätigenquote von Flüchtlingen, die vor bis zu vier Jahren eingewandert sind, liegt im EU-Durchschnitt bei nur 27%. In der Gruppe der vor fünf bis neun Jahren Eingereisten liegt die Quote bei 39 %. Flüchtlinge, die seit 10 bis 14 Jahren im jeweiligen Land leben, erreichen eine Quote von 56 %. Migranten, die aus anderen Gründen eingereist sind, erreichen im EU-Durchschnitt deutlich früher höhere Erwerbstätigenquoten.

Eine wachsende Zahl von Länderstudien, etwa für die Schweiz oder Schweden, bestätigt den Befund. In den USA lebende Flüchtlinge erreichen dagegen deutlich schneller eine mit Inländern und regulären Migranten vergleichbare Erwerbsquote. Die beobachtbare Eingliederung in den US-Arbeitsmarkt suggeriert, dass die Arbeitsmarktintegration nicht so schleppend wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern laufen muss.

Bisherige Arbeitsmarktreformen reichen nicht

Flüchtlinge weisen im Vergleich zu ähnlich qualifizierten und demografisch zusammengesetzten Arbeitsmigranten systematisch geringere Arbeitsmarkterfolge auf. Das deutet darauf hin, dass sie sich hinsichtlich weiterer Eigenschaften mit Folgen für ihre Beschäftigung von regulären Migranten unterscheiden.

Einige Hürden für den Arbeitseinstieg für Flüchtlinge wurden in Deutschland in den letzten Jahren abgebaut, darunter das temporäre Arbeitsverbot und die Vorrangprüfung. Andere Hürden bestehen fort, so etwa die Unsicherheit über den zukünftigen Aufenthaltsstatus vieler Flüchtlinge, der ein Investment in ihr Humankapital für Arbeitgeber unattraktiv macht. Neue Hürden kamen dazu, wie der Mindestlohn im Januar 2015.

Wenngleich die jüngsten barriereabbauenden Reformen der Bundesregierung begrüßenswert sind, legt die anhaltend niedrige Erwerbstätigenquote unter neu zugereisten Flüchtlingen nahe, dass deren Effekt gering ausfiel.

Glücklicherweise stehen dem Gesetzgeber weitere Mittel zur Verfügung, die geeignet sind, die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zu beschleunigen – ohne den Einstieg in dauerhaft kostspielige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu riskieren.

Kündigungsschutz und Mindestlohn aussetzen

Als bedeutendste Hürde für niedrigqualifizierte und sprachlich-kulturell kaum integrierte Flüchtlinge erweisen sich hohe Lohnkosten, die sich durch vorgeschriebene implizite Lohnbestandteile wie den Kündigungsschutz erhöhen.

Die Aussetzung des Kündigungsschutzes für Flüchtlinge würde die mit ihrer Einstellung verbundenen Risiken reduzieren, die Kosten für den Arbeitgeber senken und so eine Beschäftigung attraktiver machen.

Selbst wenn beidseitig lohnende Arbeitsbedingungen gefunden werden, kann der allgemeine Mindestlohn deren Zustandekommen verhindern, solange der ausgehandelte Bruttostundenlohn unter 8,84 € liegt. Die selektive Aussetzung des Mindestlohns könnte folglich genutzt werden, um die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen anzuheben.

Auch einheimische Niedrigqualifizierte leiden unter hohen Lohnkosten und könnten von der Aussetzung des Kündigungsschutzes und des Mindestlohns profitieren. Angesichts der starken politischen Lobby für diese Arbeitsmarktregulierungen, erscheint deren selektive Aussetzung für Flüchtlinge jedoch der politisch realistischere Weg zu sein.

ALG II: Regelsatz kürzen, Hinzuverdienst erleichtern

Die Öffnung des Niedriglohnsektors für Flüchtlinge entfaltet vor allem dann eine beschäftigungs- und integrationsfördernde Wirkung, wenn sich niedrigentlohnte Arbeit relativ zum Bezug von Sozialleistungen lohnt. Derzeit liegt das nach Abzug von Mietkosten verfügbare Monatseinkommen eines zum Mindestlohn beschäftigen Vollzeitarbeitnehmers nur etwa 300 € über den ALG II-Leistungen – das entspricht einem Mehreinkommen von unter 2 € pro Stunde. Bei den für viele Flüchtlinge realistischeren Stundenlöhnen unter 8,84 € schrumpft der Abstand zum durch ALG II erreichbaren Einkommen weiter.

Der Gesetzgeber sieht die Kürzung des Arbeitslosengeldes vor, wenn sich der Bezieher nicht angemessen um einen Arbeitsplatz bemüht – i.d.R. um zunächst 30%, also auf ca. 286 € monatlich für einen erwachsenen Alleinstehenden. Um den Anreiz zur Arbeitsaufnahme zu fördern, könnte der an Flüchtlinge ausgezahlten ALG II-Satz pauschal um 30 % gemindert werden. Die Ungleichbehandlung gegenüber einheimischen Beziehern ist in Hinblick auf den besonderen Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen vertretbar.

Unabhängig von einer Kürzung des Regelsatzes bieten sich langsamer abschmelzende Freibeträge für ALG II-Empfänger an. Werden Arbeitseinkommen nur teilweise auf Sozialleistungen angerechnet, wird auch bei niedrigen Löhnen der Anreiz zur Arbeitsaufnahme verstärkt. Neu ist diese Idee nicht, doch angesichts der Flüchtlingsmigration erhält sie neue Relevanz. Die teilweise Subvention von niedrigentlohnten Arbeitsverhältnissen ist aus Sicht der Steuerzahler lohnenswerter als die dauerhafte Finanzierung von Massenarbeitslosigkeit. Den Zuwanderern bietet sie zugleich eine Chance, produktive Mitglieder der Gesellschaft zu werden und ihren Lebensunterhalt in weiten Zügen eigenständig zu finanzieren.

Integration erfolgt über den Arbeitsmarkt

In Deutschland herrscht seit Jahren nahezu Vollbeschäftigung. Dennoch fällt die Erwerbsquote unter den jüngst zugereisten Flüchtlingen niedriger aus als dies für frühere Flüchtlingskohorten in den Jahren unmittelbar nach ihrer Einreise der Fall war.

Die Arbeitsmarktpolitik sollte auf den Abbau von Barrieren für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgerichtet sein. Als geeignete Mittel kommen in Frage die Aussetzung des Kündigungsschutzes und des Mindestlohns sowie reduzierte ALG II-Bezüge für Flüchtlinge. Darüber hinaus empfehlen wir, erzielte Einkommen in geringerem Maße als aktuell auf die ALG II-Ansprüche aller Leistungsempfänger anzurechnen.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: MEAACT Kenya from Flickr (CC 0)

Der Freihandel hat es schwer. So schwer wie schon lange nicht mehr. Man kann so schön gegen ihn polemisieren. US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Kritik an den „Billigimporten“ aus China sogar die Präsidentschaftswahl gewonnen. Jetzt schimpft er auf Deutschland mit den gleichen Argumenten. Die Kritik kommt aber vielfach auch aus der linken Ecke. Unsere Standards würden in den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht eingehalten, daher könnten sie so billig produzieren. Arbeitsplätze gingen dann bei uns verloren. An diesem Argument ist durchaus etwas dran.

Auch der Appell, Kinderarbeit, schlechte Arbeitsbedingungen und eine Umwelt, an der Raubbau betrieben wird, dürfe die westliche Welt nicht akzeptieren, hat seine Berechtigung. Das sind Argumente, die vordergründig stichhaltig sind. Wer will schon Kinderarbeit? Wer will schon, dass die Umwelt zerstört wird? Doch was ist in den Entwicklungsländern die Alternative? Ist es nicht anmaßend, aus unserer Brille heraus anderen Regionen auf dieser Welt vorzuschreiben, wie sie leben sollen oder ihnen Entwicklungschancen zu verbauen? Unsere Verhältnisse sind auch nicht über Nacht entstanden. Kinderarbeit war bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland erlaubt, in der Schweiz bis weit in die 1950er Jahre hinein. Die Industrialisierung in Europa war auch ein Raubbau an der Natur. Erst der technische Fortschritt brachte Wohlstand für breite Schichten der Bevölkerung. Erst die auf Wettbewerb basierende Marktwirtschaft hat die Arbeitsbedingungen und auch die Umweltstandards mit der Zeit verbessert.

Deshalb ist der erhobene Zeigefinger vieler Freihandelsgegner arrogant und zynisch, weil sie billigend in Kauf nehmen, dass sich die Lebenssituation in den Entwicklungsländern mit unseren Standards niemals verbessern wird. Viel lieber wollen sie Entwicklungshilfe leisten, die nicht hoch genug sein kann, um dem eigenen Seelenheil zu dienen. Lieber korrupten Regierungen in Afrika den Haushalt finanzieren, anstatt die Märkte in der EU für afrikanische Produkte zu öffnen. Es ist wie ein neuzeitlicher Ablasshandel, der vielleicht ein gutes Gewissen macht, aber die Probleme nicht löst.

Wenn Entwicklungshilfeminister Gerd Müller jetzt einen Marshall-Plan für Afrika fordert, dann potenziert er diesen Ablasshandel. Er will die Entwicklungshilfe dadurch verbessern, dass sie auf die Länder konzentriert wird, die „sichtbare Fortschritte“ bei „guter Regierungsführung, Rechtssicherheit, Korruptionsbekämpfung“ machen. Das Scheitern dieser Form der Entwicklungshilfe ist längst belegt. Das Modell „Zuckerbrot und Peitsche“ funktioniert meist nicht, weil ein kultureller Wandel nicht Zwang, sondern eine innere Einsicht bei den Menschen voraussetzt. Anstatt Afrika immer mehr an den Tropf der Industrieländer zu hängen, wäre es besser, wenn sich Deutschland innerhalb der EU noch stärker für den Abbau von Zöllen gegenüber den Ländern Afrikas einsetzten und gleichzeitig seine eigenen Agrarsubventionen zurückfahren würde. Immerhin nimmt die EU jedes Jahr rund 18 Milliarden Euro an Zöllen von Unternehmen aus Staaten außerhalb der EU ein – auch aus Afrika und ein großer Teil des EU-Haushaltes wird für die Subvention der europäischen Landwirtschaft ausgegeben.

Es wäre auch der beste Weg, um die Flüchtlingsströme aus Afrika zu stoppen. Menschen können bei freiem Handeln in ihrer angestammten Heimat bleiben und dort ihre Talente entfalten. Mit einem freien Warenverkehr verliert auch die Größe des Landes an Bedeutung. Auch größenwahnsinnige Nationalisten und Despoten wird damit der Boden entzogen. Wer Handel treibt, der führt keine Kriege, Freihandel ist also friedensstiftend. Freihandel ist darüber hinaus eine Machtbegrenzung von Staaten und Regierungen. Ihr Einfluss sinkt zugunsten des Konsumenten.

Der europäische Binnenmarkt ist ein epochaler Fortschritt im 20. und 21. Jahrhundert und findet Nachahmer überall auf der Welt. So frei er im Inneren ist, desto verschlossener ist er gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern. Mit dem ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan müsste man in Richtung Europäische Union rufen: „Tear down this wall“ – reißt diese Mauer nieder!

Photo: Skimaniac from Flickr (CC BY-NC 2.0)

Alles hängt mit allem zusammen. Wenn die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Fed, Janet Yellen, in der nächsten Woche die Leitzinsen wie erwartet erneut leicht erhöht, dann hat das in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern tiefgreifende Folgen. Die dortigen Regierungen und Unternehmen sind überwiegend in Dollar verschuldet. Erhöht die US-Notenbank den Leitzins und steigen die Zinsen in Amerika anschließend auf breiter Front, dann werden Anlagen in den USA relativ zu Anlagen in anderen Ländern attraktiver. Die Folge: Anlagekapital fließt verstärkt in die USA. Der Wert der US-Währung steigt im Verhältnis zu anderen Staaten, die diesen Schritt nicht mitgehen. Wer Schulden in Dollar hat, muss daher als Regierung oder Unternehmen erheblich mehr zurückzahlen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer schaffen das meist nicht, da sie in der Zwischenzeit ihre Ausgaben massiv ausgeweitet haben und diese nicht rechtzeitig reduzieren können oder wollen.

Auch der Euro hat gegenüber dem Dollar in den vergangenen drei Jahren fast 24 Prozent seines Wertes verloren. Seitens der Europäischen Zentralbank ist das gewollt, glaubt man doch, dass eine billige Währung die Exporte ankurbelt und so die Konjunkturschwäche in Südeuropa beseitigen hilft. Doch dauerhafter Wohlstand kann nicht mit einer immer billigeren Währung erkauft werden. Hierfür gibt es viele historische Beispiele. Man muss dafür nicht erst nach Simbabwe schauen.

Der Blick sollte hier – aus aktuellem Anlass – eher auf die Entwicklung der Türkei gelenkt werden. Die Neue Türkische Lira hat in der gleichen Zeit rund 70 Prozent des Wertes eingebüßt – und allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent. Der Grund dafür:_Die Türkei steht aktuell wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Der langanhaltende Aufstieg des Landes scheint zu Ende zu gehen. Dabei war die Türkei lange eine Erfolgsgeschichte. In den vergangenen 30 Jahren hat die Industrieproduktion sich verdreifacht. Selbst die Weltfinanzkrise 2007/2008 hat die Türkei gut überstanden. Zum Tief 2009 legte die Industrieproduktion um fast 50 Prozent zu. Das ist sehr bemerkenswert und zeigt, wieso die Politik Recep Tayyip Erdogans so lange von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde.

Doch inzwischen steigt die Staatsverschuldung massiv an und die Auslandsverschuldung ist im Wesentlichen im Dollarraum angesiedelt. 2016 hat die Notenbank massiv Staatsanleihen gekauft und so die eigene Verschuldung durch die Notenpresse finanziert. Gleichzeitig wurden exportorientierte Unternehmen mit geldpolitischen Maßnahmen subventioniert, um das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren. Denn die Währungsreserven der Türkei sinken massiv, gleichzeitig steigen die Verbraucherpreise stark an. Investoren verlassen das Land und auch die wichtige Tourismusindustrie bricht massiv ein. Hinzu kommt, dass viele kluge Köpfe das Land verlassen, was zu einem Verlust von Wissen führt.

Die Türkei steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist wohl der Grund, wieso Präsident Erdogan immer autoritärer im In- und Ausland auftritt. Wirtschaftliche Probleme werden oftmals politisch dadurch kaschiert, dass Regierungen ablenken, neue Feindbilder schaffen und die Notenbanken zur Staatsfinanzierung missbrauchen. So macht es jetzt auch Erdogan. Der kommende Zinsschritt in den USA wird die Probleme der Türkei daher weiter massiv verschärfen.

Auf den Druck und die Provokationen Erdogans sollte die deutsche Regierung mit Klarheit antworten. Angela Merkels Flüchtlingsdeal mit Erdogan hat diese Klarheit nicht geschaffen, sondern die Bundesregierung erpressbar gemacht. Um so mehr Klarheit müsste eine Kanzlerin jetzt an den Tag legen, wenn eine ausländische Regierung ihre Probleme durch provokative Wahlkampfauftritte in Deutschland lösen will. Eine ausländische Regierung kann sich nicht auf das Minderheitenrecht der Meinungsfreiheit berufen, um innenpolitische Fragen in einem anderen Land zu thematisieren. Diese Klarheit muss die Bundesregierung nun schaffen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 11. März 2017.

Photo: Mike Reid from Flickr (CC BY 2.0)

Von David Bier, Analyst beim Center for Global Liberty and Prosperity des Cato Institute in Washington D. C. Der Artikel erschien erstmals in der New York Times am 27. Januar 2017.

Präsident Donald Trump hat vor kurzem angeordnet, für 90 Tage nahezu jegliche Form des Zuzugs aus sieben muslimischen Ländern zu unterbinden, einschließlich Syrien und Irak. Die Anordnung des Präsidenten bietet auch die Möglichkeit, den Einreisestopp auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Diese Anordnung ist illegal. Vor mehr als 50 Jahren wurde vom US-Kongress beschlossen, dass es illegal ist, Immigranten aufgrund ihres Herkunftslandes zu diskriminieren.

Vor dieser Gesetzesänderung gab es in den USA eine lange und beschämende Zeit, in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft an der Zuwanderung gehindert wurden. Ende des 19. Jahrhunderts wurden alle Chinesen und nahezu alle Japaner ausgeschlossen. Wenig später sogar alle Asiaten aus der sogenannten „Asiatischen Sperrzone“. 1924 verabschiedete der Kongress dann das „Herkunftsland-System“, mit dem Einwanderung systematisch auf westliche Länder getrimmt wurde, und das die meisten Osteuropäer, sowie nahezu alle Asiaten und Afrikaner ausschloss.

Trump scheint mit seinen Verordnungen eine Neuauflage dieser Sperrzone zu planen. Er hat allerdings ein Problem: Der “Immigration and Nationality Act” von 1965 verbietet jegliche Diskriminierung gegenüber Einwanderern aufgrund ihres Herkunftslandes. Der Beschluss ersetzte das alte, von Vorurteilen geprägte System von 1924 und gab Menschen aus jedem Land die gleiche Chance auf Einwanderung. Als Präsident Lyndon B. Johnson das Gesetz unterschrieb sagte er, damit sei “ die harsche Ungerechtigkeit” der Herkunftslandquoten endlich beseitigt.

Donald Trump behauptet allerdings, dass er trotzdem rechtmäßig diskriminieren könne. Er verweist dabei auf ein Gesetz von 1952, welches dem Präsidenten erlaubt, den Zuzug von “jeglicher Klasse von Ausländern” zu beschränken, die aus seiner Sicht eine Gefährdung der Interessen der USA darstellen. Doch der Präsident ignoriert hierbei freilich, dass auch diese Kompetenz mit dem Beschluss von 1965 eingeschränkt worden ist. Hier wird unmissverständlich festgehalten, dass bei der Vergabe von Immigrations-Visa keine Person aufgrund von “Rasse, Geschlecht, Nationalität, Geburtsort oder Wohnort” diskriminiert werden dürfe. Ausnahmen können einzig vom Kongress gemacht werden, wie etwa bei den Sonderrechten für kubanische Flüchtlinge. Mit dem Gesetz von 1965 wollte der Kongress nicht nur Immigranten, sondern auch die eigenen Bürger schützen, die damit das Recht bekamen, ihre Familienmitglieder nachzuholen, oder ausländische Partner zu heiraten ohne grundloser Diskriminierung ausgesetzt zu sein.

Trump wird vielleicht versuchen, Diskriminierung aufgrund des Herkunftslandes wiedereinzuführen, indem er zwischen der “Erteilung des Visums” und dem “Eintritt des Immigranten” unterscheidet. Aber das ist unsinnig: Immigranten können kein rechtlich gültiges Visum bekommen, wenn sie von der Einreise ausgeschlossen sind. Dementsprechend gilt das Gesetz von 1952 sowohl für die Einreise als auch für das Visum. Das erkennt auch die Anordnung von Trump an.

Das Diskriminierungsverbot gilt jedoch nur für Immigranten. Laut Gesetz gelten in den USA als Immigranten nur Personen, die einen permanenten Aufenthaltsstatus in den USA zugesprochen bekommen. Besucher auf Zeit hingegen, wie zum Beispiel Gastarbeiter, Studenten, Touristen und selbst Flüchtlinge, könnten dementsprechend trotzdem an der Einreise gehindert werden. Das Gesetz von 1965 schließt zudem Diskriminierung aufgrund von Religion nicht aus – was Trumps ursprünglicher Vorschlag war.

Amerikanische Präsidenten haben ihre Macht dutzende Male genutzt, um unter Anwendung des Gesetzes von 1952 bestimmte Gruppen von Ausländern auszuschließen. Aber noch kein Präsident hat jemals sämtliche Angehörigen einer Nation von der Zuwanderung ausgenommen. Am häufigsten wird in Kommentaren auf die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran 1980 Bezug genommen, als Präsident Carter bestimmte Iraner mit einem Einreiseverbot belegte. Das Einreiseverbot zielte jedoch hauptsächlich auf Studenten, Touristen und Besucher auf Zeit.  Zudem hatte die Anordnung eine ganze Reihe von Ausnahmen aus humanitären Gründen. Auch 1980 wurden iranische Immigranten weiterhin zugelassen.

Gerichte mischen sich in den USA selten in Einwanderungsangelegenheiten ein. Das Diskriminierungsverbot haben sie allerdings mehrfach bekräftigt. In den 90er Jahren zum Beispiel hatte die US-Regierung beschlossen, dass Vietnamesen, welche nach Hongkong geflohen waren, nach Vietnam zurückkehren mussten, um ein Immigrations-Visum zu beantragen. Antragsteller aus anderen Ländern konnten das hingegen von überall aus machen. Ein bundesstaatliches Berufungsgericht stoppte damals den Beschluss.

In diesem Fall hatte die Regierung noch nicht einmal versucht zu behaupten, dass das Gesetz von 1952 eine entsprechende Diskriminierung zulassen würde. Das Gericht wies damals deren Begründung zurück, dass die plausible Verbindung der Anordnung mit temporären außenpolitischen Maßnahmen rechtfertigen könne, das Gesetz zu ignorieren. Man kann damit rechnen, dass die Regierung Trump genau dieses Argument auch anführen wird. Das Gericht schrieb damals: “Wir können nicht eine gesetzliche Bestimmung umschreiben, die ausdrücklich keine Ausnahmen oder Einschränkungen vorsieht.”

Um die Situation aufzulösen, änderte der Kongress das Gesetz im Jahr 1996 dahingehend, dass Bedingungen bezüglich Verfahren und Ort des Antrags auf Immigration nicht mehr als Diskriminierungen gewertet werden  können. So bleibt immer noch sehr viel Raum dafür, dass die Regierung Schaden anrichten kann. Durch die Gesetzesänderung hat der Kongress allerdings deutlich gemacht, dass er immer noch beabsichtigt, dem Diskriminierungsverbot ein gewisses Gewicht beizumessen. Ein vom Präsidenten verabschiedetes pauschales Verbot von Migration aufgrund von Nationalität wäre demnach immer noch illegal.

Die Gerichte haben einen gewissen Interpretationsspielraum in wiefern Diskriminierung zulässing ist. Wenn Donald Trump allerdings Menschen aus einer gesamten Region die Einreise verbietet, dann würde damit die Idee des Kongresses von  einer legalen Zuwanderung ohne Diskriminierung aushebeln. Ein Berufungsgericht unterband Präsident Obamas Anordnungen, die Millionen von illegalen Einwanderern vor der Abschiebung bewahren sollten. Und zwar deshalb, weil er damit den Kongress umgehen wollte. Kann es einen gewissen Ermessensspielraum geben? Natürlich. Aber kann der Ermessensspielraum so weit gehen, ein Gesetz umzuschreiben? Nicht mit der amerikanischen Verfassung.

Veröffentlicht auf der Website des Cato Institute, deutsche Übersetzung von Maximilian Wirth.

Tagung des Prometheus-Instituts im Würth Haus Berlin

Über das Thema „Europa zwischen Zentralität und Pluralität“ diskutierten auf Einladung des Prometheus-Instituts am gestrigen Abend Karl von Habsburg und Prof. Thomas Mayer in der Repräsentanz der Würth-Gruppe in Berlin. Von Habsburg ist Präsident der Paneuropa-Bewegung Österreich. Die Paneuropa-Bewegung wurde nach dem ersten Weltkrieg 1922 von Richard von Coudenhove-Kalergie gegründet und gilt als älteste Europabewegung. Von Habsburg warb für einen europäischen Föderalismus und betonte, dass Europa größer sei als die Europäische Union. Dieser Unterschied werde in Brüssel immer wieder negiert.
Der ehemalige Europaabgeordnete betonte, dass die EU, trotz ihrer Schwächen, in anderen Teilen der Welt als moderne Errungenschaft verstanden werde. Insbesondere in Afrika sehe man dies so. Für die westafrikanischen Staaten, die sogenannten ECOWAS-Staaten, sei die EU mit dem Schengen-Raum und der gemeinsamen Währung ein Vorbild, das diese nachbilden würden. Er forderte ein stärkeres außenpolitisches Engagement der EU. Auf die USA könne man derzeit nicht setzen, da bis in das Frühjahr des nächsten Jahres hinein, wegen des Präsidentschaftswahlkampfes und der dann folgenden Neusortierung der US-Regierung, keine Initiativen zu erwarten seien. Dies sehe er in Hinblick auf die Rolle Russlands mit Sorge.
In der Flüchtlingspolitik forderte er eine europäische Lösung. Es gebe keinen deutschen oder österreichischen Weg. Bis 2025 sei mit rund 12 Millionen Migranten zu rechnen, die sich unabhängig von der Schließung der Balkanroute ihren Weg nach Europa suchen würden. Es müsse daher eine Angleichung der Behandlung von Flüchtlingen geben. Solange dies nicht existiere, seien Kontingente wirkungslos.
Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Kuratoriumsvorsitzender von Prometheus, zog den Schluss, dass die Gründung des Euro zwangsläufig zu mehr Zentralismus in der EU führe. Die Gründerväter des Euro wollten die immer engere Union damit erzwingen. Er warb jedoch für die Idee eines konföderalen Europas. Hierzu hat er bereits im November gemeinsam mit Prof. Stefan Kooths, Prof. Justus Haucap und Frank Schäffler ein Manifest veröffentlicht. Darin sprechen sich die Autoren für die Idee eines Staatenverbundes aus. Am Beispiel der Asyl- und Flüchtlingspolitik zeige sich, dass sich Konsens in der EU nicht durch Gemeinschaftsinstitutionen ersetzen lasse, sondern dass sich das, was gemeinschaftlich koordiniert geschehen soll, am Konsens orientieren müsse. Deutschland dürfe seine Vorstellungen nicht zum Maßstab erklären, um dann von den Partnern zur Bewältigung der damit verbundenen Lasten Solidarität einzufordern.
Im Hinblick auf die Euro-Schuldenkrise ist die Spaltung Europas nur durch eine Entpolitisierung des Euros möglich. Der Euro-Raum müsse zu einer offenen Hartwährungsunion entwickelt werden, die den Austritt ermöglicht und andere Währungen parallel zulässt.
Prometheus-Geschäftsführer Frank Schäffler betonte, dass in Europa die Tradition eines Primates von Recht und Freiheit herrschen müsse. Das seien die Wurzeln der europäischen Idee. Sie zu hegen und zu pflegen, sei Auftrag einer offenen Gesellschaft. Manfred Kurz, Repräsentant der Würth-Gruppe, unterstrich die Wichtigkeit freiheitlicher Ideen, die in Deutschland vom Prometheus-Institut und Frank Schäffler vertreten würden.