Photo: Pedro Ribeiro Simoes from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander FinkUniversität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Die gesetzlichen Sozialversicherungen weisen eine interessante Eigenart auf: Für Beamte und Abgeordnete sind sie entweder nicht verpflichtend oder Beamte und Abgeordnete können nicht Mitglied sein. Das ist bemerkenswert. Abhängig Beschäftigte sind grundsätzlich verpflichtet, Mitglieder der von der öffentlichen Hand angebotenen Sozialversicherungen zu sein. Die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betrauten Abgeordneten und Beamte hingegen können sich grundsätzlich gegen die Sozialversicherungsangebote der öffentlichen Hand entscheiden. Um die Interessen von Abgeordneten und Beamten besser in Einklang zu bringen mit denen der übrigen Bevölkerung, sollten die Regeln der Sozialversicherungen stets universell angewandt werden und somit auch für Abgeordnete und Beamte gelten.

Sozialversicherungen: Derzeit keine Pflicht für Abgeordnete und Beamte

Beiträge zu den drei großen gesetzlichen Sozialversicherungen sind für Abgeordnete, die für ihre Ausgestaltung verantwortlich sind, und die engsten Mitarbeiter des Staates ? verbeamtete Staatsdiener, Richter und Soldaten ? gerade nicht verpflichtend. Abgeordnete und Beamte können zwar freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, erhalten jedoch im Alter steuerfinanzierte Pensionen. Sie können Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung sein, aber gerade für Beamte sind die Anreize so ausgestaltet, dass private Krankenversicherungen wesentlich attraktiver sind. Es ist deshalb nicht überraschend, dass nur vereinzelt Beamte Beiträge an die gesetzliche Krankenversicherung überweisen. Abgeordnete und Beamte sind zudem nicht gesetzlich arbeitslosenversichert.

Einklang von Interessen wünschenswert

Die Interessen von Auftraggebern und Auftragnehmern fallen in vielen Lebenslagen häufig nicht zusammen. Die Interessen von Eigentümern und angestellten Managern eines Unternehmens sind nicht deckungsgleich, ebenso wenig die von angestellten Managern und ihnen unterstellten Mitarbeitern. Eigentümer und Manager versuchen deshalb Instrumente zu nutzen, die ihre eigenen Interessen und die Interessen der von ihnen Beauftragten besser in Einklang bringen. Manager werden von den Eigentümern beispielsweise mithilfe von Aktienoptionen am Erfolg des Unternehmens beteiligt und Mitarbeiter erhalten Boni, wenn sie vereinbarte Ziele erreichen.

Ähnlich könnten die Interessen der auftraggebenden Bevölkerung mit auftragnehmenden Abgeordneten und Beamten im Rahmen der Sozialversicherungen besser in Einklang gebracht werden, wenn alle von Abgeordneten verabschiedeten und von Beamten durchgesetzten Regeln auch auf sie Anwendung fänden.

Rentenversicherung

Abgeordnete und Beamte erhalten nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben steuerfinanzierte Pensionen, die von den Entwicklungen der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig sind. Pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung sind alle abhängig Beschäftigten ohne Beamtenstatus und Selbständige ausgewählter Berufsgruppen.

Die primäre Leistung einer Rentenversicherung besteht nicht in der Grundsicherung im Alter, sondern der Vorsorge für den Konsum in der Zeit nach dem Arbeitsleben. Es sollte jedem freistehen, eigens zu entscheiden, wie hoch diese Vorsorge im Vergleich zum Konsum während des Arbeitslebens ausfällt. Grundsätzlich ist deshalb staatlicher Zwang zur Altersvorsorge nicht wünschenswert. Es besteht jedoch die Gefahr, dass ohne Zwang einige gar nicht fürs Alter vorsorgen und darauf setzen, dass die übrigen Mitglieder der Gesellschaft sie im Alter dennoch unterstützen werden. Deshalb können Pflichtbeiträge während des Arbeitslebens angebracht sein, die eine Grundsicherung im Alter ermöglichen.

Unabhängig davon, ob die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über die zur Grundsicherung im Alter notwendigen Beiträge hinausgehen, sollten Abgeordnete und Beamte ebenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sein. Dann könnten Abgeordnete und Beamte überzeugend argumentieren, sie hätten das gleiche Interesse wie die übrigen Pflichtversicherten an einer Rentenpolitik, die die Vorteile für Rentenbezieher weise gegen die durch die Besteuerung von Arbeit entstehenden Nachteile abwägt.

Krankenversicherung

Nicht verbeamtete abhängig Beschäftigte, deren Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt, sind in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Abgeordnete und Beamte hingegen haben die Wahl zwischen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen. So können Abgeordnete des Bundestages entscheiden, ob sie Beihilfe nach beamtenrechtlichen Maßstäben erhalten oder der Bundestag ihnen einen Zuschuss in Höhe der Hälfte ihres Beitrags zu einer privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung zahlt. 2013 waren Schätzungen zufolge zwischen 42% und 66% aller Mitglieder des Bundestages privat krankenversichert. Bei den Beamten sind es gewiss deutlich mehr. Sie verspüren keinen Druck, sich mit dem Rest der Bevölkerung durch eine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse solidarisch zu zeigen. Zudem gilt, dass ein Beamter, der sich für eine gesetzliche Krankenversicherung entscheidet, anders als Abgeordnete des Bundestages keinerlei Zuschuss zu seinen Beitragszahlungen erhält. Ist ein Beamter jedoch privat krankenversichert, trägt der Dienstherr in der Regel mindestens 50% der Gesundheitskosten und der Beamte muss mittels seiner privaten Versicherung nur noch die verbleibenden Kosten abdecken.

Der Anreiz für Beamte, sich für eine private Krankenversicherung zu entscheiden, ist so stark, dass nur vereinzelt Beamte in gesetzlichen Krankenkassen versichert sind. Gesetzlich Pflichtversicherte hingegen können sich nicht für eine private Krankenkasse entscheiden. Ein Geschmäckle hat diese Konstellation, weil es für Ärzte, Krankenhäuser und andere Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen deutlich attraktiver ist, Privatpatienten zu behandeln. Für die gleiche Leistung stellen sie Privatpatienten in der Regel eine um den Faktor 2,3 höhere Gebühr in Rechnung. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Privatpatienten eine bessere Behandlung erfahren und beispielsweise weniger lange auf Untersuchungen warten als Kassenpatienten. Leider liegt es nicht nahe, dass es nur zufällig für Beamte finanziell deutlich attraktiver ist, sich privat zu versichern und die mit dem Status als Privatpatient einhergehenden Vorzüge gegenüber gesetzlich Krankenversicherten zu genießen.

Der Bevorzugung von Beamten, Abgeordneten und Gutverdienern könnte begegnet werden, indem allen freigestellt wird, sich für eine private Krankenversicherung zu entscheiden, solange sie bereit sind, die dafür möglicherweise zusätzlich anfallenden Kosten zu tragen.

Arbeitslosenversicherung

Abgeordnete und Beamte zahlen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Pflichtversichert sind jedoch alle Arbeitnehmer, die nicht Beamte, Richter oder Soldaten sind und mehr als nur geringfügig beschäftigt sind.

Beamte können nur aufgrund von eigenem Verschulden unfreiwillig arbeitslos werden und haben somit eine Beschäftigungsgarantie. Die Kosten für diese Garantie sind nicht offenbar, aber sie sind gewiss nicht gleich null. Da Beamte nicht in Abhängigkeit von kurzfristigen Schwankungen in Bezug auf ihren Dienstbedarf eingestellt und entlassen werden können, unterhalten Steuerzahler in Zeiten geringeren Bedarfs zu viele Beamte und leiden unter geringerer Servicequalität in Zeiten hohen Bedarfs.

Die Kosten der Beschäftigungsgarantie für Beamte ließen sich offenbaren, indem auch Beamtenarbeitsverhältnisse mit einem Beitrag zur Arbeitslosenversicherung belastet würden. Anders als derzeit sollte die Arbeitslosenversicherung allerdings darauf ausgereichtet sein, Menschen gegen Katastrophen zu schützen und nicht gegen die Folgen kurzfristiger Arbeitslosigkeit, die in den meisten Fällen nicht katastrophal sind. So könnten beispielsweise Auszahlungen von Arbeitslosengeld erst ab dem vierten Monat erfolgen, um Arbeitslosen einerseits einen stärkeren Anreiz zu geben, sich umgehend nach einer neuen Aufgabe umzusehen, und andererseits dafür zu sorgen, dass Arbeitssuchende nach mehreren Monaten nicht aus Verzweiflung Arbeitsverträge abschließen, obwohl der Match zwischen ihnen und dem Arbeitgeber nicht sonderlich gut ist.

Interessen in Einklang bringen, Vertrauen stärken

Derzeit befinden wir uns in der sonderlichen Situation, dass die von der öffentlichen Hand bereitgestellten verpflichtenden Sozialversicherungen gerade für die Volksvertreter in den Parlamenten und die engsten Mitarbeiter des Staates nicht verpflichtend sind. Um die Interessen aller Beteiligten in Einklang zu bringen und das Vertrauen in die staatlichen Organisationen zu stärken, wäre es wünschenswert, wenn für Abgeordnete, Beamte und ihre Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend wären. Im Rahmen der Krankenversicherung sollten alle Versicherten die Möglichkeit haben, sich für einen privaten Anbieter von Versicherungsleistungen zu entscheiden. Außerdem wäre es wünschenswert, die Kosten der Beschäftigungsgarantie für Beamte durch Beiträge zu einer auf Katastrophenschutz ausgerichteten Arbeitslosenversicherung offen zulegen.

Erstmals erschienen bei IREF. 

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