Photo: mararie from Flickr (CC BY-SA 2.0)
Es ist viel darüber geschrieben, berichtet und verkündet worden, dass alle Beteiligten die notwendigen Lehren aus der Euro-Schuldenkrise in Europa gezogen hätten. Selbst gutmeinende Beobachter müssen jedoch konstatieren, dass sich nach zehn Jahren in der Praxis nicht viel geändert hat. Zwar sind neue Zuständigkeiten, neue Behörden, neue Regelungen geschaffen worden, doch dies alles scheint nur in der Theorie zu funktionieren. Am ersten Praxistest scheitert dies alles. Jüngst kann man das an der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi verfolgen.
Die Bank mit Sitz im schönen Siena gilt als älteste Bank der Welt. Sie hat durch Misswirtschaft inzwischen Verluste von fast 15 Milliarden Euro angehäuft. Fast die Hälfte ihres Kreditportfolios ist notleidend und wird nicht mehr von den Kreditnehmern regelmäßig bedient. Normal wären zwei bis drei Prozent. Die Bank ist pleite. Ohne fremde Hilfe droht seit Längerem die Insolvenz. Fremde Hilfe, außer vom italienischen Staat, ist nicht in Sicht. In diesem Fall greift inzwischen ein neues Abwicklungsregime auf europäischer Ebene, das erst die Beteiligung der Anteilseigner und der Gläubiger vorsieht, bevor der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Dieser sogenannte Bail-In ist die Lehre aus der permanenten Erpressung in Schieflage geratener Banken gegenüber den Regierungen im Zuge der Finanzkrise seit 2007/2008. Der Grundgedanke dahinter ist, dass nur dann mit Risiken verantwortungsvoll umgegangen wird, wenn nicht nur in guten Zeiten die Gewinne, Boni und üppigen Gehälter vereinnahmt werden, sondern im Zweifel die Beteiligten auch haften, wenn es schiefgeht. Dieser Grundsatz der Marktwirtschaft muss auch wieder im Finanzsektor gelten.
Am Beispiel der Monte dei Paschi zeigt sich auch, dass es falsch war, die europäische Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank anzudocken. Die Interessen einer Notenbank, die auf Geldwertstabilität verpflichtet ist, und einer Bankenaufsicht, die im Zweifel auch die Abwicklung oder Schließung einer Bank anordnen muss, sind im Krisenfall zu unterschiedlich, als dass dies von einer Behörde bewältigt werden kann. Da helfen auch keine „chinesischen Mauern“ innerhalb der EZB, die verhindern sollen, dass die eine Seite im Haus sich mit der anderen Seite abstimmt. Beim ersten Praxistest der vielgelobten Bankenunion scheitert das neue Regime. Erst hat die EZB der Bank die Solvenz bescheinigt, anschließend hat der italienische Staat die staatliche Beihilfe beschlossen und bei der EU-Kommission beantragt und jetzt hat die Kommission diese genehmigt. Es ist zum Haareraufen! Und die Konsequenz aus der Brüsseler Entscheidung ist so weitreichend, dass einem angst und bange werden kann. Denn dieser Präzedenzfall wird als Blaupause für alle künftigen Rettungsmaßnahmen herhalten. Das ist jetzt schon so sicher wie das Amen in der Kirche. Mit der Banca Popolare di Vicenza steht nämlich bereits das nächste Finanzinstitut auf der Matte.
Die Summe der notleidenden Kredite italienischer Banken liegt inzwischen bei über 200 Milliarden Euro. Es ist der höchste Wert in der italienischen Nachkriegsgeschichte. 12,6 Prozent der ausgereichten Kredite sind inzwischen notleidend. Das ist auch der Grund, weshalb die italienische Wirtschaft nicht auf die Füße kommt. Die hohe Zahl notleidender Kredite lässt die Banken vorsichtig werden, neue Kreditengagements zu vergeben. Während in den ersten zehn Jahren des Euro das Kreditvolumen pro Jahr um 8,2 Prozent stieg, sinkt es aktuell. Italiens Wirtschaftskraft liegt daher immer noch über sieben Prozent unter dem Höchstwert 2008. Es ist ein dahinsiechender Korrekturprozess der Übertreibung der ersten zehn Jahre des Euro. Diese Korrektur ist aber notwendig. Je eher und je schneller sie stattfindet, desto weniger schmerzhaft ist sie.
An dieser Entwicklung sieht man, dass die Politik der EZB, durch Anleihenkäufe und Nullzinspolitik die Erholung der Wirtschaft zu befördern, gescheitert ist. Sie war die Ursache für die heutige Überschuldung des italienischen Staates, seiner Banken und Wirtschaft. Es war süßes Gift, das die Abhängigkeit aller Marktteilnehmer vom billigen Geld nur noch größer gemacht hat. Diese Laxheit ist das Problem und die Änderung dieses Verhaltens die Lösung.
Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 3. Juni 2017.
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