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Wer heute 30, 40 oder 50 ist, gehört zur belogenen Generation. Niemals in der jüngeren Geschichte dieses Landes war die Rente so unsicher wie heute. Es sind zwei Betrugsfälle des Staates und seiner Institutionen, die diese belogene Generation wegzustecken hat.

Der erste Betrug: Bislang war das Wissen um die demographische Entwicklung und ihre Folgen für ein umlagefinanziertes Rentensystem Allgemeingut in der politischen Auseinandersetzung. Wenn immer weniger Kinder geboren werden und gleichzeitig die Menschen immer älter werden, dann gibt es eigentlich nur vier Möglichkeiten das Finanzierungsproblem künftiger Renten in den Griff zu bekommen. 1. Beitragssatzsteigerung, 2. Verschiebung des Renteneintrittsalters, 3. Rentenkürzung oder 4. einen höheren Steuerzuschuss für die Rentenkasse. An den Gesetzmäßigkeiten der Demographie konnte deshalb auch Norbert Blüm nichts ändern als er 1986 plakatierte: „denn eins ist sicher: Die Rente“

Für die Pragmatiker in der Politik, also die übergroße Mehrheit, ist klar, dass es sehr wahrscheinlich auf eine Kombination verschiedener Maßnahmen hinauslaufen wird. Zwischen den politischen Strömungen in diesem Land geht es bestenfalls um eine unterschiedliche Gewichtung. Sozialisten, Grüne und SPD wollen einen höheren Steueranteil, Union und FDP wollen den Schein der beitragsbezogenen Rente möglichst lange aufrecht erhalten.

Und da sind wir schon beim zweiten Betrug: Die bürgerlichen Kräfte in diesem Land setzen seit langem auf die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge. Für sie war und ist die Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge die Antwort auf den demographischen Wandel.

Sie glauben an die Kraft der Marktwirtschaft und damit an die Kapitaldeckung. Diese sei viel besser geeignet, in einer schrumpfenden Gesellschaft die Probleme zu lösen. Denn wenn sich Einzahlungen über sehr lange Zeit, also über 30, 40 oder sogar 50 Jahre verzinsen, dann führt dies am Ende zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung des daraus gebildeten Kapitalstocks. Der Zinseszins ist der Turbo für die private Altersvorsorge und gleichzeitig ihre Erfolgsgeschichte. Das ist die Story, die die Befürworter der Marktwirtschaft immer postulieren. Sie berufen sich dabei auf Ludwig Erhard, der 1956 schon sagte: „Die totale Zwangsversicherung und der Versorgungsstaat sind naturgemäß besonders geeignet, den Wagemut, das Leistungsstreben, die Bereitschaft zu freier Spartätigkeit, die persönliche Initiative und das Verantwortungsbewusstsein mehr und mehr zu lähmen, ohne die eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht existieren kann.“

Es ist also mehr als nur das Bekenntnis zur individuellen Vorsorge. Es ist ein Gesellschaftsbild, das hier zum Ausdruck kommt. Es ist das Bild eines Staates, der nicht als Nannystaat auftritt, sondern einen Ordnungsrahmen schafft, in dem sich jeder Einzelne nach eigenen Präferenzen entscheiden kann oder auch nicht. Eine dieser Grundannahmen dieses Ordnungsprinzips ist es, dass derjenige der spart am Ende seines Berufslebens mehr in der Tasche hat, als derjenige der dies nicht tut.

Dabei geht es nicht so sehr um die Gruppen in der Gesellschaft, die dies traditionell eh können. Es geht also nicht um Millionäre, bekannte Fußballspieler oder Formel-1-Fahrer. Nein, es geht um die Mitte der Gesellschaft, also diejenigen, die angestellt sind oder einer selbständigen Tätigkeit nachgehen, ein gutes Auskommen haben, das ihnen erlaubt, einen Teil des Arbeitseinkommens wegzulegen und zu sparen. Ökonomisch gesprochen, verzichten sie heute auf den Konsum, indem sie sparen, damit sie im Alter diesen Konsum nachholen können.

Anders als zu Blüms Zeiten wird die belogene Generation jetzt doppelt getäuscht. Sie weiß, dass die gesetzliche Rente weniger und dennoch teurer für sie wird. Deshalb flüchtet sie sich in die Kapitaldeckung. Es ist also die Mitte der Gesellschaft, die maßgeblich von der Niedrigzinspolitik der EZB und der finanziellen Repression der Regierung betroffen ist. 800 Mrd. Euro stecken allein in den 90 Millionen Lebensversicherungsverträgen. Und 89 Prozent davon sind in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, deren Verzinsung durch die Geldpolitik der EZB vernichtet wird. Dabei garantieren heimische Lebensversicherungen ihren Kunden noch Garantiezinsen von bis zu 4 Prozent, obwohl eine zehnjährige Bundesanleihe nur noch eine Rendite von 0,72 Prozent abwirft. Selbst wenn sie es wollten, könnten die Versicherer nicht wesentlich anders ihre Beitragseinnahmen anlegen, die Anlagevorschriften der Regierung zwingen sie in vermeintlich sichere Zinspapiere.

Ihnen allen drohen japanische Verhältnisse. Dort hat die lang andauernde Niedrigzinspolitik der japanischen Zentralbank nicht nur die Staatsverschuldung auf über 240 Prozent zur Wirtschaftsleistung hochgetrieben, sondern auch in den 2000er Jahren zum Zusammenbruch von fünf Lebensversicherern geführt. Hohe garantierte Verzinsungen für Lebensversicherungsverträge konnten am Markt für festverzinsliche Wertpapiere nicht mehr erwirtschaftet werden. Die Folge war, dass der Gesetzgeber den Lebensversicherungen gestattete, ihre Garantieverzinsung für bestehende Lebensversicherungsverträge rückwirkend zu reduzieren. Damit ist die Frage beantwortet, wer am Ende die Politik des billigen Geldes bezahlt.

Was private und staatliche Schuldner gleichermaßen freut, wird für die Anleger in deren Schulden, also die Lebensversicherungshalter, zu einer Katastrophe. Seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise 2010 in Europa haben deutsche Anleger rund 23 Milliarden Euro an Zinseinnahmen verloren, allein 2014 werden es 5,4 Mrd. Euro sein. Dagegen ist das Rentengeschenk der Regierung für die Mütter und die Frührentner mit 3 Milliarden Euro in 2015 geradezu ein Schnäppchen.

Den privaten Krankenversicherungen geht es auf Sicht nicht anders. Auch sie müssen ihre Alterungsrückstellungen überwiegend in festverzinslichen Wertpapieren anlegen und müssen dies zwangsläufig durch Beitragserhöhungen kompensieren. Und auch die Unternehmen schieben eine riesige Finanzanzierungslücke ihrer betrieblichen Altersvorsorge vor sich her. Sie sind oft durch Lebensversicherungen rückgedeckt oder haben bei der Ausarbeitung der Tarifverträge mit 6 oder 7 Prozent kalkuliert.

Sie mögen denken, vielleicht kommt es nicht so schlimm. Vielleicht setzt Mario Draghi seine Ankündigung aus 2012 doch nicht um, als er sagte, die EZB werde „alles Notwendige tun“, um den Euro zu erhalten. „Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“ Oder vielleicht war die Aussage von Mario Draghi Mitte November dieses Jahres auch nur ein großer Bluff, als er die Börse zu neuen Höhenflügen mit wenigen Worten animierte: „Ohne Verzögerung“ müsse man die Inflationsrate wieder an die Zielmarke der Notenbank von 2 Prozent heranführen.

Aber vielleicht geht es dem deutschen Michel auch so wie in Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“, als die Brandstifter in der Nacht schon die Benzinfässer ins Haus brachten und Biedermann sie fragte: „… ist wirklich Benzin in den Fässern?“ … Brandstifter Eisenring: „Wofür halten Sie uns, Herr Biedermann, offen gesprochen: wofür eigentlich?“ Biedermann: „Sie müssen nicht denken, mein Freund, dass ich keinen Humor habe, aber ihr habt eine Art zu scherzen, ich muss schon sagen.“ Brandstifter Eisenring: „Wir lernen das.“ Biedermann: „Was?“ Brandstifter Eisenring: „Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste Sentimentalität … Aber die beste und sicherste Tarnung … ist immer noch, die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“ – Am Ende brannte Biedermanns Haus lichterloh.

Für eine neue Freiheitsagenda!

Der Beginn des 21. Jahrhunderts scheint als paternalistisches Jahrhundert in die Geschichte einzugehen. Die Marktwirtschaft wird für die Exzesse in der Finanzwelt verantwortlich gemacht und das Eigentum unter staatliche Kuratel gestellt. Kein noch so kleines Sparbuch kann heute eröffnet werden, ohne vorher bibeldicke Verbraucherinformationen zur Kenntnis zu nehmen. Kein Normalverdiener kann heute ausreichend Vorsorge für sein Alter betreiben, weil die Notenbanken den Zins marginalisieren. Jedes private Problem wird vom fürsorgenden Wohlfahrtsstaat „abgeholt“, der Nachwuchs von morgens bis abends betreut, der Erziehungsauftrag verstaatlicht. Das Gesundheitsamt überwacht die Kindervorsorgeuntersuchung, das Schulamt sorgt für ein ökologisch vollwertiges Mittagessen in der verpflichtenden Ganztagsschule und das Jugendamt bespaßt in den Schulferien die daheimgebliebenen Kinder. Mit der „Klimareligion“ gewinnt eine neue okkulte Ersatzreligion die Oberhand. Kein Haus, kein Auto und keine Urlaubsreise kann heute erworben oder angetreten werden, ohne mit einem oktroyierten schlechten Gewissen den eigenen Beitrag zur Rettung des Weltklimas zu leisten und damit dem menschgemachten Fegefeuer zu entgehen.

Es sind aktuell drei Grundlinien, die die Politik in Deutschland bestimmen: Es ist erstens die Furcht vor Veränderung gegenüber der Zuversicht auf Neues und Unbekanntes.

Es ist zweitens der Vorrang der „richtigen“ Autoritäten gegenüber klaren Ordnungsprinzipien. Dabei unterscheiden sich die konservativen Vorstellungen von Union bis AfD nur insofern von der Linken, als dass die Konservativen eine andere Art der Bevormundung des Einzelnen anstreben.

Und es ist drittens der  starke und mächtige Staat, den Linke – heißen sie Gabriel, Gysi oder Hofreiter – und Konservative –  heißen sie Schäuble oder Lucke – gemeinsam anstreben. Dies auch um den Preis, dass der Zweck die Mittel heiligt. Sie wollen das Gleiche – den fürsorgenden Sozialstaat. Nur die Handelnden sind andere.

Die Freiheitsidee des 19. Jahrhunderts war eine andere. Die klassischen Liberalen wollten die Macht vom König auf das Parlament und den Einzelnen übertragen. Sie waren für Freihandel und gegen den Schutz der Industrie und Landwirtschaft durch Zölle und Subventionen. Sie waren gegen den aufkommenden Wohlfahrtsstaat und für Hilfe zur Selbsthilfe. Das von ihnen mitbegründete Genossenschaftswesen hat seither alle Staatsformen, Regierungen und selbst Weltkriege überstanden und ist heute noch als Idee im Bankwesen, im Mittelstand und in der Landwirtschaft aktuell. Diese damals als Linksliberale bezeichneten Vorreiter waren gegen die Kolonialpolitik mit ihrem Militarismus – und für ein Selbstbestimmungsrecht aller Völker.

Auf die heutige Zeit übertragen müsste sich eine neue freiheitliche Agenda an festen und unerschütterlichen Grundsätzen orientieren.

Erstens: Machtteilung durch Gegenmacht in Parlament und Gesellschaft. Zweitens: Ein Primat von Recht und Freiheit statt eines Primats der Politik. Drittens: Marktwirtschaft und Freihandel statt einer Willkür und Abschottung durch den Staat.

Und Viertens: Einen Non-Zentralismus als Wettbewerb der Ideen.

Im Deutschland des 19. Jahrhunderts war das Ideal der Fortschrittspartei und später der Freisinnigenpartei, dessen wortgewaltiger Kopf Eugen Richter war,  die Gleichheit vor dem Recht. Später verwässerten Liberale diesen Grundsatz, indem sie Gerechtigkeit nicht mehr als „Gleichheit vor dem Recht“ interpretierten, sondern in „Chancengerechtigkeit“ umdeuteten und damit den Weg in den Wohlfahrtsstaat, dessen Allzuständigkeit und Verschuldung bereiteten. Es sollte zur Versöhnung des Liberalismus mit dem Sozialismus führen, der „Chancengerechtigkeit“ stets als Chance zur Umverteilung verstanden hat, um damit „bessere Ergebnisse“ zu erzielen. Dieser Liberalismus wird in Deutschland, aber auch darüber hinaus nicht mehr gebraucht und ist für die aktuelle „Schwächephase“ der FDP verantwortlich. Was es braucht, ist eine neue liberale Agenda im Eugen Richterschen Sinne: Eine Rückbesinnung auf die große Tradition der Fortschrittspartei und des Freisinns in Deutschland.

Aus den oben genannten Grundsätzen ließe sich eine Freiheitsagenda formulieren, die für Freihandel, offene Grenzen und ein Sezessionsrecht steht. Dabei entscheidet der Einzelne selbst, wo und wie er lebt, arbeitet, konsumiert oder investiert – und nicht der Staat.

Die Vielheit ist das Ziel, nicht deren Abschaffung. Im modernen Staat geht es um eine Begrenzung von Macht durch Teilung derselben. „Dezentral vor zentral“, „klein statt groß“, „Vielfalt statt Einfalt“ und „Privat kommt vor Staat“ sind die Maximen der Machtbegrenzung. Und es ist die direkte Demokratie als Gegenmacht zur Machtkonzentration bei Wenigen im Parlament und Regierung.

Dies gilt auch für die Bildungsfreiheit. Der Einzelne oder seine ihm Nächsten entscheiden über Bildungsinhalt, -zeitpunkt, -ort und –finanzierung – nicht der Staat.

Sie ist auch die Grundlage für eine wirklich Religionsfreiheit. Denn dort entscheidet der Einzelne, ob und wie er seinen Glauben lebt und wie er seine Kirchen, Moscheen oder Tempel  finanziert und unterstützt. Das Eigentum, die Versammlungsfreiheit und die Religionsausübung sind geschützt. Die Finanzierung der Religionsgemeinschaften erfolgt ohne den Staat und seine Mithilfe.

Und dieser konsequente Individualismus muss auch in der digitalen Welt durchgesetzt werden. Der Staat sammelt keine Daten seiner Bürger und es geht ihn auch nichts an, wer über die Autobahnen der digitalen Welt fährt.

Die Liberalen müssen an die Wurzel der immer wiederkehrenden Finanzkrisen heran und dürfen sich nicht mit einer mangelnden oder falschen Regulierung der Finanzmärkte zufrieden geben. Die Verwerfungen sind eine Krise des staatlichen Geldmonopols, das dem Staat über die Banken erlaubt, beliebig billiges Geld in Umlauf zu bringen. Die Folge dieser Alchemie des Geldes sind die immer größeren und schneller wiederkehrenden Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten. Das Platzen dieser Blasen nutzen die Banken, um den Staat und die Steuerzahler fortwährend zu erpressen. Die Antwort darauf muss das Zulassen von Insolvenzen von Staaten und Banken sein, verbunden mit einem Wettbewerb um gutes Geld, das die EZB überflüssig macht und private Geldemittenten nicht diskriminiert.

Und was für das Geld gilt, muss auch in der übrigen Wirtschaft durchgesetzt werden. Eine Marktwirtschaft beruht auf Freiwilligkeit und verträgt sich nicht mit Kammerzwang in Industrie, Handwerk und freien Berufen. Und eine freiheitliche Gesellschaft verträgt sich erst recht nicht mit Zwangsbeiträgen für öffentliche Rundfunkanstalten.

Ebenso muss eine Freiheitsagenda Schluss machen mit einer auf der Klimareligion basierenden Energiewende. Sie ist reine Ideologie, führt zur Zwangsbeglückung der Bürger und zerstört Natur, Umwelt und die Arbeitsgrundlage von Millionen Menschen. Alle diese Eingriffe sind letztlich Verstöße gegen das Recht und den Schutz des Eigentums. Es wird in den Einzelfall eingegriffen und damit das Eigentum beschränkt anstatt allgemeine, abstrakte und für alle gleiche Regeln zu schaffen.

Diese wenigen Leitsätze wären eine Freiheitsagenda für eine neue liberale Partei, die unverwechselbar wäre. Sie wäre eine wirkliche Gegenmacht zu den Sozialisten in allen Parteien – die Herz-Jesu-Sozialisten, die Ökosozialisten, sozialen Zentralisten, die nationalen Sozialisten, die andauernden Steuererhöher, die Subventionsgrabscher, die Ober-Planer, die konservativen Beckenrandschwimmer, die ewigen Geldausgeber und die nimmersatten Umverteiler. Der Kampf für diese Ideen fängt jetzt erst richtig an.

Dieses Essay erschien zuerst in der Samstagsausgabe der Zeitung “Die Welt” am 11.10.2014

Photo: Archana Jarajapu from Flickr

Deutsche sehen die USA oft durch die Hollywood-Brille. Kein Wunder, dass sie sich dann hauptsächlich für die Erzschurken (Bush) und Superhelden (Obama) interessieren. Dabei übersehen sie aber eine Bewegung, die sich jenseits dieser beiden Pole seit längerem sehr erfolgreich entwickelt. Deren Anhänger bezeichnen sich als Libertarians und haben sich den Kampf für die Freiheit auf die Fahnen geschrieben.

Sie wollen einfach in Ruhe gelassen werden

George W. Bush hat acht Jahre lang versucht, die Welt mit Hilfe von Kriegen zu verbessern. Barack Obama versucht sich nun seit sechs Jahren schon daran, sein eigenes Land zu verbessern. Es gibt viele Amerikaner, die von beiden Varianten die Nase voll haben. Sie wollen keine Politiker mehr, die dauernd mit neuen Ideen und Maßnahmen kommen, um etwas zu verändern, und dabei doch nur alles verschlimmbessern. Sie wollen weder bevormundet werden noch andere bevormunden.

Sie wollen einfach in Ruhe gelassen werden. Sie sind sich sicher, dass sie ihr eigenes Leben schon ganz gut selber in den Griff bekommen. Und dass auch die meisten anderen Menschen dazu im Stande sind. Sie wollen sich nicht mehr vorschreiben lassen, wer wen heiraten darf und wer nicht. Sie wollen kein Kindermädchen Staat, das ihnen erklärt, wie sie gesund leben. Sie wollen nicht von Regulierungen und Verbraucherschutz erstickt werden. Sie glauben auch nicht, dass die Vereinigten Staaten ihr politisches System in die ganze Welt exportieren sollten – oder auch nur könnten. Dem Staat, den Politikern und den Bürokraten stehen sie misstrauisch gegenüber.

Vertrauen in den Menschen

Sie sind aber keine grundsätzlich misstrauischen Menschen – ganz im Gegenteil! Dem Menschen trauen sie prinzipiell so viel zu, dass sie nicht glauben, der Staat müsse sich um ihn kümmern. Der normale Bürger ist weder dümmer als Politiker noch moralisch unterlegen. Außerdem weiß er selber wesentlich besser, was er will und was gut für ihn ist als das irgendjemand an einem weit entfernten Schreibtisch jemals könnte. Ihr Menschenbild ist so viel positiver als das derjenigen, die danach rufen, dass der Staat etwas regeln solle.

Sie glauben auch nicht, dass man Menschen kontrollieren und im Zaum halten muss. Der englische Philosoph Thomas Hobbes hatte einst das heute noch gern zitierte Wort geprägt: „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“. Was er damit sagen wollte: Grundsätzlich befinden wir Menschen uns in einem ständigen, aggressiven Konkurrenzkampf untereinander. Seine Schlussfolgerung: Es braucht einen Staat, der diese Aggressionen einhegt. Das Menschenbild der Libertarians geht von dem Gegenteil aus: Sie sind überzeugt, dass Kooperation ein wesentliches Merkmal des Menschen ist. Wir Menschen wissen schon instinktiv, dass es besser ist, mit unserem Nachbarn zusammenzuarbeiten als ihm eins über die Rübe zu ziehen.

Freie Menschen, freier Markt

Wenn man in ein Geschäft mit jemand anderem eintritt, erhofft man sich davon einen Vorteil, sonst würde man das Geschäft nicht eingehen. Das gilt aber genauso für den anderen. Aus einem freien Handel zwischen zwei Menschen gehen also zwei Gewinner hervor. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, was passiert nachdem sie in einem Laden etwas gekauft haben? Der Verkäufer bedankt sich bei Ihnen und Sie bedanken sich beim Verkäufer! Dieses „doppelte Dankeschön“ zeigt besonders anschaulich, dass der Markt ein Ort ist, an dem Menschen sich in der Regel besser stellen als vorher. Deswegen sind Libertarians auch der Ansicht, dass man dem Markt Freiheit lassen muss – damit er auch weiterhin zum Vorteil aller funktioniert.

Wer jetzt glaubt, Libertarians seien die Freunde eines zügellosen Finanzkapitals, das in regelmäßigen Abständen die Welt an den Rand des Abgrunds bringt, der hat sich massiv getäuscht. Das Problem besteht ja gerade darin, dass Zocker in den Banken vom Staat gedeckt werden. Wenn der Staat nicht immer wieder in die Bresche springen würde, um sie in letzter Minute zu retten, könnten sie sich ein solches Gebaren gar nicht leisten. Libertarians sind große Gegner dieser Verquickung aus Wirtschaft und Staat, weil das den Markt verzerrt.

Im Übrigens sind sie auch gar nicht nur an ökonomischen Fragen interessiert. Freiheit ist ja mitnichten ein Konzept, das nur im Bereich der Wirtschaft eine Rolle spielen sollte. Libertarians setzen sich auch in vielen anderen Bereichen ein, in denen Freiheit bedroht ist: Sie lehnen den tödlichen Krieg gegen die Drogen ab. Viele von ihnen wünschen sich Bewegungsfreiheit nicht nur für Menschen aus der Ersten Welt, sondern Offene Grenzen für alle. Sie kämpfen gegen einen Überwachungsstaat, der seinen Bürgern misstraut und sie unter Generalverdacht stellt. Sie sind der Ansicht, dass unsere Schlafzimmer niemanden etwas angehen und dass der Staat nicht definieren sollte, was eine Ehe ist.

Libertarians auf dem Vormarsch

Lange Zeit waren die Libertarians in den USA eher eine belächelte Randgruppe. Das ändert sich aber seit einigen Jahren rapide. Es gibt immer mehr Menschen, denen Demokraten und Republikaner zu restriktiv sind: erstere in wirtschaftspolitischen, letztere in gesellschaftspolitischen Fragen. Die letzten beiden Wahlen haben sehr viele Abgeordnete in Senat und Repräsentantenhaus gebracht, die sich zu diesen Libertarians zählen. Zum Beispiel der junge Abgeordnete Justin Amash, dem es im vergangenen Jahr im Alleingang fast gelungen wäre, ein Gesetz gegen Vorratsdatenspeicherung durchzubringen. Bei den letzten Vorwahlen der Republikaner konnte der damals 77 Jahre alte Ron Paul, ein Urgestein der Libertarian-Bewegung, einen Achtungserfolg erzielen – vor allem mit Hilfe der jungen Wähler. Sein Sohn Rand Paul, der seit 2012 im Senat sitzt und auch zu den Libertarians gehört, gilt als Topfavorit in der Republikanischen Partei für die nächste Präsidentschaftswahl in zwei Jahren.

Die Bewegung der Libertarians ist vor allem jung. Das macht sowohl ihren Charme als auch ihre Dynamik aus. Man begegnet dort nicht alten Damen und Herren, die sich seit Jahrzehnten in einer politischen Blase bewegen. Man begegnet jungen Menschen, die tatsächlich etwas verändern wollen. Edward Snowden zum Beispiel kommt aus diesem Umfeld. Seit 2008 gibt es in den USA die Organisation Students for Liberty, die sich der Verbreitung dieser Ideen widmet. Seit 2011 sind sie auch in Europa tätig. Im Frühjahr trafen sich auf einer großen Konferenz in Berlin fast 600 junge Frauen und Männer aus ganz Europa, um sich auszutauschen.

Viele Trends aus den Vereinigten Staaten kommen etwas zeitverzögert auch bei uns an. Wer weiß, was uns da noch erwartet!

 

Irgendwann bin ich einmal vom Flughafen in Karlsruhe mit dem Taxi in die Innenstadt gefahren. Dabei erzählte mir der Taxifahrer, dass er nach langer Arbeitslosigkeit sich nunmehr als Taxiunternehmer selbständig gemacht habe. Da die Taxilizenzen in Karlsruhe beschränkt sind, musste der Neuunternehmer sich eine Taxilizenz von einem ausscheidenden Taxiunternehmen für einen fünfstelligen Eurobetrag kaufen, um loslegen zu können.

Neulich bin ich in Berlin in ein Taxi gestiegen, nannte mein Ziel und der Fahrer fuhr los, immer weiter und weiter. Irgendwann fragte er nochmals nach der Adresse, blätterte in einer Straßenkarte und fuhr wieder verwirrt los. Mein Eindruck war, dass ich mein Ziel nie erreichen würde. Ich bat ihn, rechts ranzufahren und nahm am nächsten Taxistand ein neues Taxi.

Ebenfalls in Berlin stieg ich eines Tages am Bahnhof eilig in das erste Taxi in der Schlange. Das war alt, dreckig und der Fahrer war schnoddrig. Als wir am Zielort waren beschimpfte er mich plötzlich, dass ich nicht einmal guten Tag gesagt hätte, das sei eine Unverschämtheit. Eigentlich wollte ich direkt Reue zeigen, doch er schimpfte immer weiter, so dass ich mich entschloss, anders als sonst, ihm kein Trinkgeld zu geben.

Kürzlich hat sich die Monopolkommission der Bundesregierung in ihrem Jahresgutachten für eine Liberalisierung des Taxigewerbes ausgesprochen. Deren Vorsitzender Daniel Zimmer sagte in der FAZ: Es sei haarsträubend, dass etwa Berliner Taxifahrer nach einer Fahrt zum Flughafen Schönefeld keine Fahrgäste aufnehmen dürfen und leer zurück in die Stadt fahren müssen, weil Brandenburger Taxis am Flughafen begünstigt sind.

Zwar wird die staatliche Preisfestsetzung, der Personenbeförderungsschein, die Beschränkung der Taxilizenzen und der Gebietsschutz mit dem Wohl der Kunden begründet, dies ist jedoch nur vorgeschoben. Es soll tatsächlich diejenigen schützen, die den Markt mit staatlicher Billigung für sich aufgeteilt haben. Das Taxigewerbe ist eine Dienstleistungswüste, ist planwirtschaftlich organisiert und neuen Marktteilnehmern wird der Markteintritt durch Bürokratie und hohe Kosten verwehrt. Nun ruft das Taxigewerbe nach gleichen Regeln für alle. Doch allgemeine, abstrakte und gleiche Regeln für alle heißt nicht, alle Marktteilnehmer auf das absurde, bürokratische, planwirtschaftliche und kundenfeindliche Niveau des Taxigewerbes zu heben, sondern diese Regeln abzuschaffen.

Denn das schöne an der Marktwirtschaft ist, dass im Rahmen eines Entdeckungsverfahrens Unternehmer am Markt ausprobieren, ob ihr Geschäftsmodell Akzeptanz bei den Kunden findet oder nicht. Die Online-Mietwagen-Vermittlung „Uber“ ist ein aktuelles Produkt dieses Entdeckungsverfahrens. Ohne Smartphones und deren Verbreitung wäre „Uber“ unmöglich. Nur dadurch, dass viele potentielle Fahrgäste und die Fahrer über Smartphones verfügen, ist die Vermittlung von Fahrten über das „Uber-App“ überhaupt möglich.

Jetzt stimmen die Kunden mit den Füßen ab. Die einen wollen möglichst preiswert mit „Uber Pop“ fahren, die anderen wollen möglichst komfortabel mit „Uber Black“ fahren und wieder andere bevorzugen das klassische Taxi. Es ist die Vielfalt, der „try-and-error-Prozess“ und die Kundenorientierung, die eine Marktwirtschaft gegenüber jeder staatlichen Planwirtschaft obsiegen lässt. Mehr Mut zur Freiheit!

Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter von Frank Schäffler, der hier abonniert werden kann.

Photo: Emanuele from Flickr

Heute erscheint mein neues Buch „Nicht mit unserem Geld – Die Krise des Geldsystems und die Folgen für uns alle„. Ich glaube es kommt gerade zur rechten Zeit. 3 Jahre habe ich mir Zeit gelassen, um das aufzuschreiben, was mich in der Finanzkrise antreibt, was mich bewegt und wofür ich streite.

Viele meinen, wir seien heute besser aufgestellt, besser vorbereitet und wachsamer als 2007 als die jüngste Bankenkrise in Europa ihren Anfang nahm. Diese Illusion möchte ich Ihnen nehmen. Es ist nicht besser, sondern um ein Vielfaches schlimmer als damals.

Die weltweite Verschuldung hat inzwischen massiv zugenommen. Das Volumen aller Anleihen von Staaten, Banken und Unternehmen hat sich nach Angaben der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ) seitdem um 30 Billionen Dollar auf 100 Billionen Dollar erhöht. Das ist ein Anstieg der Verschuldung um 43 Prozent innerhalb von 7 Jahren. Die Schuldenlast kletterte in dieser Zeit auf 137 Prozent im Verhältnis zur weltweiten Wirtschaftsleistung.

Einher geht dies mit einer Aufblähung der Notenbankbilanzen aller großen Volkswirtschaften. Die Notenbanken pumpen immer mehr Zentralbankgeld ins System.

Auch wenn die amerikanische Notenbank FED die Zügel vorübergehend etwas anzieht, so wird an anderer Stelle auf dem Globus, in Europa bei der EZB, jetzt das nachgeholt, was die FED, die Bank of England und die Bank of Japan längst gemacht haben: Einen massiven Ankauf von Kreditverbriefungen aller Art.

Dies hat für die EZB eine neue Qualität. Denn sie kauft nicht die besten Äpfel vom Markt, sondern die Notenbanker der EZB wollen die verdorbene Ernte der Vorjahre beseitigen, damit wieder Platz für die neue Ernte ist und die Banken ihre Lust an der neuen Apfelernte nicht verlieren. Doch der Apfelsaft, der aus den Äpfeln gemacht wird, verliert von Jahr zu Jahr an Qualität. Immer mehr verdorbenes Obst wird von der EZB in die Obstpresse geschmissen.

Unten kommt nur noch eine dunkle schimmelige Brühe heraus, die keiner mehr trinken mag. So ist es auch mit dem Euro. Immer mehr schlechtes Geld schmeißt die EZB über die Banken ins System und die Qualität und das Vertrauen nehmen ab.

Die Symptome der Qualitätsverschlechterung des Geldes sind überall auf der Welt sichtbar. Alle sind überschuldet und dennoch feiert die ganze Welt Party, als wenn nichts wäre. Und ganz viele wollen diese Party weiter feiern. Die Banken: Sie sind die Hauptprofiteure des Papiergeldsystems. Sie erhalten das gepanschte Geld aus dem Nichts zuerst und können es risikolos investieren.

Industrie und Handel glauben an das gefakte Wachstum und hoffen, dass ein Teil des billigen Geldes auch bei ihnen ankommt, damit sie ihre fremdfinanzierten Investitionen bedienen können. Deren Vorstände hoffen ebenfalls darauf, hängt ein großer Teil ihres variablen Vergütung doch davon ab.

Die Gewerkschaften: Ihre Aussichten auf bessere Lohnabschlüsse steigen ebenfalls mit der Hoffnung auf leichter zu erzielende Unternehmensgewinne.
Und zu guter Letzt der Staat: Er steht über allem. Er kann nicht nur alles versprechen, sondern sich dadurch auch alles leisten.

Doch genauso, wie keiner den gepanschten und schimmeligen Apfelsaft trinken will, genauso schwindet das Vertrauten in das gepanschte Geld. Denn dann traut man der Qualität des Geldes nicht. Dann wollen die Menschen das Geld, das sie erhalten, so schnell wie möglich wieder los werden. Das bedeute die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge steigt.

Dann haben sie es geschafft, die Draghis dieser Welt. Die Inflation ist da. Inflation ist die Wirkung gepanschten Geldes. Die Preise steigen auf breiter Front. Die Normalsparer werden enteignet und den Transferbeziehern schmilzt die Kaufkraft in den Händen weg.

Es ist nicht zu spät für eine Umkehr dieser Politik. Es gibt immer einen Weg zurück zu solidem Wirtschaften und zu gutem Geld. Und diese Umkehr ist immer besser als einfach verantwortungslos weiterzumachen wie bisher. Der Kampf dafür fängt jetzt erst richtig an.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter von Frank Schäffler, der hier abonniert werden kann.