Photo: Charles Haynes from Flickr (CC BY-SA 2.0)
Unternehmen machen regelmäßig Stresstests, um ihre IT-Systeme auf mögliche Bedrohungen durch Hacker und andere Angriffe zu testen. Das geschieht meist heimlich, um mögliche Angreifer nicht auf Sicherheitslücken aufmerksam zu machen. Das macht individuell Sinn, denn wieso sollte ein Unternehmen freiwillig seine Schwächen zeigen? Ganz anders bei den Banken. Sie werden streng reguliert und regelmäßig aufsichtsrechtlichen Stresstests unterzogen, deren Ergebnisse alle an einem Tag öffentlich gemacht werden. Die gerade durchgeführten Stresstests wurden für die Banken in der EU von der Europäischen Bankenaufsicht Anfang August veröffentlicht.
Simuliert wurde unter anderem der Einbruch der Wirtschaftsleistung in Europa um 6,8 Prozent bis 2018 und deren Folgen für die 51 wichtigsten europäischen Banken. Gemessen wurde die Stressfähigkeit an der Kernkapitalquote. Anders als bei Unternehmen wird bei Banken meist nicht das Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme betrachtet, sondern nur zu risikobehafteten Positionen in der Bilanz. Das führt dazu, dass Geschäftsbanken als solide dargestellt werden, wenn sie in einem solchen Szenario eine Quote von 13 Prozent vorweisen konnten und danach lediglich um die 10 Prozent lagen. Würde das Eigenkapital jedoch auf die gesamte Bilanzsumme ins Verhältnis gesetzt, hätten die meisten Banken lediglich eine Quote von um die 3 Prozent vorzuweisen. Institute, die nach dem Stresstest eine Kernkapitalquote unter 5,5 Prozent vorweisen, gelten als Sanierungsfall, weil ihr Eigenkapital längst marginalisiert ist.
Schon kommuniziert die EZB, dass das Stresstestergebnis gezeigt hätte, dass sich die Lage gegenüber dem Stresstest 2014 verbessert habe. Die meisten Banken stünden solide da, lediglich die eine oder andere italienische, irische oder auch deutsche Bank müsse noch Hausaufgaben machen. Insgesamt hätten die Banken ihre Kapitalpolster um 180 Milliarden Euro seit Beginn der Finanzkrise erhöht. Das soll beruhigen und die Sinnhaftigkeit des Stresstests unterstreichen. Doch er ist nicht sinnvoll.
Denn seine Aussagekraft ist so gewichtig wie die eines Weißbrotes. Er sagt nichts aus. Denn wenn er etwas aussagen würde, dann würde die Finanzkrise erneut und sofort an das Tageslicht kommen und offenbaren, dass das Banksystem insgesamt überschuldet ist. Angedeutet hat das dieser Tage das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Mannheim. Sie gehen von einem wesentlich höheren Kapitalbedarf aus. Ihre Annahme: würden die weltweiten Aktienmärkte in den nächsten Monaten um 40 Prozent einbrechen, wäre bei den europäischen Banken mit einem Fehlbetrag von 882 Milliarden Euro zu rechnen. Seit der letzten Betrachtung sei der Fehlbetrag um 35 Prozent gestiegen. Die Schlussfolgerung der Mannheimer: Die Kreditinstitute seien dann wahrscheinlich auf Subventionen angewiesen.
Wahrscheinlich wird das Risiko weiter steigen. Die Ursache liegt in der Zinsvernichtungspolitik der EZB. Sie schlägt den Banken den Boden unter den Füßen weg. Deren immenser Kostenapparat kann durch das Wegbrechen ihrer wesentlichen Ertragsquelle, dem Zins auf der Haben- und auf der Sollseite, nicht schnell genug kompensiert werden. Deshalb kann die EZB noch so viele Stresstests machen und anschließend sagen, es sei besser geworden. Deren Bürokraten in Frankfurt mögen das noch glauben, sonst aber niemand. Der Stresstest erinnert daher eher an des Kaisers neue Kleider. Die EZB ist längst nackt, sie merkt es nur noch nicht.
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