Photo: Braden Collum from Unsplash (CC 0)

Gregor Gysi hat in dieser Woche in der SUPERillu eine steile These aufgestellt. Im Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrages sagte Gysi: „Der Rundfunkbeitrag sichert mediale Unabhängigkeit.“ Meine These ist dagegen, dass der Rundfunkbeitrag die mediale Unabhängigkeit gefährdet, also das Gegenteil eintritt. Schließlich leben wir nicht mehr im letzten Jahrhundert. In der analogen Welt gab es nur drei Programm – ARD, ZDF und das Dritte. Die Digitalisierung verändert jedoch inzwischen alles. Rundfunkfrequenzen sind nicht mehr knapp. Inzwischen gibt es etwa 400 TV-Sender in Deutschland. Alleine die öffentlich-rechtlichen Sender beitreiben mittlerweile 23 Fernsehkanäle und 63 Radiosender. Seit einigen Jahren stellen das Internet, YouTube und Video-on-Demand-Anbieter das bisherige Angebot zusätzlich auf den Kopf. Immer weniger junge Menschen schauen klassisches Fernsehen. Die Tagesschau und der Tatort am Sonntag ist für Vierzigjährige aufwärts. Die Kids schauen lieber eine Netflix-Serie und das zu einem Zeitpunkt, den sie bestimmen.

Die deutsche Rundfunkordnung ist antiquiert. Denn sie folgt bei ihrer Finanzierung einem ungewöhnlichen Prinzip – einem Kostendeckungsprinzip. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten beantragen ihren Finanzbedarf anhand ihrer Kostenentwicklung, die dann von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF, auf ihre Notwendigkeit beurteilt wird. Die Empfehlung der KEF geht dann an die Landtage, die über die Empfehlung der KEF entscheiden müssen.

Kosten zu produzieren, ist nicht schwer. Daher verwundert es nicht, dass Deutschland mit Abstand den teuersten öffentlichen Rundfunk der Welt hat. Daran wird sich auch in der nächsten Finanzierungsrunde von 2021 bis 2024 nichts ändern. Zwar hat die KEF die zusätzlichen Wünsche von ARD und ZDF auf rund die Hälfte gekürzt, dennoch kommt ein sattes Plus von 1,5 Milliarden Euro heraus. Sie schlägt deshalb ab 2021 eine Beitragserhöhung um 86 Cent auf dann 18,36 Euro monatlich vor. Daraus folgen geschätzte Beitragseinnahmen von jährlich 7,64 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Japan gibt 6,4 Mrd. Euro (Zahlen von 2014), Großbritannien 4,6 Mrd. Euro und Frankreich 3,3 Mrd. Euro für seinen Rundfunk aus. Gestandene Demokratien wie Schweden (804 Mio. Euro), Dänemark (492 Mio. Euro) und Kanada (861 Mio. Euro) liegen ebenfalls weit davon entfernt.

Innovationen finden nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen statt. Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix, Prime Video, Disney und andere sind weltweit erfolgreich. Nicht nur die Öffentlichen, sondern auch die privaten Anbieter in Deutschland haben diesen Markt völlig verschlafen und hinken jetzt mühsam hinterher. Das liegt nicht nur, aber auch an der Übermacht der Öffentlichen-Rechtlichen in Deutschland. Wer im Heimatmarkt gegen die staatlich induzierte Übermacht von ARD und ZDF ankämpfen muss, hat dann nicht genügend Mittel frei, um in neue Geschäftsfelder und teure Produktionen zu investieren.

Es ist also hausgemacht, dass der Rundfunkbeitrag immer teurer wird, die Programme von immer weniger Menschen gesehen werden wollen und gleichzeitig die technische Entwicklung an Deutschland völlig vorbeigeht. Weniger öffentlicher-rechtlicher Rundfunk würde stattdessen der Branche insgesamt einen Innovationsschub ermöglichen, weil Verkrustungen aufgebrochen, Ressourcen besser verteilt würden und neue Angebote auf den Markt kämen. Denn nur der Wettbewerb sichert die Unabhängigkeit der Meinungsbildung jedes Einzelnen.

Im Mai 2015 hatte Prometheus ein Gutachten des Wettbewerbsökonomen Justus Haucap vorgelegt, das eine weitgehende Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vorschlug. Der mögliche Privatisierungserlös sollte in ein Stiftungsfonds eingebracht werden, mit dessen Mitteln gesellschaftlich bedeutsame Programminhalte (z.B. Bildungsfernsehen, bestimmte Kulturangebote oder Randsportarten) bezuschusst werden können. Der Inhalt des Gutachtens und seine Schlussfolgerungen sind heute noch gültig. Daran wird auch nicht die von der ARD Anfang 2019 in Auftrag gegebene Studie „Framing Manual – Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“ etwas ändern. Darin heißt es unter der beispielhaften linguistischen Umsetzung des moralischen Framings: „Kein Demokratiekapitalismus. Kein Rundfunkkapitalismus. Kein Informationskapitalismus.“ Die öffentlich-rechtliche Rundfunkordnung wird als Bollwerk gegen den Kapitalismus stilisiert. Gregor Gysi gefällt das bestimmt. Doch der Kapitalismus oder auch die Wettbewerbswirtschaft haben mit Sicherheit unendlich viel mehr für eine stabile Demokratie, eine pluralistische Gesellschaft und einen funktionierenden Rechtsstaat getan als der gesamte öffentliche-rechtliche Rundfunk in den 70 Jahren seines Bestehens.

 

4 Kommentare
  1. Bernd Schwiedrzik
    Bernd Schwiedrzik sagte:

    Gottseidank sind die Öffentlich-Rechtlichen eine weitgehend werbefreie Zone. Die möchte ich behalten. Werbeeinblendungen sind – außer für Blasenschwache – nicht nur eine lästige Störung, sondern oft sogar eine Barbarei. Im Filmschnitt, der eine Kunst für sich ist, sind sie nicht vorgesehen. Sie zerreißen das (mehr oder weniger) kunstvolle Gewebe.
    Das Jonglieren mit absoluten Zahlen können Sie sich sparen. Relevant sind die monatlich 86 c pro Haushalt, um die es aktuell geht, und die sind ‚pea nuts‘.
    Auch sind knapp 20 € pro Monat – und wären es selbst 25 € – nicht zu viel, wenn man von den oft infantilen Werbeeinblendungen verschont bleiben möchte.

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    • Claus Eisgruber
      Claus Eisgruber sagte:

      Werbung in Sendungen ist nervig und außerdem sind mittels Webespots finanzierte Sender von Einschaltquoten getrieben. Die Programme der Sender ähneln sich dadurch. Es kommt eine Art „Einheitsbrei“ heraus, der möglichst vielen gefallen soll. In den 80er Jahren lebte ich in Brasilien. Damals gab es dort nur private werbefinanzierte Sender und konnte das praktisch beobachten. Insofern stimme ich Ihnen also zu, lieber Herr Schwiedrzik.

      Allerdings: Gilt das Argument heute noch? Es ist doch inzwischen technisch möglich Programminhalte nur denen anzubieten, die dafür bezahlen. Somit können auch private Sender ein werbefreies Qualitätsprogramm anbieten- gegen entsprechende Bezahlung natürlich. Der Wettbewerb zwischen den Sendern wird dafür sorgen, dass das Programm gut und der Preis angemessen ist. Leute mit speziellem Geschmack werden das auf sie zugeschnittene Programm finden, genauso wie im übrigen Wirtschaftsleben ja auch jedes spezielle Bedürfnis von findigen Unternehmern entdeckt und befriedigt wird.

      Ich bin selbst kein Internet-Freak und es kann sein, dass gerade ältere Mitbürger praktische Schwierigkeiten haben würden ein für Sie passendes Programm an einem wettbewerblich organisierten Markt für Rundfunk- bzw. Fernsehprogramme zu finden. Insofern haben die öffentlich rechtlichen Sender schon noch ihre Berechtigung.
      Bei den jungen Leuten ist das aber anders und ich denke langfristig sollte der Weg auch beim Rundfunk in Richtung marktwirtschaftlichem Wettbewerb gehen.

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  2. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Die Linke ist nicht ganz so arm, wie sie immer gerne tut und es gibt ein undurchsichtiges Stasi-Geflecht der Linken, das größere Firmenvermögen verwaltet.

    Gysi war mal im Bundestag zum Rücktritt aufgefordert worden.
    Die Stasi-Akten-Beauftragte Marianne Birthler hatte in diesem Zusammenhang bekräftigt, nur Gysi könne „nach Aktenlage“ bestimmte Informationen als Informeller Mitarbeiter (IM) an die Stasi gegeben haben.

    Die Linke tut immer so, als würde sie die Interessen der kleinen Bürger vertreten. Wenn es aber darauf ankommt, dann fordert sie etwa die Lockerung der Schuldenbremse. Die Themenarbeit der Linken ist eher mäßig.

    Eine Urwahl gibt es bei der Linken nicht.

    Die SPD hingegen ist gleichzeitig ein Medienkonzern und sie besitzt Immobilien im Wert von 106 Millionen Euro.

    Um wichtige ehemalige SPD-Politiker ranken sich Gerüchte.
    Herbert Wehner stand zwar zu seiner Vergangenheit. Aber in welchem Maß er in die stalinschen Säuberungen verstrickt war, behielt er lieber für sich.

    Dann wollte doch seinerzeit der Verfassungsschutz die unbequemen Berichte eines Geheimdienst-Offiziers über Brandts Kontakte zu Stalins Truppe unter Verschluß halten – Details über die Exilzeit des verstorbenen SPD-Vorsitzenden

    Das sieht dann schon nach einer Plutokratie und weniger nach einer Demokratie aus.

    Ich finde es schon etwas komisch, dass immer dieselben Politiker /-innen der politischen Parteien und eher selten Experten zu Talkshows eingeladen werden.

    Claus Kleber ist Mitglied der Atlantik-Brücke und etwa Kuratoriumsmitglied des Aspen-Instituts. Er kassiert 600.000 EUR und Marietta Slomka bekommt immerhin 280.000 EUR jährlich.

    Aber auch Christian Lindner bekommt doch für Reden sehr üppige Beträge. Mitunter lese ich, dass er 26.000 EUR oder sogar rund 38.500 EUR für Vorträge bekommen hätte.

    Ähnlich bekommen Sebastian Kurz oder Emmanuel Macron hohe Spenden und sie lassen sich auch ihre Wahlkämpfe von Banken oder Konzernen finanzieren.

    In den USA gibt es das Kartell der Federal Reserve: acht Familien kontrollieren dort den Druck der Banknoten. Gleichzeitig ist der US-Dollar doch die Welt-Leitwährung.
    27’000 PR-Berater polieren zudem das Image der USA.

    Prescott Bush, Vater und Großvater zweier ehemaliger US-Präsidenten, war Geschäftsführer der Wall-Street-Bank Brown, die seinerzeit Gewinne aus der Zwangsarbeit in Ausschwitz zog.

    Jetzt versucht es doch China mit der Neuen Seidenstraße ein ähnliches System wie den US-Dollar als Gegenpol aufzuziehen, was aber sehr gefährlich ist.

    20 Familien regieren die Weltmacht China.

    Ähnlich ist auch Saudi Arabien eine Diktatur.

    Spiegel am 17.11.2018:
    CIA macht saudischen Kronprinzen für Khashoggi-Mord verantwortlich

    Etwa McKinsey soll dem dortigen Königshaus beim Kampf gegen Kritiker geholfen haben

    Saudi Arabien hatte auch Hillary Clintons Wahlkampf sehr erheblich unterstützt.

    Etwa in Russland gibt es bei Demonstrationen immer wieder Hunderte von Verhaftungen, so dass dies nicht so nicht so wirklich nach einer Demokratie aussieht.

    Unesco: Mehr als 900 Journalistenmorde (weltweit) innerhalb von zehn Jahren

    Dann weiß es nicht jeder, dass die City of London – der größte Finanzhandelsplatz der Welt – exterritoriales Gebiet ist und nicht zu Großbritannien gehört.

    Beim Zwangsrundfunk geht es insofern um alles Mögliche, aber ganz sicher nicht um unsere freie Meinung.

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  3. Bernhard Maxara
    Bernhard Maxara sagte:

    Deutlicher kann sich „Framing Manual“ nicht ausdrücken: Wir wollen Staatssozialismus, Rundfunksozialismus, Informationssozialismus. Aber ernten werden sie Abschaltsozialismus!

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