Photo: Iain Farrell (CC BY-ND 2.0)
Die deutsche Regierung ist schnell dabei, den mangelnden Reformwillen der Krisenstaaten in Europa anzumahnen. Doch oftmals ist es gut, wenn man erstmal vor der eigenen Türe kehrt und nicht die gleichen Fehler macht, die die anderen in die Krise gestürzt haben. Es sind zwei wesentliche Gründe, weshalb die Südstaaten im Euro-Raum seit Jahren eine Wachstumsschwäche aufweisen. Es ist zum einen der aufgeblähte Staatsapparat, der die Ausgaben, die Bürokratie und die Staatsverschuldung in die Höhe schnellen lässt und es sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die den jeweiligen Standort für Investoren aus dem eigenen Land und von außen unattraktiv macht. Beides führt dazu, dass die Euro-Staaten in der Summe inzwischen eine öffentliche Verschuldung von über 90 Prozent ihrer gemeinsamen Wirtschaftsleistung vorzuweisen haben. Und die Wirtschaftleistung liegt immer noch unter dem Niveau des Jahres 2007, als die Finanzkrise abrupt eintrat.
Hier ist Deutschland relativ gesehen immer noch besser dran. Die Staatsverschuldung liegt leicht über dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit ist niedrig und der Beschäftigungsstand hoch. Doch der Abstand schwindet. Dies hat Ursachen und diese liegen in den Rahmenbedingungen, die die Regierung, aber auch die Tarifpartner in Deutschland setzen.
Erstmalig seit vielen Jahren werden im nächsten Jahr die Sozialversicherungsbeiträge wieder auf über 40 Prozent steigen. Dies obwohl die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit über 31 Millionen noch nie so hoch war. Eigentlich müssten sowohl die Rentenversicherung, als auch Kranken- und Pflegeversicherung gut mit den gestiegenen Einnahmen zurechtkommen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ihre Beiträge steigen. Der Grund ist politisch gewollt. Neue Ausgabegesetze führen dazu. Allein zwischen 2014 und 2019 wurden Leistungserweiterungen von 87 Milliarden Euro beschlossen. Jetzt schlägt Andrea Nahles vor, die Ostrenten den Westrenten anzugleichen. Das mag alles wohl begründet und vielleicht auch sinnvoll sein. Doch bei Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung wird auf Seiten der Politik nie gefragt, ob einer Leistungserweiterung auf der einen Seite, vielleicht an einer anderen Stelle eine Leistungseinschränkung möglich und erforderlich ist. Es wird immer draufgesattelt, als fiele das Geld vom Himmel und müsste nicht erarbeitet werden.
Die deutsche Regierung mahnt in Europa auch Reformen am Arbeitsmarkt an. Die EU drängt Griechenland dazu, den Arbeitsmarkt flexibler und den gesetzlichen Mindestlohn zu reduzieren. Beides gilt als Beschäftigungshindernis für junge und unqualifizierte Arbeitskräfte. Mindestlöhne sind in diesen Ländern Eintrittsbarrieren in den Arbeitsmarkt. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Portugal und Griechenland sind erschreckende Beispiele dafür. In Deutschland wurde gerade in dieser prekären Phase ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt, der im nächsten Jahr sogar noch erhöht wird.
Vielleicht ist es ein kluges Zeichen in der richtigen Zeit, wenn die renommierte Ludwig-Erhard-Stiftung ihren Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik in diesem Jahr an Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder verleiht. Seine Arbeitsmarktreformen sind heute noch wegweisend. Sie liegen aber auch schon 13 Jahre zurück. Deutschland darf sich auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Die Grundlage des Wohlstands von morgen wird heute geschaffen. Wer wüsste das besser als jener Ludwig Erhard, der in einer Regierungserklärung 1963 sagte: „Es gibt keine Leistungen des Staates, die sich nicht auf Verzichte des Volkes gründen.“
Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 30. Juli 2016.
In der Zeitung Die Welt lese ich „wir arbeiten mehr als die Hälfte unseres Lebens nur für den Staat“.
Was die Reformen von Gerhard Schröder betrifft, sind diese durchaus nicht fehlerfrei gewesen. Das Hartz IV-System ist insofern fehlerhaft, weil derjenige, der unverschuldet in die Arbeitslosigkeit abrutscht dann letztlich mit demjenigen gleichgestellt wird, der noch nie gearbeitet hatte. Oftmals müssen vor der Antragstellung einstmals steuerlich begünstigte private RV’s mit hohem Verlust aufgelöst werden. Dies sind extrem hohe Verluste für die Antragsteller und gleichzeitig sind dies fürstliche Geschenke für die Finanzwirtschaft.
Dann lese ich:
– Entwürdigende Behandlung von Hartz IV-Empfängern durch Jobcenter
– Hartz IV verstärkt Lohndumping
– massenhafte Hartz-IV-Rechtsbeugung
– Jobcenter verhängen eine Million Sanktion
(hier hat sich die Politik zwar ein wenig angestrengt, so dass die Anzahl der Hartz IV-Sanktionen reduziert werden konnte, aber das Ergebnis ist bislang nicht befriedigend)
– Hartz IV kostete bis 2014 ca. 450 Milliarden
– Hartz IV verursacht einen extrem hohen Betreuungsaufwand (1069 EUR Verwaltungskosten pro Hartz IV-Empfänger; in 2014 betrugen die Hartz IV Verwaltungskosten 4,7 Milliarden EUR)
– 1 EUR-Jobs führen zu völlig verrückten Stilblüten
Dann finde ich unzählige allgemeine MIssstände wie:
– zunehmende Privatisierung von Gefängnissen
– jedes Jahr Medikamente im Wert von 19 Milliarden verschwendet
– Monopole und Lobbyisten im Gesundheitswesen
– Pflegestufenbetrug
– Milliarden aus dem EU-Topf fließen in dunkle Kanäle
– Fragwürdige Subventionen Bund könnte fast 20 Milliarden Euro sparen
– „Interessen der Autoindustrie zu schützen ist eine Art Staatsräson“
– Trotz Abgasaffäre: Ex-VW-Chef Winterkorn erhält Millionengehalt
Roland Tichy von der WiWo schreibt:
„Profit für andere“
23. November 2013
Die Deutschen schauen hilflos zu, wie sie mit Niedrigzinsen verarmen – und andere mit deutschen Aktien reich werden. Dumm gelaufen.
Das größte Problem ist also die unheilige Allianz zwischen Politik und Banken.
Außerdem sorgt der deutsche „Export-Imperialismus“ für eine gefährliche Schieflage in der Eurozone.
Obwohl Deutschland dermaßen exportstark ist und Konzerne bei uns oftmals gar keine Steuern bezahlen müssen, muss spätestens in 2030 jeder zweite Deutsche mit Altersarmut rechnen.
Wir bekommen also Wohlstand nicht deshalb, weil wir als Wählergeschenk beispielsweise einen Mindestlohn einführen oder das infolge der EZB-Geldpolitik rasant steigende Mietpreisniveau mit der sog. Mietpreisbremse stoppen.
VIelmehr bekommen wir diesen, wenn wir Sinnlosigkeiten wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Finanzberater abschaffen. Ein Drittel aller Jobs sind sinnlos.
Fast 40 % der Deutschen arbeiten zudem prekär.
Durch die erschreckend hohe Jugendarbeitslosigkeit (südliche Eurozone) und nicht kontrollierbare Erwerbstätigkeiten per Internet haben wir immer höhere Risiken.
Die Geldpolitik der EZB wird immer gefährlicher und mir ist es nicht bekannt, dass unsere Regierung bereits mit Reformen begonnen hätte. Es wäre sogar sehr unwahrscheinlich, dass die vielen Lobbyisten – vor allem in der CDU – für Verbesserungen sorgen.