Photo: George Redgrave from Flickr. (CC BY-ND 2.0)
In der Euroschuldenkrise sitzt Deutschland in der Falle. Zwar versucht die Bundesregierung seit der Ursünde von 2010, der ersten Rettung Griechenlands vor der Insolvenz, den Prozess zu gestalten. Tatsächlich wird sie aber von den Schuldenländern vor sich hergetrieben. Immer mehr kommt es zu einer vollständigen Vergemeinschaftung der Schulden. Diese Sozialisierung vollzieht sich jedoch nicht nur bei der Einstandspflicht jedes Mitgliedsstaates des Europäischen Währungsraumes im Rahmen des 2012 geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, sondern geht weit darüber hinaus.
Es ist ein perfides Machwerk, dass sich die Eurokraten in Brüssel dafür ausgedacht haben. Die „Bankenunion“ ist das Vehikel nicht nur für die Vergemeinschaftung der Schulden, sondern bald auch der Spareinlagen im Euro-Club. Das ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Doch wer die Situation in den Krisenländern Südeuropas betrachtet, kommt nicht herum, die Lage als zutiefst besorgniserregend zu erkennen. Hier reicht schon ein Blick nach Italien. Immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum. Die Staatsschulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der Italiener sind mit 136 Prozent so hoch wie noch nie seit 90 Jahren. Die italienischen Banken haben über 200 Milliarden Euro fauler Kredite von Unternehmen und private Haushalten in ihren Büchern. Das sind über 12 Prozent der Kredite, die an diese Gruppen ausgegeben wurden. Beide Kennzahlen, die Staatsverschuldungsquote und die Quote der faulen Kredite, steigen weiterhin Monat für Monat an. Die Situation Italiens ist erschreckend schlecht. Jedoch sinkt die Rendite italienischer Staatsanleihen seit 2012 kontinuierlich – aktuell auf 1,44 Prozent bei 10jährigen Staatsanleihen.
Dieses Paradoxon, immer mehr Schulden zu machen, aber immer weniger dafür bezahlen zu müssen, hat zwei wesentliche Ursachen. Zum einen die Intervention in die Anleihemärkte der Euro-Staaten durch den Italiener im Amte des EZB-Präsidenten, Mario Draghi. Zum anderen hat das Inkrafttreten des ESM ebenfalls dazu beigetragen, dass Italien sich billiger refinanzieren kann. Der ESM fungiert als eine Art Versicherung. Er sichert den Gläubigern Italiens zu, dass deren Anleihen weniger stark ausfallgefährdet sind. Als Garantiegeber fungiert dafür das ESM-Eigenkapital der Eurostaaten. Dies ist zwar der Höhe nach auf die jeweiligen Einlagen begrenzt (für Deutschland rd. 190 Mrd. Euro), doch diese Begrenzung ist nur momentan fix, sie kann durch die Mitgliedsstaaten bei Bedarf an- oder sogar aufgehoben werden. Dass dies auch die Marktteilnehmer so sehen, kann an der Entwicklung der Renditen kurzlaufender Anleihen bereits beobachtet werden. Dort ist die Beistandspflicht Deutschlands für andere Euro-Staaten eingepreist.
Die Bankenunion ist neben dem ESM die entscheidende Schlinge. Schritt für Schritt zieht sie sich zu. Die Konzentration der Bankenaufsicht bei der EZB, die Schaffung eines zentralen Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus für Banken und bald auch eine gemeinsame Einlagensicherung aller Banken vollenden diesen Prozess. Wenn dieser Dreiklang umgesetzt ist, dann kann die EZB einseitig die Schieflage einer Bank feststellen, sie mit Geld aus dem Abwicklungsfonds, in die alle Banken des Euro-Clubs eingezahlt haben, abwickeln und die Einlagen der Sparer retten durch den gemeinsamen Einlagesicherungsfonds, in den wiederum alle Banken, Sparkassen und Volksbanken einzahlen müssen.
Damit wird der Kreis der Zahler vom Steuerzahler in den Geberstaaten auf die Sparer in den Geberstaaten erweitert. Gegen diese Entwicklung kann die Bundesregierung faktisch nur noch begrenzt etwas unternehmen. Denn die EU-Kommission stellt sich bei ihrem Verordnungsvorschlag für eine einheitliche Einlagensicherung auf den Standpunkt, dass für die Beschlussfassung im Europäischen Rat lediglich eine doppelte Mehrheit notwendig ist. Mindestens 55 Prozent der Mitglieder müssen zustimmen, die wiederum mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren müssen. Angela Merkel kann die Vergemeinschaftung der Spareinlagen nicht ohne Verbündete stoppen. Doch die sind rar und müssen mit der Lupe gesucht werden.
Wolfgang Schäuble kann noch so laut Zeter und Mordio rufen, das Kind ist bereits viel früher in den Brunnen gefallen. Die Einführung des ESM und die Konzentration der Bankenaufsicht bei der EZB waren die entscheidenden Weichen. Was jetzt kommt, sind lediglich Folgen dieser Fehlentscheidungen. Sämtliche Rückzugsgefechte Schäubles sind daher nur Schattenboxen auf höherem Niveau. Sie sollen den Sparkassen, Volksbanken und den Sparern in diesem Land das Gefühlt geben, der Finanzminister nehme ihre Sorgen erst. Insgeheim hat er sie auf dem Altar in Brüssel geopfert.
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