Photo: Snake3yes from Flickr (CC BY 2.0)
Als die Bürger des Städchens Hornberg im Schwarzwald 1564 ihren Landesherren, den Herzog von Württemberg, standesgemäß mit Salutschüssen empfangen wollten, stellte sich nach den ersten Salutschüssen heraus, dass die Staubwolke am Horizont nicht dem Tross des Herzogs zuzuordnen war, sondern eine einfache Postkutsche. Friedrich Schiller nahm das Ereignis in sein Schauspiel „Die Räuber“ dankbar auf. Seitdem ist das „Hornberger Schießen“ Teil des deutschen Sprachschatzes. Immer dann, wenn etwas groß angekündigt wird und ohne Ergebnis endet, nutzt man das Sprachbild und alle wissen anschließend Bescheid. In dieser Woche ist das Hornberger Schießen wieder aktuell. Es geht um den Euro – wieder einmal. Und es endet, so meine Prognose – wieder einmal – wie das Hornberger Schießen.
Erst hat der US-Ökonom Joseph Stiglitz in einem Interview mit der „Welt“ den Austritt Italiens aus der Euro-Zone für wahrscheinlich erklärt. Mit Selbstverständlichkeiten hat er seine These untermauert. Die Krise der italienischen Wirtschaft, die Probleme der dortigen Banken mit faulen Krediten und der hohe Stand der Arbeitslosigkeit würde den Glauben der Italiener an den Euro untergraben. Er erwartet nicht, dass die europäische Politik die immer noch kriselnde Euro-Zone langfristig retten kann. Der notwendige Reformwille sei gerade in Italien nicht vorhanden. Die notwendige Schaffung einer Bankenunion oder einer gemeinsamen Einlagensicherung seien nicht durchsetzbar. Um es sarkastisch auszudrücken: Ich wäre da nicht so pessimistisch.
Die Bankenunion und die gemeinsame Einlagensicherung werden kommen, wesentliche Teile der Bankenunion sind sogar bereits realisiert. Trotz aller Dementis von Wolfgang Schäuble wird Deutschland im Europäischen Rat die gemeinsame Einlagensicherung im Euro-Club nicht verhindern können. Es gibt kein Einstimmigkeitsprinzip bei dieser Entscheidung. Eine qualifizierte Mehrheit wird Deutschland letztlich überstimmen. Fast alle anderen Länder in der Eurozone haben ein großes Interesse an der gemeinsamen Ausfallversicherung für Sparguthaben. Die Folge wird sein, dass deutsche Sparer dann für die Sparguthaben in Italien, Spanien und Griechenland in Mithaftung genommen werden. Die Krise der Deutschen Bank dient vielleicht als Vorlage im Finanzministerrat, um Druck auf Deutschland auszuüben, nach dem Motto: Es könnte auch mal euch treffen.
Die Notenbanken, also nicht nur die EZB, wird auf Dauer ihre Politik nicht verändern. Sie besteht aus drei wesentlichen Faktoren. Zum einer faktisch unbegrenzten Versorgung der Banken mit Liquidität durch Zentralbankgeld. Des Weiteren aus einer faktischen Nullzinspolitik des Notenbankzinses. Und Drittens aus einem Ankauf von Anleihen, also Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen. Ersteres dient dazu, Banken über Wasser zu halten, damit dort keine Illiquidität entsteht. Die Nullzinspolitik und der Ankauf von Schulden dient dazu, die Zinsen am kurzen und langen Ende niedrig zu halten. Das soll zweierlei bewirken. Zum einen sollen die Krisenstaaten ihren wachsenden Schuldenberg einfacher finanzieren können und zweitens sollen Banken mehr Kredite an Unternehmen vergeben, damit diese mehr investieren.
Auf der einen Seite ist die EZB damit erfolgreich. Es gelingt den Eurostaaten tatsächlich, ihren Schuldenberg leichter zu finanzieren. Daher steigt er auch unaufhaltsam und erzeugt damit neue Probleme. Die Krisenstaaten hatten noch nie so viele Schulden. Die gesamte Eurozone ist inzwischen mit über 90 Prozent zur Wirtschaftsleistung verschuldet. Doch genau das gefährdet den Aufschwung. Der IWF hat dies in dieser Woche auch global festgestellt. Nach dessen Fiscal-Monitor-Bericht hat sich die weltweite Verschuldung seit der Jahrhundertwende verdoppelt und beträgt jetzt 225 Prozent der jährlichen Wertschöpfung auf der Welt. Der europäische Bankensektor schiebe faule Kredite von 900 Milliarden Dollar vor sich her. Die Niedrigzinspolitik würde die Solvenz von Pensionskassen und Lebensversicherern gefährden, schreibt der IWF jetzt. Über diese Einsicht muss man sich wundern. Hat doch der IWF 2010 die Pleite Griechenlands mit Milliarden Euros verhindert. Eigentlich kritisiert er seine eigene Politik.
Deshalb nochmals zurück zum Städtchen Hornberg im schönen Schwarzwald. Als der Herzog endlich eintraf und die Bürger der Stadt erneut die Kanonen laden wollten, war das Pulver bereits verschossen. Was können Joseph Stiglitz, die EZB und der IWF daraus lernen? Anders als in Hornberg kann die EZB immer neues Schießpulver produzieren. Sie kann unendlich Geld direkt und indirekt produzieren und dies Banken und Unternehmen zur Verfügung stellen. Doch dieses Geld verliert dann immer mehr an Qualität. Sie „verunreinigt“ das Geld, so wie man auch Schießpulver strecken kann. Die Gefahr ist, dass die Kanonen irgendwann nicht mehr schießen, so wie in Hornberg.
Erstmals erschienen auf Tichys Einblick am 06. Oktober 2016.
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