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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.
Die Regierungen der letzten Jahre haben zahlreiche Gesetze erlassen, um Deutschland aus ihrer Sicht umweltfreundlicher und vor allem sozial gerechter zu machen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Zeche von Mietpreisbremse, PKW-Maut und EEG zahlen überproportional die einkommensschwächeren Haushalte.
Staatliche Regulierungen sollen Verhaltensänderungen bewirken, Risiken reduzieren oder zwischen Marktteilnehmern umverteilen. Insbesondere Regulierungen, die nicht allgemeiner Natur sind wie beispielsweise die Buchführungspflicht, sondern ausgewählte Güter oder Märkte betreffen, wirken jedoch regressiv. Sie verursachen also bei Menschen mit niedrigem Einkommen relativ höhere Kosten als bei Menschen mit hohem Einkommen. Drei jüngere Beispiele regulativer Eingriffe mit regressiver Wirkung sind das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Pkw-Maut und die Mietpreisbremse. Der regressive Charakter vieler spezifischer Regulierungen gibt weiteren Anlass, eine zurückhaltendere Rolle des Staates im Marktprozess zu befürworten.
Spezifische Regulierungen und ihre Ziele
Güterspezifische Regulierung kann verschiedenen Zielen dienen: Sie kann darauf ausgerichtet sein, Marktversagen zu korrigieren, gesellschaftlich unerwünschte Verhaltensweisen zu sanktionieren, Risikoexponiertheit zu mindern oder Ressourcen an Bedürftige umzuverteilen. Schwer zu rechtfertigen sind hingegen Regulierungen, die weniger Wohlhabende relativ zu ihrem Einkommen stärker belasten als Wohlhabende. Das erklärte Ziel moderner Sozialstaaten ist es, Einkommen anzugleichen, statt sie zu spreizen.
Weshalb kommt es dennoch zu regressiv wirkender Regulierung? In einigen Fällen ist die regressive Wirkung vermutlich schlicht eine unintendierte Nebenfolge, in anderen Fällen ein bewusst durch einflussreiche Interessengruppen angestrebtes Ergebnis. Die Präferenzen wohlhabender Wähler werden im politischen Prozess überproportional berücksichtigt: Sie gehen öfter wählen, betreiben erfolgreicher Lobbyarbeit und politische Entscheidungsträger sind selbst oft wohlhabend und neigen dazu, die Interessen von ihnen ähnlichen Menschen stärker zu gewichten. Regulierungen mit unintendierten Nebenfolgen werden daher mit einer höheren Wahrscheinlichkeit abgewendet oder angepasst, wenn sie Wohlhabende relativ stärker belasten. Ob intendiert oder nicht, regressive Effekte sind zu erwarten.
Regulierungen der Großen Koalition
Beispiele für marktspezifische Regulierungen, die weniger Wohlhabende relativ stärker belasten, liefern jüngste Maßnahmen der Großen Koalition. In der aktuellen Legislaturperiode wurden rund 500 neue Gesetze verabschiedet. Zu den wichtigsten Eingriffen in spezifische Märkte gehören die Mietpreisbremse, die Pkw-Maut und eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Wenngleich sich Vertreter der Regierungskoalition damit brüsten, die Interessen der weniger Wohlhabenden zu vertreten, haben die genannten Regulierungen regressive Wirkungen.
Beispiel 1: Mietpreisbremse
Die 2015 in Kraft getretene Mietpreisbremse soll die in Mietverträgen vereinbarte Miethöhe auf maximal 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete deckeln. Sie verfolgt damit ein Umverteilungsziel – von Vermietern zu Mietern. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass die Preisbremse von vielen Mietern bewusst ignoriert wird, doch in dem Maße, in dem sie greift, wirkt sie regressiv.
Als mehr oder weniger flexible zusätzliche Preisobergrenze schwächt die Mietpreisbremse die Reaktion der Angebotsseite auf den Mietanstieg ab. Steigen wie seit einigen Jahren vor allem in Ballungsgebieten die Mieten an, reduziert die Mietpreisbremse den Umfang der aufgrund des Mietanstiegs neu gebauten Wohnungen. Anstatt vornehmlich zu mietsenkenden Mengenanpassungen durch Angebotsausweitungen, kommt es mittelfristig zu einem stärkeren Preisdruck. Preisanstiegen schiebt die Mietpreisbremse jedoch einen Riegel vor. Der Preis kann also die angebotene und nachgefragte Menge an Wohnungen nicht ausgleichen.
Halten sich die Marktteilnehmer an die Regeln der Mietpreisbremse, übersteigt die Nachfrage das Angebot und viele Wohnungssuchende verbringen viele Stunden in Treppenhäusern. Dass unter vielen Bewerbern um eine Wohnung gerade diejenigen mit relativ niedrigen Einkommen zum Zuge kommen, ist unwahrscheinlich. Greift die Mietpreisbremse und werden ihre Regeln beachtet, leiden also weniger Wohlhabende unter der schleppenden Ausweitung des Wohnungsangebots, während Wohlhabende relativ günstige Wohnungen beziehen können.
Führt die Mietpreisbremse dazu, dass auch lanfgristig weniger Wohnungen angeboten werden, leiden unter höheren Mieten sowohl Wohlhabende als auch weniger Wohlhabende. Aber die weniger Wohlhabenden trifft es stärker, geben sie doch einen größeren Teil ihres Einkommens fürs Wohnen aus.
Beispiel 2: Erneuerbare-Energien-Gesetz
Das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) geht auf das Jahr 2000 zurück, wurde von der derzeitigen Regierungskoalition aber zwei Revisionen unterzogen und marginal marktkonformer ausgestaltet. Es dient dem erklärten Ziel, die Risiken des Klimawandels durch geringeren CO2-Ausstoss zu mindern und hat keine offizielle Umverteilungsfunktion. Dennoch ist die regressive Verteilungswirkung des EEG wohlbekannt.
Im Rahmen des EEG wird die private Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energieträgern subventioniert. Davon profitieren Menschen, die in förderwürdige Energiequellen investieren oder Stakeholder entsprechender Unternehmen sind – das sind tendenziell Wohlhabende. Finanziert wird die Subvention über eine von allen entrichtete Umlage auf den Strompreis, der bei Geringverdienern einen größeren Anteil der Ausgaben ausmacht als bei Wohlhabenden. Auch der nun eingeleitete Übergang von fixen Einspeisevergütungen zu Ausschreibungen beseitigt den regressiven Charakter des EEG nicht.
Die regressive Wirkung des EEG kommt auch zum Tragen, wenn dessen tatsächliche Bedeutung für den Klimaschutz bewertet wird. Im Rahmen des EU-Emissionshandels werden in Deutschland erfolgende CO2-Einsparungen durch höhere Emissionen in anderen Ländern kompensiert – eine direkte klimapolitische Wirkung hat das EEG also nicht. Das Klimawandelrisiko senkt es nur insofern, als es den Ausbau erneuerbarer Energien bis hin zur Marktreife beschleunigt und mittelfristig auch zur Verbreitung dieser auch in anderen Ländern beiträgt. Eine derart teure Maßnahme zur Risikoreduktion mag den Präferenzen wohlhabender Wähler entsprechen, würde durch weniger Wohlhabende privat aber kaum nachgefragt.
Beispiel 3: Pkw-Maut
Die vor einigen Monaten in Kraft getretene Pkw-Maut auf deutschen Fernstraßen hat viele Ökonomen enttäuscht: Statt kilometergenaue, nutzungsabhängige Gebühren zu erheben, wird lediglich die Zugangsberechtigung in Form einer Vignette bepreist. Zwar müssen ausländische Fahrer in Zukunft stärker für durch sie verursachte Kosten aufkommen und Menschen, die Fernstraßen nie nutzen, werden entlastet.
Doch innerhalb der Gruppe inländischer Fernstraßennutzer profitieren Vielfahrer auf Kosten von Wenigfahrern. Menschen mit höherem Einkommen sind im Schnitt mobiler und nutzen Autos häufiger. Würden Fernstraßen über an das tatsächliche Nutzerverhalten gekoppelte Gebühren finanziert, etwa mittels Mautstation oder GPS-Ortung, so könnte die faktische Subvention von Vielfahrern mit tendenziell höherem Einkommen durch Wenigfahrer mit niedrigerem Einkommen vermieden werden.
Unerwünschte Umverteilung vermeiden
Die Große Koalition der Jahre 2013-2017 hat wie ihre Vorgängerregierungen viele Gesetze mit dem Anspruch auf den Weg gebracht, Ressourcen an Bedürftige umzuverteilen. Doch regressiv wirkende Gütermarktregulierungen wie die Mietpreisbremse, die Pkw-Maut und das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz konterkarieren dieses Ziel.
Über regressive Verteilungswirkungen marktspezifischer Regulierungen wird selten diskutiert, doch sind sie weder überraschendes Ergebnis des demokratischen Prozesses, noch bilden sie ein zu vernachlässigendes Randphänomen. Unerwünschte Verteilungswirkungen regulativer Eingriffe sollten stärker berücksichtigt werden und der Regulierungsrahmen sollte marktkonformer sowie verteilungsneutraler gestaltet werden.
Zuerst erschienen bei IREF.
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