Photo: Andrew Martin from Pixabay (CC 0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Der Süden Italiens ist nicht nur geprägt durch eine höhere Arbeitslosenrate und niedrigere Einkommen als das nördliche Italien, sondern auch durch eine schlechtere medizinische Versorgung. Patienten in Süditalien reagieren darauf und begeben sich für Operationen relativ häufig in den Norden, der so zum Nettoexporteur medizinischer Dienstleistungen geworden ist. In ihrem IREF Working Paper untersuchen Paolo Berta, Carla Guerriero und Rosella Levaggi am Beispiel der Lombardei, wie sich die Mobilität der Patienten auf das Verhalten von Krankenhäusern auswirkt.

Ihre Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Patienten von außerhalb der Lombardei in privaten und staatlichen Krankenhäusern in der Lombardei besser versorgt werden als Einwohner der Lombardei. Dennoch profitieren vom Wettbewerb der Krankenhäuser um die auswärtigen Patienten auch die lombardischen Patienten. In Krankenhäusern mit hohem Anteil auswärtiger Patienten fallen die Mortalitätsraten niedriger aus – nicht nur für auswärtige Patienten. Das spricht laut den Autoren für positive Spillovereffekte von auswärtigen auf einheimische Patienten in der Lombardei, die ohne den Wettbewerb um die auswärtigen Patienten nicht entstünden.

Medizinische Versorgung in Italien: Nord-Süd-Gefälle

Die Lebenserwartung bei Geburt ist unter den OECD Ländern nur in Japan und der Schweiz höher als in Italien. Dabei gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. In der nördlichen Region Trento-Südtirol sind es gemäß den Autoren 83,5 Jahre, während es in der südlichen Region Kampanien nur 80,5 Jahre sind. Dazu passend gibt es in den südlichen Regionen weniger Betten zur intensivmedizinischen Betreuung und Patienten warten länger auf kardiologische Untersuchungen. Unter diesen Vorzeichen überrascht es nicht, dass sich häufiger Patienten aus dem Süden für Behandlungen in die nördlichen Regionen begeben als umgekehrt.

Auswärtige Patienten in der Lombardei

Die Autoren nutzen in ihrem Papier Daten aus der nördlichen Region Lombardei, der bevölkerungsreichsten Region Italiens. 2016 wurden dort in den Krankenhäusern etwa 1,7 Millionen Patienten behandelt. Etwa 115.000 kamen aus anderen Regionen.

Für ihre Untersuchung verwenden die Autoren Daten aus den Jahren 2010 bis 2014, um das Verhalten von staatlichen Krankenhäusern, privaten gewinnorientierten Krankenhäusern und privaten Krankenhäsuern ohne Gewinnerzielungsabsicht gegenüber einheimischen und auswärtigen Patienten zu analysieren.

Zunächst lässt sich festhalten, dass der Anteil auswärtiger Patienten bei den privaten Krankenhäusern mit 18 Prozent deutlich höher ausfällt als mit jeweils 6 Prozent bei den privaten und staatlichen Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht. Für die Behandlung auswärtiger Patienten werden die Krankenhäsuer über ihr jährliches Planungsbudget, das sich am Vorjahresumsatz orientiert, hinaus bezahlt. Das macht auswärtige Patienten vor allem für private Krankenhäuser attraktiv, die sich einer harten Budgetrestriktion ausgesetzt sehen, weil sie nicht auf finanzielle Unterstützung durch den Staat hoffen können.

Auswärtige Patienten ohne Nachteile für Einheimische bevorzugt

Auswärtige Patienten sind durchschnittlich etwas jünger und haben ernstere Leiden als einheimische Patienten. Zudem finden die Autoren, dass sie besser und schneller behandelt werden. Sie bleiben unter anderem länger auf Station – ein Maß für die Intensität der Betreuung – und müssen weniger lange auf eine Behandlung warten.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob einheimische Patienten unter der bevorzugten Behandlung auswärtiger Patienten leiden. Dafür finden die Autoren keine Hinweise. Im Gegenteil: Die Wiedereinweisungsraten und Mortalitätsraten 30 Tage nach einem Eingriff fallen für lombardische Patienten umso niedriger aus, je höher der Anteil auswärtiger Patienten eines Krankenhauses ist – unabhängig von der Eigentümerstruktur der Krankenhäuser. Die Ausnahme stellt dabei eine konstante Mortalitätsrate 30 Tage nach der Geburt bei steigendem Anteil auswärtiger Patienten bei privaten Krankenhäusern ohne Gewinnerzielungsabsicht dar.

Wünschenswerte Folgen des Wettbewerbs um Patienten

Die Autoren weisen darauf hin, dass es für ihre Ergebnisse zwei mögliche – sich potentiell ergänzende – Erklärungen gibt. Erstens, bessere Krankenhäuser ziehen mehr auswärtige Patientienten an. Zweitens, Krankhäuser, die zusätzlichen Umsatz machen wollen, verbessern ihre Leistungen, um auswärtige Patienten anzulocken und liefern als Nebeneffekt auch an einheimische Patienten Leistungen besserer Qualität.

Das lombardische Beispiel illustriert, dass der Wettbewerb zwischen Anbietern auch auf dem Markt für Gesundheitsdienstleistungen aus Sicht der Kunden wünschenswerte Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Ist die Qualität der Leistungen exogen und hängt nicht vom Wettbewerb ab, bringt der Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Krankenhäusern weder positive noch negative Effekte mit sich.

Ist die Qualität der Leistungen jedoch endogen und hängt vom Wettbewerb ab, sprechen die Ergebnisse deutlich dafür, dass der Wettbewerb zwischen Krankenhäusern um auswärtige Patienten positive Konsequenzen hat – sowohl für einheimische als auch für auswärtige Patienten. In diesem Sinne interpretieren auch die Autoren des Papiers ihre Ergebnisse.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

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